Leitsatz (amtlich)

a) Wird die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen, ist dagegen nicht schon von Gesetzes wegen die Rechtsbeschwerde zulässig. Insoweit unterscheidet sich das Beschwerderecht (§ 572 Abs. 2 ZPO) vom Berufungsrecht (§ 522 Abs. 1 S. 4 ZPO) und vom Recht der befristeten Beschwerde gegen Endentscheidungen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 621e Abs. 3 S. 2 ZPO).

b) War schon die Erstbeschwerde unzulässig, wird die Rechtsbeschwerde nicht durch Zulassung nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft. Das Rechtsbeschwerdegericht ist dann entgegen § 574 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht an die Zulassung gebunden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 21.4.2004 - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14 = BGHReport 2004, 1191 m. Anm. Jaspersen = MDR 2004, 1137).

 

Normenkette

ZPO § 572 Abs. 2, § 574 Abs. 1, 3 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Beschluss vom 15.08.2003; Aktenzeichen 12 WF 95/03)

AG Hamburg

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des OLG Hamburg v. 15.8.2003 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 2.912 EUR.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Rahmen einer negativen Feststellungsklage um den Wegfall der Verpflichtung des Klägers zur Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts.

Nach einer im Scheidungsverbund ergangenen, zeitlich unbefristeten einstweiligen Anordnung ist der Kläger verpflichtet, monatlichen Unterhalt an seine (inzwischen rechtskräftig geschiedene) Ehefrau i.H.v. 1.213,52 EUR und für die beiden minderjährigen Kinder i.H.v. je 288 EUR zu zahlen. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung, dass er über die monatlichen Unterhaltsleistungen für die Kinder hinaus nicht zu weiteren Unterhaltszahlungen verpflichtet ist.

Das AG hat seinen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG als unzulässig verworfen. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Frage der Anfechtbarkeit von Einstellungsentscheidungen nach § 769 ZPO grundsätzliche Bedeutung habe.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist unzulässig.

1. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887, 1902) kann der BGH gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts, des Berufungsgerichts oder des OLG im ersten Rechtszug ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). An der ersten Voraussetzung fehlt es; an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht ist der Senat nicht gebunden.

a) Gegen Beschlüsse, mit denen eine Beschwerde als unzulässig verworfen wurde, ist die Rechtsbeschwerde nicht generell statthaft. Insoweit unterscheidet sich das Beschwerderecht (§ 572 Abs. 2 ZPO) von der ausdrücklichen Regelung im Berufungsrecht (§ 522 Abs. 1 S. 4 ZPO). Lediglich für Rechtsmittel gegen Endentscheidungen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO entsprechend anwendbar und die Rechtsbeschwerde deswegen bei Verwerfung der dort anstelle der Berufung zulässigen befristeten Beschwerde zulässig (§ 621e Abs. 3 S. 2 ZPO).

b) Der Senat ist auch nicht an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich statthaft ist. Sie wird aber nicht in den Fällen eröffnet, in denen die Anfechtbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung des Beschwerdegerichts kann nicht durch dessen Ausspruch der Anfechtung unterworfen werden. Das gilt besonders dann, wenn schon das Rechtsmittel zum Beschwerdegericht nicht zulässig war (BGH, Beschl. v. 21.4.2004 - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14 = BGHReport 2004, 1191 m. Anm. Jaspersen = MDR 2004, 1137 = FamRZ 2004, 1191 [1192], m.w.N.; Beschl. v. 23.10.2003 - IX ZB 369/02, MDR 2004, 348 = BGHReport 2004, 413 = NJW 2004, 1112 [1113]).

2. Das Beschwerdegericht geht auch zutreffend davon aus, dass über den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO zu entscheiden war und gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel nicht zulässig ist.

a) Liegen - wie hier - die Voraussetzungen der besonderen Rechtsbehelfe gegen einstweilige Anordnungen nach den §§ 620b, 620c ZPO nicht vor, tritt die Anordnung nach § 620 f ZPO bei Rücknahme oder Abweisung der Hauptsache oder erst dann außer Kraft, wenn eine anderweitige Regelung an ihre Stelle tritt. Das gilt auch dann, wenn durch einstweilige Anordnung im Scheidungsverbund Ehegattenunterhalt zugesprochen wurde (Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 35). Eine solche anderweitige Hauptsacheregelung kann der Kläger als Unterhaltsschuldner im Wege einer negativen Feststellungsklage erwirken.

b) Im Rahmen der anhängigen negativen Feststellungsklage konnte der Kläger die Vollstreckung aus der einstweiligen Anordnung nur im Wege der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO verhindern. Denn einstweilige Anordnungen sind mit Erlass oder Verkündung sofort vollziehbar, ohne dass es einer weiteren Entscheidung über die Vollstreckung bedarf. Zwar kann die Vollziehung einer einstweiligen Anordnung nach § 620e ZPO ausgesetzt werden, wenn gegen die Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung neu zu entscheiden (§ 620b Abs. 2 ZPO) oder eine sofortige Beschwerde nach § 620c S. 1 ZPO zulässig ist (Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 57, 60). Ist die einstweilige Anordnung hingegen - wie hier - formell rechtskräftig, steht dem Unterhaltspflichtigen dieser Rechtsbehelf nicht mehr zu. Ob im Rahmen der negativen Feststellungsklage, die wegen der fehlenden materiellen Rechtskraft der einstweiligen Anordnung zulässig ist, eine einstweilige Anordnung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO oder nach § 707 ZPO zulässig ist, ist in Rechtsprechung und Literatur zwar umstritten, (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 620 f. Rz. 15a, m.w.N.). Auf diese Frage kommt es hier allerdings nicht an, weil § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO, der eine Anfechtbarkeit des Einstellungsbeschlusses ausdrücklich ausschließt, auch für Entscheidungen nach § 769 ZPO gilt und ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die beantragte Einstellung deswegen nicht zulässig ist. Denn der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass auch gegen einstweilige Anordnungen nach § 769 Abs. 1 ZPO weder die sofortige Beschwerde noch eine außerordentliche Beschwerde statthaft ist. Ein Rückgriff auf die allgemeine Beschwerdemöglichkeit im Vollstreckungsrecht nach § 793 ZPO scheidet wegen der dem § 769 Abs. 1 ZPO vergleichbaren Vorschrift des § 707 ZPO aus (BGH, Beschl. v. 21.4.2004 - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14 = BGHReport 2004, 1191 m. Anm. Jaspersen = MDR 2004, 1137 = FamRZ 2004, 1191 [1192 f.]). Daran hält der Senat fest. Das OLG hat die Beschwerde deswegen zu Recht als unzulässig verworfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1375057

BB 2005, 1473

BGHR 2005, 1134

FamRZ 2005, 1481

NJW-RR 2005, 1009

MDR 2005, 927

FamRB 2005, 261

ProzRB 2005, 238

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