Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Kürzung des Inklusivstundensatzes des umsatzsteuerbefreiten Berufsbetreuers (Kleinunternehmer)

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Berufsbetreuer, der gem. § 19 Abs. 1 UStG nicht umsatzsteuerpflichtig ist, hat Anspruch auf den vollen Stundensatz des § 4 Abs. 1 VBVG. Eine Kürzung in Höhe der Umsatzsteuer findet nicht statt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Einbeziehung der Umsatzsteuer in die festen Stundensätze des § 4 Abs. 1 VBVG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Aus der unterschiedlich hohen Umsatzsteuerpflicht verschiedener Betreuergruppen folgt keine unzulässige Ungleichbehandlung, da die sich daraus ergebende unterschiedliche Vergütung nicht auf § 4 VBVG, der gerade einen einheitlichen Stundensatz festlegt, sondern allein auf die Regelungen des Umsatzsteuergesetzes zurückzuführen ist.

 

Normenkette

BGB § 1908i Abs. 1 S. 1, § 1836 Abs. 1 S. 3; VBVG § 4; UStG § 19 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 14.03.2012; Aktenzeichen 5 T 151/12)

AG Darmstadt (Entscheidung vom 24.02.2012; Aktenzeichen 505 XVII 959/10 (C))

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 14.3.2012 wird auf Kosten der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betreuerin), die im Juli 2011 zur Berufsbetreuerin der Betroffenen bestellt wurde und als Kleinunternehmerin nach § 19 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist, verlangt Festsetzung ihrer Vergütung aus der Staatskasse für die Zeit vom 15.9.2011 bis 14.12.2011i.H.v. 502,50 EUR ausgehend von einem Stundensatz von 33,50 EUR.

Rz. 2

Das AG hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Staatskasse) hat das LG zurückgewiesen.

Rz. 3

Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Staatskasse eine Kürzung des Stundensatzes von 33,50 EUR um die Umsatzsteuer von 19 %.

II.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 70 Abs. 1 FamFG), und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Rz. 5

1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Betreuerin habe gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG Anspruch auf den vollen Stundensatz von 33,50 EUR. Aus diesem Stundensatz sei auch dann, wenn - wie hier - der Berufsbetreuer nach § 19 UStG als Kleinunternehmer nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliege, die Umsatzsteuer nicht herauszurechnen. Eine solche Kürzung ergebe sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dem Sinn und Zweck der Pauschalierung.

Rz. 6

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

Rz. 7

Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die gem. § 19 Abs. 1 UStG nicht umsatzsteuerpflichtige Betreuerin einen Anspruch auf Vergütung des ungekürzten in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG festgelegten Stundensatzes von 33,50 EUR hat.

Rz. 8

a) Entgegen der Ansicht der Staatskasse ist bei der Berechnung der Vergütung für einen nicht umsatzsteuerpflichtigen Betreuer die Umsatzsteuer nicht aus den Stundensätzen des § 4 Abs. 1 VBVG heraus zu rechnen (vgl. OLG München FamRZ 2006, 1152; OLG Stuttgart FGPrax 2007, 131; LG Frankenthal FamRZ 2006, 1482; LG Mönchengladbach FamRZ 2006, 1229; Deinert/Lütgens Die Vergütung des Betreuers 6. Aufl. Rz. 1858; Knittel Betreuungsrecht Stand 1.9.2012 § 4 VBVG Rz. 60; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 2. Aufl., § 4 VBVG Rz. 42; Fröschle in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 4 VBVG Rz. 30; a.A. AG Ludwigshafen FamRZ 2006, 361; Zimmermann FamRZ 2006, 1802, 1808).

Rz. 9

Diese Auslegung folgt aus dem Wortlaut und dem Zweck von § 4 VBVG.

Rz. 10

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VBVG beträgt der Stundensatz des Berufsbetreuers 27 EUR. Er erhöht sich gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG, wenn der Betreuer über besondere für die Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, die er durch eine bestimmte Art der Ausbildung erworben hat. Mit diesen Stundensätzen sind gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 VBVG auch die anlässlich der Betreuung entstandenen Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer mit abgegolten.

Rz. 11

Unter Berücksichtigung des mit der Einführung der Pauschalvergütung für Berufsbetreuer verfolgten Ziels, das Abrechnungssystem zu vereinfachen, ist § 4 Abs. 2 VBVG dahin zu verstehen, dass unabhängig davon, ob und in welcher Höhe Aufwendungen entstanden sind oder Umsatzsteuer angefallen ist, stets der in § 4 Abs. 1 VBVG festgelegte Stundensatz zu erstatten ist. Das ergibt sich für die Umsatzsteuer darüber hinaus aus der Gesetzesbegründung des § 4 VBVG, wonach die Stundensätze neben dem Vergütungsanspruch auch den Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer abgelten sollen, "wenn eine solche erhoben wird" (BT-Drucks. 15/4874, 31). Daraus folgt, dass auch dann, wenn keine Umsatzsteuer anfällt, der volle Stundensatz des § 4 Abs. 1 VBVG zu vergüten ist.

Rz. 12

Den dadurch eintretenden Vorteil für Berufsbetreuer, die keine oder wie Betreuungsvereine nur eine geringere Umsatzsteuer zahlen, hat der Gesetzgeber nicht nur gebilligt, sondern für Betreuungsvereine sogar ausdrücklich als gezielte Förderung bezeichnet (BT-Drucks. 15/4874, 31).

Rz. 13

b) Die Einbeziehung der Umsatzsteuer in die festen Stundensätze des § 4 Abs. 1 VBVG verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Rz. 14

Aus der unterschiedlich hohen Umsatzsteuerpflicht verschiedener Betreuergruppen folgt keine unzulässige Ungleichbehandlung, da die sich daraus ergebende unterschiedliche Vergütung nicht auf § 4 VBVG, der gerade einen einheitlichen Stundensatz festlegt, zurückzuführen ist, sondern allein auf die Regelungen des Umsatzsteuergesetzes (BVerfG FamRZ 2009, 1123; OLG München FamRZ 2006, 1152, 1153).

 

Fundstellen

BFH/NV 2013, 1214

HFR 2013, 1063

EBE/BGH 2013

FamRZ 2013, 872

FuR 2013, 401

NJW-RR 2013, 1156

FGPrax 2013, 166

JurBüro 2013, 372

BtPrax 2013, 108

JZ 2013, 353

MDR 2013, 1136

NJ 2013, 6

Rpfleger 2013, 447

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