Leitsatz (amtlich)

a) Die Rechtsanwaltskammer ist durch die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, mit der ein Widerrufs- oder Versagungsbescheid bestätigt worden ist, an dem Erlass eines Zweitbescheids gehindert, wenn eine wesentliche Änderung der Sachlage nicht dargelegt ist und - deshalb - die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 51 VwVfG nicht vorliegen (Bestätigung von BGHZ 102, 252 ff.).

b) Soweit der Senat in Einzelfällen die Auffassung vertreten hat, dass die Zulassungsbehörde trotz Vorliegens eines durch eine rechtskräftige Entscheidung bestätigten Versagungsbescheids ohne Weiteres befugt sei, sich nicht auf die Rechtskraft dieser Entscheidung zu berufen, sondern ein wiederholtes Begehren des Antragstellers auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nochmals prüfen und sachlich zu bescheiden (vgl. Beschl. v. 17.12.2001 - AnwZ (B) 6/01, NJ 2002, 334), hält er hieran nicht fest.

c) Hat die Rechtsanwaltskammer das Verfahren aufgegriffen, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren, und - im wieder aufgegriffenen Verfahren - nach erneuter Prüfung das Anliegen des Antragstellers durch einen Zweitbescheid abschlägig beschieden, so steht auf dessen Rechtsmittel gegen diesen Bescheid die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über den Erstbescheid einer erneuten Sachprüfung durch die Gerichte entgegen.

 

Normenkette

BRAO § 6; VwVfG § 51

 

Verfahrensgang

AGH Dresden (Beschluss vom 15.12.2006; Aktenzeichen AGH 2/06 (II))

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Sächsischen AGH vom 15.12.2006 wird zurückgewiesen; der Hilfsantrag wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

[1] Der Antragsteller studierte seit 1981 in Passau und in Tübingen Rechtswissenschaft. In den Jahren 1988 und 1989 nahm er zweimal ohne Erfolg an der ersten juristischen Staatsprüfung in Baden-Württemberg teil. Im Februar 1990 beantragte er die Zulassung zum Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Nachdem die Universität die Zulassung mit Bescheid vom 22.2.1990 zunächst abgelehnt hatte, wurde der Antragsteller am 3.1.1991 mit Rückwirkung zum 31.8.1990 in das Register der Studierenden der rechtswissenschaftlichen Fakultät eingeschrieben und mit Schreiben des Dekans vom 16.5.1991 zur Diplomprüfung für Juristen zugelassen. Der Antragsteller erwarb am 23.6.1993 den akademischen Grad "Diplom-Jurist" und trat am 1.10.1993 den juristischen Vorbereitungsdienst im Freistaat Sachsen an, aus dem er durch Bescheid des Präsidenten des OLG Dresden vom 15.7.1996 unter gleichzeitiger Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen wurde; die zweite juristische Staatsprüfung legte er nicht ab. Am 30.4.1997 beantragte der Antragsteller seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 4 RAG. Der damals zuständige Präsident des OLG Dresden wies den Antrag zurück. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Sächsische AGH zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg (BGH vom 10.7.2000 - AnwZ (B) 44/99, NJW-RR 2001, 850).

[2] Mit Schreiben vom 17.8.2004 beantragte der Antragsteller bei der nunmehr zuständigen Antragsgegnerin ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Zulassungsverfahrens und stellte erneut den Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 4 RAG. Die Antragsgegnerin gab dem Antrag auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens mit Bescheid vom 11.5.2005 statt, lehnte aber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch Bescheid vom 4.1.2006 mit der Begründung ab, dass der Antragsteller zwar die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG erfülle, aber nicht über eine mindestens zweijährige Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf verfüge (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 RAG).

[3] Der AGH hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid vom 4.1.2006 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Zulassungsbegehren weiterverfolgt und hilfsweise die Feststellung beantragt, dass er die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG erfüllt.

II.

[4] Das Rechtsmittel ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BRAO), hat aber mit ihm in der Sache keinen Erfolg.

[5] 1. Der AGH hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, ob die Erwägungen, mit denen die Antragsgegnerin das Begehren des Antragstellers in ihrem Zweitbescheid vom 4.1.2006 zurückgewiesen hat, oder die Gründe des angefochtenen Beschlusses des AGHs zutreffen. Entscheidend ist, dass über das Zulassungsbegehren des Antragstellers durch den Senatsbeschluss vom 10.7.2000 (NJW-RR 2001, 850), mit dem der ablehnende Bescheid des Präsidenten des OLG vom 11.7.1997 bestandskräftig geworden ist, rechtskräftig entschieden wurde. Die Rechtskraft dieser Entscheidung steht einer erneuten Sachprüfung - und jeder abweichenden Entscheidung - entgegen.

[6] a) Entscheidungen in Zulassungssachen ergehen zwar im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 40 Abs. 4 BRAO, § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO). Als echte Streitentscheidungen sind sie aber der materiellen Rechtskraft fähig (st.Rspr.; BGHZ 102, 252, 254). Die materielle Rechtskraft bindet die Beteiligten auch im Verfahren der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (BGHZ 102, 252, 254).

[7] Dementsprechend ist die Rechtsanwaltskammer durch die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, mit der ein Widerrufs- oder Versagungsbescheid bestätigt worden ist, bei unveränderter Sachlage grundsätzlich daran gehindert, in eine erneute Sachprüfung einzutreten (BGHZ 102, 252, 254 m.w.N.; vgl. BVerfG NVwZ 1989, 141; BVerwGE 13, 99, 104; BVerwGE 35, 234, 236; BVerwG, Urt. v. 30.8.1988 - 9 C 47/87, NVwZ 1989, 161, 162; Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO 2007, § 121 Rz. 32). Auch wenn das Wiederaufgreifen des Verfahrens den Antragsteller, der eine erneute Sachprüfung begehrt, nicht beschwert, darf die Rechtsanwaltskammer diesem Begehren nicht nach ihrem Belieben nachkommen. Soweit der Senat in Einzelfällen die Auffassung vertreten hat, dass die Zulassungsbehörde trotz Vorliegens eines durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bestätigten Versagungsbescheids ohne Weiteres befugt sei, sich nicht auf die Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung zu berufen, sondern ein wiederholtes Begehren des Antragstellers auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nochmals zu prüfen und sachlich zu bescheiden (BGH, Beschl. v. 17.12.2001 - AnwZ (B) 6/01, NJ 2002, 334; vgl. BVerwGE 35, 234, 236), hält er hieran nicht fest. Die Rechtskraft steht einer erneuten Sachprüfung nur dann nicht entgegen, wenn sich der zugrunde liegende Sachverhalt in der Zwischenzeit wesentlich verändert oder ein Grund für die Wiederaufnahme des gerichtlichen Verfahrens vorliegt (etwa analog § 153 VwGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO) bzw. die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens analog § 51 VwVfG gegeben sind (BGHZ 102, 252, 254; BGH, Beschl. v. 9.12.1996 - AnwZ (B) 35/96, BRAK 1997, 124, 125; Beschl. v. 15.12.2003 - AnwZ (B) 5/03, ZVI 2004, 242; vgl. BVerfG NVwZ 1989, 141; BVerwGE 111, 77, 81).

[8] Wenn kein solcher Ausnahmefall gegeben ist, hat die Rechtskraft der ein Zulassungsbegehren zurückweisenden Entscheidung nicht nur zur Folge, dass die Rechtsanwaltskammer an einer erneuten Prüfung gehindert ist und ein Rechtsmittel gegen die Verweigerung des Wiederaufgreifens keinen Erfolg haben könnte. Sie zeitigt vielmehr, wenn die Rechtsanwaltskammer das Verfahren gleichwohl wieder aufgreift und nach erneuter Prüfung das Anliegen des Antragstellers durch einen Zweitbescheid erneut abschlägig bescheidet, auch Wirkungen in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren, in dem der Antragsteller Rechtsschutz gegen den negativen Zweitbescheid sucht. Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zwar zulässig. Er führt aber nicht ohne Weiteres zu einer Überprüfung der - unter Umständen von den Gründen des Erstbescheids abweichenden - Erwägungen, mit denen die Rechtsanwaltskammer den negativen Zweitbescheid begründet. Vielmehr haben die Gerichte - ohne Bindung an die Erwägungen der Zulassungsbehörde - zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gegeben waren. Nur wenn dies der Fall ist, können sie in die sachliche Überprüfung des Zweitbescheids eintreten. Anderenfalls muss es aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung über den Erstbescheid bei dessen Regelung bleiben (vgl. BVerwG NVwZ 1989, 161, 162; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rz. 102; Meyer in Knack, VwVfG, 7. Aufl., § 51 Rz. 12). Die Rechtskraft steht als prozessuales Institut, das auch dem öffentlichen Interesse dient, nicht zur Disposition der Beteiligten (vgl. BVerfG NVwZ 1989, 141, 142; BVerwG, Urt. v. 26.10.1961 - VIII C 117.60, DVBl. 1962, 265; Clausing, a.a.O., § 121 Rz. 31; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 322 Rz. 29).

[9] Aus dem Urteil des BVerwG vom 28.7.1989 (BVerwGE 82, 272 ff.), auf das sich der Antragsteller beruft, ergibt sich nichts Anderes. Das BVerwG nimmt auf die Rechtsprechung des BVerfG zu § 51 VwVfG (BVerfG, a.a.O.) Bezug und geht ebenfalls davon aus, dass die Rechtskraft einer erneuten Sachprüfung nur dann nicht entgegensteht, wenn ein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 153 VwGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO vorliegt oder die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG gegeben sind (BVerwG, a.a.O., 274 f.).

[10] b) Seit dem Erlass des Erstbescheids ist keine wesentliche Veränderung des Sachverhalts eingetreten. Die Voraussetzungen für die Durchbrechung der Rechtskraft liegen hier nicht vor. Einen Wiederaufnahmegrund i.S.d. §§ 578 ff. ZPO macht der Antragsteller nicht geltend. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Zulassungsverfahrens in analoger Anwendung des § 51 VwVfG sind nicht gegeben.

[11] aa) Der Antragsteller beruft sich darauf, dass er entgegen dem Senatsbeschluss vom 10.7.2000 (a.a.O.) und dem angefochtenen Beschluss des AGH die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG erfülle, weil die mit Rückwirkung zum 31.8.1990 erfolgte Immatrikulation vom 3.1.1991 rechtlich anders zu würdigen sei als im Senatsbeschluss vom 10.7.2000 und im jetzt angefochtenen Beschluss des AGH. Damit kann er nicht gehört werden. Dass der Antragsteller die Rechtslage anders sieht, als sie im Senatsbeschluss vom 10.7.2000 (a.a.O.) dargelegt worden ist, rechtfertigt kein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG.

[12] bb) Der im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bescheid des Dekans der rechtswissenschaftlichen Fakultät über die Zulassung des Antragstellers zur Diplomprüfung vom 16.5.1991 sowie der ebenfalls vorgelegte Aktenvermerk des Dekans vom 15.5.1991 über die Zulassung stellen keine neuen Beweismittel dar, die analog § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ein Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtfertigen könnten. Die Zulassung des Antragstellers zur Diplomprüfung war dem Senat im vorangegangenen Verfahren bekannt; er geht in seinem Beschluss vom 10.7.2000 ausdrücklich darauf ein (a.a.O., Tz. 15).

[13] cc) Soweit der Antragsteller in seinem erneuten Zulassungsantrag schließlich geltend gemacht hat, dass Akten des OLG Dresden zum Zeitpunkt des Senatsbeschlusses vom 10.7.2000 unvollständig gewesen und fehlende Unterlagen inzwischen aufgefunden worden seien, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Umstand für das Zulassungsbegehren des Antragstellers erheblich ist. Der Antragsteller hat dies im Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 4.10.2007 auch nicht näher dargelegt. Er beruft sich lediglich darauf, dass dem Senat der Zulassungsbescheid vom 16.5.1991 (nebst Aktenvermerk vom 15.5.1991) nicht vorgelegen habe. Darauf kommt es jedoch nicht an. Dem Senat war, wie ausgeführt, die Zulassung des Antragstellers zur Diplom-Prüfung bekannt. Der Bescheid selbst und der Aktenvermerk darüber enthalten keine über die Tatsache der Zulassung hinausgehenden Aussagen, die für die Anwendung des § 4 RAG von rechtlicher Bedeutung wären.

[14] dd) Auch das Vorbringen des Antragstellers zu seinen praktischen Tätigkeiten, welche die Zulassungsvoraussetzung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 RAG erfüllen sollen, rechtfertigt kein Wiederaufgreifen des Verfahrens. Der Antragsteller hat es auch insoweit an einer Darlegung neuer Tatsachen oder Beweismittel i.S.d. § 51 VwVfG fehlen lassen und sich darauf beschränkt, seine bereits im vorangegangenen Verfahren gewürdigten Tätigkeiten anzuführen.

[15] 2. Im Übrigen könnte der Antragsteller mit seinem Begehren selbst dann keinen Erfolg haben, wenn die Rechtsanwaltskammer das Verfahren zu Recht wieder aufgegriffen und durch die rechtskräftige Entscheidung über den Erstbescheid nicht an einer erneuten Prüfung und Entscheidung gehindert gewesen wäre. Wie der AGH zutreffend angenommen hat, steht dem Antragsteller - auch unter Berücksichtigung seines neuen Vorbringens - bei dem gegebenen Sachverhalt ein Anspruch auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 RAG nicht zu. Dieses Vorbringen bietet keinen Anhaltspunkt für eine vom Senatsbeschluss vom 10.7.2000 und der angefochtenen Entscheidung des AGH abweichende Beurteilung des Zulassungsbegehrens.

[16] a) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Satz 1 EinigungsV voraus, dass das Studium in der DDR vor dem 1.9.1990 aufgenommen worden war. Der Antragsteller trägt keine neuen Umstände vor, aus denen sich ergäbe, dass er das Studium in Jena entgegen den Feststellungen des Senatsbeschlusses vom 10.7.2000 vor dem 1.9.1990 begonnen hatte. Er beruft sich auch im vorliegenden Verfahren lediglich darauf, dass er im Sommer 1990, als er sich nach der Ablehnung seines Aufnahmeantrags (nochmals) um eine Aufnahme in das Studium bemüht habe, sich den Lehrbetrieb angeschaut und vereinzelte Lehrveranstaltungen zum Bodenrecht und zum ZGB besucht habe (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem AGH vom 24.11.2006, S. 3). Das aber ist, wie der Senat entschieden hat (Beschl. v. 10.7.2000, a.a.O., Tz. 13) und auch der AGH im angefochtenen Beschluss nochmals ausgeführt hat, einer (tatsächlichen) Aufnahme des Studiums vor dem 1.9.1990 nicht gleichzusetzen. Daran vermag der Umstand der rückwirkenden Immatrikulation zum 31.8.1990 nichts zu ändern. Für die Zulassungsvoraussetzung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG reicht eine rückwirkende Immatrikulation nicht aus; nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung muss der Bewerber mit dem Studium auch tatsächlich vor dem 1.9.1990 begonnen haben (Senatsbeschluss, a.a.O., Tz. 14).

[17] b) Soweit der Antragsteller in seinem Zulassungsantrag gemeint hat, der Senat sei in seinem Beschluss vom 10.7.2000 irrig davon ausgegangen, es liege eine manipulierte, unzulässige und rechtlich bedeutungslose Studienbescheinigung vor, trifft dies nicht zu. Derartige Ausführungen enthält der Senatsbeschluss nicht. Der Senat hat sich mit der rückwirkenden Immatrikulation befasst und hat offen gelassen, ob diese hochschulrechtlich zulässig ist, weil es darauf für die Entscheidung nicht ankam (a.a.O., Tz. 13).

[18] c) Fehl geht auch die Argumentation des Antragstellers, wonach er die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG allein deshalb erfülle, weil er bestandskräftig zur Diplomprüfung zugelassen worden sei und die Prüfung auch bestanden habe. Dies trifft nicht zu. § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG setzt nicht lediglich eine bestandene Diplomprüfung voraus. Vielmehr ist der Erwerb des akademischen Grades eines Diplom-Juristen nur dann als ein Abschluss i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG anzuerkennen, wenn der Bewerber, wie der Senat in seinem Beschluss vom 10.7.2000 (a.a.O., Tz. 10, 15) und auch der AGH im angefochtenen Beschluss ausgeführt haben, das Studium im Beitrittsgebiet (tatsächlich) vor dem 1.9.1990 aufgenommen hat; nur mit dieser Maßgabe findet § 4 Abs. 1 RAG nach dem Einigungsvertrag Anwendung (Art. 37 EV i.V.m. Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 8y hh).

[19] d) Ohne Erfolg macht der Antragsteller schließlich geltend, dass er (auch) die Zulassungsvoraussetzung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 RAG erfülle. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 10.7.2000 unter Bezugnahme auf die damals angefochtene Entscheidung des AGH darauf hingewiesen, dass der Antragsteller nicht auf eine mindestens zweijährige Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf verweisen kann (a.a.O., Tz. 16). Das Vorbringen des Antragstellers gibt keine Veranlassung für eine vom Senatsbeschluss vom 10.7.2000 abweichende Beurteilung der praktischen Tätigkeiten des Antragstellers. Insoweit nimmt der Senat auch auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des AGH Bezug.

III.

[20] Der in der Beschwerdeinstanz erstmals erhobene (Zwischen-) Feststellungsantrag ist unzulässig. Der angerufene Senat ist für eine erstinstanzliche Entscheidung funktionell unzuständig. Der Anwaltssenat des BGH ist - abgesehen von den hier nicht vorliegenden Fällen der §§ 163, 191 BRAO - ausschließlich Rechtsmittelgericht (BGH, Beschl. vom 17.6.1996 - AnwZ 1/96). Unabhängig davon entscheidet der AGH in anderen als den in § 42 Abs. 1 BRAO genannten Fällen abschließend (BGH, Beschl. vom 1.7.2002 - AnwZ (B) 46/01, NJW-RR 2002, 1641, 1642). Für eine über § 42 Abs. 1 BRAO hinausgehende Eröffnung der Beschwerdemöglichkeit ist jedenfalls dann kein Raum, wenn dem Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen schon dadurch genügt wird, dass ihm die sofortige Beschwerde im Rahmen der in der Bundesrechtsanwaltsordnung vorgesehenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage offen steht (BGH NJW-RR 2002, 1641, 1642). Aus den dargelegten Gründen wäre der Antrag im Übrigen auch unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2070827

BGHR 2009, 104

EBE/BGH 2008

NJW-RR 2009, 138

AnwBl 2009, 66

MDR 2009, 115

NJW-Spezial 2008, 767

BRAK-Mitt. 2008, 272

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