Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich. Betriebliche Versorgungszusage. Ausgleichsreife. Limitierte, endgehaltsbezogene Gesamtzusage. Fehlende Unverfallbarkeit der Höhe nach. Abfindungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

a) Eine limitierte, endgehaltsbezogene Gesamtzusage ist nicht ausgleichsreif, soweit sie der Höhe nach noch nicht unverfallbar ist (hier: Zusage für Beschäftigte des Südwestrundfunks, die vor dem 1.1.1993 beim früheren Südwestfunk eingetreten sind).

b) Über den Abfindungsanspruch nach §§ 23 f. VersAusglG kann bereits bei der Scheidung entschieden werden. Voraussetzung einer Abfindung ist jedoch, dass es sich um ein dem Grund und der Höhe nach gesichertes Anrecht handelt.

 

Normenkette

VersAusglG § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 23

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 06.06.2012; Aktenzeichen 16 UF 87/11)

AG Baden-Baden (Entscheidung vom 07.04.2011; Aktenzeichen 3 F 152/09)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Karlsruhe vom 6.6.2012 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis 2.500 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Beteiligten streiten über den Versorgungsausgleich.

Rz. 2

Auf den am 2.12.2009 zugestellten Antrag hat das FamG die am 29.3.1997 geschlossene Ehe des Antragstellers (Ehemann) und der Antragsgegnerin (Ehefrau) rechtskräftig geschieden.

Rz. 3

Beide Ehegatten erwarben während der Ehezeit (1.3.1997 bis 30.11.2009; § 3 Abs. 1 VersAusglG) Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Ehemann darüber hinaus Anrechte aus einer Lebensversicherung sowie eine betriebliche Altersversorgung nach der im Tarifvertrag Versorgung des Südwestrundfunks (TVV-SWR) enthaltenen Versorgungszusage für Beschäftigte, die vor dem 1.1.1993 beim früheren Südwestfunk eingetreten sind.

Rz. 4

Bei der Versorgungszusage des Südwestrundfunks handelt es sich um eine limitierte, endgehaltsbezogene Gesamtzusage. Gemäß Abschnitt B Ziff. 2.2, 11.1, 12.1 TVV-SWR beträgt der Betriebsrentenanspruch abhängig von der ruhegeldfähigen Dienstzeit bis zu 60 % des ruhegeldfähigen Einkommens, wobei zusammen mit bestimmten sonstigen Versorgungsleistungen die - ebenfalls nach Dienstzeit gestaffelte - Gesamtobergrenze von bis zu 75 % des ruhegeldfähigen Einkommens nicht überschritten werden darf.

Rz. 5

Das FamG hat den Versorgungsausgleich durchgeführt, indem es die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Entgeltpunkte und die Anrechte aus der Lebensversicherung intern geteilt hat. Bezüglich des beim Südwestrundfunk erworbenen Anrechts hat das FamG den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten, weil das Anrecht noch nicht ausgleichsreif sei, und den hilfsweise von der Ehefrau gestellten Antrag auf Zahlung einer Abfindung abgewiesen. Das OLG hat die auf dieses Anrecht bezogene Beschwerde der Ehefrau zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Ehefrau weiterhin die interne Teilung des beim Südwestrundfunk erworbenen Anrechts, hilfsweise dessen Abfindung.

II.

Rz. 6

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Rz. 7

1. Das OLG hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Betriebsrente des Ehemanns beim Südwestrundfunk sei der Höhe nach noch nicht unverfallbar und damit nicht ausgleichsreif. Für die Beurteilung dieser Frage komme es darauf an, ob und inwieweit die betrieblichen Versorgungsanrechte nach der maßgeblichen Versorgungsordnung des Betriebs in ihrem Versorgungswert noch durch die künftige betriebliche und/oder berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden könne. Bei der hier vorliegenden endgehaltsbezogenen limitierten Gesamtversorgung sei die Anrechnung anderer Versorgungen vorgesehen, deren jeweilige Höhe sich jederzeit noch erheblich verändern könne. Solche Änderungen wirkten sich unmittelbar auf die Höhe der Betriebsrente aus. Außerdem erscheine die Höhe der Anwartschaft auch deshalb als unsicher, weil die Höhe der Gesamtversorgungsobergrenze zusätzlich unter einem tarifvertraglichen Anpassungsvorbehalt stehe. Somit ließen sich die maßgeblichen Bezugsgrößen der Anwartschaft (Endgehalt, Höhe der gesetzlichen Rente bei Ausscheiden aus dem Betrieb, Umfang und Höhe der weiteren Versorgungen, Höhe der Gesamtversorgungsobergrenze) bei Ausscheiden aus dem Betrieb derzeit insgesamt nicht sicher feststellen. Auch eine Aufteilung der Anwartschaft in einen statischen und einen dynamischen Teil sei mangels Vorliegens objektiver Teilungskriterien nicht möglich. Ebenfalls komme ein Abfindungsanspruch nicht in Betracht, solange die Unverfallbarkeit des Anspruchs nicht eingetreten sei.

Rz. 8

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 9

a) Gemäß § 19 Abs. 1 VersAusglG findet, wenn ein Anrecht nicht ausgleichsreif ist, insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt. Nicht ausgleichsreif ist ein Anrecht insb., wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Hinreichend verfestigt ist ein Anrecht insoweit, als der Versorgungswert dem Grund und der Höhe nach durch die künftige betriebliche oder berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit bereits endgültig gesichert ist (FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl., § 19 VersAusglG Rz. 11; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl., § 19 VersAusglG Rz. 5; Hoppenz Familiensachen 9. Aufl., § 19 VersAusglG Rz. 5; vgl. auch BGH v. 12.4.1989 - IVb ZB 146/86, FamRZ 1989, 844, 845 m.w.N.).

Rz. 10

Wie das OLG zutreffend erkannt hat, ist das vom Ehemann beim Südwestrundfunk erworbene Anrecht der Höhe nach noch nicht endgültig gesichert. Denn gem. Abschnitt B Ziff. 11.1, 12.1 TVV-SWR ist die Versorgung auf eine dienstzeitabhängige Gesamtobergrenze unter Anrechnung bestimmter sonstiger Versorgungsleistungen limitiert. Die Höhe der vom Südwestrundfunk zu beanspruchenden Versorgungsleistung hängt mithin davon ab, welche weiteren Versorgungsanrechte der Ehemann künftig noch erwirbt und welche sonstigen Versorgungsleistungen er künftig bezieht. Soweit die Leistungspflicht des Südwestrundfunks noch durch zu erwerbende sonstige Versorgungsanrechte gemindert werden kann, ist Unverfallbarkeit der Höhe nach nicht eingetreten. Auf den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der der weitere Erwerb sonstiger Versorgungsleistungen zu erwarten ist, kommt es für die Frage der Unverfallbarkeit der Anwartschaft nicht an (vgl. BGH v. 18.12.1985 - IVb ZB 113/83, FamRZ 1986, 341, 343). Nach der eingeholten Auskunft des Versorgungsträgers ist das Anrecht aufgrund des noch möglichen Erwerbs sonstiger Versorgungsleistungen und deren Anrechnung auf die Gesamtversorgung insgesamt noch nicht verfestigt.

Rz. 11

b) Ebenfalls zutreffend hat das OLG entschieden, dass eine Aufteilung der Anwartschaft in einen der Höhe nach bereits unverfallbaren und einen weiteren, noch verfallbaren Anteil nicht möglich ist.

Rz. 12

Eine Aufteilung der Anwartschaft käme zwar in Betracht, wenn unabhängig von einem noch nicht unverfallbaren Teil der Altersrente wenigstens eine hinreichend verfestigte Mindestrente zugesagt ist (vgl. BGH v. 26.5.1982 - IVb ZB 718/81, FamRZ 1982, 899, 902 f.; v. 12.4.1989 - IVb ZB 146/86, FamRZ 1989, 844, 845 m.w.N.). In der Versorgungsordnung wird eine solche Mindestrente jedoch nur denjenigen Beschäftigten zugesagt, die vor dem 1.1.1992 beim Süddeutschen Rundfunk eingetreten sind (Abschnitt A Ziff. 1.2 i.V.m. Abschnitt C Ziff. 11.2 TVV-SWR). Die Mindestrente gilt hingegen nicht für die ursprünglich beim Südwestfunk Beschäftigten, zu denen der Ehemann gehört (vgl. Abschnitt A Ziff. 1.1 i.V.m. Abschnitt B TVV-SWR).

Rz. 13

c) Ebenfalls zutreffend hat das OLG entschieden, dass eine Abfindung des noch nicht ausgleichsreifen Anrechts gem. §§ 23 f. VersAusglG nicht in Betracht kommt.

Rz. 14

aa) Zwar kann über eine schuldrechtliche Abfindung eines Anrechts bereits bei der Scheidung entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Anspruchsgrundlage (§ 23 Abs. 1 VersAusglG) in einem Gesetzesabschnitt geregelt ist, der sich mit Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung befasst. Denn entgegen der systematischen Einordnung will die Vorschrift, die dem früheren § 1587l Abs. 1 BGB nachgebildet ist, eine Möglichkeit zum Ausgleich entweder in der Anwartschaftsphase oder in der Leistungsphase schaffen (BT-Druck. 16/10144 S. 65). Anders als bei der schuldrechtlichen Ausgleichsrente (§ 20 VersAusglG) ist der tatsächliche Rentenbezug daher kein Anknüpfungspunkt (Hoppenz Familiensachen § 24 VersAusglG Rz. 2). Leitet sich die Abfindbarkeit aus der Art des Anrechts und seiner fehlenden internen oder externen Ausgleichsreife bei der Scheidung her und liegen die Voraussetzungen für eine schuldrechtliche Abfindung bereits bei der Scheidung vor, kann der Abfindungsanspruch - wie nach früherem Recht (vgl. BGH v. 29.2.1984 - IVb ZB 915/80, FamRZ 1984, 668, 669) - bereits im Scheidungsverbund geltend gemacht werden (Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl., § 23 VersAusglG Rz. 1; FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl., § 23 VersAusglG Rz. 13; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rz. 797; Hoppenz Familiensachen 9. Aufl., § 24 VersAusglG Rz. 2).

Rz. 15

bb) Voraussetzung eines Abfindungsanspruchs nach § 23 VersAusglG ist jedoch, dass es sich bei dem noch nicht ausgeglichenen Anrecht um ein dem Grund und der Höhe nach gesichertes Anrecht handelt (FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl., § 23 VersAusglG Rz. 4; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rz. 706; MünchKomm/BGB/Glockner 6. Aufl., § 23 VersAusglG Rz. 2; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl., § 23 VersAusglG Rz. 1; Hoppenz Familiensachen 9. Aufl., § 24 VersAusglG Rz. 10; vgl. auch BGH v. 29.2.1984 - IVb ZB 915/80, FamRZ 1984, 668, 669). An der nötigen Unverfallbarkeit fehlt es hingegen aus den dargelegten Gründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3793053

NJW 2013, 6

EBE/BGH 2013, 0

EBE/BGH 2013, 170

FamRZ 2013, 1021

FuR 2013, 453

NJW-RR 2013, 1089

FPR 2013, 5

JZ 2013, 382

MDR 2013, 790

FF 2013, 260

FamFR 2013, 277

FamRB 2013, 209

FamRB 2013, 5

NJW-Spezial 2013, 486

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge