Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht erforderlich, dass er auf Seiten des Beklagten beigetretene Nebenintervenient nach einer unstreitigen und zulässigen Klagerücknahme des Beschwerdegegners im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens allein zur Stellung eines Kostenantrags nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO einen beim BGH zugelassenen Anwalt bestellt.

 

Normenkette

ZPO § 78 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 18.12.2013; Aktenzeichen 7 U 2900/09)

LG München I (Entscheidung vom 07.04.2009; Aktenzeichen 13 HKO 25090/04)

 

Tenor

Dem Kläger werden die durch die Nebeninterventionen der Streithelfer zu 1) und 2) verursachten Kosten auferlegt.

 

Gründe

Rz. 1

1. Der Kläger ist nach Rücknahme seiner Klage verpflichtet, die durch die Nebeninterventionen auf Seiten der Beklagten verursachten Kosten zu tragen.

Rz. 2

Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner zweitinstanzlichen Bevollmächtigten vom 20.2.2014 die Klage in dem durch die Beklagte eingeleiteten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zurückgenommen. Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 8.5.2014 dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zu den Kosten des Rechtsstreits in diesem Sinne gehören die durch eine einfache Nebenintervention verursachten Kosten nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.1963 - III ZR 131/61, BGHZ 39, 296, 297; Beschl. v. 23.1.1967 - III ZR 15/64, NJW 1967, 983; OLG Hamm, JurBüro 2002, 39; OLG Koblenz MDR 2002, 1338 f.; Saenger/Gierl, ZPO, 5. Aufl., § 101 Rz. 9; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 101 Rz. 2, 5; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 101 Rz. 5; MünchKomm/ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 101 Rz. 4, 8; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 101 Rz. 2 f.). Aber auch bei Annahme einer streitgenössischen Nebenintervention, bei der die festgestellte Kostenlast des Gegners auch ohne besonderen Ausspruch die Kosten des streitgenössischen Nebenintervenienten beinhalten kann (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 101 Rz. 10; MünchKomm/ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 101 Rz. 35; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 101 Rz. 3 Fn. 13; Jaspersen/Wache in BeckOK, Stand 15.9.2014, § 101 ZPO Rz. 26), wären die durch die Nebenintervention verursachten Kosten von dem Senatsbeschluss vom 8.5.2014 nicht umfasst. Denn eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO setzt gem. § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich einen Antrag des Kostengläubigers voraus. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Senat hatten nur die Beklagte, nicht aber die Nebenintervenienten einen Kostenantrag gestellt.

Rz. 3

Nachdem mittlerweile beide Streithelfer beantragt haben, dem Kläger die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen, war antragsgemäß zu entscheiden. Wird eine Klage zurückgenommen, hat der Kläger - vorbehaltlich hier nicht in Betracht kommender Besonderheiten - die durch die Nebenintervention auf Seiten der Beklagten verursachten Kosten zu tragen, unabhängig davon, ob es sich um eine streitgenössische oder um eine einfache Nebenintervention handelt. Bei der streitgenössischen Nebenintervention folgt dies aus einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO (BGH, Beschl. v. 15.6.2009 - II ZB 8/08, ZIP 2009, 1538 Rz. 12; Beschl. v. 14.6.2010 - II ZB 15/09, ZIP 2010, 1771 Rz. 9; vgl. auch Beschl. v. 15.9.2014 - II ZB 22/13, ZIP 2014, 1995 Rz. 6 f.). Für einen einfachen Streithelfer gilt wegen des in § 101 Abs. 1 ZPO geregelten Grundsatzes der Kostenparallelität nichts anderes (BGH, Beschl. v. 18.6.2007 - II ZB 23/06, ZIP 2007, 1337 Rz. 6; s.a. Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 101 Rz. 3; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 269 Rz. 11; MünchKomm/ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 101 Rz. 13; Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 269 Rz. 53; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 101 Rz. 4).

Rz. 4

2. Der Kostenantrag des Nebenintervenienten zu 2) nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist ungeachtet dessen wirksam, dass seine Prozessbevollmächtigten nicht beim BGH zugelassen sind.

Rz. 5

a) Zwar unterliegt der Antrag als Prozesshandlung gem. § 78 Abs. 1 ZPO dem Anwaltszwang (Saenger/Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 269 Rz. 42; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 269 Rz. 14; Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 269 Rz. 69; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 269 Rz. 60). Vor den Gerichten des höheren Rechtszugs kann eine dem Anwaltszwang unterliegende Prozesshandlung grundsätzlich wirksam nur von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden, der bei dem Gericht zugelassen ist, dem gegenüber die Prozesshandlung zu erklären ist. Wenn der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, können daher grundsätzlich auch die Prozesshandlungen, die sich an das Rechtsmittelgericht richten, nur von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen werden. Dieser Grundsatz kann jedoch nicht starr durchgeführt werden. Er muss dort Ausnahmen erleiden, wo prozessökonomische Erwägungen dies nahelegen und der mit der Bestimmung des § 78 ZPO verfolgte Zweck dadurch nicht in Frage gestellt wird (BGH, Beschl. v. 8.2.2001 - VII ZR 477/00, BGHZ 146, 372, 373; Beschl. v. 2.11.2011 - X ZR 94/11, NJW-RR 2012, 8 Rz. 4; Urt. v. 6.5.2014 - X ZR 11/14, WM 2014, 1553 Rz. 5).

Rz. 6

Der BGH hat es deshalb für zulässig angesehen, dass der Kläger und Revisionsbeklagte die Klage durch seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zurücknimmt. Im Falle einer Klagerücknahme müsse sich der Revisionsanwalt mit der Sache selbst überhaupt nicht befassen und auch keine für die Fortführung des Revisionsverfahrens bedeutsame Prozesshandlung vornehmen. Es sei deshalb kein zwingender Grund dafür ersichtlich, die Befugnis des beim Berufungsgericht zugelassenen Anwalts zur Klagerücknahme, die er kraft der ihm gem. § 81 ZPO zustehenden Vollmacht bis zur Einlegung der Revision erklären könne, mit dem Augenblick enden zu lassen, in dem die beklagte Gegenpartei Revision eingelegt habe (vgl. BGH, Beschl. v. 10.7.1954 - III ZR 229/53, BGHZ 14, 210, 211; Beschl. v. 8.12.1977 - VII ZR 226/77, NJW 1978, 1262; Beschl. v. 8.2.2001 - VII ZR 477/00, BGHZ 146, 372, 373; Beschl. v. 8.7.2013 - VII ZB 35/12, juris Rz. 1 für das Rechtsbeschwerdeverfahren; Urt. v. 6.5.2014 - X ZR 11/14, WM 2014, 1553 Rz. 5). Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gilt nichts anderes.

Rz. 7

b) Es ist nach dem Zweck des qualifizierten Anwaltszwangs gem. § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht erforderlich und prozessökonomisch nicht sinnvoll, dass der auf Seiten des Beklagten beigetretene Nebenintervenient nach einer unstreitigen und zulässigen Klagerücknahme des Beschwerdegegners im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren allein zur Stellung eines Kostenantrags nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO einen beim BGH zugelassenen Anwalt bestellt.

Rz. 8

Der qualifizierte Anwaltszwang gem. § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO hat den Zweck, eine geordnete Rechtspflege durch spezialisierte Anwälte mit besonderer Erfahrung und Kompetenz sicherzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.2014 - X ZR 11/14, WM 2014, 1553 Rz. 8 m.w.N.). Dieser besonderen Erfahrung und Kompetenz bedarf es zur Stellung des Antrags nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht.

Rz. 9

Die Klagerücknahme hat nach § 269 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO zur Folge, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wirkungslos wird und der Kläger verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Das Gericht entscheidet nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO auf Antrag über diese Wirkungen durch Beschluss.

Rz. 10

Soweit der Anwaltszwang dem Schutz der Partei vor Rechtsverlusten durch eine unsachgemäße Prozessführung dient, ist die Bestellung eines beim BGH zugelassenen Anwalts zur Antragstellung nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht geboten. In aller Regel entscheidet das Gericht von Amts wegen darüber, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (§ 308 Abs. 2 ZPO). Das Gesetz hält mit § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO hiervon abweichend aus prozessökonomischen Gründen eine Entscheidung von Amts wegen für überflüssig, da es davon ausgeht, dass diese Entscheidung in aller Regel inhaltlich unproblematisch ist; deshalb verzichtet es auch auf die mündliche Verhandlung (vgl. Saenger/Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 269 Rz. 43; Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 269 Rz. 41, 68). Soweit der mit der Antragstellung begehrte Beschluss ausspricht, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen oder ein bereits ergangenes Urteil wirkungslos geworden ist, hat er lediglich deklaratorischen Charakter. Diese verfahrensrechtlichen Folgen der Klagerücknahme hat der Senat bereits auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 8.5.2014 festgestellt. Einem beim BGH zugelassenen Anwalt stünde bei dieser Ausgangslage im derzeitigen Stadium des Verfahrens auch keine andere Beurteilungsgrundlage zur sachgemäßen Wahrnehmung der Parteiinteressen zur Verfügung als dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Nebenintervenienten zu 2).

Rz. 11

Es ist daher auch prozessökonomisch nicht sinnvoll, dass die Partei lediglich für die Stellung des Kostenantrags nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt bestellt, obwohl sich dieser nach dem Willen der Partei mit der Sache selbst überhaupt nicht mehr befassen soll. Diese Lösung ist zugleich ein Gebot der Gleichbehandlung. Wenn es dem Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdegegner aus prozessökonomischen Gründen erlaubt wird, seine Klage wie vorliegend durch seinen nicht beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt zurückzunehmen, muss es auch dem gegnerischen Nebenintervenienten gestattet werden, den zur Erlangung einer zwar konstitutiven, aber regelmäßig unproblematischen Kostengrundentscheidung erforderlichen Antrag nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO durch seinen bisherigen Anwalt zu stellen, selbst wenn dieser nicht beim BGH zugelassen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.1984 - GSZ 1/84, BGHZ 93, 12, 16).

Rz. 12

Die in früheren Entscheidungen des BGH herangezogene Erwägung, auf die Bestellung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts könne bei solchen Anträgen nicht verzichtet werden, durch die eine Entscheidung des Gerichts begehrt wird (BGH, Beschl. v. 22.4.1970 - IV ZR 1103/68, NJW 1970, 1320; Beschl. v. 8.12.1977 - VII ZR 226/77, NJW 1978, 1262), hat schon im Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 19.11.1984 (GSZ 1/84, BGHZ 93, 12) keine Bedeutung mehr erlangt. Auch in der neueren Rechtsprechung des BGH steht der Umstand, dass die nicht durch einen Rechtsanwalt beim BGH vorgenommene Prozesshandlung letztlich zu einer Entscheidung des BGH führt, der Zulässigkeit der Prozesshandlung nicht entgegen (BGH, Beschl. v. 8.2.2001 - VII ZR 477/00, BGHZ 146, 372 [Aufnahme eines unterbrochenen Revisionsverfahrens vor Entscheidung über die Annahme]; Beschl. v. 2.11.2011 - X ZR 94/11, NJW-RR 2012, 8 Rz. 4 [Aufnahme eines unterbrochenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens]; Urt. v. 6.5.2014 - X ZR 11/14, WM 2014, 1553 [Anerkenntnis]).

Rz. 13

3. Der Senat ist durch seinen Beschluss vom 28.8.2014 an einer Entscheidung über den Kostenantrag des Nebenintervenienten zu 2) nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht gehindert. Mit diesem Beschluss ist zwar der Antrag des Streithelfers zu 2) vom 31.7.2014, dem Kläger die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen, zurückgewiesen worden. Wie den weiteren Beschlussgründen zu entnehmen ist, hat der Senat sich aber nur mit einer Ergänzung des Senatsbeschlusses vom 8.5.2014 entsprechend § 321 ZPO oder einer Berichtigung entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO befasst, weil er, ebenso wie der Kläger in seiner Stellungnahme vom 11.8.2014, das Begehren des Nebenintervenienten zu 2) entsprechend interpretiert hat. Der Schriftsatz vom 20.8.2014, mit dem der Nebenintervenient zu 2) klargestellt hat, dass er keinen Antrag auf Beschlussergänzung, sondern einen Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO hat stellen wollen und mit dem er weiter um einen Hinweis gebeten hat, ob für den Antrag ein beim BGH zugelassener Rechtsanwalt bestellt werden müsse, lag dem Senat im Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Die bisher unterbliebene Entscheidung über diesen Antrag konnte daher noch nachgeholt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7538147

NJW 2015, 557

NJW 2015, 8

EBE/BGH 2015

FamRZ 2015, 323

WM 2015, 408

ZAP 2015, 67

ZIP 2015, 147

JZ 2015, 103

MDR 2015, 183

NZI 2015, 6

RVGreport 2015, 400

Mitt. 2015, 87

PAK 2015, 41

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