Leitsatz (amtlich)

Der Wert einer Vollstreckungsabwehrklage bemisst sich grundsätzlich nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren (Haupt-)Anspruchs, sofern sich nicht aus den Anträgen oder der Klagebegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Teilbetrags für unzulässig erklärt werden soll.

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 767

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.11.2004; Aktenzeichen 26 U 41/04)

LG Hanau (Entscheidung vom 18.05.2004; Aktenzeichen 1 O 1663/03)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 26. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 15.11.2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 12.640,16 EUR.

 

Gründe

In einem Vorprozess verurteilte das LG H. die Klägerin, an die Beklagte 12.640,16 EUR nebst Zinsen zu zahlen; das Urteil wurde durch Zurückweisung der Berufung rechtskräftig. Später wandte sich die Klägerin gegen die zwangsweise Beitreibung der titulierten Forderung nebst Kosten mit der Vollstreckungsabwehrklage. Nach Einreichung, aber vor Zustellung dieser Klage ging bei der Beklagten die von der Klägerin nach dem erstinstanzlichen Unterliegen im Vorprozess hinterlegte Hauptsumme (nebst Hinterlegungszinsen) sowie ein vom Gerichtsvollzieher beigetriebener Teilbetrag ein.

Das LG hat die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

1. Das Rechtsmittel ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat für die Frage, ob die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschritten ist, darauf abgestellt, ob und inwieweit der Klägerin im Zeitpunkt der Berufungseinlegung eine Vollstreckung drohte. Damit ist es von der nachfolgend zitierten Rechtsprechung des BGH, insb. von dem Beschluss vom 2.2.1962 (BGH, Beschl. v. 2.2.1962 - V ZR 70/60, NJW 1962, 806), abgewichen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR.

a) Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes den für eine Wertberufung erforderlichen Betrag von 600 EUR übersteigt, ist das Berufungsgericht nicht an eine Streitwertfestsetzung durch das erstinstanzliche Gericht gebunden (BGH, Beschl. v. 9.7.2004 - V ZB 6/04, BGHReport 2004, 1643 = NJW-RR 2005, 219).

b) Der Wert des Beschwerdegegenstandes überschreitet die in § 511 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgesehene Grenze von 600 EUR; er beträgt 12.640,16 EUR.

aa) Der Wert der Vollstreckungsabwehrklage war vom Berufungsgericht gem. §§ 3, 4 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Eine solche Festsetzung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschl. v. 9.7.2004 - V ZB 6/04, BGHReport 2004, 1643 = NJW-RR 2005, 219 [220]).

bb) Die Wertfestsetzung durch das Berufungsgericht überschreitet die Grenzen des ihm in § 3 ZPO eingeräumten Ermessens.

Der Wert einer Vollstreckungsabwehrklage bemisst sich nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung (BGH, Beschl. v. 20.9.1995 - XII ZR 220/94, MDR 1995, 1259 = NJW 1995, 3318). In diesem Umfang entscheidet der Wert des zu vollstreckenden Anspruchs einschließlich etwaiger Rückstände ohne Zinsen und ohne Kosten des Vorprozesses (BGH, Beschl. v. 18.3.1981 - IVb ZR 585/80, MDR 1981, 830 = KostRsp GKG § 17 Nr. 31; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rz. 16, Stichwort "Vollstreckungsabwehrklage"). Dabei ist der Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen (BGH, Beschl. v. 23.9.1987 - III ZR 96/87, KostRsp ZPO § 3 Nr. 890; OLG Karlsruhe v. 27.6.2003 - 16 WF 77/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 428 = FamRZ 2004, 1226 f.). Da der Streitgegenstand ausschließlich vom Kläger der Vollstreckungsgegenklage bestimmt wird, kommt es nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Prozesses unstreitig wird (OLG Bamberg JurBüro 1984, 1398; OLG Hamm v. 8.3.1991 - 12 W 2/91, Rpfleger 1991, 387; OLG Frankfurt v. 30.10.2002 - 25 W 71/02, OLGReport Frankfurt 2003, 172 [173]). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich aus den Anträgen oder der Klagebegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung wegen eines Teilbetrags oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden soll; dann ist dieser Betrag zugrunde zu legen (BGH, Beschl. v. 2.2.1962 - V ZR 70/60, NJW 1962, 806).

cc) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Aus seinen Feststellungen (§§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO) ergibt sich nicht, dass die Klägerin - spätestens im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels (§ 4 Abs. 1 ZPO) - ihren Antrag auf einen Teil des zu vollstreckenden Anspruchs beschränkt hat. Im Gegenteil nimmt die Klagebegründung auf den von der Beklagten erteilten Vollstreckungsauftrag über 14.740 EUR Bezug. Auch mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihren uneingeschränkten Klageantrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG H. für unzulässig zu erklären, weiterverfolgt, wie sich - neben dem Berufungsantrag - nicht zuletzt aus der Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 23.2.2004 ergibt. Dort hat sie ausgeführt, die Vollstreckung sei jedenfalls in Höhe des hinterlegten Betrages (12.640,16 EUR) unzulässig. Zwar hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.1.2004 mitgeteilt, dass die von der Klägerin hinterlegte Hauptsumme (nebst Zinsen) und der vom Gerichtsvollzieher beigetriebene Teilbetrag bei ihr eingegangen seien; durch die zugleich vorgelegte Neuberechnung der zu vollstreckenden Forderung hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie nur noch wegen ihrer restlichen Forderung die Vollstreckung betreiben wolle. Dies reicht aber zu einer Festsetzung des Werts des Beschwerdegegenstandes auf diesen Betrag nicht aus, weil die Vollstreckbarkeit des Titels hinsichtlich des ganzen Anspruchs bestehen geblieben ist (BGH, Beschl. v. 2.2.1962 - V ZR 70/60, NJW 1962, 806; OLG Hamm v. 8.3.1991 - 12 W 2/91, Rpfleger 1991, 387 [388]).

dd) Auf die Frage, ob die Klage in dem von der Klägerin erhobenen Umfang zulässig ist, kommt es für die Wertbestimmung nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1487642

BB 2006, 629

BGHR 2006, 667

FamRZ 2006, 620

NJW-RR 2006, 1146

JurBüro 2006, 428

InVo 2006, 361

MDR 2006, 1064

RVGreport 2006, 160

VE 2006, 150

ZVI 2006, 204

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