Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Feststellungen eines Freihaltebedürfnisses an einer geografischen Herkunftsangabe. Große Ähnlichkeit zwischen Schreibweise und Herkunftsangabe

 

Leitsatz (amtlich)

a) An die Feststellung eines Freihaltebedürfnisses an einer geographischen Herkunftsangabe auf Grund einer zukünftigen Verwendung für Waren oder Dienstleistungen dürfen keine höheren Anforderungen gestellt werden als bei den übrigen Sachangaben des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

b) Die Einmaligkeit eines Ortsnamens ist nicht Voraussetzung für die Annahme, dass die Bezeichnung in Zukunft als geographische Herkunftsangabe Verwendung finden kann.

c) Besteht zwischen einer Bezeichnung (hier: Lichtenstein) und einer geographischen Herkunftsangabe (vorliegend: Liechtenstein) eine so große Ähnlichkeit, dass der angesprochene Verkehr die Unterschiede in der Schreibweise regelmäßig oder sehr häufig nicht bemerkt, kann dies ein Freihaltebedürfnis an dem Zeichen begründen.

 

Normenkette

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

BPatG

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 12.4.2001 an Verkündungs statt zugestellten Beschluss des 25. Senats (Marken Beschwerdesenats) des BPatG wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit ihrer am 9.9.1998 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung der Wortmarke "Lichtenstein" in das Markenregister für

"pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege".

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben (BPatG BPatGE 44, 39).

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde.

II. Das BPatG hat die angemeldete Marke mangels Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und wegen eines Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für nicht eintragungsfähig gehalten und ausgeführt:

Das im allgemeinen Interesse normierte Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG stehe der Eintragung des angemeldeten Zeichens entgegen. Auch wenn eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als geographische Herkunftsangabe gegenwärtig noch nicht erfolge, sei dies nicht nur theoretisch möglich, sondern auch wahrscheinlich oder jedenfalls gut vorstellbar. "Lichtenstein" sei der Name einer zwischen Chemnitz und Zwickau im Landkreis Chemnitzer Land gelegenen Stadt in Sachsen mit etwa 14.400 Einwohnern.

Einem Freihaltebedürfnis stehe nicht entgegen, dass es mehrere Gemeinden mit den Namen "Lichtenstein" gebe, ein entsprechender Familienname existiere und das klanglich identische Wort "Liechtenstein" ein Fürstentum, einen Berg und einen Roman bezeichne. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit bestehe nicht. Die Angabe sei aus dem jeweiligen Zusammenhang eindeutig als geographische Herkunftsangabe zu qualifizieren. Die Bezeichnung eigne sich wegen der sehr engen Annäherung in der Schreibweise auch als Hinweis auf das Fürstentum Liechtenstein. Der Unterschied in der Schreibweise werde regelmäßig oder doch sehr häufig nicht bemerkt. Für derartige Bezeichnungen müsse ein Freihaltebedürfnis ebenfalls anerkannt werden.

III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Die Annahme des BPatG, die Bezeichnung "Lichtenstein" sei als geographische Herkunftsangabe freizuhalten (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

1. Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u. a.) zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der Waren dienen können. Dabei ist die Eintragung auch dann zu versagen, wenn die fragliche Benutzung als geographische Herkunftsangabe noch nicht zu beobachten ist, wenn eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann. Zur Bejahung der Voraussetzungen dieses Schutzhindernisses bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige zukünftige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH, Urt. v. 4.5.1999 - Rs. C - 108/97, - Rs. C-109/97, Slg. 1999, I-2779 = GRUR 1999, 723 [726] Tz. 37 = WRP 1999, 629 - Chiemsee). An die damit verbundene Prognoseentscheidung zur Feststellung eines Freihaltebedürfnisses auf Grund einer zukünftigen Verwendung, die nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen kann, dürfen bei geographischen Herkunftsangaben keine höheren Anforderungen als bei den übrigen Sachangaben des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestellt werden (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - I ZB 34/98, BGHReport 2001, 478 = GRUR 2001, 735 [737] = WRP 2001, 692 - Test it.; Beschl. v. 19.12.2002 - I ZB 21/00, BGHReport, 2003, 441 = GRUR 2003, 343 [344] = WRP 2003, 517 - Buchst. "Z"). Insbesondere ist die Annahme des Schutzhindernisses nach dieser Vorschrift nicht auf ein gegenwärtiges Freihaltebedürfnis an der geographischen Herkunftsangabe beschränkt.

2. Die Erwartung einer zukünftigen Verwendung der Bezeichnung "Lichtenstein" als geographische Herkunftsangabe hat das BPatG bejaht. Es hat angenommen, in der Gemeinde Lichtenstein in Sachsen befinde sich eines der größten Gewerbegebiete im Regierungsbezirk Chemnitz. Die Region unterliege einem ständigen Strukturwandel. In unmittelbarer Nähe von Lichtenstein in Zwickau habe ein bedeutender Pharmaproduzent seinen Sitz. Pharmaunternehmen seien auch in Dresden und Leipzig angesiedelt. Die Ansiedlung pharmazeutischer Unternehmen in Lichtenstein erscheine durchaus möglich.

a) Dem kann die Rechtsbeschwerde nicht mit Erfolg entgegenhalten, das BPatG hätte die Feststellungen nicht auf Grund eigener Sachkunde treffen, sondern bei den maßgeblichen Verkehrskreisen, die vornehmlich aus den Mitbewerbern der Anmelderin bestünden, Nachforschungen anstellen müssen. Denn auch wenn die Mitbewerber der Anmelderin derzeit nicht die Absicht zu einer Unternehmensgründung in Lichtenstein hätten, rechtfertigt dies nicht den Schluss, ein Freihaltebedürfnis an der Bezeichnung sei nicht gegeben.

Anders als die Rechtsbeschwerde meint, hat das BPatG in diesem Zusammenhang nicht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte bereits auf Grund eigener Sachkunde ein Freihaltebedürfnis bejaht. Die Beschwerde hatte eine fehlende Sachkunde der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes nicht gerügt. Der Vorsitzende des Markenbeschwerdesenats hatte die Anmelderin vor der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass sich ein Schutzhindernis auch aus der engen Anlehnung an den Namen des Fürstentums "Liechtenstein" ergeben könne. Danach musste die Anmelderin damit rechnen, dass das BPatG in tatrichterlicher Beurteilung auf Grund eigener Sachkunde über das Vorliegen der Voraussetzungen des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entscheiden würde.

b) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, einem Freihaltungsinteresse an "Lichtenstein" stehe die Mehrdeutigkeit der Bezeichnung entgegen. Es gebe in Deutschland noch zwei weitere Orte mit dem Namen sowie eine Burg gleichen Namens in Reutlingen. Lichtenstein sei auch als Familienname nicht ungebräuchlich.

Die Einmaligkeit des Ortsnamens ist jedoch nicht Voraussetzung für die Annahme, dass die Bezeichnung in Zukunft als geographische Herkunftsangabe Verwendung finden kann. Dass ein Name mehrfach zur Bezeichnung eines - insbesondere kleineren - Ortes Verwendung findet, ist ebenso wenig ungewöhnlich wie der Umstand, dass der Name zudem als Eigenname feststellbar ist (vgl. BPatG BPatGE 43, 52 [55] - Cloppenburg; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rz. 317; Ekey/Klippel/FuchsWissemann, Markenrecht, § 8 Rz. 50).

c) Nach den Feststellungen des BPatG ist es nicht nur theoretisch möglich, sondern gut vorstellbar, dass "Lichtenstein" als geographische Herkunftsangabe für die beanspruchten Waren in Zukunft Verwendung finden wird. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde erfolglos mit der Rüge, im sächsischen Lichtenstein sei kein pharmazeutisches Unternehmen angesiedelt. Den beteiligten Fachkreisen sei die Stadt nicht bekannt und diese stellten zu den Waren, für die die Anmeldung erfolgt sei, keine Verbindung her, während die Anmelderin die Bezeichnung "Lichtenstein" seit mehr als 40 Jahren zur Kennzeichnung ihrer Produkte nutze.

Der Annahme eines Freihaltebedürfnisses steht nicht entgegen, dass sich in Lichtenstein (bisher) kein pharmazeutisches Unternehmen angesiedelt hat und es sich nicht um einen bekannten Ort handelt. Zwar können darin Indizien für ein Freihaltebedürfnis bestehen, dass bereits Unternehmen, die einen Bezug zu der Herstellung oder dem Vertrieb der in Rede stehenden Waren aufweisen, einen Sitz in dem Ort haben und es sich um einen bekannten Ortsnamen handelt. Voraussetzung sind diese Tatsachen für die Annahme eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG an einem Ortsnamen aber nicht (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rz. 319).

Das BPatG ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass das Freihaltebedürfnis sich vorliegend zudem aus der großen Ähnlichkeit mit der Schreibweise des Fürstentums Liechtenstein ergibt. Es hat hierzu entscheidend darauf abgestellt, dass der angesprochene Verkehr den Unterschied der Schreibweise zwischen dem angemeldeten Zeichen und dem Fürstentum regelmäßig oder zumindest sehr häufig nicht bemerkt. Das BPatG hat daher zutreffend nicht auf erkennbare Abwandlungen beschreibender Angaben, sondern darauf abgestellt, dass der Verkehr die Abweichung vielfach übersieht.

d) Bei dieser Sachlage kommt es auf die vom BPatG bejahte Frage, ob auch das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben ist, nicht mehr an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 971072

BGHR 2003, 1284

GRUR 2003, 882

AfP 2004, 177

WRP 2003, 1226

BPatGE 2003, 280

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