Verfahrensgang

LG Siegen (Urteil vom 27.04.2005)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 27. April 2005 aufgehoben,

  1. soweit der Angeklagte wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden ist; insoweit wird der Angeklagte freigesprochen und hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen,
  2. im Ausspruch über die insoweit verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren.

2. Im Umfang der Aufhebung [Ziffer 1. b) der Beschlussformel] wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen und wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr unter Einbeziehung von Strafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen Betruges und Nötigung – ebenfalls unter Einbeziehung einer Strafe aus einer früheren Verurteilung – zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen ihn Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB verhängt. Die allgemein auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 StGB) hat keinen Bestand.

a) Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte mit einem Pkw in Dillenburg die linke Fahrspur der Oranienstrasse. Um einen im Fahrzeugfond sitzenden Mitfahrer zu „ärgern”, lenkte er hierbei das Fahrzeug mehrfach scharf nach links und rechts; außerdem bremste er es wiederholt ab, um es anschließend sofort wieder zu beschleunigen. Als er vor sich auf der rechten Fahrbahn ein weiteres Fahrzeug, das wegen der Verengung der Fahrbahn wenig später auf die linke Richtungsfahrbahn wechseln musste, bemerkte, setzte er dieses Fahrverhalten zunächst fort und beschleunigte erneut seinen Pkw auf eine Geschwindigkeit von 60 bis 65 km/h. Hierbei ging er davon aus, der Fahrer des vor ihm fahrenden Fahrzeuges werde vor dem Wechsel auf die linke Fahrspur anhalten und ihn passieren lassen. Als dieser jedoch noch vor ihm einscherte, bemerkte dies der Angeklagte, der zu diesem Zeitpunkt den im Fond sitzenden Mitfahrer im Innenspiegel beobachtete, zu spät, vermochte sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig abzubremsen und fuhr auf das vorausfahrende Fahrzeug auf.

b) Das Landgericht hat das Fahrverhalten des Angeklagten als einen „ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff” gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Im fließenden Straßenverkehr stellt ein Verkehrsvorgang nur dann einen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB dar, wenn zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es mit (mindestens bedingtem) Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht wird (vgl. BGHSt 48, 233). Diese weitere Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte nicht eine Kollision herbeiführen. Er nahm eine solche auch nicht billigend in Kauf. Vielmehr ging er davon aus, das vorausfahrende Fahrzeug werde anhalten und nicht vor ihm die Fahrspur wechseln.

c) Da das festgestellte Verhalten auch nicht eine der Tatbestandsalternativen des § 315 c Abs. 1 StGB erfüllt und bezüglich der verwirklichten Verkehrsordnungswidrigkeit Verfolgungsverjährung eingetreten ist, ist der Angeklagte insoweit freizusprechen (§ 354 Abs. 1 StPO). Dies führt zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die wegen der Straftat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB verhängte Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe insoweit auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte. Die übrigen Einzelstrafen,

die weitere Gesamtstrafe sowie der Maßregelausspruch werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können bestehen bleiben.

 

Unterschriften

Tepperwien, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann

 

Fundstellen

Haufe-Index 2556966

NStZ-RR 2006, 109

StraFo 2006, 122

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