Leitsatz (amtlich)

Ein privatrechtlich organisierter Träger der betrieblichen Altersversorgung, bei dem ein verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleich in Betracht kommt, ist am Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht materiell beteiligt und kann nicht mit der Beschwerde geltend machen, das bei ihm bestehende Anrecht sei zu Unrecht nicht gemäß § 3 b VAHRG öffentlich-rechtlich ausgeglichen worden.

 

Normenkette

VAHRG § 3 b; FGG § 20 Abs. 1, § 53b Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Beschluss vom 17.11.1987)

AG Viersen

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. November 1987 wird auf Kosten des Beamtenversicherungsvereins des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.000 DM.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat die Ehe der Parteien vorab geschieden und später den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, daß es im Wege des Splittings Rentenanwartschaften des Ehemannes (Antragsgegners) bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von monatlich 556,50 DM auf die Ehefrau (Antragstellerin) übertragen hat. Dabei hat es Anwartschaften des Ehemannes auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, u.a. beim Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes (weiterer Beteiligter zu 2 – im folgenden: BVV), gemäß § 2 VAHRG dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten, weil eine Realteilung (§ 1 Abs. 2 VAHRG) nicht vorgesehen sei und weder das erweiterte Splitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG noch die Begründung von Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung durch Beitragsentrichtung nach § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG in Betracht komme.

Hiergegen hat der BW Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, hinsichtlich der bei ihm bestehenden Versorgungsanrechte ein erweitertes Splitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG vorzunehmen; das Amtsgericht habe seine Auffassung, daß diese Vorschrift nicht anwendbar sei, nicht näher begründet. Da eine Hinterbliebenenversorgung bestehe, werde er unter Umständen mit einer Ausgleichsrente der Ehefrau aus dem verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§ 3 a VAHRG) belastet.

Das Oberlandesgericht hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil der BW nicht beschwerdebefugt sei. Dagegen richtet sich dessen weitere Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte weitere Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das Oberlandesgericht zu Recht eine Beschwerdebefugnis des BW nach § 20 Abs. 1 FGG verneint hat.

1. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob ein privatrechtlich organisierter Träger der betrieblichen Altersversorgung, dessen Versorgungsordnung zwar keine Realteilung im Sinne des § 1 Abs. 2 VAHRG, wohl aber eine für den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§ 3 a VAHRG) geeignete Hinterbliebenenversorgung vorsieht, im Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich materiell beteiligt ist und mit der Beschwerde geltend machen kann, das bei ihm bestehende Anrecht hätte jedenfalls teilweise aufgrund des § 3 b Abs. 1 VAHRG öffentlich-rechtlich ausgeglichen werden müssen. Die Frage wird teilweise bejaht mit der Begründung, es sei ein berechtigtes Interesse des Versorgungsträgers daran anzuerkennen, schon in diesem Verfahren auf die Anwendung des § 3 b Abs. 1 VAHRG hinzuwirken mit dem Ziel, dadurch den für ihn insgesamt nicht kostenneutralen verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu vermeiden. Im späteren Verfahren über den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich könne er § 3 b Abs. 1 VAHRG nicht mehr mit Erfolg zur Geltung bringen (vgl. Doerr FamRZ 1987, 1093, 1094 f sowie NJW 1988, 97, 101 f; OLG Hamm FamRZ 1988, 1067; OLG Frankfurt, 2. FamS, Beschl. v. 15. Januar 1988 – 2 UF 313/87; Hoppenz – FamRZ 1987, 425, 427 – vertritt die Auffassung, der Versorgungsträger könne jedenfalls dem ausgleichsberechtigten Ehegatten als Nebenintervenient beitreten). Überwiegend wird die Frage jedoch verneint, weil es an einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtsstellung des Versorgungsträgers fehle und auch nicht feststehe, ob es jemals zu einem verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich kommen werde (vgl. Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber Eherecht § 53 b FGG Rdn. 12; OLG München FamRZ 1988, 407; KG FamRZ 1988, 409; OLG Köln FamRZ 1988, 511; OLG Frankfurt – 1. FamS – FamRZ 1988, 533; OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 1179).

2. Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung.

a) Nach dem auch im Verfahren über den Versorgungsausgleich anzuwendenden § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die angriffene Entscheidung beeinträchtigt ist. Wie insbesondere ein Vergleich mit § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG zeigt, ist das nicht schon dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer lediglich ein berechtigtes Interesse daran hat, die Entscheidung zu ändern oder zu beseitigen. Tendenzen im neueren Schrifttum, den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 FGG auf rechtlich geschützte Interessen auszudehnen (Nachweise bei Kahl, Beschwerdeberechtigung und Beschwer in der freiwilligen Gerichtsbarkeit – 1981 – Seite 51 ff), kann deswegen nach geltendem Recht nicht gefolgt werden. Erforderlich ist vielmehr ein unmittelbarer Eingriff in ein im Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht des Beschwerdeführers (vgl. insbesondere BGHZ 1, 343, 352; BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 1955 – IV ZB 1/55 – insoweit in BGHZ 16, 177 nicht abgedruckt und vom 14. Juli 1958 – V BLw 19/58 – MDR 1958, 761; Keidel/Kuntze/Winkler FGG 12. Aufl. § 20 Rdn. 12; Jansen FGG 2. Aufl. § 20 Rdn. 11).

b) Speziell zum Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich hat der Senat entschieden, daß ein Versorgungsträger im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG in seiner Rechtsstellung betroffen sein kann, wenn bei ihm bestehende Anwartschaften auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen werden, bei ihm zu dessen Gunsten ein Versicherungsverhältnis begründet oder überhaupt ein bei ihm bestehendes Rechtsverhältnis inhaltlich verändert wird (Beschluß vom 12. November 1980 – IVb ZB 712/80 – FamRZ 1981, 132, 133). Diese Voraussetzungen liegen in der hier zu entscheidenden Situation nicht vor.

Versorgungsanrechte einer betrieblichen Altersversorgung, die keine Realteilung im Sinne von § 1 Abs. 2 VAHRG vorsieht, sind beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nur Saldierungsposten der Versorgungsbilanz der Ehegatten. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsträger und dem durch die Versorgungszusage begünstigten Ehegatten bleibt inhaltlich unverändert, ob hierbei nun von den Ausgleichsmöglichkeiten des § 3 b VAHRG Gebrauch gemacht wird oder nicht. Die ergehende Entscheidung betrifft lediglich das Rechtsverhältnis der Ehegatten zueinander; durch das erweiterte Splitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG und die Beitragszahlung nach Nr. 2 der Vorschrift erlangt der ausgleichsberechtigte Ehegatte eine höhere eigenständige Versorgung, während die Ausgleichsrente nach § 1587 g BGB, die er später ggfs. fordern kann, sich entsprechend vermindert oder ganz entfällt. Wird über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vor dem Familiengericht gestritten, ist nach Ansicht des Gesetzgebers in diesem Verfahren eine Beteiligung des Versorgungsträgers weder notwendig noch sinnvoll (vgl. BT-Drucks. 10/5447 S. 14); denn er hat die geschuldete Rente an den Ausgleichspflichtigen zu zahlen, ohne daß er sich um einen Verteilungsstreit zwischen diesem und dessen geschiedenen Ehegatten zu kümmern braucht. – Soweit durch die Handhabung des § 3 b VAHRG, auch im Hinblick auf Verwaltungskosten, das allgemeine Versicherungsrisiko des Versorgungsträgers beeinflußt wird (vgl. dazu etwa Heubeck/Übelhack BetrAV 1988, 53, 65), liegt darin keine Veränderung des einzelnen Versicherungsverhältnisses.

Durch die Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich wird ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsträger und dem der Versorgung bisher nicht angehörigen Ehegatten nicht begründet. Dazu kann es vielmehr erst in der Zukunft kommen, wenn nämlich die Voraussetzungen des verlängerten schuldrechtlichen Versorungsausgleichs (§ 3 a Abs. 1 bis 3 VAHRG) eintreten (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne a.a.O. § 3 a VAHRG Rdn. 2). Ob das der Fall sein wird, ist aber ungewiß; es setzt insbesondere voraus, daß der ausgleichsberechtigte Ehegatte den ausgleichspflichtigen überlebt. Auch besteht die Möglichkeit, daß der Versorgungsträger zwischenzeitlich eine Realteilung oder einen anderweiten gleichwertigen Anspruch des geschiedenen Ehegatten einführt, wodurch gemäß § 3 a Abs. 2 VAHRG der verlängerte schuldrechtliche Versorgungsausgleich entfällt. Das Recht, von dessen Betroffenheit die Beschwerdebefugnis nach § 20 Abs. 1 FGG abhängt, muß aber im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits bestehen; sonst entsteht es von vornherein mit der Beschränkung, die sich aus der durch die Entscheidung geschaffenen Sachlage ergibt (vgl. BGH, Beschluß vom 14. Juni 1958 aaO; Keidel/Kuntze/Winkler a.a.O. § 20 Rdn. 15, Jansen a.a.O. § 20 Rdn. 11). Die künftige Möglichkeit eines verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs kann also nicht genügen.

Auch sonst sind die aus der Senatsentscheidung vom 12. November 1980 folgenden Kriterien für die Beschwerdebefugnis eines Versorgungsträgers im Hinblick auf § 3 b Abs. 1 VAHRG offenbar nicht gegeben.

c) Der Regierungsentwurf zu § 3 b VAHRG (BT-Drucks. 10/6369 S. 19) bezeichnet es als das „eigentliche Ziel” der Vorschrift, den schuldrechtlichen Ausgleich unverfallbarer Versorgungsanrechte nach Möglichkeit zu vermeiden, um dem Ausgleichsberechtigten in weitgehendem Umfang zu einer eigenständigen Versorgung zu verhelfen. Zugleich werde dem Interesse der Versorgungsträger „Rechnung getragen”, die Fälle einzuschränken, in denen später ein verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleich gewährt werden muß. Danach schützt die Norm in erster Linie das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung einer eigenständigen Versorgung, wenn auch ein berechtigtes Interesse der Versorgungsträger anerkannt wird, daß im Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich die Möglichkeiten des § 3 b VAHRG ausgeschöpft werden. Wird nach dieser Vorschrift ein Anrecht aus einer betrieblichen Altersversorgung in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen, so wird der Versorgungsträger dadurch aber nur reflexartig begünstigt. Wie eingangs ausgeführt, geben in solcher Weise nur mittelbar geschützte Interessen keine Beschwerdebefugnis i.S. von § 20 Abs. 1 FGG.

3. Die Auffassung von Hoppenz (aaO; zustimmend Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber a.a.O. § 53 b FGG Rdn. 18) basiert auf der richtigen Annahme, daß der Versorgungsträger nach herkömmlichen Grundsätzen am Verfahren nicht materiell beteiligt ist, hält es aber für möglich, daß dieser sich analog den Grundsätzen der zivilprozessualen Nebenintervention am Verfahren beteiligt, da gemäß § 66 ZPO hierfür ein rechtliches Interesse des Beitretenden am Obsiegen einer Partei ausreicht. Zwar ist in echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter Umständen eine Streithilfe entsprechend den Regeln der ZPO zuzulassen (vgl. etwa BGHZ 38, 110, 111; Habscheid FGG 7. Aufl. § 16 II Seite 112 ff; Bärmann FGG § 11 III Seite 86 f), der Senat hält diesen Weg aber im Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich für nicht gangbar. Dieses Verfahren wird von Amts wegen eingeleitet und regelmäßig im Verbund mit der Ehesache durchgeführt (§ 623 Abs. 3 Satz 1 ZPO), ohne daß die in § 621 a Abs. 1 Satz 2 ZPO statuierte Anwendung von Vorschriften der ZPO auch die §§ 66 ff ZPO einbezieht. Soweit am Scheidungsverbundverfahren Dritte beteiligt sind, ist dies wohl im Hinblick auf schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Parteien (diese hat etwa § 624 Abs. 4 ZPO im Auge) besonders gesetzlich geregelt, für Versorgungsträger in § 53 b Abs. 2 Satz 1 FGG. Die Vorschrift hat zwar seit der Einführung der Realteilung und des erweiterten Quasisplittings durch das VAHRG eine zu enge Fassung und wird deswegen, wie vom Gesetzgeber angekündigt (vgl. BT-Drucks. 10/2888 Seite 23), bei der endgültigen Ausgestaltung des Versorgungsausgleichs überarbeitet werden, bis dahin macht aber § 11 Abs. 1 VAHRG ausdrücklich den Weg frei für eine von der Sache her gebotene ausdehnende Auslegung (vgl. auch Senatsbeschluß vom 12. Oktober 1988 – IVb ZB 185/87 – FamRZ 1989, 41). Eine solche ist stets geboten, soweit ein in § 53 b Abs. 2 Satz 1 FGG nicht genannter Versorgungsträger materiell beteiligt ist. Das ist, wie ausgeführt, nicht der Fall, wenn bei diesem lediglich ein verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nach § 3 a VAHRG in Betracht kommt. Dessen in Rechnung zu stellende Belange reichen nach Auffassung des Senats auch nicht aus, um darüber hinaus die analoge Anwendung des § 53 b Abs. 2 Satz 1 FGG zu rechtfertigen. Er ist erst dann beteiligt und ggf. beschwerdebefugt, wenn vor dem Familiengericht unmittelbar über den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gestritten wird (ebenso im Ergebnis Keidel/Kuntze/Winkler a.a.O. § 53 b Rdn. 7 b, c; Wagenitz FamRZ 1987, 1, 8 zu Fn. 34 a; a.A. Zöller/Philippi ZPO 15. Aufl. § 624 Rdn. 16). Der Beurteilung des Oberlandesgerichts, daß vorliegend die Beschwerde des BW unzulässig ist, ist nach allem beizutreten.

 

Unterschriften

Lohmann, Portmann, Krohn, Zysk, Nonnenkamp

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502471

NJW 1989, 1858

Nachschlagewerk BGH

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