Leitsatz (amtlich)

Der Begriff der Zivilsache umfaßt eine Schadensersatzklage vor einem Strafgericht gegen einen beamteten Lehrer, der auf einem Schulausflug durch rechtswidrige und schuldhafte Verletzung seiner Aufsichtspflichten einen Schüler geschädigt hat.

Ein Beklagter hat sich auf das Verfahren eingelassen, wenn er im Rahmen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens in der Hauptverhandlung – durch einen Verteidiger vertreten – zwar zur Anklage, nicht aber zu einem ebenfalls mündlich verhandelten Antrag des Verletzten auf zivilrechtliche Entschädigung Stellung nimmt.

Es verstößt nicht gegen die deutsche öffentliche Ordnung, wenn ein ausländisches Gericht einen deutschen Beamten wegen einer im Ausland begangenen Amtspflichtverletzung persönlich zum Ersatz von Sachschäden verurteilt.

Es verstößt gegen die deutsche öffentliche Ordnung, wenn ein in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherter (oder seine Hinterbliebenen) wegen eines im Ausland erlittenen Unfalls, für den Versicherungsschutz besteht, im Ausland ein Urteil auf Ersatz von Personenschäden gegen eine Person erwirkt, die gemäß §§ 636, 637 RVO von der Haftung freigestellt ist.

 

Normenkette

EuGVÜ Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 27 Nrn. 2, 1; GG Art. 34 S. 1; RVO §§ 636-637

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Beschluss vom 20.07.1990)

LG Ellwangen

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Juli 1990 wird insoweit zurückgewiesen, als der Schuldner zur Zahlung eines Betrages in italienischer Lira, der 2.000 DM entspricht, und zum Kostenersatz in Höhe von Lit 984.000 zuzüglich Mehrwertsteuer und Ergänzungsbeitrag verurteilt ist.

Wegen des weitergehenden Antrags sowie im Kostenpunkt wird der bezeichnete Beschluß auf die Rechtsbeschwerde aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Streithelfer trägt die Kosten seiner Rechtsbeschwerde. Im übrigen wird die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens dem Oberlandesgericht übertragen.

 

Tatbestand

A.

Die Gläubiger zu 1) und 2) waren die Eltern des Thomas W. der Gläubiger zu 3) war dessen jüngerer Bruder. Thomas W. besuchte eine öffentliche höhere Schule in Baden-Württemberg, zu der ein Landheim bei B. in Italien gehörte. Dorthin reiste der damals 16jährige Thomas W. im Rahmen einer Schülergruppe, die vom Schuldner begleitet wurde. Dieser war als Lehrer im Beamtenverhältnis an der Schule tätig. Anläßlich einer Gebirgswanderung der Schülergruppe, die der Schuldner begleitete, stürzte am 8. Juni 1984 Thomas W. tödlich ab.

Die Republik Italien leitete gegen den Schuldner vor dem Landesgericht Bozen ein Strafverfahren ein. In diesem erklärten sich die Gläubiger am 22. September 1986 als Zivilparteien. Die darüber ausgestellte gerichtliche Niederschrift enthielt unter anderem folgende Erklärung der Gläubiger:

„Die Einlassung als Zivilpartei erfolgt im Hinblick auf die Schadenersatzleistung und zwar sowohl Schmerzensgeld als materieller Schaden, erlitten im Zusammenhang mit dem Tod des … Thomas W. …”

Die Niederschrift wurde dem Schuldner spätestens am 16. Februar 1987 zugestellt. Am 25. Januar 1988 fand die Hauptverhandlung vor dem Strafgericht von Bozen statt, in welcher der Schuldner sich durch einen Rechtsanwalt vertreten ließ. In der Verhandlung ließen die Gläubiger folgende Schlußanträge stellen:

„Möge das Landesgericht Bozen den Angeklagten … verurteilen, den Ersatz des materiellen und moralischen Schadens vorzunehmen, den die Zivilpartei im Zusammenhang mit dem Ableben von Thomas W. erlitten hat, wobei dieser Schaden der Höhe nach in einem getrennten Verfahren festzusetzen ist.

Der Angeklagte soll schließlich zur Erstattung der Kosten für die Einlassung als Zivilpartei und für die Verteidigung der Zivilpartei laut beiliegender Kostennote verurteilt werden.

Möge das Landesgericht der Zivilpartei eine provisorisch vollstreckbare Akontozahlung auf den Schadenersatz in Höhe von Lire 20.000.000,– zugestehen.”

Im Urteil vom selben Tage verurteilte die Strafkammer den Schuldner wegen fahrlässiger Tötung zu einer Strafe und ferner, gestützt auf Art. 489 Codice di procedura penale, „zum Schadenersatz zugunsten der Zivilpartei (Nebenkläger) …, wobei der Schaden der Höhe nach in einem separaten Verfahren festzusetzen ist, wobei jedoch der Zivilpartei unter dem Titel der provisorisch vollstreckbaren Akontozahlung der Betrag von Lire 20.000.000,– zugesprochen wird und der Angeklagte zudem verurteilt wird, der Zivilpartei die Prozeßkosten für die Einlassung als Zivilpartei in der Höhe von Lire 984.000,– zuzüglich Mehrwertsteuer und Ergänzungsbeitrag zu erstatten”. Das Urteil wurde dem Schuldner zugestellt und rechtskräftig.

Auf Antrag der Gläubiger ordnete der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen an, das Urteil des Landesgerichts Bozen bezüglich seines zivilrechtlichen Teils mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.

Inzwischen hatten die Gläubiger beim Landesgericht Bozen eine Schadensersatzklage eingereicht, in der sie den zu ersetzenden Schaden wie folgt bezifferten:

Bergungs- und Beerdigungskosten zusammen

8.601,07 DM

Kosten bisheriger Grabpflege

1.500,00 DM

für die Bekleidung des Verunglückten

2.000,00 DM

12.101,07 DM

Ersatz künftigen Unterhalts

Lit

30 Mio

Schmerzensgeld für den Vater

Lit

30 Mio

Schmerzensgeld für die Mutter

Lit

30 Mio

Schmerzensgeld für den jüngeren Bruder

Lit

15 Mio

Lit

105 Mio

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

B.

Das Rechtsmittel ist weitgehend begründet.

I.

In Höhe eines Lire-Betrages im Wert von 2.000 DM (am Stichtag 25. Januar 1988) sowie wegen der Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von Lit 984.000 ist die Vollstreckbarkeit allerdings gemäß Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ zu Recht angeordnet worden.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Strafurteil des Landesgerichts Bozen behandele eine Zivilsache gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ. Die Zivilklage sei dem Schuldner rechtzeitig zugestellt worden. Das Urteil des Landesgerichts Bozen widerspreche auch insoweit nicht dem deutschen ordre public, als es entgegen Art. 34 Satz 1 GG die Direkthaftung eines beamteten Lehrers anordne.

2. Demgegenüber rügt die Rechtsbeschwerde: Das Strafurteil des Landesgerichts Bozen behandele einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, weil der Schuldner als Beamter bei der Betreuung der Schüler hoheitlich gehandelt habe. Die Streiteinlassung der Gläubiger vom 22. September 1986 sei inhaltlich zu unbestimmt, um als ein das Verfahren einleitendes Schriftstück im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ behandelt werden zu können. Die Verteidigung des Schuldners gegenüber dem Strafantrag des Staatsanwalts in der Hauptverhandlung stelle keine Einlassung als Zivilpartei dar. Die Anerkennung der Entscheidung widerspreche der deutschen öffentlichen Ordnung, weil danach nur der Staat als Dienstherr des Beamten, nicht aber dieser persönlich dem Geschädigten hafte.

3. Obwohl die Gläubiger ihren Anspruch aus einer Verletzung beamtenrechtlicher Aufsichtspflichten des Schuldners herleiten, handelt es sich um eine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ. Auf Vorlage des Senats hat der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 21. April 1993 (Rs C-172/91; NJW 1993, 2091) entschieden:

Der Begriff der Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Übereinkommens umfaßt eine Schadensersatzklage vor einem Strafgericht gegen den Lehrer einer öffentlichen Schule, der auf einem Schulausflug durch rechtswidrige und schuldhafte Verletzung seiner Aufsichtspflichten einen Schüler geschädigt hat; dies gilt auch dann, wenn öffentlich-rechtlicher Sozialversicherungsschutz besteht.

Zivilrechtlich ist danach – entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde – zugleich der erhobene Kostenerstattungsanspruch von Lit 984.000. Er betrifft, neben den Kosten des schriftlichen Beitritts als Zivilpartei zum Strafverfahren, vor allem die Kosten für die Wahrnehmung der Rechte der Geschädigten im Untersuchungsverfahren und in der Hauptverhandlung. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, daß es sich hierbei um eine strafrechtliche Nebenklage gehandelt habe. Ausweislich des Protokolls über die Hauptverhandlung haben die Gläubiger zivilrechtliche Anträge gestellt. Wenn die Kosten (von umgerechnet zusammen jetzt rund 1.000 DM) dafür nach italienischem Recht durch Adhäsionsurteil zuerkannt werden, so folgt die Rechtsnatur dieses Anspruchs derjenigen der Hauptforderung (vgl. Art. 5 Nr. 4 EuGVÜ).

4. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ steht der Anerkennung nicht entgegen, weil der Schuldner sich auf das zivilrechtliche Adhäsionsverfahren zum Strafverfahren in Bozen eingelassen hat. Er hat, soweit festgestellt, in der Hauptverhandlung zwar nur zum Strafantrag, nicht zum Antrag des Gläubigers auf Zahlung von Schadensersatz Stellung genommen. Dies reicht aber als Einlassung aus. Auf Vorlage des Senats hat der Europäische Gerichtshof durch das bezeichnete Urteil vom 21. April 1993 entschieden:

Ein Beklagter hat sich auf das Verfahren im Sinne des Art. 27 Nr. 2 des Übereinkommens eingelassen, wenn er im Rahmen einer Schadensersatzklage, die vor dem Strafgericht zu der öffentlichen Klage hinzutritt, in der Hauptverhandlung durch einen Wahlverteidiger zwar zu der öffentlichen Klage, nicht aber zu der ebenfalls in Anwesenheit des Verteidigers mündlich verhandelten Zivilklage Stellung nimmt.

5. Wegen des Anspruchs auf Ersatz von Bekleidungsschäden (2.000 DM) und der Kosten der Rechtsverfolgung (Lit 984.000) widerspricht die Anerkennung nicht der deutschen öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ.

Der Senat geht davon aus, daß die Gläubiger die vom Landesgericht Bozen in dem zu vollstreckenden Urteil nicht näher aufgeschlüsselte „Akontozahlung” von Lit 20 Mio jedenfalls auch voll auf die ihnen günstigsten Ersatzansprüche stützen wollen. Das ist hier im Hinblick auf den Haftungsausschluß nach §§ 636, 637 RVO – der nur für Personenschäden gilt (dazu unten II) – die Forderung auf Ersatz von Sachschäden. Gegen deren Anerkennung in Deutschland bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

Mit dem deutschen materiellen ordre public ist ein Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter – hätte er den Prozeß entschieden – aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint (BGHZ 50, 370, 375 f; 75, 32, 43; BGH, Urt. v. 21. Januar 1991 – II ZR 50/90, NJW 1991, 1418, 1420; Senatsurt. v. 4. Juni 1992 – IX ZR 149/91, WM 1992, 1451, 1458 f, z.V.b. in BGHZ 118, 312). Art. 38 EGBGB ist insoweit nicht anzuwenden (BGHZ 88, 17, 24 f; Senatsurt. v. 4. Juni 1992 – IX ZR 149/91, a.a.O. S. 1458). Die Kritik von Schütze (RIW 1993, 139, 140 f) hieran bewertet das Ziel, ein „forum-shopping” zu verhindern, zu hoch; es ist, soweit erforderlich, im Einzelfalle selbständig anzustreben. Zudem sind die Grundnormen des deutschen Schadensersatzrechts, die zur öffentlichen Ordnung gehören, auch ohne starre Bindung an Art. 38 EGBGB zur Geltung zu bringen.

Ebensowenig ist – vorliegend etwa wegen des Kostenerstattungsanspruchs – § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Rechtsanwendung bei Schädigungen deutscher Staatsangehöriger außerhalb des Reichsgebiets vom 7. Dezember 1942 (RGBl I 706; zur Fortgeltung vgl. BGHZ 34, 222, 224; 87, 95, 99) jedenfalls gegenüber Urteilen aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft ohne weiteres zur deutschen öffentlichen Ordnung zu rechnen (BGHZ 88, 17, 24 f). Wenn danach deutsches Recht für außervertragliche Schadensersatzansprüche zwischen deutschen Staatsangehörigen auch nach Handlungen im Ausland gilt, so ist das für die Anerkennung von Entscheidungen anderer europäischer Staaten kein absoluter und ausschließlicher Maßstab. Statt dessen bleibt wesentlich, ob das Ergebnis der fremden Verurteilung mit der umfassend verstandenen deutschen öffentlichen Ordnung vereinbar ist.

a) Dies ist hier hinsichtlich der Schäden an der Bekleidung des Getöteten der Fall. Derartige Schäden können auch gemäß deutschem Recht dem Grunde nach zu ersetzen sein (§§ 823 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB). Ob der von den Gläubigern geltend gemachte Betrag in vollem Umfange angemessen ist, hat der Senat wegen des Verbots, die ausländische Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu untersuchen (Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ), nicht zu prüfen. Es genügt, daß für die zuerkannte Akontozahlung eine anzuerkennende Rechtsgrundlage wenigstens möglich ist. Die deutsche öffentliche Ordnung wird nicht schon dann berührt, wenn ein ausländisches Gericht der Höhe nach mehr Schadensersatz zuspricht als gemäß deutschem Recht bei Anlegung eines strengen Maßstabes möglicherweise gerechtfertigt wäre; die Grenzen, bei deren Überschreitung eine solche Entscheidung willkürlich und damit unerträglich erschiene, sind hier nicht einmal auf der Grundlage des Vorbringens des Schuldners überschritten: Er hat keine substantiierten Bedenken gegen diese Schadensposition erhoben.

Da hiernach ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch anzuerkennen ist, ist ihm auch der gesamte Kostenerstattungsanspruch zuzuordnen. Es ist nicht dargetan, daß seine Höhe im einzelnen vom Umfang der Hauptforderung abhängt. Das gereicht dem Schuldner zum Nachteil, der für den Einwand nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ die Darlegungslast trägt.

b) Das Beschwerdegericht hat mit Recht keine Verletzung der deutschen öffentlichen Ordnung darin gesehen, daß das italienische Urteil einen deutschen beamteten Lehrer entgegen Art. 34 Satz 1 GG unmittelbar gegenüber deutschen Geschädigten haftbar macht. Der Verstoß gegen eine Norm mit Verfassungsrang begründet für sich allein noch keine Verletzung des ordre public, solange kein Grundrecht des Verurteilten berührt wird (vgl. die Begriffsbestimmung in § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO und Art. 6 Satz 2 EGBGB). Art. 34 Satz 1 GG stellt kein Grundrecht des Beamten dar (BVerfGE 2, 336, 338 f).

Das italienische Urteil ist zwar mit Grundgedanken des deutschen Amtshaftungsrechts nicht vereinbar. Der Widerspruch ist hier aber nicht so stark, daß er nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint. Das ergibt sich im einzelnen aus folgenden Gründen:

aa) Die Freistellung des Beamten von jeder Haftung im Außenverhältnis gehört nicht zum Kernbestand von Strukturprinzipien des Beamtenrechts, die zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) zählen und damit ein grundrechtsgleiches Recht des Beamten darstellen. Dies zeigt schon die Sonderregelung des Art. 34 Satz 1 GG, derzufolge die Verantwortlichkeit nur „grundsätzlich” den Staat oder die Anstellungskörperschaft trifft. Infolgedessen ist die mittelbare Staatshaftung nicht zum lückenlosen Prinzip verdichtet, sondern es ist Raum für Regelungen geblieben, die den Umfang der öffentlichen Haftungsübernahme einschränken (BVerfGE 61, 149, 199 f; BGHZ 9, 289, 290; 61, 7, 14). Dementsprechend sind Gesetze in Kraft geblieben, nach denen Beamte unmittelbar haften, insbesondere gegenüber solchen Ausländern, gegenüber deren Staaten die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist (BVerfG MDR 1983, S. 107 Nr. 2; NVwZ 1991, 661, 662; BGHZ 13, 241, 242; 76, 375, 382 f; BGH, Urt. v. 1. Oktober 1956 – III ZR 48/55, NJW 1956, 1836; v. 13. Juli 1961 – III ZR 96/60, VersR 1961, 857, 858 f; v. 30. Oktober 1980 – III ZR 174/79, NJW 1981, 518, 519).

bb) Zum Wesenskern der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gehört allerdings die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (BVerfGE 43, 154, 165 f; vgl. auch BVerfGE 3, 58, 157). Dieser Grundsatz verbietet es aber nicht zwingend, daß der Beamte im Außenverhältnis unmittelbar haftet. Statt dessen kann der Staat seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten auch auf andere Weise erfüllen.

Insbesondere kommt eine Freistellung von der Schadensersatzleistung oder deren nachträglicher Ausgleich durch den Dienstherrn im Innenverhältnis in Betracht (ebenso BGHZ 76, 375, 382). Zu dessen Fürsorgepflicht gehört es unter anderem, den Beamten bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter zu schützen (§ 98 Satz 2 LBG Baden-Württemberg; § 48 Satz 2 BRRG). Das schließt nicht nur die Abwehr unberechtigter Angriffe (vgl. BVerfGE 43, 154, 165) ein. Im Rahmen der Schadensabwendungs- und Beistandspflicht (vgl. Schnellenbach ZBR 1981, 301, 304) kann in Fällen, in denen – wie hier – der Beamte regelwidrig persönlich zivilgerichtlich in Anspruch genommen wird, die Kostenübernahme durch den Dienstherrn geboten sein, um den dem Art. 34 Satz 1 GG entsprechenden Zustand herzustellen. Für die Erstattung von Gerichtskosten ist das allgemein anerkannt (vgl. OVG Münster NVwZ 1989, 578, 579; Plog/Wiedow/Beck, BBG § 79 Rdn. 20). Insoweit können nicht nur Vorschüsse oder Darlehen gewährt werden, sondern es kommt auch die endgültige Kostenübernahme durch das Land in Betracht (vgl. für Baden-Württemberg Nr. 3–5 der Richtlinien des Innenministeriums über den Rechtsschutz für Landesbedienstete in Straf- und anderen Verfahren vom 12. Januar 1990).

Dasselbe muß erst recht wegen der Belastung mit Schadensersatz in der Hauptsache gelten, wenn die Klage – entgegen deutschem Recht, aber für den Beamten unvermeidlich – Erfolg hat. Zwar unterliegen Umfang und Art, wie der Dienstherr seine Fürsorgepflicht erfüllt, im einzelnen seinem pflichtgemäßen Ermessen (Plog/Wiedow/Beck a.a.O.). Sein Eingreifen zur Entlastung des Beamten kann aber verfassungsrechtlich zur Pflicht werden, soweit die entgegen Art. 34 Satz 1 GG eintretende Eigenhaftung des Amtsträgers im Innenverhältnis zwischen diesem und dem Staat sachlich nicht zu rechtfertigen ist (ebenso BGH, Urt. v. 30. Oktober 1980 – III ZR 174/79, NJW 1981, 518, 519; OVG Rheinland-Pfalz DVBl 1983, 1117, 1118).

Gerechtfertigt wäre die Belastung allerdings, wenn das Land Baden-Württemberg – wäre es unmittelbar von den Gläubigern in Anspruch genommen worden – gegen den Schuldner wegen der Schadensersatzleistung gemäß § 96 Abs. 1 LBG, Art. 34 Satz 2 GG Rückgriff nehmen könnte. Den beamteten Lehrer trifft auch bei Schulausflügen die Amtspflicht, die Schüler zu beaufsichtigen (BGHZ 28, 297, 299; vgl. auch BGHZ 13, 25, 26). Ob der Schuldner diese Pflicht hier mindestens grob fahrlässig verletzt hat, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich. Fällt ihm ein solches gesteigertes Maß an Verschulden zur Last, so verstößt seine direkte Haftung im Außenverhältnis nicht gegen die öffentliche Ordnung. Ist ihm dagegen ein Schuldvorwurf von solchem Gewicht nicht zu machen, so kann den Schuldner allerdings die Erschwernis treffen, seinen Dienstherrn hiervon zu überzeugen. Dies fällt jedoch – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde – ebensowenig in den Bereich der deutschen öffentlichen Ordnung wie der Umstand, daß der Schuldner infolge des Vorgehens der Gläubiger regelwidrig insgesamt in die Rolle des Anspruchstellers gegenüber seinem Dienstherrn gedrängt wird: Es erscheint nicht schlechthin unzumutbar für den Schuldner, seine beamtenrechtlichen Befugnisse notfalls mit einer Klage tatsächlich auszuschöpfen.

cc) Auch im Hinblick auf Sinn und Zweck des Art. 34 Satz 1 GG gebietet es die deutsche öffentliche Ordnung nicht, die Direkthaftung eines Beamten für hoheitliches Handeln gegenüber Dritten in jedem Einzelfalle zu vermeiden. Die Überleitung der Haftung des Beamten auf den Staat soll verhindern, daß die Entschlußkraft des Beamten durch die Sorge vor übergroßen Belastungen gelähmt und er zu übermäßiger Vorsicht und Zurückhaltung veranlaßt wird (Staudinger/Schäfer, BGB 12. Aufl. § 839 Rdn. 13). Dieser allgemeine Gesichtspunkt hat aber für die wenigen Fälle, in denen ausländische Gerichte zuständig sind für Entscheidungen über Amtspflichtverletzungen deutscher Beamter, keine wesentliche Bedeutung.

Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ stellt allein auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles ab. Es mag allerdings zu besorgen sein, daß infolge des Vorgehens der Gläubiger allgemein die Bereitschaft deutscher beamteter Lehrer nachläßt, Auslandsausflüge mit Schülern durchzuführen. Eine solche Zurückhaltung wäre zwar bedauerlich, erschiene aber nicht als schlechthin untragbar für das Gemeinwesen als Ganzes.

II.

Wegen des weitergehenden Anspruchs kommt ein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung in Betracht. Alle anderen von den Gläubigern geltend gemachten Schadensersatzansprüche fallen nämlich gemäß dem bisherigen Sachvortrag unter den zwingenden Haftungsausschluß der §§ 636, 637 RVO. Eine Umgehung dieser Vorschriften durch Klagen im Ausland verstößt gegen den Grundgedanken der deutschen öffentlich-rechtlichen Unfallversicherung und ist nach inländischen Vorstellungen untragbar.

1. Der Tod Thomas W. beruht nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts auf einem „Arbeitsunfall” im Sinne der §§ 636 Abs. 1 Satz 1, 548 RVO. Gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. b RVO sind Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen. Unfälle auf Ausflügen, die von der Schule veranstaltet werden, oder beim schulisch organisierten Aufenthalt in Schullandheimen sind in den Versicherungsschutz einbezogen (vgl. BSGE 44, 94, 95 ff; 48, 1 ff; BGH, Urt. v. 10. März 1987 – VI ZR 123/86, VersR 1987, 781, 782; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung 4. Aufl. § 539 Anm. 25 a cc m.N.; Lauterbach, Unfallversicherung 3. Aufl. § 539 Anm. 85 b, Bl. 148/8; Vollmar VersR 1973, 298, 299). Das gilt auch bei einem von der Schule organisierten Auslandsaufenthalt (BSG NJW 1993, 2006).

Der Tod Thomas W. steht in einem inneren Zusammenhang mit dem Schulbetrieb, falls der Schuldner als Lehrer die Bergtour leitete und sie dem Zweck des Ferienschulaufenthaltes dienen sollte. War die Wanderung als solche Teil der schulischen Organisation, so beruhte der Absturz des Schülers sogar dann nicht auf einer Teilnahme am „allgemeinen Verkehr”, wenn die Gruppe auf öffentlich zugänglichen Verkehrswegen ging (vgl. BGH, Urt. v. 13. Januar 1976 – VI ZR 58/74, NJW 1976, 673, 674; v. 5. November 1991 – VI ZR 20/91, VersR 1992, 122, 123; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens a.a.O. § 636 Rdn. 11, 3. Abs. m.w.N.).

Gemäß § 637 Abs. 4 Satz 1 RVO in Verbindung mit Abs. 1 kommt ein Haftungsausschluß auch dem Schuldner zugute, der als Lehrer im Schulbetrieb tätig war (vgl. Plagemann/Plagemann, Gesetzliche Unfallversicherung Rdn. 436). Dem steht nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 1986 (VI ZR 10/85, NJW 1986, 1937) entgegen, demzufolge die Haftungsfreistellung nicht zugunsten eines Schülers eingreift, der einen beamteten Lehrer verletzt. Diese Entscheidung stützt sich allein auf § 541 Abs. 1 Nr. 1 RVO, wonach Personen hinsichtlich solcher Unfälle versicherungsfrei sind, für die beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften gelten. Das trifft gerade nicht in dem hier vorliegenden, umgekehrten Fall zu, daß der beamtete Lehrer den Schüler verletzt: Dieser ist dann als Versicherter geschädigt worden (so auch ausdrücklich die amtliche Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten – BT-Drucks. VI/1333 S. 5 zu § 1 Nr. 2). Für dieses Ergebnis spricht weiter, daß sich der eingeklagte Ersatzanspruch nach deutschem Recht (Art. 34 Satz 1 GG) richtigerweise gegen den Staat hätte richten müssen, der auch als ein „Unternehmer” der Schule im Sinne des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO zu werten ist.

b) Der Haftungsausschluß gilt nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO für alle Personenschäden. Dazu gehören Beerdigungskosten (BAG NJW 1989, 2838), Ersatz entgangenen Unterhalts (Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht/Ricke, § 636 RVO Rdn. 4) und Schmerzensgeld (BGHZ 3, 298, 302 f; BGH, Urt. v. 28. Mai 1965 – VI ZR 22/64, VersR 1965, 806, 807; BAG VersR 1971, 528; vgl. BVerfGE 34, 118, 128 ff).

2. Der Haftungsausschluß nach §§ 636 f RVO gehört zum Inhalt der deutschen öffentlichen Ordnung, weil er ein wesentliches Element des Gesamtsystems der gesetzlichen Unfallversicherung ist (ebenso Seitz, Die Ersatzansprüche der Sozialversicherungsträger nach §§ 640 und 1542 RVO S. 242; Meiser BG 1959, 157, 158 f; Gitter NJW 1965, 1108, 1109).

a) Diese beruht auf dem Grundsatz, daß allein der Betriebsunternehmer durch Beiträge die Voraussetzungen für den Unfallversicherungsschutz schafft. Dem hierdurch Versicherten stehen pauschalierte Ansprüche auch ohne Verschulden des Unternehmers oder Mitarbeiters im Einzelfall sowie unabhängig vom eigenen Mitverschulden des Geschädigten zu. Diese umfassen unter anderem im Todesfall Sterbegeld (§§ 547, 589 RVO) und eine Rente an Hinterbliebene (§§ 547, 596 RVO). Als Ausgleich dafür werden die sonst statt dessen gegebenen zivilrechtlichen Ersatzansprüche ausgeschlossen (BVerfGE 34, 118, 129 f; BGH, Urt. v. 14. Januar 1986 – VI ZR 10/85, a.a.O. S. 1938; Kasseler Kommentar/Ricke a.a.O. § 636 RVO Rdn. 2). Zivilrechtlicher Haftungsausschluß und öffentlich-rechtliche Entschädigungsregelung bedingen sich gegenseitig und stehen in einem unlösbaren Zusammenhang zueinander (Lauterbach a.a.O. § 636 Rdn. 2 a). Diese für das Unfallversicherungsrecht essentielle Regelung ist zwingend (vgl. Lepa VersR 1985, 8 f; Seewald BG 1990, 146, 147). Sie kann im Einzelfall auch zugunsten eines Versicherten wirken, der selbst einen anderen Betriebsangehörigen verletzt (§ 637 Abs. 1 RVO).

Unerheblich ist, ob der Versicherte die Leistungen des Unfallversicherers tatsächlich in Anspruch nimmt oder ob im Einzelfall überhaupt ein Anspruch auf Leistungen besteht, sofern nur dem Rechtsgrund nach ein zu berücksichtigender Arbeitsunfall vorliegt (vgl. Plagemann/Plagemann a.a.O. Rdn. 406).

b) Dieser vom Gesetzgeber als umfassend gewollte Interessenausgleich würde empfindlich gestört, wenn die sozialversicherungsrechtliche Ablösung der Haftpflicht des Unternehmers durch Klagen im Ausland vereitelt werden könnte. Der Haftungsausschluß gilt unter anderem für Arbeitsunfälle von Betriebsangehörigen, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten, weil auch diese gemäß § 539 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbs. RVO i.V.m. SGB IV § 4 Abs. 1 noch den Versicherungsschutz genießen (Gitter NJW 1965, 1108; vgl. auch Meiser BG 1959, 157, 158; Eichenhofer, Internationales Sozialrecht und Internationales Privatrecht S. 100 ff). Die Haftungsablösung setzt sich auch gegenüber Ansprüchen nach ausländischem Deliktsrecht durch (Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht S. 262).

Der internationale Wirtschaftsverkehr erfordert es, daß häufig Arbeitskräfte ins Ausland entsandt werden müssen. Bei zeitlich eng befristeter Anwesenheit in einem anderen Staat werden sie regelmäßig nicht in ein dort bestehendes Sozialversicherungsnetz einbezogen. Es ist ein vorrangiges Ziel, ihnen den Schutz insbesondere der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten. Das dient mittelbar unter anderem der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, ist aber nur durchzuführen, falls die Ablösung der Haftpflicht gewährleistet bleibt. Haftungsverzichtsvereinbarungen sind als Alternative weder wünschenswert noch zu verwirklichen. Die Mehrkosten einer Haftung im Außenverhältnis zusätzlich zu den Versicherungsbeiträgen sind vom Unternehmer nicht aufzubringen. Anders als bei einem ins Ausland entsandten Beamten (s.o. I 5 b bb) läßt das unterschiedlich ausgestaltete, starre System der gesetzlichen Unfallversicherung auch keine Abwälzung einer dem Unternehmer auferlegten zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht im Innenverhältnis auf den Versicherer zu. Denn Voraussetzungen und Umfang der sozialversicherungsrechtlichen Leistungpflicht weichen zu stark von denjenigen der zivilrechtlichen Haftung ab.

Das gilt zugleich für die Schüler-Unfallversicherung. Durch § 1 Nr. 3 des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18. März 1971 (BGBl. I 237 f) wurden Schüler – durch den neu hinzugefügten § 637 Abs. 4 RVO – ausdrücklich in vollem Umfang in die Bestimmungen über den Haftungsausschluß einbezogen. Eine unterschiedliche Behandlung von normalen Arbeitnehmern einerseits und Schülern andererseits bei Auslandsaufenthalten ist danach ausgeschlossen.

3. Dieser wesentliche Bestandteil der deutschen öffentlichen Ordnung ist auch im Rahmen des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ zur Geltung zu bringen.

a) Für diese Frage kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Begriff der öffentlichen Ordnung allein durch die nationalen Gerichte ausgelegt wird (so BGHZ 75, 167, 170 f; 88, 17, 20) oder ob der Europäische Gerichtshof die Vorbehaltsklausel abgrenzen und einschränkend darüber befinden kann, welche Arten nationaler Normen allgemein geeignet sind, die Anwendung des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ zu rechtfertigen (so Martiny in: Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, herausgegeben von von Bar, S. 211, 231; Basedow in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts Bd. I Kap. II Rdn. 51 a.E.; vgl. auch Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 4. Aufl. Art. 27 Rdn. 4). Denn auch gemäß den vom Europäischen Gerichtshof bisher in anderen Zusammenhängen angewandten Methoden zur Bestimmung des Inhalts der öffentlichen Ordnung ist der Haftungsausschluß nach §§ 636 f RVO schutzwürdig.

Wesentlich ist danach für die Berücksichtigung wichtiger nationaler Rechtsgüter – neben der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall – insbesondere, daß die Grundprinzipien des Rechts der Europäischen Gemeinschaft gewahrt bleiben: nämlich das Funktionieren des gemeinsamen Marktes und das Diskriminierungsverbot nach Art. 7 EWGV (vgl. EuGH Slg. 1975, 297, 306; 1982, 1666, 1707 f; RIW 1989, 825; NVwZ 1989, 745, 746; ferner die Stellungnahme des Generalanwalts Mancini in EuGH Slg. 1988, 2085, 2102, 2118 f).

b) Nach jenen Grundsätzen ist im vorliegenden Einzelfall Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ anzuwenden. Würde das italienische Urteil für vollstreckbar erklärt, so berührte das zwangsläufig die Grundlagen des Gesamtsystems der deutschen sozialen Unfallversicherung. Der darin vorgesehene Haftungsausschluß hängt nicht von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen ab, sondern knüpft allein an den ständigen Beschäftigungsort (SGB IV § 3) an. Die Anwendung der öffentlichen Ordnung soll nur verhindern, daß Versicherte aus einem kurzfristigen Auslandsaufenthalt Vorteile im Inland erlangen, die sie hier nicht hätten erhalten können.

Darüber hinaus können an einer Anwendbarkeit des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ jedenfalls insoweit keine Zweifel bestehen, als das ausländische Urteil, dessen Anerkennung beantragt wird, objektiv gegen eigenständiges Recht der Europäischen Gemeinschaft verstößt, während die Normen des Zweitstaates, die zum Inhalt der öffentlichen Ordnung gehören, mit jenem Recht übereinstimmen. So läge der Fall hier, wenn es um einen Unfall von Arbeitnehmern im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 v. 14. Juni 1971 (ABl EG L 149 v. 5. Juli 1971) ginge. Art. 93 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung bestimmt:

Werden nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats Leistungen für einen Schaden gewährt, der infolge eines Ereignisses im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eingetreten ist, so gelten gegenüber der betreffenden Person oder dem zuständigen Träger die Bestimmungen dieser Rechtsvorschriften, in denen festgelegt ist, in welchen Fällen die Arbeitgeber oder die von ihnen beschäftigen Arbeitnehmer von der Haftung befreit sind.

Maßgeblich für die Frage der Haftungsbefreiung sind danach die Rechtsvorschriften desjenigen Mitgliedsstaates, denen zufolge für den Arbeitsunfall Leistungen zu gewähren sind (Wussow Informationen 1980, 155). Demgemäß wäre im vorliegenden Falle deutsches Recht anzuwenden. Denn Art. 14 Abs. 1 Buchst. a i) der bezeichneten EWG-Verordnung sieht vor:

Ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Staates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und er nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst, für den die Entsendungszeit abgelaufen ist.

Eine Unterscheidung in dieser Hinsicht zwischen Schülern und normalen Arbeitnehmern, die nach deutschem Recht nicht zulässig ist, erscheint auch nach den Grundprinzipien des Rechts der Europäischen Gemeinschaft nicht geboten: Die innerhalb der Gemeinschaft garantierte Freizügigkeit gilt für jeden einzelnen Bürger (EuGH NJW 1989, 2183). Auslandsreisen können schon für Schüler wertvolle, prägende Eindrücke vermitteln. Sie allgemein aus dem Unfallversicherungsschutz herauszunehmen, erscheint nicht angemessen (vgl. auch Eichenhofer JZ 1992, 269, 275 f m.N.).

c) Da an der Anwendbarkeit der dem europäischen Recht nicht widersprechenden deutschen Norm hier offensichtlich keine Zweifel bestehen können, braucht der Senat die allgemeine Frage nach der Auslegung des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ nicht dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415, 3430 f im Anschluß an Slg. 1963, 63, 80 f).

4. Da der angefochtene Beschluß diese – sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen aufdrängenden – Bedenken gegen die Vollstreckbarerklärung nicht berücksichtigt, beruht er auf einem Rechtsfehler.

III.

Soweit der angefochtene Beschluß aufzuheben ist (oben II), kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden. Denn die Frage, ob für den hier fraglichen Unfall gesetzlicher Versicherungsschutz besteht, ist bisher in den Tatsacheninstanzen nicht erörtert worden (vgl. auch § 638 Abs. 1 RVO). Es ist nicht auszuschließen, daß die Parteien dazu noch Sachdienliches vortragen können.

Die Kosten des vom Streithelfer zurückgenommenen – unzulässigen (vgl. EuGH NJW 1986, S. 657 Nr. 11 Leits.; Urt. v. 21. April 1993 – Rs C 172/91 zu 2) – Rechtsmittels fallen dem Streithelfer in entsprechender Anwendung des § 515 Abs. 3 ZPO zur Last.

 

Unterschriften

Brandes, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter

 

Fundstellen

BGHZ, 268

BGHZ, zu c) und d)

Nachschlagewerk BGH

JZ 1994, 254

IPRspr. 1993, 178

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