Entscheidungsstichwort (Thema)

Unabhängige Eigentumsstörungen als Teile eines einheitlichen selbstständigen Beweisverfahrens. Verfahrenskosten

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gehören auch dann zu den Kosten des Klageverfahrens, wenn nur Teile des Gegenstands eines selbstständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gegen den Antragsgegner gemacht werden (Anschluss an BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486])

b) Das gilt auch dann, wenn der Antragsteller mehrere von einander unabhängige Eigentumsstörungen zum Gegenstand eines einheitlichen selbstständigen Beweisverfahrens macht und nur eine davon zum Gegenstand der anschließenden Klage wird (Fortführung von BGH, Beschl. v. 22.7.2004 - VII ZB 9/03, BGHReport 2004, 1521 = EBE/BGH 2004, 299).

c) Soweit der Antragsteller und spätere Kläger den Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens mit der Klage gegen den Antragsgegner des Beweisverfahrens nicht aufgreift, können ihm dessen Kosten im Klageverfahren analog § 96 ZPO anteilig auferlegt werden, wenn er in der Hauptsache obsiegen sollte. Das ist regelmäßig angezeigt, wenn sich der Anspruch insoweit als unbegründet erwiesen hat (Fortführung von BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486]).

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 96, 494a

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 21.06.2004; Aktenzeichen 8 T 69/04)

AG Frankenthal (Pfalz)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Frankenthal v. 21.6.2004 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des AG Frankenthal v. 26.4.2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 475 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Mit Antrag auf selbstständige Beweissicherung v. 30.1.2003 machte der Antragsteller geltend, eine auf dem Grundstück der Antragsgegner stehende Fichte und dort stehende Birken seien umsturzgefährdet. Äste der Fichte ragten bis zu 3m auf sein Grundstück und störten auch durch Nadelwurf. Er werde in der Nutzung seines Grundstücks zudem von dem Blüten- und Laubfall der Birken beeinträchtigt. Der gerichtliche Sachverständige stellte die Standfestigkeit der Bäume fest. Innerhalb der ihm von dem AG gesetzten Frist erhob der Antragsteller gegen die Antragsgegner Klage auf Beseitigung der überhängenden Äste der Fichte. Diese ist im Berufungsverfahren bei dem LG Frankenthal anhängig.

Die Antragsgegner haben beantragt, dem Antragsteller 9/10 der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das LG dem Antragsteller unter Zurückweisung des weiter gehenden Antrags 3/4 der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens auferlegt. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.

Das Beschwerdegericht ist der Meinung, wenn der Antragsteller nur wegen eines Teils der im selbstständigen Beweisverfahren geltend gemachten Eigentumsstörungen Klage erhebe, seien über die Kosten der nicht weiter verfolgten Teile des Beweisverfahrens im Wege der Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO zu entscheiden. Diese machten hier 3/4 der Kosten aus, die dem Antragsteller aufzuerlegen seien.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Eine Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO ist unzulässig.

1. Der Erlass einer Teilkostenentscheidung scheidet nach Erhebung der Klage grundsätzlich aus. Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gehören nämlich zu den Kosten des Klageverfahrens (BGH, Beschl. v. 18.12.2002 - VIII ZB 97/02, MDR 2003, 596 = BGHReport 2003, 643 = NJW 2003, 1322 [1323]). Das steht nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung einer Entscheidung über einzelne Teile dieser Kosten außerhalb des Klageverfahrens entgegen. Voraussetzung ist aber, dass Parteien und der Streitgegenstand des Beweisverfahrens wie des Klageverfahrens identisch sind (BGH, Beschl. v. 18.12.2002 - VIII ZB 97/02, MDR 2003, 596 = BGHReport 2003, 643 = NJW 2003, 1322 [1323]; v. 24.6.2004 - VII ZB 34/03, BGHReport 2004, 1529 = BauR 2004, 1487 [1488]). Ob Identität in diesem Sinne angenommen werden kann, wenn nur Teile des Gegenstands eines selbstständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gemacht werden, war streitig. Der BGH hat dies nach Erlass der angefochtenen Entscheidung bejaht (BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486]).

2. In dem dem Beschluss zu Grunde liegenden Fall hatte der Antragsteller des selbstständigen Beweisverfahrens allerdings einen Teil eines einheitlichen Mängelbeseitigungsanspruchs im Wege der Teilklage geltend gemacht. Hier hat der Antragsteller demgegenüber ähnlich wie bei einer objektiven Klagehäufung vier Einzelne, in ihren Voraussetzungen von einander unabhängige Eigentumsstörungen zum Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens gemacht und nur eine dieser Eigentumsstörungen im Klageverfahren weiterverfolgt. Das ändert an der Beurteilung nichts. Die Identität beurteilt sich nicht danach, ob die im selbstständigen Beweisverfahren zu klärenden tatsächlichen Fragen einen oder mehrere materiellrechtliche Ansprüche betreffen oder ob sie auch Gegenstand gesonderter selbstständiger Beweisverfahren sein könnten. Entscheidend ist allein, was der Antragsteller zum Gegenstand des konkreten selbstständigen Beweisverfahrens gemacht hat und ob er diesen Gegenstand mit der Klage ganz oder teilweise gegen den Antragsgegner des selbstständigen Beweisverfahrens weiterverfolgt. Dies hat der BGH für den Fall der Geltendmachung mehrerer Mängel eines Werks entschieden (BGH, Beschl. v. 22.7.2004 - VII ZB 9/03, BGHReport 2004, 1521 = EBE/BGH 2004, 299). Für den hier vorliegenden Fall der Abwehr mehrerer Eigentumsstörungen gilt nichts Anderes. Sie bilden den einheitlichen Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens, das der Antragsteller gegen die Antragsgegner eingeleitet hat. Wie bei der Teilklage aus einem einheitlichen Anspruch besteht auch hier die Gefahr divergierender Kostenentscheidungen (dazu BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486]). Die Klage kann auf andere Teile des Beweisverfahrens erweitert, der Wert der Klage kann anders als der Anteil des mit ihr verfolgten Anspruchs am selbstständigen Beweisverfahren bestimmt werden. Den Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens hat der Antragsteller mit seiner Klage, wenn auch nur ausschnittweise, gegen die Antragsgegner als Beklagten weiterverfolgt. Damit ist Identität gegeben und eine selbstständige Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO ausgeschlossen.

3. Über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens ist deshalb insgesamt in dem anhängigen Klageverfahren zu entscheiden. Die Kosten eines im Klageverfahren nicht weiterverfolgten Teils des vorausgegangen selbstständigen Beweisverfahrens können dem Antragsteller analog § 96 ZPO auch dann auferlegt werden, wenn er in der Hauptsache obsiegen sollte (BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486]). Das kann auch zu einer anteiligen Verteilung der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens führen. Eine Auferlegung der Kosten analog § 96 ZPO ist regelmäßig dann angezeigt, wenn der Gegenstand der Klage, wie hier, deshalb wesentlich hinter dem Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens zurückbleibt, weil sich dort ergeben hat, dass der geltend gemachte Anspruch insoweit unbegründet war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1261805

NJW 2005, 294

BGHR 2005, 198

BauR 2005, 158

BauR 2005, 429

MDR 2005, 296

Rpfleger 2005, 113

BauSV 2005, 64

BrBp 2005, 166

GuT 2005, 28

NJW-Spezial 2005, 121

NZBau 2005, 43

BauRB 2005, 79

JbBauR 2006, 398

Mitt. 2005, 45

ProzRB 2005, 186

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