Entscheidungsstichwort (Thema)

Mord

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für den Umfang der Aufklärungspflicht.

 

Normenkette

StPO § 244 Abs. 2, 5 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Aktenzeichen 1 Ks 401 Js 14198/98)

 

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 3. Februar 2000 werden als unbegründet verworfen.

Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

 

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge jeweils zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

Nach den Feststellungen verabredeten die Angeklagten am 26. April 1998 in Mannheim, den chinesischen Wirt L. zu überfallen und bei Gegenwehr zu töten. Dem Angeklagten Va. N. kam es im wesentlichen auf den Tod des Tatopfers an, weil er dessen Imbiß übernehmen wollte. Die anderen Angeklagten wollten sich vor allem in den Besitz der Einnahmen bringen, die der Wirt in einer Tasche mit sich führte. Die Angeklagten Va. N. und Ng. N. hielten sich bei der Tatausführung im Hintergrund, um nicht erkannt zu werden. Die von Ng. N. aus Berlin angeworbenen Angeklagten H. und V. und T. führten den Überfall aus. Einer dieser drei Angeklagten tötete den Wirt mit einem mitgeführten Messer.

I.

Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch.

1. Die Revision rügt ohne Erfolg, die Strafkammer habe rechtsfehlerhaft den Beweisantrag auf Ladung eines Zeugen in Vietnam abgelehnt.

Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

a) Der Verteidiger des Angeklagten Ng. N. stellte am 2. Dezember 1999 den Beweisantrag, den Zeugen Ng. Q. N., den Bruder des Angeklagten Ng. N., zur Hauptverhandlung in Vietnam zu laden, hilfsweise ihn im Wege der Rechtshilfe in Vietnam kommissarisch vernehmen zu lassen. Dem Antrag schlossen sich die Verteidiger der Angeklagten Va. Ng., H. und V. an.

aa) Der Antrag zielte darauf ab, einen Tatverdacht zu widerlegen. Er enthielt die Beweisbehauptung, der Zeuge werde bekunden, der Angeklagte Ng. N. habe sich gegenüber dem Angeklagten Va. N. nicht dazu bereit erklärt, an einer Tötung des L. mitzuwirken oder dabei behilflich zu sein. Der Angeklagte Ng. N. sei lediglich dazu bereit gewesen, an einer Einschüchterung oder an einer Beraubung des Herrn L. mitzuwirken. Nur aus diesem Grund habe er den Kontakt zu den drei Angeklagten H. und V. und T. aus Berlin aufgenommen und diese beauftragt, nach Mannheim zu kommen und an einer Einschüchterung oder Beraubung des L. mitzuwirken oder diese durchzuführen. Der Zeuge werde auch angeben, auch diese drei Angeklagten seien bei den Besprechungen des Tatplans in Mannheim nur hinsichtlich der Ausführung eines Raubes übereingekommen und hätten dies ausdrücklich erklärt.

bb) Zur Begründung wurde ausgeführt, der Zeuge sei bei sämtlichen Gesprächen beteiligt gewesen, die im Vorfeld des Geschehens des 26. April 1998 in Mannheim – insbesondere ab Anfang April 1998 – zwischen Va. N. und Ng. N. stattgefunden hätten. Er sei auch bei Telefonaten seines Bruders, die dieser mit einem der Angeklagten in Berlin geführt habe, dabei gewesen. Auch nach dem Eintreffen der drei Angeklagten in Mannheim sei er bei verschiedenen Gesprächen zugegen gewesen. Schließlich habe der Zeuge auch nach dem Geschehen in der Nacht des 26. April 1998 nochmals mit seinem Bruder gesprochen. Auch in diesem Gespräch habe der Angeklagte Ng. N. ausdrücklich erklärt, er und die drei Angeklagten aus Berlin seien nur zu einer Einschüchterung oder Beraubung L. 's bereit gewesen.

b) Der Vorsitzende der Strafkammer versuchte nach Antragstellung, den Zeugen in Vietnam ausfindig zu machen und ihn zu befragen, ob er unter Zusicherung freien Geleits bereit sei, zur Vernehmung in der Hauptverhandlung in die Bundesrepublik zu reisen.

c) Am 20. Dezember 1999 verkündete die Strafkammer einen Beschluß, mit dem sie den Beweisantrag zurückwies. In den Gründen hieß es, die Aufklärungspflicht erfordere die Vernehmung des in Vietnam zu ladenden Zeugen nicht, da von seiner Vernehmung keine wesentliche Änderung des bisher gewonnenen Beweisergebnisses zu erwarten sei (§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO). Dabei habe die Strafkammer insbesondere den eingeschränkten Beweiswert etwaiger entlastender Aussagen dieses Zeugen bedacht. Dieser sei der Bruder des Angeklagten Ng. N. (§ 52 StPO). Nach der Aussage des Angeklagten Va. N. sei der Zeuge zu Anfang in die Tatplanung involviert gewesen (§ 55 StPO). Dies habe sich dadurch bestätigt, daß er drei Tage nach dem Geschehen aus Angst vor Verfolgung durch die Polizei Mannheim fluchtartig verlassen habe. Er könne nichts Entscheidendes zur Glaubhaftmachung des mit dem Antrag verfolgten Beweisziels beitragen. Die Negativbehauptung, er habe sich zu keinem Zeitpunkt zur Tötung des L. bereit erklärt, würde voraussetzen, daß der Zeuge seit Anfang April 1998 bis zur Tat sich ständig in Begleitung seines Bruders befunden hätte. Andere Zeugen hätten bestätigt, daß sie die Brüder im fraglichen Zeitraum nur selten gemeinsam angetroffen hätten. Jedenfalls sei der Zeuge bei dem entscheidenden, der Tatausführung unmittelbar vorausgehenden Besprechung nicht anwesend gewesen. Dies ergebe sich aus der eigenen Einlassung des Angeklagten Ng. N. und aus den Aussagen weiterer Zeugen. Die Behauptung, der Angeklagte Ng. N. habe nach der Tat seinem Bruder gegenüber einen Tatplan, der auch eine Tötung des Opfers beinhaltete, in Abrede gestellt, sei für die Entscheidung ohne Bedeutung. Einen solchen Schluß würde die Kammer aus einer entsprechenden bestätigenden Aussage nicht ziehen.

Die Bemühungen, den Zeugen in Vietnam ausfindig zu machen und ihn befragen zu lassen, ob er unter Zusicherung freien Geleits in der Hauptverhandlung erscheinen würde, hätten kein Ergebnis gebracht. Unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes erscheine angesichts des geringen Beweiswerts ein weiteres Zuwarten auf das höchst ungewisse Erscheinen des Zeugen nicht vertretbar. Aus denselben Gründen komme auch eine kommissarische Vernehmung nicht in Betracht. Auf diesem Wege sei die dringend erforderliche Überprüfung der Glaubhaftigkeit wegen des fehlenden persönlichen Eindrucks nicht gewährleistet. Insoweit sei das Beweismittel auch ungeeignet.

Am 28. Dezember 1999 übersandte der Verbindungsbeamte des Bundeskriminalamtes in Vietnam mit Telefax ein Schreiben der Volkspolizei in Hanoi vom 24. Dezember 1999. Dies enthielt die nach einem Gespräch mit der dortigen Polizei abgegebene schriftliche Erklärung des Zeugen, er könne „wegen der schwierigen Lage seines Privatlebens” der Bitte nicht nachkommen, in Deutschland für einen Gerichtsprozeß zur Verfügung zu stehen. Am letzten Verhandlungstag, dem 3. Februar 2000, wurde nach den Plädoyers der Verteidiger die Beweisaufnahme nochmals eröffnet. Die drei Urkunden über das Ergebnis der Ermittlungsversuche wurden verlesen.

d) Die Revision macht geltend, die Strafkammer habe gegen das Beweisantragsrecht verstoßen. In der Begründung des Ablehnungsbeschlusses habe sie sich „im ersten Schritt” auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt, ohne den gesamten rügerelevanten Stoff geprüft zu haben. Damit habe sie gegen das Aufklärungsgebot verstoßen. Dabei habe sie insbesondere die „Nachtatäußerungen” des Angeklagten Ng. N. gegenüber dem Zeugen zu Unrecht als bedeutungslos angesehen.

Unabhängig davon habe die Strafkammer aus Gründen der Aufklärungspflicht überhaupt nicht nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO verfahren dürfen. Sie habe mit ihren unternommenen Bemühungen zum Ausdruck gebracht, daß sie unter Aufklärungsgesichtspunkten die Vernehmung des Zeugen für erforderlich hielt. In der weiteren Begründung des Ablehnungsbeschlusses vom 20. Dezember 1999 habe sie sich deshalb offensichtlich auf den Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit eines Auslandszeugen gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gestützt. Zwar möge der Zeuge zum Zeitpunkt des Ablehnungsbeschlusses unerreichbar gewesen sein. Nach dem 28. Dezember 1999 und erst recht bei der Urteilsverkündung sei der Zeuge jedoch für die Strafkammer greifbar gewesen. Die Kammer habe zwar nach dem 28. Dezember 1999 bei ihrer Begründung bleiben können, eine kommissarische Vernehmung in Vietnam komme nicht in Betracht. Sie habe jedoch unter Verletzung der Aufklärungspflicht nicht geprüft, ob der Zeuge mittels einer Videokonferenz nach § 247a StPO hätte vernommen werden können. Dieses sei als effektiveres Beweismittel gegenüber der kommissarischen Vernehmung in Betracht zu ziehen gewesen, bevor der Zeuge endgültig als unerreichbar erachtet worden sei. Eines eigens auf § 247a StPO gerichteten – ergänzenden – Beweisantrages habe es nicht bedurft. Die audiovisuelle Vernehmung des Zeugen Ng. Q. N. sei im vorliegenden Fall sowohl rechtshilfetechnisch als auch tatsächlich möglich gewesen.

e) Die Ablehnung des Beweisantrages hält rechtlicher Nachprüfung stand.

aa) Das Landgericht hat die Ablehnung des Beweisantrags vom 6. Dezember 1999 rechtsfehlerfrei auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt. Nach dieser Bestimmung kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen abgelehnt werden, wenn dessen Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist, ohne daß die Erreichbarkeit dieses Zeugen geprüft werden müßte (BGHSt 40, 60, 62).

Insofern ist maßgebendes Kriterium, ob die Erhebung des beantragten Beweises ein Gebot der Aufklärungspflicht ist. Dabei ist es dem Tatrichter erlaubt und aufgegeben, das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde zu legen. Das sonst im Beweisantragsrecht weitgehend herrschende Verbot einer Beweisantizipation gilt nicht (BGHSt aaO S. 62; BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 2, 3, 6; vgl. auch BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats] StV 1997, 1 ff.). Der Tatrichter darf also seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt das Gericht dabei unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, daß der benannte Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde bestätigen können oder daß ein Einfluß auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist eine Ablehnung des Beweisantrags rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Umfang der Aufklärungspflicht kann im Einzelfall wegen des Gebotes, das Verfahren beschleunigt und mit prozeßwirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu erledigen, unterschiedlich weit sein. Gewicht der Strafsache sowie Bedeutung und Beweiswert des weiteren Beweismittels sind gegenüber den Nachteilen der Verfahrensverzögerungen abzuwägen, weshalb bei Anschuldigungen von Gewicht einer für den Schuldspruch relevanten weiteren Sachaufklärung eher Vorrang zukommt. Dies spielt vor allem bei schwer erreichbaren, weit entfernt wohnenden oder sich im Ausland aufhaltenden Zeugen ein Rolle. (vgl. Gollwitzer in LR StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 57). Diesen Gedanken, der auch § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO zugrunde liegt, greift auch die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von § 244 Abs. 3 zu § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO auf (BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats] StV 1997, 1, 2).

bb) Diese Maßstäbe hat die Strafkammer beachtet. Sie hat bedacht, daß selbst dann, wenn der Zeuge die Tatsachen bekundet hätte, die behauptet wurden, ein Einfluß auf seine Überzeugung nach den in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnissen sicher ausgeschlossen wäre.

Dabei hat sie konkret dargelegt, warum der Beweiswert der Aussage des Zeugen von vornherein eingeschränkt gewesen wäre. Die Erwartung, der Bruder des Angeklagten, der von Anfang an an der Tatplanung beteiligt gewesen sei und nach dem Geschehnis aus Angst vor der Polizei Mannheim fluchtartig verlassen habe, werde den Angeklagten entlasten, ist nachvollziehbar. Die Bewertung, diese Umstände könnten die Überzeugungskraft der Aussage von vornherein mindern, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Unabhängig davon legt der Beschluß aber auch im einzelnen dar, weshalb die Kammer nicht glauben würde, der Zeuge sei vor dem Tatgeschehen ständig mit seinem Bruder zusammengewesen. Insbesondere verdeutlichen die Gründe, warum sie einer Aussage des Zeugen nicht folgen würde, er sei auch bei der der Tatausführung unmittelbar vorausgegangenen endgültigen Planung zugegen gewesen und habe dabei gehört, die Angeklagten hätten nur eine Beraubung und nicht die Tötung des Tatopfers L. beschlossen. Die Kammer hat sich nämlich für ihre Bewertung der erwarteten Zeugenaussage auf die entgegenstehende Einlassung des Angeklagten Ng. N. sowie auf die Aussagen der bei dem letzten Gespräch vor der Tatausführung in der Wohnung anwesenden Zeugen gestützt. Angesichts des nach dem Tatplan vorgesehenen Todes des Tatopfers, der durch Messerstiche eines der aus Berlin herbeigerufenen Angeklagten herbeigeführt worden sein mußte, ist auch nachvollziehbar, daß die Strafkammer der erwarteten Aussage, der Angeklagte habe auch nach der Tat dem Zeugen versichert, es habe nur zu einem Raub kommen sollen, keine Bedeutung beimessen wollte.

cc) Daß die Strafkammer im Rahmen der auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützten Ablehnungsbegründung zusätzlich auf die Schwierigkeit der Erreichbarkeit des Zeugen, die Ungeeignetheit einer Vernehmung außerhalb der Hauptverhandlung und den Beschleunigungsgrundsatz abgestellt hat, bedeutet nicht, daß sie damit diesen Ablehnungsgrund mit dem der Unerreichbarkeit im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO vermengt hätte. Die Kammer spricht damit vielmehr den Gedanken der Verhältnismäßigkeit an. Neben dem Gewicht der vorgeworfenen Tat und der Relevanz des zu erwartenden Beweisergebnisses für das Beweisgebäude bestimmt auch dieser Grundsatz den Umfang der Aufklärungspflicht.

dd) Aus dem Umstand, daß die Strafkammer sich um die Ladung des Zeugen bemüht hat, kann nicht hergeleitet werden, daß sie sich aus Gründen der Aufklärungspflicht selbst gezwungen sah, den Zeugen zu hören.

Der Vorsitzende und das Gericht sind – unbeschadet der Aufklärungspflicht – jederzeit befugt, auf die Ladung solcher Zeugen hinzuwirken oder im Freibeweis die Möglichkeit der Erreichbarkeit zu prüfen, bei denen ungewiß, ja sogar zweifelhaft ist, ob diese sachdienliche Angaben machen können (BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 5 und 6; BGH NStZ 1994, 554). Das wird vielfach sogar zweckmäßig sein, weil auf diese Weise unnötiger Streit vermieden und das Verfahren gefördert wird.

Keineswegs bindet sich das Gericht damit selbst hinsichtlich der weiteren Beurteilung des Beweiswerts des Beweismittels und der Frage, ob dem Beweisantrag unter Würdigung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme endgültig nachgegangen werden muß. Im übrigen läßt sich das Gewicht eines Beweismittels erst am Ende der Beweisaufnahme endgültig beurteilen.

Mit der Ablehnung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO entfällt die Pflicht, sich um den Zeugen weiter zu bemühen, gleichgültig, ob sein Aufenthalt bekannt ist oder nicht. Der Tatrichter hat auch nicht mehr zu prüfen, ob eine Vernehmung im Wege der Rechtshilfe möglich ist. Es entfällt auch die Entscheidung, ob im Rahmen des erweiterten Erreichbarkeitsbegriffs (vgl. Gollwitzer in LR StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 259) eine Vernehmung in der Hauptverhandlung durch eine Vernehmung im Ausland im Wege der Videokonferenz nach § 247a StPO (BGHSt 45, 188 ff.) oder die Einvernahme des Auslandszeugen durch das Verlesen eines bereits vorliegenden richterlichen Vernehmungsprotokolls nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO (BGH, Urt. vom 18. Mai 2000 – 4 StR 647/99 – vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHSt) ersetzt werden kann. Schließlich entfällt die Prüfung, ob der Beweisantrag abzulehnen ist, weil er offensichtlich der Verschleppung dienen sollte (vgl. Herdegen in KK aaO Rdn. 85).

2. Ohne Erfolg bleibt die weitere Rüge der Verletzung der §§ 249, 261 StPO. Die Revision beanstandet, das Urteil stütze sich auf „Telefonverbindungsdaten” über Telefongespräche des Angeklagten Ng. N. mit dem Angeklagten V. am 21. und am 25. April 1999, die nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien. Diese Daten stammten aus „Telefonverbindungslisten”, die im Wege des Selbstleseverfahrens hätten eingeführt werden sollen. Aus dem Protokoll ergebe sich, daß die entsprechende Verfügung des Vorsitzenden nicht ausgeführt worden sei. Die Revision übersieht, daß das Urteil nur von „Telefonverbindungsdaten” spricht und nicht von den „Telefonverbindungslisten”. Der Senat hat aus dem Hauptverhandlungsprotokoll entnommen, daß der Zeuge B. vom Polizeipräsidium Mannheim zu den Telefongesprächen ausführlich vernommen worden ist. Es erscheint daher möglich, daß die „Telefonverbindungsdaten” durch diesen Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind. Im übrigen würde das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensfehler nicht beruhen, da der Angeklagte Ng. N. die Telefongespräche mit V. selbst eingeräumt hat.

3. Die Aufklärungsrügen der Angeklagten H. und V. nach § 244 Abs. 2 StPO, die Strafkammer habe es unterlassen, weitere Aufklärungen über ihren Alkoholisierungsgrad und einer daraus eventuell resultierenden Einschränkung ihrer Steuerungsfähigkeit anzustellen, sind aus den Gründen, wie sie sich aus den Zuschriften des Generalbundesanwalts ergeben, offensichtlich unbegründet.

II.

Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

 

Unterschriften

Schäfer, Nack, Boetticher, Schluckebier, Hebenstreit

 

Fundstellen

Haufe-Index 512458

NJW 2001, 695

Nachschlagewerk BGH

StV 2001, 93

StraFo 2001, 88

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