Leitsatz (amtlich)

a) Zur Frage der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung in der Revisionsinstanz bei einer Verurteilung zur Unterlassung, die zeitlich derart begrenzt ist, daß vor dem Ablauf der Unterlassungspflicht nicht mehr über die Revision entschieden werden kann.

b) Bei einer Verurteilung zur Rechnungslegung unter Angabe der Namen der Abnehmer eines umstrittenen Erzeugnisses kann eine Einstellung der Zwangsvollstreckung in der Regel dann nicht erfolgen, wenn der Beklagte im zweiten Rechtszuge nicht hilfsweise beantragt hat, ihm zu gestatten, die Namen seiner Abnehmer nur einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Person mitzuteilen.

 

Normenkette

ZPO § 719 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 21.03.1979)

LG Stuttgart

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. März 1979 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Beklagten ist durch das mit der Revision angefochtene Urteil des Oberlandesgerichts unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden, es für die Zeit bis zum 31. Dezember 1979 zu unterlassen, in einem bestimmten Umfange Figuren der sogenannten Schlumpfserie zu vertreiben und im geschäftlichen Verkehr zu behaupten oder zu verbreiten, sie habe wieder die Vertriebslizenz für das Schlumpffigurenprogramm. Sie ist ferner verurteilt worden, dem Kläger darüber Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe der Abnehmer, Lieferdaten, Liefermengen und Verkaufserlöse, in welchem Umfang sie Schlumpffiguren entsprechend der Verurteilung zur Unterlassung vertrieben hat, und Auskunft zu erteilen durch Vorlage einer Aufstellung sämtlicher Empfänger der Mitteilung, sie habe wieder die Vertriebslizenz für das Schlumpffigurenprogramm.

Der auf § 719 Abs. 2 ZPO gestützte Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung konnte keinen Erfolg haben.

Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, Figuren der Schlumpfserie zu vertreiben und zu behaupten oder zu verbreiten, sie habe wieder die Vertriebslizenz für dieses Figurenprogramm, steht ihrem Antrag bereits entgegen, daß durch die Einstellung das Urteil des Oberlandesgerichts zum Nachteil der Klägerin seine materielle Wirkung einbüßen würde. Denn bis zum Ablauf der Unterlassungspflicht am 31. Dezember 1979 kann über die Revision der Beklagten nicht mehr entschieden werden, so daß im Falle einer Einstellung der Zwangsvollstreckung die Verurteilung zur Unterlassung ins Leere ginge (vgl. BGH NJW 1965, 1276; BAG NJW 1972, 1775).

Was die Verurteilung zur Unterlassung angeht, Figuren der Schlumpfserie zu vertreiben, so hat die Klägerin überdies glaubhaft gemacht, daß etwaigen nicht zu ersetzenden Nachteilen der Beklagten eigene überwiegende Interessen entgegenstehen. Denn sie hat dargetan, daß sie wegen der gerichtlich untersagten Konkurrenz der Beklagten zur Zeit ihre inländischen Fertigungsanlagen nicht voll ausnützen könne und daß sie ohne den Vertrieb der Beklagten etwa eine Million Figuren monatlich mehr herstellen und absetzen könnte. Demgegenüber muß es Sache der Beklagten bleiben, Wege zu finden, bis zum 31. Dezember 1979 ihre Arbeitskräfte zu halten, die sie dann als alleinige Lizenznehmerin des Schöpfers der Schlumpffiguren zu ihrer Produktion braucht.

Schließlich hat die Beklagte nicht dargelegt, worin ein nicht zu ersetzender Nachteil bestehen sollte, wenn sie die Behauptung unterläßt, sie habe wieder die Vertriebslizenz für das Schlumpffigurenprogramm.

Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Verurteilung zur Rechnungslegung ist nicht geboten. Allein der Umstand, daß die Vollstreckung aus dem Berufungsurteil in diesem Punkte das Prozeßergebnis vorwegnehmen würde, ist kein unersetzlicher Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH II ZR 108/78 Beschluß vom 18. August 1978). Was die Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse, vor allem in Bezug auf ihren Kundenkreis angeht, so hätte die Beklagte im zweiten Rechtszuge einen Hilfsantrag stellen können, ihr zu gestatten, die Namen ihrer Abnehmer nur einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Person mitzuteilen. Es ist davon auszugehen, daß sie dann auch nur mit einem entsprechenden Vorbehalt zur Rechnungslegung verurteilt worden wäre, so daß ihr ein nicht zu ersetzender Nachteil nicht hätte entstehen können (vgl. BGH GRUR 1978, 726, zu Ziff. 2). Sie hat demnach eine andere Möglichkeit, ihre Interessen hinreichend zu wahren, nicht genutzt. Das kann nicht zu Lasten der Klägerin durch Aufschub der Vollstreckung bis zur Rechtskraft gehen.

Soweit die Beklagte verurteilt ist, Auskunft zu erteilen über die Empfänger von Mitteilungen, in denen wörtlich oder sinngemäß behauptet wird, sie habe wieder die Vertriebslizenz für das Schlumpffigurenprogramm, hat sie nicht dargetan, weshalb ihr die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Falls die Empfänger mit ihren Kunden identisch sein sollten, muß sie deren Namen ohnehin im Wege der Rechnungslegung mitteilen. Im übrigen stünde den Belangen der Beklagten ein überwiegendes Interesse der Klägerin entgegen, gegenüber den Empfängern der Mitteilung klarzustellen, daß sie nach dem Urteil des Oberlandesgerichts bis zum 31. Dezember 1979 nach wie vor Lizenznehmerin für das Schlumpfprogramm ist.

 

Unterschriften

v. Gamm, Rebitzki

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237584

Nachschlagewerk BGH

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