Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung der Kostenentscheidung gegenüber Hauptpartei für Nebenintervenienten. Kostenparallelität. Nebenintervention

 

Leitsatz (amtlich)

Der in § 100 Abs. 1 ZPO geregelte Grundsatz der Kostenparallelität gilt nur in Fällen einfacher Nebenintervention. Handelt es sich um eine streitgenössische Nebenintervention (§ 69 ZPO, hier: Beitritt von Aktionären zu einer von anderen Aktionären geführten Anfechtungs-/bzw. Nichtigkeitsklage), sind ausschließlich §§ 100 Abs. 2, 100 ZPO anzuwenden, so dass über die Kosten des Nebenintervenienten eigenständig und unabhängig von der ggü. der unterstützten Hauptpartei zu treffenden Kostenentscheidung zu befinden ist.

 

Normenkette

ZPO § 101 Abs. 2, §§ 100, 69

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.09.2006; Aktenzeichen 21 W 44/05)

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 13.10.2005; Aktenzeichen 3/10 O 3/05)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 21. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 18.9.2006 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten zu 2) gegen den Beschluss der 10. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. vom 13.10.2005 wird zurückgewiesen.

Der Nebenintervenient zu 2) trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

Gegenstandswert: 5.000 EUR.

 

Gründe

[1] I. Die Kläger und die Nebenintervenienten sind Aktionäre der Beklagten. Die auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 7.1.2005 unter den Tagungsordnungspunkten 2 und 3.1 bis 3.11 gefassten Beschlüsse sind von dem Kläger zu 1) und die unter dem Tagungsordnungspunkt 3 gefassten Beschlüsse von den Klägern zu 2) bis 4) mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage angegriffen worden. Die Nebenintervenientin zu 1) ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers zu 1), der Nebenintervenient zu 2) auf Seiten der Klägerin zu 2) beigetreten.

[2] In der mündlichen Verhandlung vor dem LG haben die Kläger und die Beklagte einen Vergleich geschlossen, durch den sich die Kläger zur Rücknahme ihrer Klage und die Beklagte im Gegenzug zur Übernahme der den Klägern entstandenen Gerichtskosten sowie der Gebühren und Auslagen ihrer Prozessbevollmächtigten aus einem Streit- bzw. Gegenstandswert i.H.v. 100.000 EUR verpflichtetet haben. Nach Rücknahme der Klage haben die Nebenintervenienten beantragt, ihre außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Das LG hat den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten zu 2) hat das OLG die durch seine Nebenintervention verursachten Kosten der Beklagten auferlegt. Dagegen richtet sich die von dem OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten.

[3] II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Wiederherstellung der Entscheidung des LG. Der Nebenintervenient zu 2) hat entgegen der Auffassung des OLG keinen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten durch die Beklagte.

[4] 1. Das OLG hat ausgeführt, aus § 101 Abs. 1 ZPO werde der allgemeine Rechtsgrundsatz hergeleitet, dass der Nebenintervenient hinsichtlich seiner Kosten genauso zu behandeln sei wie die von ihm unterstützte Partei ("Kostenparallelität") und eine von der Hauptpartei durch Vergleich getroffene Regelung auch dann für den Streithelfer maßgeblich sei, wenn er an dem Vergleich nicht teilgenommen habe oder die Kosten der Nebenintervention ausdrücklich ausgenommen worden seien. Es sei entgegen im Schrifttum vertretener Auffassung kein Grund erkennbar und von § 101 Abs. 2 ZPO nicht gefordert, den streitgenössischen Nebenintervenienten dort, wo sich seine ggü. dem einfachen Nebenintervenienten abweichende Rechtsstellung nicht niederschlage, kostenmäßig anders zu behandeln als den "einfachen" Nebenintervenienten. Dieses Ergebnis stehe nicht in Widerspruch zu der Entscheidung BGH JZ 1985, 853, die maßgeblich auf das dort von der Beklagten erklärte Anerkenntnis gestützt worden sei, das, weil ein Fall des § 93 ZPO offenbar nicht vorgelegen habe, ohne die eingetretene Erledigung und die damit nach § 91a ZPO zu treffende Kostenentscheidung zur Kostentragung der Beklagten nach § 91 ZPO geführt hätte.

[5] 2. Dies begegnet, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

[6] a) § 101 Abs. 1 ZPO regelt die Frage, wer für die durch eine unselbständige Nebenintervention (§ 67 ZPO) verursachten Kosten aufzukommen hat, in der Weise, dass sie dem Gegner der unterstützten Hauptpartei aufzuerlegen sind, soweit er nach §§ 91 bis 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Wegen des danach maßgeblichen Grundsatzes der Kostenparallelität entspricht der Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten inhaltlich dem Kostenerstattungsanspruch, den die von ihm unterstützte Hauptpartei gegen den Gegner hat (BGH v. 3.4.2003 - V ZB 44/02, BGHZ 154, 351, 354 = BGHReport 2003, 769 m. Anm. Madert; Senat, Beschl. v. 14.7.2003 - II ZB 15/02, BGHReport 2003, 1375 = NJW 2003, 3354). Übernimmt der Gegner durch einen Vergleich die Kosten der Hauptpartei, kann auch der unselbständige Nebenintervenient von ihm Erstattung seiner Kosten verlangen (BGH, Beschl. v. 23.1.1967 - III ZR 15/64, NJW 1967, 983 f.).

[7] b) Diese Kostengrundsätze finden jedoch - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet - im Streitfall keine Anwendung, weil es sich wegen der durch §§ 248, 249 AktG angeordneten Rechtskrafterstreckung (Senat, Urt. v. 1.3.1999 - II ZR 305/97, MDR 1999, 686 = AG 1999, 375 = ZIP 1999, 580 f.) um eine streitgenössische Nebenintervention (§ 69 ZPO) handelt und mithin nicht § 101 Abs. 1, sondern § 101 Abs. 2 ZPO einschlägig ist, so dass über die außergerichtlichen Kosten der Partei und ihres streitgenössischen Nebenintervenienten eine jeweils eigenständige Entscheidung zu ergehen hat. Dem Nebenintervenienten zu 2) steht nach Rücknahme der Klage durch die von ihm unterstützte Klägerin zu 2) wegen der Kostenvorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.

[8] aa) Für die streitgenössische Nebenintervention gilt "ausschließlich" die Kostenregelung des §§ 101 Abs. 2, 100 ZPO (Musielak/Wolst, ZPO 5. Aufl., § 101 Rz. 1; MünchKomm/ZPO/Belz, 2. Aufl., § 101 Rz. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 27. Aufl., § 101 Rz. 9; HK-ZPO/Gierl § 101 Rz. 15; Andreas Sturm, NZG 2006, 921, 924), die den streitgenössischen Nebenintervenienten - wie es bereits dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprach (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen Band 2, 2. Aufl., Nachdruck der Ausgabe Berlin 1981, 1983, S. 202) - kostenrechtlich uneingeschränkt einem Streitgenossen der Hauptpartei gleichstellt. Die in der Verweisung des § 101 Abs. 2 ZPO auf § 100 ZPO zum Ausdruck kommende Unanwendbarkeit des Grundsatzes der Kostenparallelität im Verhältnis zwischen Hauptpartei und streitgenössischem Nebenintervenienten beruht auf dessen im Vergleich zu einem einfachen Streitgenossen rechtlich selbständigeren Stellung (Sen. Beschl. v. 3.6.1985 - II ZR 284/84, GmbHR 1986, 225 = JZ 1985, 853 f.). Der von dem OLG und der Rechtsbeschwerdeerwiderung befürwortete ergänzende Rückgriff auf §§ 101 Abs. 1, 98 ZPO ist daher mit der eindeutigen Gesetzeslage nicht zu vereinbaren (Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl., § 101 Rz. 8). Der Kostenerstattungsanspruch des einzelnen Streitgenossen bestimmt sich entsprechend den aus § 100 ZPO hergeleiteten Kostengrundsätzen nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner. Daran anknüpfend ist auch über die Kosten eines streitgenössischen Nebenintervenienten eigenständig und unabhängig von der für die unterstützte Hauptpartei getroffenen Kostenentscheidung auf der Grundlage der für ihn maßgeblichen Umstände zu befinden. Aus dieser Erwägung hat der Senat im Rahmen einer nach § 91a ZPO ergangenen Kostentscheidung das von der unterstützten Hauptpartei abgegebene Anerkenntnis bei der ihr gegenüber zu treffenden Kostenentscheidung berücksichtigt, es aber - was das OLG verkannt hat - nicht zum Nachteil des streitgenössischen Nebenintervenienten gewertet, sondern insoweit auf die mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Klage abgestellt (Beschl. v. 3.6.1985, a.a.O.).

[9] bb) Über die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten zu 2) ist danach ohne Rückgriff auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich, der hierfür keine Regelung enthält, gesondert zu entscheiden. Infolge der Rücknahme der Klage durch die von ihm unterstützte Klägerin zu 2) hat der Nebenintervenient zu 2) gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (OLG Köln v. 4.2.1986 - 4 WF 337/85, MDR 1986, 503; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl., § 269 Rz. 18a).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1765422

BB 2007, 1524

DB 2007, 1516

DStR 2007, 1265

BGHR 2007, 844

EBE/BGH 2007

NJW-RR 2007, 1577

JurBüro 2007, 605

NZG 2007, 789

WM 2007, 1238

WM 2007, 1995

WuB 2007, 773

WuB 2007, 823

ZAP 2007, 776

ZIP 2007, 1337

AG 2007, 547

MDR 2007, 1102

NJW-Spezial 2007, 448

RENOpraxis 2007, 110

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