Leitsatz (amtlich)

Zur Bewertung der Versorgungsanwartschaften bei der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester im Versorgungsausgleich (Ergänzung zu dem Beschluß vom 10. Juli 1985 – IVb ZB 836/80).

Zur Bewertung von Betriebsrenten im Hinblick auf § 16 BetrAVG.

 

Normenkette

BGB § 1587a Abs. 2 Nrn. 3, 4c, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4; BetrAVG § 16

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Beschluss vom 08.02.1985)

AG Hersbruck (Beschluss vom 12.09.1984)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Versorgungsanstalt der Deutschen Kulturorchester werden der Beschluß des 7. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 8. Februar 1985 aufgehoben und der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Hersbruck vom 12. September 1984 in Abschnitt 2 des Beschlußausspruchs abgeändert:

Zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Kulturorchester – Bayerische Versicherungskammer – (Vers.Nr. J/O – B …) werden für die Antragstellerin auf dem Versicherungskonto Nr. … K 507 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 64,10 DM, bezogen auf den 31. Oktober 1982, begründet.

Die Gerichtskosten beider Rechtsmittelzüge werden dem Antragsgegner und der Antragstellerin je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 1.000 DM

 

Tatbestand

I.

Der am … geborene Ehemann (Antragsgegner) und die am … geborene Ehefrau (Antragstellerin) haben am 11. August 1960 die Ehe geschlossen. Am 20. November 1982 ist dem Ehemann der Scheidungsantrag der Ehefrau zugestellt worden.

Beide Parteien haben während der Ehezeit (1. August 1960 bis 31. Oktober 1982, § 1587 Abs. 2 BGB) Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar der Ehemann in Höhe von monatlich 1.056,70 DM und die Ehefrau in Höhe von monatlich 704 DM zuzüglich eines Höherversicherungsanteils von 4,90 DM. Die Ehefrau besitzt außerdem eine unverfallbare Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung, deren Höhe die Vorinstanzen aufgrund einer Auskunft der Arbeitgeberin vom 31. Januar 1983 mit 525,20 DM, zahlbar spätestens bei Vollendung des 65. Lebensjahres, angenommen haben. Dem Ehemann stehen aufgrund seiner Tätigkeit als Musiker Anwartschaften auf Versorgung bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Kulturorchester (VddKO, weitere Beteiligte zu 1) zu, die sich nach einem Berechnungssatz von jährlich 18 % aus den in der Ehezeit für ihn gezahlten Beiträgen von insgesamt 52.991,34 DM bemessen.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat durch (inzwischen rechtskräftiges) Verbundurteil vorab die Ehe der Parteien geschieden und die elterliche Sorge über die Tochter geregelt. Den Versorgungsausgleich hat es später in der Weise durchgeführt, daß es von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 176,35 DM (Hälfte des Wertunterschiedes zwischen 1.056,70 DM und 704 DM), bezogen auf den 31. Oktober 1982, auf das ebenfalls bei der BfA geführte Konto der Ehefrau übertragen hat. Ferner hat es zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der VddKO Rentenanwartschaften von monatlich 116,07 DM, bezogen auf den 31. Oktober 1982, auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA begründet. Hierbei hat das Gericht die Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der VddKO mit einem Wert von jährlich 9.538,44 DM (18 % von 52.991,34 DM) zugrunde gelegt und diesen nach Tabelle 1 der Barwertverordnung in der Fassung vom 22. Mai 1984 – unter Ansatz eines Zuschlages von 60 % auf die Tabellenwerte – in eine Anwartschaft von monatlich 277,19 DM umgerechnet. Dabei ist das Gericht im Zuge der Umrechnung davon ausgegangen, daß die Versorgungsanwartschaften bei der VddKO im Leistungsstadium (voll)dynamisch seien.

Auf Seiten der Ehefrau hat das Familiengericht den Höherversicherungsanteil der gesetzlichen Rentenanwartschaft in einen dynamischen Betrag von monatlich 0,90 DM umgerechnet und den auf die Ehezeit (267 Monate) entfallenden Anteil der Anwartschaft auf die betriebliche Altersversorgung (Gesamtzeit bis zur Altersgrenze: 584 Monate) in Höhe von 240,12 DM in einen solchen von monatlich 44,16 DM. Damit ergab sich insgesamt eine Wertdifferenz von (1.056,70 DM + 277,19 DM =) 1.333,89 DM abzüglich (704 + 0,90 + 44,16 =) 749,06 DM = 584,83 DM. Die Hälfte hiervon, also einen Betrag von 292,42 DM, hat das Familiengericht zugunsten der Ehefrau ausgeglichen, und zwar 176,35 DM im Wege des Splittings und 116,07 DM im Wege des Quasi-Splittings.

Gegen die Entscheidung zum Quasi-Splitting hat die VddKO Beschwerde eingelegt mit dem Begehren, die Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der Anstalt anderweitig – ohne Erhöhung der Tabellenwerte bei Anwendung der Barwertverordnung – zu bewerten und den Versorgungsausgleich auf dieser Grundlage neu festzusetzen.

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die VddKO mit der zugelassenen weiteren Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Wie der Senat nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung in dem Beschluß vom 10. Juli 1985 (IVb ZB 863/80, zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, sind die Versorgungsanwartschaften bei der VddKO im Anwartschaftsstadium statisch und in der Leistungsphase teildynamisch; der voraussichtlich zu erwartende künftige Wertzuwachs der Leistungen der VddKO ist jedoch so gering, daß die Versorgungsanwartschaften insgesamt nach Maßgabe der Tabelle 1 der Barwertverordnung in der Fassung vom 22. Mai 1984 zu bewerten und dabei – in gleicher Weise wie statische Versorgungsanwartschaften – ohne Erhöhung der Tabellenwerte in dynamische Beträge umzurechnen sind. Das gilt ohne Einschränkung jedenfalls in Fällen, in denen wie hier der im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtige Ehegatte die Anwartschaften bei der VddKO besitzt.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, das die Versorgungsanwartschaften des Ehemannes – in Übereinstimmung mit dem Familiengericht – unter Ansatz einer 60 %igen Erhöhung der Tabellenwerte dynamisiert hat, kann daher nicht bestehen bleiben.

2. Der Ausgleich der Anwartschaften des Ehemannes bei der VddKO in der Form des Quasi-Splittings ist – unter Berücksichtigung der Ausführungen in dem Senatsbeschluß vom 10. Juli 1985 – neu zu berechnen.

a) Allerdings hat der Senat die VddKO in dem genannten Beschluß als berufsständische Versorgungseinrichtung im Sinne von § 1587a Abs. 2 Nr. 4 BGB beurteilt. Nach nochmaliger Überprüfung überwiegen indessen die Gesichtspunkte, die dafür sprechen, daß es sich – ähnlich wie bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) – um eine betriebliche Altersversorgung im Sinne von § 1587a Abs. 2 Nr. 3 BGB handelt. So bezieht § 18 BetrAVG in Absatz 1 Nr. 1 der Vorschrift ausdrücklich die in den Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes versicherten Personen in den Regelungsbereich des Betriebsrentengesetzes ein, und Absatz 1 Nr. 2 der Vorschrift erfaßt in gleicher Weise Personen, die bei einer anderen Zusatzversorgungseinrichtung pflichtversichert sind, welche mit einer Zusatzversorgungseinrichtung nach Nr. 1 ein Überleitungsabkommen abgeschlossen hat oder aufgrund satzungsrechtlicher Vorschriften ein solches Abkommen abschließen kann. Die VddKO hat mit der VBL ein Überleitungsabkommen abgeschlossen (Merkblatt Nr. 14 der VddKO über die Überleitung von Versicherungen; vgl. auch § 24 Abs. 2 i.V. mit Abs. 3 der Satzung der VBL, § 35 der Satzung der VddKO). Damit werden die bei der VddKO versicherten – angestellten – Orchestermusiker in entsprechender Weise wie die bei der VBL zusatzversicherten Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes grundsätzlich in den Bereich der Regelung des Betriebsrentengesetzes einbezogen. Das legt die Annahme nahe, daß die Versorgung bei der VddKO, auch unter dem Gesichtspunkt des Versorgungsausgleichs im Rahmen von § 1587a Abs. 2 BGB (vgl. Schmalhofer, Versorgungsausgleich für öffentliche Bedienstete, § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Anm. 1.2), zu den betrieblichen Altersversorgungen – und nicht zu den für die Angehörigen der typischerweise freien (kammerfähigen) Berufe geschaffenen berufsständischen Versorgungswerken – zu zählen ist (Soergel/Zimmermann BGB 11. Aufl. § 1587a Rdn. 204; Schmalhofer a.a.O. Anm. 1.2; a.A. Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 1587a Rdn. 105; Münch/Komm/Maier § 1587a Rdn. 258).

b) Die Bewertung der Versorgungsanwartschaften, die der Ehemann bei der VddKO erworben hat, wird hierdurch im Ergebnis nicht berührt.

Da sich die von der VddKO zugesagte Versorgung nach einem Bruchteil (von in der Regel – wie auch hier – 18 %) der geleisteten Beiträge bemißt, greift die Vorschrift des § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BGB ein (Soergel/Zimmermann a.a.O. Rdn. 204; Maier, Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung, 2. Aufl. § 1587a BGB Anm. 5.3.3., S. 95; Voskuhl/Pappai/Niemeyer, Versorgungsausgleich in der Praxis, § 1587a BGB Anm. III 3 b, S. 30), mit der Folge, daß der Wert der ehezeitlich erlangten Versorgungsanwartschaften, wie auch in dem Senatsbeschluß vom 10. Juli 1985 angenommen, nach Maßgabe des § 1587a Abs. 2 Nr. 4 c BGB zu ermitteln ist:

Für den Ehemann sind während der Ehezeit vom 1. August 1960 bis zum 31. Oktober 1982 Beiträge in Höhe von insgesamt 52.991,34 DM entrichtet worden. Daraus ergibt sich bei einem für ihn anwendbaren Berechnungssatz von 18 % ein fiktives Altersruhegeld von jährlich 9.538,44 DM – monatlich 794,87 DM (§ 1587a Abs. 2 Nr. 4 c BGB).

Dieses fiktive Altersruhegeld ist gemäß § 1587a Abs. 4 i.V. mit Abs. 3 Nr. 2 BGB unter Anwendung der Barwertverordnung zu dynamisieren:

Der Ehemann hatte am Ende der Ehezeit (31. Oktober 1982) das 46. Lebensjahr vollendet. Für die Umrechnung ist daher der Kapitalisierungsfaktor 3,2 einzusetzen (Tabelle 1 der Barwertverordnung). Damit ergibt sich ein Barwert von (9.538,44 DM Jahresbetrag × 3,2 =) 30.523,008. Diesem Barwert entsprechen Werteinheiten von 575,11146 (Nr. 5 der Bekanntmachung der Rechengrößen, bezogen auf das Ende der Ehezeit 1982). Aus den Werteinheiten ergibt sich eine Rentenanwartschaft von monatlich 173,24513 = 173,25 DM (Nr. 2 der Bekanntmachung der Rechengrößen, bezogen auf 1982).

c) Dieser Anwartschaft steht auf selten der Ehefrau zunächst der Höherversicherungsanteil in der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber, den die Vorinstanzen rechnerisch zutreffend in einen dynamischen Betrag von 0,90 DM umgerechnet haben. Außerdem ist die Anwartschaft der Ehefrau auf die betriebliche Altersversorgung zu berücksichtigen. Auch diese ist von den Vorinstanzen zutreffend nach § 1587a Abs. 2 Nr. 3a BGB – auf der Grundlage des Verhältnisses der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit von 267 Monaten zu der Gesamtzeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit (1. August 1955) bis zur vorgesehenen Altersgrenze (31. März 2004) von 584 Monaten – berechnet und sodann gemäß § 1587a Abs. 4 BGB nach § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB unter Anwendung der Barwertverordnung abgezinst worden. Dabei haben die Vorinstanzen die für die Umrechnung einer zumindest bis zum Leistungsbeginn nicht volldynamischen Anwartschaft vorgesehenen Werte der Tabelle 1 der Barwertverordnung in der Fassung vom 22. Mai 1984 angewandt, ohne sie – wie für die Umrechnung einer im Leistungsstadium volldynamischen Versorgung vorgesehen – um 60 % zu erhöhen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Versorgungsvorschriften der Arbeitgeberin der Ehefrau, der Firma Q. KG, sehen eine Dynamik der Versorgungsleistungen nicht vor. Das in § 16 BetrAVG enthaltene Gebot an den Arbeitgeber, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber – unter Berücksichtigung der Belange des Versorgungsempfängers und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers – nach billigem Ermessen zu entscheiden, führt als solches nicht zu laufenden Anpassungen der Versorgungsleistungen „in gleicher oder nahezu gleicher Weise” wie bei den volldynamischen Versorgungen (vgl. dazu Heubeck/Zimmermann, BB 1981, 1226, 1227 mit Nachw. in Fußn. 19; Löffler/Theurer, FamRZ 1981, 8, 9 ff mit Tabellen – jeweils zu dem Rechtszustand bei Geltung der BarwertVO i.d.F. vom 24. Juni 1977). Verbindlicher Maßstab für die Anpassung sind die Lebenshaltungskosten, gemessen am Preisindex für die Lebenshaltung in langjähriger Übersicht (vgl. Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, 2. Aufl. § 16 Rdn. 191; Höfer/Abt BetrAVG 2. Aufl. Band I § 116 Rdn. 60). Die diesen entsprechende sogenannte Preisdynamik ist jedoch nicht mit der für die volldynamischen Versorgungen typischen sogenannten Einkommensdynamik gleichzusetzen (vgl. Senatsbeschluß vom 10. Juli 1985). Ein wesentliches Kriterium für die Anpassungsprüfung und -entscheidung ist im übrigen die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers (Heubeck/ Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert a.a.O. Rdn. 164 ff). Dieser darf den Anpassungsbedarf des Versorgungsempfängers insoweit unbefriedigt lassen, als aufgrund der wirtschaftlichen Lage seines Unternahmens keine Anpassung vertretbar ist (Höfer/Abt a.a.O. Rdn. 167). Die wirtschaftliche Lage hat die Arbeitgeberin der Ehefrau im Jahre 1982 veranlaßt, die Höhe der Versorgungsleistungen, auch für zurückgelegte Dienstzeiten, von bisher zugesagten 1 % pro Dienstjahr auf 0,9 % pro Dienstjahr, zu reduzieren.

Unter diesen Umständen haben die Vorinstanzen zu Recht keinen Anlaß gesehen, die Anwartschaften der Ehefrau auf ihre betriebliche Altersversorgung als im Leistungsstadium volldynamisch zu bewerten. Sie haben sie damit zutreffend wie eine in vollem Umfang statische Versorgungsanwartschaft umgerechnet und dabei rechnerisch richtig einen auf die Ehezeit entfallenden dynamischen Betrag von monatlich 44,16 DM ermittelt.

d) Es stehen sich danach folgende Anwartschaften gegenüber:

Auf Seiten des Ehemannes 1.056,70 DM und 173,25 DM – 1.229,95 DM und auf Seiten der Ehefrau, wie schon von den Vorinstanzen angenommen, 704 DM und 0,90 DM und 44,16 DM = 749,06 DM. Die Hälfte des Wertunterschiedes zwischen diesen Anwartschaften mit (480,89: 2=) 240,45 DM ist zugunsten der Ehefrau auszugleichen. Hiervon ist ein Betrag von 176,35 DM bereits im Wege des Rentensplittings ausgeglichen worden. In Höhe des Restbetrages von monatlich 64,10 DM sind zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei der VddKO Rentenanwartschaften für die Ehefrau zu begründen.

 

Unterschriften

Lohmann, Blumenröhr, Krohn, Macke, Zysk

 

Fundstellen

Haufe-Index 1239051

Nachschlagewerk BGH

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge