Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändung der Eigentumsanwartschaft eines Auflassungsempfängers

 

Leitsatz (amtlich)

Die Pfändung der Eigentumsanwartschaft eines Auflassungsempfängers, dessen Umschreibungsantrag beim Grundbuchamt schwebt, wird mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an ihn wirksam; der Zustellung an den Veräußerer bedarf es nicht.

Wird die Eigentumsanwartschaft eines Auflassungsempfängers (Schuldners) gepfändet, dessen Umschreibungsantrag beim Grundbuchamt schwebt, so erwirbt mit dem Übergang des Eigentums auf den Schuldner der Pfändungsgläubiger für seine Forderung eine Sicherungshypothek, die den vorher vom Schuldner bewilligten Grundpfandrechten im Rang vorgeht.

 

Normenkette

BGB §§ 873, 925; ZPO §§ 857, 829; AO § 371; ErbStG 2009 § 13a Abs. 4; BGB § 878; ZPO § 848; AO § 368

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG

LG Lübeck

AG Eutin

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Finanzamts Eutin wird der Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 10. Juni 1966 insoweit aufgehoben, als er der Beschwerde der Antragstellerin stattgegeben hat.

Auch in diesem Umfang wird die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Eutin vom 26. Mai 1966 zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens zu tragen.

Beschwerdewert des landgerichtlichen Verfahrens: 24.475 DM.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und ihr Ehemann haben das Grundstück, das sie am 29. Juni 1964 vom Voreigentümer gekauft hatten, (nach Vermessung) am 17. Mai 1965 zu je 1/2 Miteigentum aufgelassen erhalten. Am 25. August 1965 beantragten sie beim Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung sowie nacheinander die Eintragung von 6 Grundpfandrechten am Grundstück, die sie am 20. August 1965 bestellt hatten, darunter drei Grundschulden von je 10.000 DM für die Antragstellerin selbst. Am 26. November 1965 ordnete der Antragsgegner die Pfändung des Anwartschaftsrechts der Antragstellerin auf das Grundstück wegen Steuerforderungen in Höhe von 24.475,10 DM nebst Säumniszuschlägen an; am 1. Dezember 1965 stellte er der Antragstellerin die Anordnung zu, am 31. Dezember 1965/8. Januar 1966 beantragte er auf Grund der Pfändung beim Grundbuchamt u.a. die Umschreibung des Miteigentumsanteils auf die Antragstellerin sowie die Eintragung der aus der Pfändung abgeleiteten Sicherungshypothek am Miteigentumsanteil der Antragstellerin.

Am 18. Januar 1966 hat das Grundbuchamt (unter Anlegung eines neuen Grundbuchblattes) das Miteigentum der Antragstellerin und ihres Ehemannes sowie die Sicherungshypothek des Antragsgegners eingetragen (Abteilung III Nr. 3), sodann (nach Kostenzahlung durch die Antragstellerin) am 2. Februar 1966 die übrigen Pfandrechte (Abt. III Nr. 4 – 9), darunter die drei Grundschulden der Antragstellerin (Abteilung III Nr. 6 – 8).

Die Antragstellerin, die inzwischen durch Erwerb des Miteigentums ihres Ehemannes Alleineigentümerin des Grundstücks geworden ist, hat die Eintragung eines Widerspruchs gegen den Eintrag der Hypothek des Antragsgegners im Rang vor den übrigen Grundpfandrechten beantragt.

Das Amtsgericht – Grundbuchamt – hat den Antrag als unbegründet abgelehnt. Das Landgericht hat auf die Beschwerde der Antragstellerin hinsichtlich ihrer drei Grundschulden die Eintragung des Widerspruchs angeordnet.

Mit der weiteren Beschwerde begehrt der Antragsgegner insoweit Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Antragsablehnung.

Das Oberlandesgericht möchte weitere Beschwerde als unbegründet zurückweisen, sieht sich aber daran durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Bremen vom 25. Mai 1954 – 1 W 104/54, NJW 1954, 1689 – gehindert und hat sie deshalb dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II.

Ein Vorlegungsfall nach § 79 Abs. 2 GBO ist gegeben. Die Vorlegung betrifft die Frage, ob eine Pfändung des Eigentumsanwartschaftsrechts des Auflassungsempfängers, die dessen Grundbuchanträgen auf Eigentumsumschreibung und auf Eintragung von Grundpfandrechten für andere Gläubiger zeitlich nachfolgt, zu einer Sicherungshypothek für den Pfändungsgläubiger führt, die den genannten anderen Grundpfandrechten im Rang vorgeht. Diese Frage will das vorlegende Oberlandesgericht verneinen und damit bei Auslegung der das Grundbuchrecht betreffenden (vgl. RGZ 146, 308, 311) Vorschriften der §§ 873, 878, 925 BGB, §§ 857, 829 848, 866 ZPO von der genannten, auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen abweichen, das die Frage bejaht. Der Bundesgerichtshof ist daher zur Entscheidung über die weitere Beschwerde zuständig (§ 79 Abs. 3 GBO).

Gegen die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde (§ 78 GBO) sowie gegen die Beschwerde des Antragsgegners (§ 20 FGG) bestehen keine Bedenken.

Das Rechtsmittel ist begründet.

III.

Das Finanzamt hat die Pfändung der Eigentumsanwartschaft der Antragstellerin angeordnet. Die Anordnung beruht auf §§ 325 ff., 371 der Abgabenordnung (AO), die in hier einschlägiger Hinsicht keine sachlichen Änderungen erfahren haben (vgl. Art. 1 Nr. 6 ff., Art. 5 Abs. 5, Art. 7 AOÄG vom 15. September 1965, BGBl. I 1356; § 162 Nr. 41 ff., § 184 Abs. 1 FGO vom 6. Oktober 1965, BGBl. I 1477). Die Pfändungsanordnung ist ein Verwaltungsakt mit privatrechtlichen Wirkungen (Pfandrecht am gepfändeten Gegenstand, § 344 AO). Ihre Wirksamkeit ist Vorfrage für die hier zu treffende Entscheidung über den Widerspruch im Grundbuch, der den Rang, der aus der Pfändung abgeleiteten Sicherungshypothek des Finanzamts gegenüber den drei Grundschulden der Antragstellerin betrifft. Das ordentliche Gericht ist daher im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 71 ff. GBO) auch zur Entscheidung darüber berufen, ob die Pfändungsanordnung den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen, jedenfalls in formeller Hinsicht, genügt (vgl. BGHZ 4, 302, 304 ff.).

Die für die Anwartschaftspfändung einschlägigen Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (§ 371 Abs. 1 und 2, § 361 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 368 Abs. 3, Fassung unverändert) decken sich sachlich völlig mit den entsprechenden Bestimmungen der Zivilprozeßordnung (§ 857 Abs. 1 und 2, § 829 Abs. 1 und 3, § 848), abgesehen davon, daß statt des Vollstreckungsgerichts das Finanzamt selbst als Gläubiger für die Vollstreckungsmaßnahmen zuständig ist (vgl. die Kommentare zur Abgabenordnung von Becker/Riewald/Koch, 9. Aufl. 1966 § 371 Anm. 2 und von Kühn, 7. Aufl. 1966 § 371 Anm. 1). Infolgedessen bestehen keine Bedenken, sie ebenso auszulegen wie die genannten Vorschriften der Zivilprozeßordnung. Daher ist die Frage, ob die Pfändung der Eigentumsanwartschaft des Auflassungsempfängers nur diesem als Vollstreckungsschuldner oder auch dem Grundstückseigentümer als Drittschuldner zugestellt werden muß, bei einer Pfändung durch das Finanzamt (§ 371 AO) ebenso zu entscheiden wie bei einer Pfändung durch das Vollstreckungsgericht (§ 857 ZPO, vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zu Abgabenordnung, § 371 Rdnr. 3, 10, 13, 17, 18).

IV.

a) Sowohl die Antragstellerin als Grundschuldgläubigerin als auch das Finanzamt als Anwartschaftspfändungsgläubiger leiten ihre Rechte von der Rechtsstellung der Antragstellerin als seinerzeitiger Auflassungsempfängerin her. Deren Rechtsstellung ist daher zunächst zu untersuchen. Es ist die Rechtsstellung eines Auflassungsempfängers, dessen Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt schwebt.

Bereits die bloße Auflassung bewirkt eine Bindung des Veräußerers in dem Sinn, daß er sie nicht widerrufen kann (§ 925, vgl. § 873 Abs. 2 BGB); sie bewirkt allerdings keine Verfügungsbeschränkung, der Veräußerer kann vielmehr das Grundstück nach wie vor anderweitig veräußern und belasten und auch einen von ihm gestellten Antrag auf Eintragung des Auflassungsempfängers als Eigentümer wieder zurücknehmen (Senatsurteil BGHZ 45, 186, 190). Die Rechtsstellung des Auflassungsempfängers verstärkt sich erheblich, wenn er selbst den Antrag auf Eintragung als Eigentümer stellt; denn nach § 17 GBO muß das Grundbuchamt, seinen Antrag, solange er ihn aufrecht erhält, vor zeitlich nachfolgenden Eintragungsanträgen erledigen, und dadurch werden im Normalfall spätere Eintragungsanträge gegenstandslos, die der Auflassung widersprechende Verfügungen des Veräußerers zum Gegenstand haben (Senatsurteil a.a.O. 191). Dementsprechend erkennt die heute wohl allgemeine Meinung dem Auflassungsempfänger bei unerledigtem eigenem Umschreibungsantrag zutreffend ein Vermögensrecht zu, das übertragen, verpfändet und gepfändet werden kann (KG JFG 4, 339, 343/44; 14, 131; BayObLG JFG 9, 234; OLG Dresden SeuffArch 61 Nr. 234; Soergel/Siebert, BGB 9. Aufl. § 1287 Randn. 9; Baur, Lehrbuch des Sachenrechts 3. Aufl., § 19 B 1 II c bb und bei Soergel/Siebert a.a.O. § 925 Randn. 43; Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, Dissertation 1962 S. 178, 198; Hieber, DNotZ 1954, 175; Hoche, NJW 1955, 652, 931 ff. und bei Palandt, BGB 26. Aufl. § 925 Anm. 6 b, § 1287 Anm. 2 b; Horber, NJW 1955, 140; Marcuse, JW 1923, 41; Ronke, Festschrift für Nottarp 1961 S. 91 ff., 97 und bei Ermann, BGB 3. Aufl. § 925 Anm. 6 e, § 1274 Anm. 2; Röwer, NJW 1961, 539/40; Westermann, Lehrbuch des Sachenrechts 5. Aufl. § 76 I 5; Wolff/Raiser, Lehrbuch des Sachenrechts 10. Bearb., § 61 II).

Dieses Recht ist mit der ganz überwiegenden Meinung als Anwartschaftsrecht anzusehen.

Daß es Anwartschaftsrechte gibt, erkennt auch die Rechtsprechung seit langem an (s. Pikart, WM 1962, 1230). Voraussetzung eines Anwartschaftsrechts ist, daß von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, daß von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechts Beteiligte nicht mehr durch eine einseitige Erklärung zu zerstören vermag (Senatsurteile BGHZ 27, 360, 368; 37, 319, 321; 45, 186, 188/89). An die Bejahung dieses Erfordernisses sind allerdings nicht geringe Anforderungen zu stellen. So hat der beschließende Senat ein Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers und damit ein sonstiges Recht im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB verneint nicht nur für den Fall, daß ein Umschreibungsantrag überhaupt nicht oder nur vom Veräußerer gestellt war, sondern auch für den Fall, daß ein Umschreibungsantrag vom Auflassungsempfänger selbst gestellt, aber vom Grundbuchamt (wenn auch nur erstinstanzlich) zurückgewiesen worden war, weil auch hier die Bahn für dem Grundbuchvollzug widersprechende Verfügungen des Veräußerers frei war (BGHZ 45 a.a.O.). Die Frage, ob der Auflassungsempfänger dann ein Anwartschaftsrecht hat, wenn sein Umschreibungsantrag gestellt und noch nicht erledigt ist, wurde in jenem Urteil ausdrücklich offen gelassen. Sie wird nunmehr vom Senat bejaht.

Die Rechtsposition des Auflassungsempfängers ist in diesem Fall ausreichend gesichert durch seine geschilderte Möglichkeit, den später beantragten Grundbuchvollzug von beeinträchtigenden Verfügungen des Veräußerers durch Aufrechterhaltung seines eigenen Umschreibungsantrags gegenstandslos zu machen. Zwar ist der einschlägige § 17 GBO nur eine Ordnungsvorschrift, bei einem Verstoß gegen ihn ist daher ein das Recht des Auflassungsempfängers beeinträchtigender Rechtserwerb eines Dritten nicht ausgeschlossen. Aber das steht der Annahme eines Anwartschaftsrechts nicht entgegen: Das Erfordernis einer gesicherten Rechtsposition bedeutet nicht, daß ihre Zerstörung unter allen Umständen ausgeschlossen sein muß – in diesem Sinn ist nicht einmal das Eigentum selbst gesichert, da es durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten zerstört worden kann –; auch für ein Anwartschaftsrecht genügt es, wenn die Beeinträchtigung der Rechtsposition nach dem normalen Verlauf der Dinge ausgeschlossen ist. Das trifft aber wegen § 17 GBO auf die Stellung des Auflassungsempfängers bei schwebendem eigenem Umschreibungsantrag zu.

b) Für die Frage, wie die Verfügung über ein Anwartschaftsrecht getroffen wird, scheint sich der Satz anzubieten, daß das Anwartschaftsrecht dem entsprechenden Vollrecht (hier: dem Eigentum) gleich zu behandeln sei. Dieser Satz ist jedoch nur mit Einschränkung richtig, nämlich insoweit, als die für die Behandlung des Vollrechts maßgebenden Gesichtspunkte auch schon für das Anwartschaftsrecht zutreffen; andernfalls sind die Behandlungsmaßstäbe des Anwartschaftsrechts anderswo als beim Vollrecht zu suchen (so zutreffend Forkel a.a.O. S. 172 ff.; vgl. Ronke, Festschrift a.a.O. S. 100 Fußnote 64).

Für die Übertragung des Anwartschaftsrechts des Auflassungsempfängers fordert die ganz überwiegende Meinung (KG JFG 4 a.a.O., Baur, Forkel, Hoche, Raiser, Ronke, Soergel/Siebert; anders Hieber a.a.O.) Auflassung ohne Grundbucheintragung.

Die Verpfändung jenes Anwartschaftsrechts, vollzieht sich entgegen der Gleichbehandlungsregel nicht wie die Verpfändung des Vollrechts, sondern in Anlehnung an § 1274 BGB wie die Übertragung des Anwartschaftsrechts, also wieder durch Auflassung ohne Grundbucheintragung (siehe insbesondere Hoche, NJW 1955, 653) Das ist sachgerecht. Eine Gleichbehandlung mit der Verpfändung des Vollrechts scheitert daran, daß letztere in der Bestellung eines Grundpfandrechts besteht und dieses Rechtsinstitut nicht nur wegen seiner Eintragungsbedürftigkeit, sondern auch wegen seiner Aufspaltung in mehrere Pfandrechtstypen (Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld) und wegen seiner überaus differenzierten Behandlung im Gesetz (Briefrecht, Buchrecht, Verkehrshypothek, Sicherungshypothek) nicht paßt. Ob außer der Auflassung eine Anzeige an den Veräußerer in Anlehnung an § 1280 BGB erforderlich ist, stellt eine Streitfrage dar, die im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden braucht (vgl. darüber Hoche a.a.O.).

Die Pfändung des Anwartschaftsrechts des Auflassungsempfängers vollzieht sich ebenfalls entgegen der Gleichbehandlungsregel nicht wie die Zwangsvollstreckung in das Vollrecht, sondern – entsprechend der Verpfändung – nach der subsidiären Generalvorschrift für Vermögensrechte in der Mobiliarvollstreckung, nämlich § 857 ZPO. Dies ist im Anschluß an die Rechtsprechung des Kammergerichts (JFG 4, 339) seit langem mit Recht anerkannt. Eine Anlehnung an das Immobiliarvollstreckungsrecht (so Kuru, Übertragung und Pfändung der Anwartschaftsrechte auf Eigentumserwerb an beweglichen Sachen und Grundstücken, Dissertation Münster 1958 S. 83, 115) wäre besonders unpraktikabel, weil der beim Anwartschaftsrecht nicht mögliche Grundbucheintrag bei Grundstückszwangsversteigerung und Grundstückszwangsverwaltung wesentliche Verfahrensgrundlage und bei der Zwangshypothek (§ 866 ZPO) sogar alleinige Entstehungsvoraussetzung ist.

Ähnlich wie bei der Verpfändung bezüglich der Anzeige an den Veräußerer ist auch bei der Pfändung der Anwartschaft des Auflassungsempfängers bestritten, ob die Pfändungsanordnung des Vollstreckungsgerichts (§§ 857 Abs. I, 828 ff. ZPO) nur dem Auflassungsempfänger als Vollstreckungsschuldner oder auch dem Grundstücksveräußerer als Drittschuldner zuzustellen ist; nach der ersteren Auffassung wird die Pfändung mit der Zustellung an den Auflassungsempfänger wirksam (§ 857 Abs. 2 ZPO), nach der letzteren nur mit der Zustellung an den Veräußerer (§ 857 Abs. 1 in Verbindung mit § 829 Abs. 3 ZPO). Die herrschende Meinung verneint die Notwendigkeit der Zustellung auch an den Veräußerer im Anschluß an die Rechtsprechung des Kammergerichts, und des Bayrischen Obersten Landesgerichts (KG JFG 4, 339, 344/45; 14, 13 = JW 1936, 3335: BayObLG 9, 233 = HRR 1932 Nr. 1389; Güthe/Triebel, GBO 5. Aufl. § 14 Randn. 4; Horber, GBO, 9. Aufl. Anhang § 26 Anm. 13 B a; Meikel/Imhof/Riedel GBO 5. Aufl. § 20 Randn. 29; Stein/Jonas/Schönke/Pohle, ZPO 18. Aufl. § 848 Fußn. 8; Sydow/Busch ZPO 22. Aufl. § 857 Anm. 3; Zöller, ZPO 9. Aufl. Anm. I 1). Bejaht wird das genannte Zustellungserfordernis insbesondere von Hoche (NJW 1955, 933; ebenso LG Wuppertal, NJW 1963, 1255; Thomas/Putzo ZPO 2. Aufl. § 857 Anm. 3, Schönke/Baur Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht 7. Aufl. § 26 II 2 b; wohl auch Ronke, Festschrift S. 105/6 und bei Ermann, BGB 3. Aufl. § 925 Anm. 6 e; sowie hinsichtlich des gegenwärtigen Rechtsträgers bei Anwartschaften allgemein: Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts 9. Aufl., § 195 II 1 und mit Einschränkung Wieczorek, ZPO § 857 F I e). Der Senat folgt der verneinenden Ansicht:

Drittschuldner im eigentlichen Wortsinn (§ 829 ZPO) ist der Grundstückseigentümer nicht, weil Gegenstand dieser Pfändung nicht ein Anspruch im technischen Sinn, etwa der schuldrechtliche Anspruch des Auflassungsempfängers auf Eigentumsübertragung ist (Darüber, ob ein solcher Anspruch nach Auflassung noch besteht, vgl. Hoche a.a.O. mit Nachweisen). Zu verneinen ist aber auch eine entsprechende Anwendung des § 829 Abs. 2 und 3 ZPO auf den vorliegenden Fall. Zwar hat die Rechtsprechung im Rahmen des § 857 ZPO als Drittschuldner in einzelnen Fällen nicht nur Schuldner von Ansprüchen im technischen Sinne anerkannt, sondern auch Inhaber von Rechten, die von der Pfändung berührt wurden (Baumbach/Lauterbach, ZPO 29. Aufl. § 857 Anm. 2), Personen, die an dem gepfändeten Recht außer dem Vollstreckungsschuldner irgendwie beteiligt waren (Rosenberg a.a.O.): so bei der Pfändung eines Miteigentumstanteils die übrigen Miteigentümer (BGB Urteil vom 24. Mai 1954, IV ZR 184/53, NJW 54, 1325), bei der Pfändung eines Erbteils die übrigen Miterben (RGZ 49, 405, 407) sowie bei der Pfändung des Anwartschaftsrechts des Vorbehaltskäufers einer beweglichen Sache der Veräußerer (BGH Urteil vom 24. Mai 1954 a.a.O. mit Anm. Johannsen, LM ZPO § 857 Nr. 2; vgl. schon KG SeuffArch 65 Nr. 18 in Text und Anm. 1). Aber unter diesen drei Fällen unterscheiden sich die beiden ersten (Miteigentums- und Erbteilspfändung) vom vorliegenden Fall dadurch, daß dort das gepfändete Recht selbst schon seiner Natur nach mit dem Recht des Dritten in einem derartigen inneren Zusammenhang steht, daß es zu dessen Lösung einer Auseinandersetzung bedarf (RGZ a.a.O. S. 407 oben), während sich der Zusammenhang zwischen der Anwartschaft des Auflassungsempfängers und dem Recht des Veräußerers (Eigentum) durch den Grundbuchvollzug von selbst löst, ohne daß eine Auseinandersetzung oder sonstige auf Lösung abzielende materiellrechtliche Maßnahmen des einen oder anderen Teils erforderlich sind. Eine Auseinandersetzung hinsichtlich des Eigentums ist allerdings auch zwischen Vorbehaltsverkäufer und -käufer nicht erforderlich; ob deshalb der genannten Entscheidung des IV. Zivilsenats in der Drittschuldnerfrage beizutreten ist, kann jedoch offen bleiben, da dies im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist. Was die Wirkung der genannten Verfügungen über die Anwartschaft des Auflassungsempfängers anlangt, so wird für ihre Übertragung anzunehmen sein, daß der Erwerber die Eigentumsumschreibung unmittelbar vom Eigentümer auf sich beantragen kann und mit ihrem Grundbuchvollzug das Eigentum unmittelbar vom Eigentümer erwirbt, ohne daß ein Zwischenerwerb des Eigentums durch den Auflassungsempfänger und Anwartschaftsveräußerer stattfindet und ohne daß dessen Zustimmung nötig ist. Dies entspricht dem Wesen eines Anwartschaftsrechts und der Rechtsprechung, die der Bundesgerichtshof für das vergleichbare Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers einer beweglichen Sache entwickelt hat (BGHZ 20, 88, 97 ff.; 28, 16, 21).

Der Verpfändung des Anwartschaftsrechts schreibt die herrschende Meinung die Wirkung zu, daß der Pfandgläubiger im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs des Auflassungsempfängers, also seiner Eigentümereintragung, im Grundbuch, in Anlehnung an § 1287 BGB kraft Gesetzes eine Sicherungshypothek am Grundstück erwirbt (Soergel/Siebert, Hoche, a.a.O.; Ronke bei Erman § 1274 Anm. 2).

Für die Pfändung der Anwartschaft gilt folgendes:

Mit der Eigentumsumschreibung auf den Vollstreckungsschuldner entsteht für den Pfändungsgläubiger kraft Gesetzes eine Sicherungshypothek entsprechend § 848 Abs. 2 in Verbindung mit § 857 Abs. 1 ZPO (KG JFG 4, 339, 344; Hoche, NJW 1955, 931; Horber, NJW 1955, 1401/2; Güthe/Triebel a.a.O. § 14 Bem. 4; Meikel//Imhof/Riedel a.a.O. § 20 Bem. 69; anders Stein/Jonas/Schönke/Pohle a.a.O. § 848 Fußnote 8; Raiser, Dingliche Anwartschaften S. 90, 102). Der Pfändungsgläubiger ist also nicht darauf angewiesen, eine Zwangshypothek nach § 866 ZPO zu beantragen, die erst mit ihrer Eintragung im Grundbuch entsteht und die die vorherige oder mindestens gleichzeitige Eigentumsumschreibung voraussetzt; die Eintragung der entsprechend § 848 Abs. 2 ZPO entstandenen Sicherungshypothek ins Grundbuch ist bloße Grundbuchberichtigung.

Der Pfändung des Anwartschaftsrechts steht nicht entgegen, daß der Auflassungsempfänger bereits seine Eigentümereintragung beim Grundbuchamt beantragt hat. Die gegenteilige Auffassung des Kammergerichts in JFG 2, 448 (ihm folgend Meikel/Imhof/Riedel a.a.O.) stützt sich auf die Erwägung, für Heranziehung der Vorschriften über Mobiliarvollstreckung (§ 857 ZPO) bestehe kein Grund mehr, wenn der beabsichtigte Vollstreckungsakt alsbald nach den Vorschriften über die Immobiliarvollstreckung vorgenommen werden könne, und das treffe hier wegen § 848 Abs. 3 ZPO vom Eigentumsübergang (Eigentumsumschreibung) an zu. Dabei wird jedoch übersehen, daß der zwischen der Stellung des Eigentumsumschreibungsantrags und seinem Vollzug weder immer noch auch nur in der Regel so kurz ist, daß bereits auf Grund der Stellung des Umschreibungsantrags von einem alsbaldigen Eintritt der Voraussetzungen für eine Immobiliarvollstreckung gesprochen werden könnte; dieser Eindruck kann vom Auflassungsempfänger sogar durch Rücknahme des Eintragungsantrags ganz vereitelt werden, wenn man dem Gläubiger den Pfändungszugriff nach gestelltem Umschreibungsantrag des Auflassungsempfängers versagt. Im Hinblick darauf besteht auch ein praktisches Bedürfnis, die Anwartschaftspfändung auch noch nach gestelltem Umschreibungsantrag des Auflassungsempfängers zuzulassen. Ihre Zulässigkeit auch dann noch ist deshalb mit Hoche (a.a.O. 931) und Horber (GBO Anhang § 26 Anm. 13 B c) zu bejahen.

Die Frage, wie und von wem außer vom Auflassungsempfänger die Eigentumsumschreibung betrieben werden kann, bedarf hier keiner Erörterung.

V.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich für die Entscheidung folgendes:

a) Faßt man die drei Grundschulden der Antragstellerin zu Grunde liegenden Bestellungsurkunden vom 20. August 1965 entsprechend ihrem Wortlaut als normale Grundschuldbestellungsakte auf, so hat die Antragstellerin die Grundschulden erst mit ihrer Eintragung am 2. Februar 1966 erworben. Vorher fehlte die zur Rechtsentstehung erforderliche Eintragung der Grundpfandrechte im Grundbuch (§ 873 Abs. 1; vgl. § 1196 Abs. 2 BGB). Außerdem war bis dahin auch die Bestellungserklärung („Einigung”, vgl. die genannten Bestimmungen) nicht wirksam, weil es sich um die Verfügung eines Nichtberechtigten handelte; ihre Wirksamkeit trat ebenfalls erst mit dem Eigentumserwerb durch die Umschreibung ein (§ 185 Abs. 2 BGB). Vor den Grundbucheintragungen war durch die Bestellung der Grundschulden auch noch keine Rechtsstellung vorhanden, die die Antragstellerin als künftige Grundschuldgläubigerin vor beeinträchtigenden Verfügungen zugunsten eines Dritten geschützt hätte. Insbesondere galt zu ihren Gunsten nicht § 878 BGB; denn diese Bestimmung setzt voraus, daß der Verfügende (hier die Eheleute G…) im Zeitpunkt der Verfügungserklärung (hier: August 1965) Berechtigter (hier: Grundstückseigentümer) war (RGZ 135, 378, 382). Infolgedessen war die Antragstellerin hinsichtlich der Grundschulden nicht geschützt (gegen eine Pfändung des Eigentumsanwartschaftsrechts der Eheleute G…, die nach der Bestellung, aber vor der Eintragung der Grundschulden erfolgte und dem Pfändungsgläubiger mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch eine Sicherungshypothek entsprechend § 848 Abs. 2 ZPO verschaffte; eine solche Hypothek ging den erst durch die Eigentumsumschreibung eintragbar werdenden Grundschulden im Rang vor. Die Erwägungen des Oberlandesgerichts, von der Pfändung betroffen werden könne nur dasjenige, was noch im Vermögen des Vollstreckungsschuldners vorhanden sei, ist zwar an sich richtig, paßt aber nicht in diesen Zusammenhang. Denn Gegenstand der Pfändung war das Eigentumsanwartschaftsrecht der Eheleute G…; die drei Grundschulden der Antragstellerin wurden aber nicht am Anwartschaftsrecht bestellt, sondern an dem damals noch nicht vorhandenen Eigentum der Eheleute G…, die Grundschuldbestellungen als solche waren also keine Verfügungen über das Anwartschaftsrecht und zudem als Verfügungen eines Nichtberechtigten einstweilen überhaupt unwirksam; sie haben deshalb das Anwartschaftsrecht nicht belastet, eine nachfolgende Pfändung traf auf ein unbelastetes Anwartschaftsrecht.

Anders wäre die Rechtslage allerdings dann, wenn die Eheleute G… im August 1965 ihr Eigentumsanwartschaftsrecht an die Antragstellerin verpfändet hätten. Aber einmal müßten für eine derart über den Erklärungswortlaut hinausgehende Auslegung hinreichende tatsächliche Grundlagen, insbesondere hinsichtlich des Erklärungswillens der Beteiligten, vorliegen, woran es hier fehlt. Darüber hinaus aber setzt die nach Fahrnisrecht erfolgende Verpfändung eines Anwartschaftsrechts die Anlehnung an eine Forderung voraus, zu deren Sicherung sie erfolgt (§§ 1273 Abs. 2, 1204 BGB; vgl. BGHZ 23, 293, 299); eine solche Forderung der Antragstellerin ist weder aus dem Urkundentext noch sonst ersichtlich.

b) Da die Pfändungsanordnung des Finanzamts der Vollstreckungsschuldnerin als richtiger Adressatin zugestellt ist (oben III, IV b) und sonstige Bedenken gegen ihre Rechtswirksamkeit nicht ersichtlich sind, hat also das Finanzamt mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch am 18. Januar 1966 für seine der Pfändung zugrundeliegenden Ansprüche eine Sicherungshypothek entsprechend § 848 Abs. 2 BGB erworben, die den Grundschulden der Antragstellerin im Rang vorgeht.

Die dahingehende Rangverlautbarung des Grundbuchs ist richtig. Die Voraussetzungen für einen Widerspruch im Grundbuch (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO) sind nicht gegeben. Deshalb war die Entscheidung des Amtsgerichts wiederherzustellen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Wertfestsetzung auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 23 Abs. 3 KostO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609396

BGHZ, 197

MDR 1968, 313

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