Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebot. Beauftragter des Gläubigers. Wirksamkeit. Vertretungsbefugnis

 

Leitsatz (amtlich)

Das Gebot eines Beauftragten des Gläubigers, das ausschließlich darauf gerichtet ist, zugunsten des Gläubigers und zu Lasten des Schuldners die Rechtsfolgen von § 85a Abs. 1 und Abs. 2 ZVG herbeizuführen, ist unwirksam. Ob der Bieter zur Vertretung des Gläubigers berechtigt ist, ist insoweit ohne Bedeutung (Fortführung von BGH BGHZ 172, 218 ff.).

 

Normenkette

ZVG § 85a

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Beschluss vom 14.12.2007; Aktenzeichen 5 T 603/07)

AG Luckenwalde (Beschluss vom 19.07.2007; Aktenzeichen 9 K 175/01)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Potsdam vom 14.12.2007 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 300.000 EUR.

 

Gründe

I.

[1] Der Schuldner ist Eigentümer des im Eingang genannten Grundstücks. Auf Antrag der Beteiligten zu 2) ordnete das AG am 25.9.2001 die Zwangsversteigerung des Grundstücks an. Die Beteiligten zu 3) bis 8) traten dem Verfahren als betreibende Gläubiger bei. Der Verkehrswert des Grundstücks wurde auf 5.000.000 EUR festgesetzt.

[2] Im Versteigerungstermin vom 15.2.2005 bot G. H. 730.000 EUR. Weitere Gebote wurden nicht abgegeben. H. wurde der Zuschlag im Hinblick auf § 85a Abs. 1 ZVG versagt.

[3] In dem schließlich auf den 10.7.2007 bestimmten neuen Versteigerungstermin bot die Beteiligte zu 10) 300.000 EUR. Weitere Gebote erfolgten nicht. Mit Beschluss vom 19.7.2007 hat das AG der Beteiligten zu 10) den Zuschlag erteilt.

[4] Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 5) bis 9) hat das LG den Zuschlagsbeschluss aufgehoben und der Beteiligten zu 10) den Zuschlag auf ihr Gebot versagt. Mit der von dem LG zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 10) die Wiederherstellung der Entscheidung des AG.

II.

[5] Das Beschwerdegericht sieht die Beschwerden der Beteiligten zu 5) bis 9) als begründet an. Es hat festgestellt, dass H. mit seinem Gebot kein eigenes Interesse im Hinblick auf das Grundstück verfolgt, sondern dieses allein auf Veranlassung und im Interesse der Beteiligten zu 3) abgegeben habe. Das Gebot von H. sei missbräuchlich und unwirksam. Im Termin vom 19.7.2005 habe daher die in § 85a Abs. 1 ZVG bestimmte Grenze gegolten; der Beteiligten zu 10) habe der Zuschlag nicht erteilt werden dürfen.

III.

[6] Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

[7] Ein mit dem Ziel, die zum Schutz des Schuldners bestehenden Regelungen des Zwangsversteigerungsgesetzes im Interesse eines Gläubigers zu unterlaufen, abgegebenes Gebot ist unwirksam. Ob der Bieter Terminsvertreter des Gläubigers ist, ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde insoweit ohne Bedeutung.

[8] 1. Das Recht zur Abgabe von Geboten in einem Zwangsversteigerungsverfahren soll jedem Interessenten die Möglichkeit verschaffen, als Meistbietender den Zuschlag zu erhalten und Eigentümer des Grundstücks zu werden (§§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG). Die Ausübung dieses Rechts ist missbräuchlich, wenn der Bieter hieran nicht interessiert ist, sondern mit seinem Gebot rechtlich zu missbilligende Zwecke verfolgt (BGH BGHZ 172, 218, 223). So verhält es sich, wenn ein Gebot zu dem Zweck abgegeben wird, den von § 85a ZVG Abs. 1 ZVG bezweckten Schutz des Schuldners zu unterlaufen (Senat, a.a.O., 226). So liegt der Fall hier. Nach den Feststellungen des LG hatte H. kein Interesse an dem Grundstück und gab im Termin vom 15.2.2005 auf Veranlassung der Beteiligten zu 3) nur deshalb ein Gebot ab, um dieser einen Gefallen zu erweisen. Durch das Gebot von H. sollte der Schutz des Schuldners durch § 85a Abs. 1 ZVG ausgehebelt werden. Das auf Betreiben der Beteiligten zu 3) von H. abgegebene Gebot war rechtsmissbräuchlich und nichtig. Es war gem. § 71 Abs. 1 ZVG von dem Vollstreckungsgericht zurückzuweisen.

[9] Dass es sich bei H. nicht um einen Terminsvertreter der betreibenden Gläubigerin und Beteiligten zu 3) gehandelt hat, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ohne Belang. Das Eigengebot eines Gläubigervertreters begründet nach der Rechtsprechung des Senats zwar die tatsächliche Vermutung für die missbräuchliche Absicht, den von dem Gesetz bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen. Rechtsmissbräuchliches Handeln ist aber nicht auf einen Gläubigervertreter beschränkt. Auch Dritte, die allein das Ziel verfolgen, mit ihrem Gebot die zum Schutze des Schuldners bestehenden Regelungen auszuhebeln, handeln rechtsmissbräuchlich. Der Unterschied zum Terminsvertreter besteht nur darin, dass für dessen Rechtsmissbrauch eine tatsächliche Vermutung spricht, während im Falle, dass ein Dritter handelt, das zu missbilligende Verhalten positiv festgestellt werden muss. So ist das Beschwerdegericht verfahren.

[10] 2. Die Feststellung der Missbräuchlichkeit des von H. abgegebenen Gebots durch das Beschwerdegericht lässt auch sonst keinen Rechtsfehler erkennen.

[11] a) Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde bedurfte es keiner Ausführungen zu § 114a ZVG, um die Missbräuchlichkeit des Gebots festzustellen. Der Senat hat, um das Gefüge der Schuldnerschutzvorschriften und die besondere Position des Gläubigers als Bieter darzustellen, auf das Zusammenspiel von § 85a Abs. 3 ZVG und § 114a ZVG hingewiesen (BGHZ 172, 218, 229). Er hat daraus gefolgert, dass das Gesetz ein alleiniges Interesse des Gläubigers an der Beseitigung der Wertgrenzen nicht anerkennt, und dazu auf die strukturellen Besonderheiten abgestellt. Er hat damit die Feststellung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gerade nicht davon abhängig gemacht, ob im Einzelfall das Gebot des Terminsvertreters, hätte es der Gläubiger selbst abgegeben, von den Regelungen der §§ 85a Abs. 3, 114a ZVG erfasst worden wäre. Er hat vielmehr im Gegenteil ausgeführt, dass gegen die - generelle - Annahme rechtsmissbräuchlichen Bieterverhaltens nicht eingewendet werden könne, dass der Gläubiger, dessen Forderung - wie hier - weit genug unter dem Verkehrswert liegt, die Erteilung des Zuschlags nach § 85a Abs. 3 ZVG durch ein entsprechendes Gebot vermeiden kann (Senat, a.a.O., S. 229 f.). Daher ist ohne Bedeutung, ob der Zuschlag auf ein im Auftrag des Gläubigers abgegebenes Gebot, das den Verkehrswert nicht erreicht, gem. § 114a ZVG Satz 1 ZVG dazu führen würde, dass der Gläubiger als befriedigt gälte (vgl. hierzu BGHZ 117, 8, 12 ff.; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 114a Anm. 2.8; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeier, ZVG, 13. Aufl., § 114a Rz. 25).

[12] b) Ohne Bedeutung ist auch, dass das Vollstreckungsgericht die Unwirksamkeit des Gebotes von H. nicht erkannt und dieses nicht gem. § 71 Abs. 1 ZVG zurückgewiesen hat (BGH, Beschl. v. 4.1.2008 - V ZB 178/06, WM 2008, 33, 34). § 79 ZVG findet insoweit keine Anwendung.

[13] c) Schließlich ist ohne Bedeutung, ob die Beschwerdeführer im Termin vom 15.2.2005 Gelegenheit hatten, das Vollstreckungsgericht auf die Unwirksamkeit des Gebotes von H. hinzuweisen. Dessen Gebot löste wegen seiner Missbräuchlichkeit keine Wirkungen aus. Der Mangel ist grundsätzlich nicht heilbar. Hiermit ist die Annahme der Rechtsbeschwerde unvereinbar, die Beschwerdeführer seien dadurch, dass sie sich nicht schon im Versteigerungstermin auf die Unwirksamkeit des Gebots von H. berufen hätten, daran gehindert, diese im Beschwerdeverfahren geltend zu machen.

IV.

[14] Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten im Zuschlagsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht im Sinne von Parteien gegenüberstehen (st.Rspr., vgl. BGH BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2035104

BGHZ 2009, 334

BGHR 2009, 39

EBE/BGH 2008, 299

JR 2009, 241

JurBüro 2009, 50

WM 2008, 1836

ZIP 2008, 1847

ZfIR 2008, 684

MDR 2008, 1360

Rpfleger 2008, 587

Info M 2009, 192

VE 2009, 9

ImmWert 2008, 40

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