Leitsatz (amtlich)

Der amtlich bestellte Vertreter eines Rechtsanwalts ist nach dessen Tod nicht der Bevollmächtigte der Partei im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, § 233; BGB §§ 673, 168; BRAO § 54

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 07.11.1980)

LG Osnabrück

 

Tenor

Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 7. November 1980 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Klägerin hat die Kosten der Wiedereinsetzung zu tragen.

 

Gründe

Die Klägerin hatte gegen das angeführte Urteil durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Sch. form- und fristgerecht Revision eingelegt. Für Rechtsanwalt Prof. Dr. Sch. wurde mit Verfügung des Präsidenten des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 1981 Rechtsanwalt Dr. K. für die Zeit vom 3. Mai bis 15. Juli 1981 als Vertreter bestellt. Rechtsanwalt Prof. Dr. Sch. verstarb am 14. Mai 1981 und wurde am 2. Juni 1981 in der Liste der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte gelöscht. Eine Revisionsbegründung wurde in der bis 21. Mai 1981 laufenden Begründungsfrist nicht eingereicht.

Am 16. Juni 1981 zeigte Rechtsanwalt Dr. K. an, daß die Revisionsklägerin ihn mit ihrer Vertretung beauftragt habe und daß er das Verfahren aufnehme, und reichte die Revisionsbegründung ein. Er machte geltend, daß die Revisionsbegründungsfrist infolge Unterbrechung des Verfahrens nicht versäumt sei, und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen eine etwaige Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.

I. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 1973 (BGHZ 61, 84) entschieden hat, wird das Verfahren nicht gemäß § 244 ZPO durch den Tod des Rechtsanwalts unterbrochen, wenn für diesen ein Vertreter nach § 53 BRAO bestellt ist. In diesem Falle tritt eine Unterbrechung des Verfahrens erst mit der Löschung des verstorbenen Anwalts in der Liste der Rechtsanwälte ein.

1. Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser – soweit ersichtlich – im Schrifttum nunmehr allgemein gebilligten Entscheidung abzugehen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl. § 244 Anm. 2 d aa; Zöller/Stephan, ZPO, 12. Aufl. § 244 Anm. 2 b; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 39. Aufl. § 244 Anm. 1 A a; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. § 244 Rdn. B 1; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl. § 127 IV 1 = S. 756; a.A. Pohle bei Stein/Jonas, ZPO, in der vor BGHZ 61, 84 erschienenen Auflage § 244 Anm. I 1).

2. Da der am 14. Mai 1981 verstorbene Rechtsanwalt Prof. Dr. Sch. erst am 2. Juni 1981 in der Liste der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwälte gelöscht wurde, war das Verfahren bei Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 21. Mai 1981 nicht unterbrochen, so daß diese Frist versäumt ist.

II. Der Klägerin war gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist indessen auf ihren rechtzeitig gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren.

1. Ein etwaiges Verschulden des Rechtsanwalts Dr. K. an der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist wäre der Klägerin nur dann zuzurechnen, wenn er ihr Bevollmächtigter im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO gewesen wäre.

a) Rechtsanwalt Dr. K. war amtlich bestellter Vertreter von Rechtsanwalt Prof. Dr. Sch., den die Klägerin mit ihrer Vertretung im Revisionsverfahren beauftragt hatte und den sie bevollmächtigt hatte. Auftrag und Vollmacht von Rechtsanwalt Prof. Dr. Sch. waren mit dessen Tode gemäß §§ 673, 168 Satz 1 BGB erloschen. Von diesem Zeitpunkt an verband die Klägerin mit Rechtsanwalt Dr. K. kein Auftragsverhältnis und jedenfalls kein rechtsgeschäftlich begründetes Vollmachtsverhältnis.

b) § 54 BRAO rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Diese Vorschrift besagt nicht mehr, als daß zum Schutze der Parteien, auch der Gegenpartei, in der Zeit zwischen dem Tode des Rechtsanwalts und seiner Löschung in der Anwaltsliste Rechtshandlungen des amtlich bestellten Vertreters sowie Rechtshandlungen gegenüber diesem nicht unwirksam sind. Dieser Bestimmung läßt sich nicht entnehmen, daß anstelle des verstorbenen Anwalts nunmehr dessen amtlich bestellter Vertreter von der Partei beauftragt und bevollmächtigt sei.

Ob § 54 BRAO, wie Isele (BRAO, 1976, § 54 Anm. III B 1) meint, für die Zeit zwischen dem Tod des Rechtsanwalts und seiner Löschung in der Anwaltsliste den Fortbestand des Vertretungsverhältnisses fingiert, kann dahingestellt bleiben. Denn für die Frage, ob und inwieweit das Verhalten eines Anwalts der Partei zuzurechnen ist, ist nicht entscheidend, wieweit seine Vollmacht nach außen hin reicht, sondern ob er zu der maßgeblichen Zeit beauftragt war (BGHZ 31, 351, 354). Die Haftung der Partei für das Verschuld ihres Anwalts beruht nämlich auf dem Gedanken, daß sie nur für die Person ihres Vertrauens einzustehen hat (BGHZ 47, 320, 321 zu § 232 Abs. 2 ZPO). Das gilt auch für § 85 Abs. 2 n.F. ZPO, der an die Stelle des § 232 Abs. 2 ZPO getreten ist. Da Rechtsanwalt Dr. K. von der Klägerin nicht beauftragt war ihre Interessen wahrzunehmen, braucht sie sich deshalb sein Verhalten nicht zurechnen zu lassen.

2. Die Korrespondenzanwälte der Klägerin trifft schon deswegen kein Verschulden an der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist, weil sie erst mit Rundschreiben vom 28. Mai 1981, also nach Fristablauf, durch Rechtsanwalt Dr. K. von dem Tod von Rechtsanwalt Prof. Dr. Sch. unterrichtet wurden.

III. Die Kosten der Wiedereinsetzung waren gemäß § 238 Abs. 4 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.

 

Unterschriften

Braxmaier, Dr. Hiddemann, Hoffmann, Treier, Dr. Brunotte

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502294

NJW 1982, 2324

Nachschlagewerk BGH

JZ 1982, 335

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