Leitsatz (amtlich)

Zum Wert des Beschwerdegegenstands für die Beschwerde gegen einen zur Auskunftserteilung verpflichtenden Beschluss.

 

Normenkette

FamFG § 61 Abs. 1; RVG § 25 Abs. 1 Nr. 3; FamGKG § 42 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 07.12.2015; Aktenzeichen 18 UF 39/15)

AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 08.01.2015; Aktenzeichen 51 F 2746/14)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 18. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Karlsruhe vom 7.12.2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.

Wert: bis 1.000 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Antragsgegner macht gegen seine frühere Ehefrau, die Antragstellerin, Zugewinnausgleich geltend. Nachdem er bereits teilweise Auskünfte erhalten und einen bezifferten Teilantrag gestellt hatte, hat er im Rahmen eines Stufenantrags weitere Auskunft sowie die Vorlage von Belegen begehrt.

Rz. 2

Das AG hat die Antragstellerin verpflichtet, Auskunft über ihr Vermögen zum 27.11.2009 durch Vorlage einer geschlossenen Aufstellung mit allen Aktiva und Passiva zu erteilen (Beschlussziffer 1) und hinsichtlich der hierzu "deklarierten Vermögenswerte entsprechende Bestätigungen vorzulegen, insb. Bescheinigungen der Banken und anderer Träger der geführten Vermögenswerte" (Beschlussziffer 2). Darüber hinaus hat es die Antragstellerin verpflichtet, Jahresberichte und Jahresabschlüsse für die Jahre 2009, 2012 und 2013 für das von ihr betriebene Hotel sowie Buchungen mit Buchungstext zu im Einzelnen bezeichneten Konten bestimmter Gewinn- und Verlustrechnungen für das Hotel vorzulegen.

Rz. 3

Die Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen, weil der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht sei. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Rz. 5

1. Sie ist gem. § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt die Antragstellerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGH, Beschl. v. 23.1.2013 - XII ZB 167/11, FamRZ 2013, 1117 Rz. 4 m.w.N.).

Rz. 6

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Rz. 7

a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Rz. 8

Die Mindestbeschwer werde nicht erreicht, weil der hier maßgebliche Gesamtaufwand der Antragstellerin für die Erteilung der Auskunft den Wert von 600 EUR nicht übersteige. Für die Erstellung der geschlossenen Aufstellung fielen allenfalls fünf Stunden an. Insoweit werde gem. § 21 JVEG ein maximaler Betrag von 14 EUR pro Stunde zugrunde gelegt. Die Vorlage der Bescheinigungen sei mit einem geschätzten Zeitaufwand von 15 Stunden zu erfüllen und bedinge Kopierkosten von maximal 5 EUR. Für die Vorlage der Jahresberichte und Jahresabschlüsse sei maximal eine Stunde sowie für Kopien ein Betrag von 15 EUR nötig, für die Buchungskonten werde ein Kostenaufwand von 142,80 EUR nicht überschritten. Daraus errechne sich ein Gesamtaufwand von 435 EUR.

Rz. 9

Ein den Verfahrenswert erhöhendes schützenswertes Geheimhaltungsinteresse habe die Antragstellerin nicht vorgetragen. Ebenso wenig erhöhe die mögliche Zwangsvollstreckung des Titels die Beschwer. Insbesondere sei die Verpflichtung zur Vorlage von Belegen die Vermögensaufstellung betreffend vollstreckbar. Die hinreichende Bestimmbarkeit folge insoweit aus der von der Antragstellerin vorzulegenden Aufstellung, anhand derer die geschuldete Belegvorlage dann hinreichend bestimmbar sein werde.

Rz. 10

b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 11

aa) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, wonach sich der Wert des Beschwerdegegenstands nach dem Interesse des Rechtsmittelführers richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Die Rechtsbeschwerde stellt dies ebenso wenig in Frage wie die tatrichterlichen Feststellungen zu dem mit der Erteilung der Auskunft verbundenen Aufwand an Zeit und Kosten sowie zu der Bewertung des Zeitaufwands. Die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdegerichts, das im Übrigen insb. mit der Annahme einer Stundensatzhöhe von 14 EUR zugunsten der Antragstellerin gerechnet hat (vgl. dazu etwa BGH v. 11.3.2015 - XII ZB 317/14, FamRZ 2015, 838 Rz. 22), sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Rz. 12

bb) Ebenfalls zu Recht hat es das Beschwerdegericht abgelehnt, ein Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin werterhöhend zu berücksichtigen.

Rz. 13

Zwar kann ein solches im Einzelfall für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein. Insoweit muss der Rechtsmittelführer dem Beschwerdegericht aber sein besonderes Interesse, bestimmte Tatsachen geheim zu halten, und den durch die Auskunftserteilung drohenden Nachteil substantiiert darlegen und erforderlichenfalls glaubhaft machen. Dazu gehört auch, dass gerade in der Person des die Auskunft Begehrenden die Gefahr begründet sein muss, dieser werde von den ihm gegenüber offenbarten Tatsachen über das Verfahren hinaus in einer Weise Gebrauch machen, welche die schützenswerten wirtschaftlichen Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könnte (BGH v. 30.7.2014 - XII ZB 85/14, FamRZ 2014, 1696 Rz. 9; v. 9.4.2014 - XII ZB 565/13, FamRZ 2014, 1100 Rz. 11 m.w.N.).

Rz. 14

Derartiges hat die Antragstellerin weder in den Vorinstanzen dargelegt noch mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht. Die allein erfolgte Berufung auf allgemeine Belange der Geheimhaltung und des Vertraulichkeitsschutzes ist nicht ausreichend (vgl. BGH v. 30.7.2014 - XII ZB 85/14, FamRZ 2014, 1696 Rz. 12).

Rz. 15

cc) Mit Erfolg macht die Rechtsbeschwerde aber geltend, die vom AG in Beschlussziffer 2 vorgenommene Verpflichtung zur Vorlage von Belegen sei nicht vollstreckungsfähig und verursache daher zu berücksichtigende Kosten für die Abwehr der Zwangsvollstreckung, die zur Überschreitung der Grenze des § 61 Abs. 1 FamFG führten.

Rz. 16

(1) Hat die Auskunftsverpflichtung, gegen die sich der Rechtsmittelführer zur Wehr setzt, keinen vollstreckbaren Inhalt, erhöht sich die Beschwer nach der ständigen Rechtsprechung des Senats um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung muss der Unterhaltsschuldner gewärtigen, dass er in vollem Umfang aus dem erstinstanzlichen Titel in Anspruch genommen wird und sich hiergegen zur Wehr setzen muss (BGH, Beschl. v. 2.9.2015 - XII ZB 132/15, FamRZ 2015, 2142 Rz. 17 m.w.N.).

Rz. 17

Soweit es die Verpflichtung der Antragstellerin zur Vorlage der in Ziff. 2 des amtsgerichtlichen Beschlusses als Bestätigungen bezeichneten Belege anbelangt, fehlt es der erstinstanzlichen Entscheidung an der Vollstreckungsfähigkeit. Belege, die ein Auskunftspflichtiger vorlegen soll, müssen nämlich in dem Titel bezeichnet und daher jedenfalls in den Entscheidungsgründen konkretisiert sein (BGH, Urt. v. 5.5.1993 - XII ZR 88/92, FamRZ 1993, 1423, 1424; v. 26.1.1983 - IVb ZR 355/81, FamRZ 1983, 454; Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl., § 10 Rz. 350). Diese Bestimmung einem erst nach Beschlusserlass eintretenden Ereignis - hier der Vorlage der Vermögensaufstellung durch die Antragstellerin - zu überlassen, scheidet mithin aus.

Rz. 18

(2) Es kann vorliegend auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Berücksichtigung der mit der Abwehr einer Zwangsvollstreckung aus Ziff. 2 des amtsgerichtlichen Beschlusses verbundenen Kosten zu einem Wert des Beschwerdegegenstands von über 600 EUR führen würde. Denn es erscheint möglich, dass diese Kosten die Differenz zwischen der vom Beschwerdegericht angenommenen Beschwer von 435 EUR und der Wertgrenze des § 61 Abs. 1 FamFG übersteigen.

Rz. 19

Abzustellen ist darauf, welche Kosten der Antragstellerin entstünden, um sich gegen die Vollstreckung der Pflicht "entsprechende Bestätigungen vorzulegen" zur Wehr zu setzen. Im Verfahren der Zwangsvollstreckung können bis zu 0,6 Anwaltsgebühren (§ 18 Nr. 13 RVG i.V.m. RVG-VV 3309, 3310) zzgl. Auslagen (RVG-VV 7000 ff.) und Mehrwertsteuer anfallen (vgl. auch BGH, Urt. v. 10.12.2008 - XII ZR 108/05, FamRZ 2009, 495 Rz. 16). Danach bedürfte es eines Gegenstandswerts von über 2.000 EUR, um zu Kosten von über 165 EUR zu gelangen. Maßgeblich ist insoweit gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert, den die Vorlage der von Beschlussziffer 2 erfassten Bestätigungen für den Antragsgegner hat. Insoweit ist zwar nach § 42 Abs. 1 FamGKG grundsätzlich ein Bruchteil des Mehrbetrags zugrunde zu legen, den der Antragsgegner sich im Zugewinnausgleich als Folge der Aufdeckung noch nicht bekannten Privatvermögens der Antragstellerin zum Stichtag erhofft (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 - XII ZR 108/05, FamRZ 2009, 495 Rz. 16). Dieser Bruchteil wäre hier zudem ggf. weiter zu reduzieren, weil es nicht um die Auskunft selbst, sondern lediglich um die Vorlage von die Auskunft bestätigenden Belegen geht. Nachdem jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, anhand derer sich der vom Antragsgegner erhoffte Mehrbetrag bestimmen lässt, ist zumindest denkbar, auch zur Bewertung der Pflicht zur Belegvorlage auf den Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG von 5.000 EUR zurückzugreifen (vgl. Thiel in Schneider/Herget Streitwert-Kommentar 14. Aufl. Rz. 6950; Schindler in Dorndörfer/Neie/Petzold/Wendtland Beck'scher Online-Kommentar Kostenrecht [Stand: 15.2.2016] § 42 FamGKG Rz. 25).

Rz. 20

Demnach könnte das Beschwerdegericht bei einer neuerlichen Wertbemessung möglicherweise zu einem 600 EUR übersteigenden Beschwerdewert gelangen. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 9485341

FamRZ 2016, 1448

FuR 2016, 517

NJW-RR 2016, 1287

JZ 2016, 579

MDR 2016, 1072

MDR 2016, 899

AGS 2016, 409

ErbR 2016, 537

ErbR 2016, 602

FF 2016, 333

FamRB 2016, 313

RVGreport 2016, 313

NZFam 2016, 698

RVG prof. 2016, 188

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