Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses bei fehlender Berücksichtigung eines vorprozessual geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen eines "sofort" abgegebenen Anerkenntnisses, wenn der Kläger das vorprozessual ausgeübte Zurückbehaltungsrecht des Beklagten in seinem Klageantrag nicht berücksichtigt.

 

Normenkette

ZPO § 93

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 02.12.2003; Aktenzeichen 11 W 75/03)

LG Karlsruhe

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG Karlsruhe v. 2.12.2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: bis zu 3.500 EUR

 

Gründe

I.

Die Klägerin suchte anlässlich der Aufgabe eines von ihr betriebenen Juweliergeschäfts ein Unternehmen, das den Restbestand der Waren veräußern sollte. Sie einigte sich mit der Beklagten darauf, dass diese die Waren veräußere und ihr ein Viertel des von ihr für jedes Stück aufgeführten Bruttoverkaufspreises zahle. Nachdem die Beklagte nur über einen Teil der ihr überlassenen Waren abgerechnet hatte, stellte die Klägerin ihr am 23.9.2002 insgesamt 23.474,24 EUR in Rechnung und machte geltend, es handele sich um ein Viertel des Bruttoverkaufspreises der verbleibenden Ware. Auf der entsprechenden Rechnung ist die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen. Gegenüber den Zahlungsaufforderungen der Klägerin berief sich die Beklagte darauf, dass die Rechnung nicht den Anforderungen des Umsatzsteuergesetzes genüge, und erklärte, sie sei zur Zahlung bereit, wenn sie eine ordnungsgemäße Rechnung erhalte. Die Klägerin beantragte daraufhin den Erlass eines Mahnbescheids. Die Beklagte legte Widerspruch ein. Nach der Anspruchsbegründung durch die Klägerin verfügte das Gericht die Vorbereitung des Haupttermins im schriftlichen Vorverfahren. Die Beklagte wurde aufgefordert, binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift anzuzeigen, ob sie der Klage entgegentrete, und binnen einer Frist von weiteren zwei Wochen auf die Klage zu erwidern. Die Klage und die gerichtliche Verfügung wurden der Beklagten am 22.5.2003 zugestellt. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zeigten mit am 3.6.2003 eingegangenen Schriftsatz die Vertretung der Beklagten an und erklärten, diese werde der Klage entgegentreten. Mit Schriftsatz v. 17.6.2003 erkannte die Beklagte den Klageanspruch i.H.v. 22.289,25 EUR mit der Maßgabe an, dass sie zur Zahlung der Klageforderung nur Zug um Zug gegen Übermittlung einer Rechnung verpflichtet sei, die die Umsatzsteuer in einer dem § 14 UStG genügenden Form ausweise. Im Übrigen beantragte sie Klageabweisung. Hinsichtlich der Kosten beantragte sie, diese vollständig der Klägerin aufzuerlegen, da sie - die Beklagte - keinen Anlass zur Klage gegeben habe, weil die Klägerin ihr trotz Aufforderung keine ordnungsgemäße Rechnung gestellt habe. Die Klägerin ermäßigte ihre Forderung auf den anerkannten Betrag und übermittelte mit Schriftsatz v. 25.7.2003 eine Abschlussrechnung v. 16.7.2003 über diesen Betrag. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6.8.2003 übergab die Klägerin der Beklagten Rechnungen über vorgerichtliche Abschlagszahlungen, die die Mehrwertsteuer auswiesen. Die Beklagte erkannte daraufhin die ermäßigte Klageforderung an.

Das LG hat die Kosten des Rechtsstreits entsprechend der Teilrücknahme der Klägerin auferlegt, im Übrigen der Beklagten. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin insgesamt auferlegt. Das OLG hat zur Begründung ausgeführt, das Anerkenntnis der Beklagten sei als "sofortiges" anzusehen, obwohl es erst innerhalb der der Beklagten gem. § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO gesetzten Klageerwiderungsfrist und nach Ablauf der ihr gem. § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO gesetzten Notfrist erklärt worden sei. Ein "sofortiges" Anerkenntnis sei im schriftlichen Vorverfahren auch dann noch anzunehmen, wenn es bis zum Ablauf der Klageerwiderungsfrist abgegeben werde. Etwas Anderes gelte nur dann, wenn der Beklagte bereits zuvor - etwa mit der Verteidigungsanzeige - Klageabweisung beantragt habe. Zwar habe die Beklagte hier mit Schriftsatz v. 3.6.2003 erklärt, sie werde der Klage entgegentreten. Diese Äußerung sei jedoch nicht als Sachantrag anzusehen, sondern stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verteidigungsanzeige.

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

II.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 93 ZPO vorliegen.

1. Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Veranlassung zur Erhebung einer Klage gibt man durch ein Verhalten, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt. Daraus folgt, dass es für die Frage, ob die Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, auf ihr Verhalten vor dem Prozess ankommt (BGH, Urt. v. 27.6.1979 - VIII ZR 233/78, NJW 1979, 2040, unter II 3 a).

2. Das Verhalten der Beklagten vor dem Prozess rechtfertigte für die Klägerin nicht dessen Notwendigkeit. Die Klägerin war der Beklagten verpflichtet, eine den Anforderungen des § 14 UStG genügende Rechnung zu stellen (BGH v. 24.2.1988 - VIII ZR 64/87, BGHZ 103, 284 ff. = MDR 1988, 574 = UR 1988, 183 m. Anm. Weiss; Urt. v. 30.1.1991 - VIII ZR 361/89, MDR 1991, 630 = UR 1991, 223 m. Anm. Widmann = WM 1991, 733, unter II 1b aa). Zu Recht ist das Beschwerdegericht deshalb der Auffassung, dass die Beklagte ihre Zahlung nach § 273 BGB zurückhalten konnte, bis die Klägerin der Beklagten eine Rechnung erteilte, in der die Mehrwertsteuer gesondert ausgewiesen war. Dieses Zurückbehaltungsrecht hat die Beklagte auch ggü. der Klägerin vor Prozessbeginn geltend gemacht und erklärt, sie sei zur Zahlung bereit, wenn sie eine ordnungsgemäße Rechnung erhalte. Es bestand daher für die Klägerin kein hinreichender Grund anzunehmen, ohne Inanspruchnahme des Gerichts nicht zu ihrem Recht zu kommen.

Da die Beklagte ihr schon zwar ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht dem Klagebegehren entgegensetzen konnte, konnte ein Anerkenntnisurteil i.S.v. § 307 ZPO nur ergehen, wenn die Klägerin in ihrem Sachantrag das Gegenrecht anerkannte (BGH v. 5.4.1989 - IVb ZR 26/88, BGHZ 107, 142 [147] = MDR 1989, 803) oder das Gegenrecht zum Erlöschen brachte. Die Klägerin ließ in ihrer Klageschrift aber das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten unberücksichtigt. Die Beklagte war deshalb zunächst nicht gehalten, den Klageanspruch als begründet anzuerkennen. Ein Anerkenntnis der Beklagten war erst geboten, nachdem die Klägerin der Beklagten eine ordnungsgemäße Rechnung erteilte. Da dies erst mit Schriftsatz v. 25.7.2003 sowie im Termin am 6.8.2003 geschah, folgte das Anerkenntnis der Beklagten in diesem Termin "sofort". Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kommt es deshalb nicht auf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage an, ob nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens gem. §§ 272 Abs. 2, 276 ZPO ein Anerkenntnis, um als "sofortiges" i.S.v. § 93 ZPO zu gelten, innerhalb der zweiwöchigen Notfrist für die Verteidigungsanzeige erklärt werden muss, oder ob - nach Anzeige der Verteidigungsbereitschaft - noch innerhalb der anschließenden Frist zur Klageerwiderung "sofort" anerkannt werden kann.

Die Klägerin hat daher gem. §§ 93, 97 ZPO die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1368792

BB 2005, 1302

BGHR 2005, 1073

NJW-RR 2005, 1005

JurBüro 2005, 558

ZAP 2005, 818

MDR 2005, 1068

AGS 2006, 88

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