Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung (Rücknahme eines bei einem unzuständigen Gericht eingelegten Rechtsmittels).

 

Normenkette

GKG § 21; EGZPO § 7; EGGVG § 8 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG München

LG München I (Aktenzeichen 15 S 11050/03)

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenansatz v. 23.12.2004 (Kostenrechnung v. 30.12.2004 Kassenzeichen: 780041048355) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Das AG hat die Klage auf Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Ziff. 4 des Tenors lautet: "Die Revision wird zugelassen". Gegen das ihnen am 30.8.2004 zugestellte Berufungsurteil haben die Klägerinnen Revision zum BayObLG eingelegt. Mit Beschluss v. 2.11.2004 hat das LG Ziff. IV seines Tenors dahin geändert, "dass die Revision zum BGH zugelassen wird". Nach Abgabe des Verfahrens an den BGH haben die Klägerinnen die Revision zurückgenommen. Der Senat hat mit Beschluss v. 22.12.2004 den Klägerinnen die Kosten der Revision auferlegt.

Mit Kostenrechnung v. 23.12.2004 hat der Kostenbeamte die Kosten der Klägerin zu 1) mit 73 EUR angesetzt. Dagegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten der zwischenzeitlich verstorbenen Klägerin zu 1), mit ihrer Erinnerung, der der Kostenbeamte nicht abgeholfen hat. Sie beantragen von der Kostenerhebung gem. § 21 GKG abzusehen. Sie machen geltend, das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung zwar die Revision zugelassen, es aber versäumt festzulegen, bei welchem Gericht die Revision einzulegen sei. Die Klägerinnen hätten von Anfang an keine Revision beim BGH durchführen wollen, deshalb das Rechtsmittel zum BayObLG eingelegt und es wieder zurückgenommen, nachdem das Berufungsgericht nachträglich entschieden habe, dass die Revision zum BGH zugelassen werde.

2. Die zulässige Erinnerung (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 21 GKG Rz. 65) bleibt ohne Erfolg.

Gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 GKG (= § 8 Abs. 1 S. 1 GKG a.F.) werden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Jedoch reicht ein leichter Verfahrensverstoß i.d.R. nicht, um von der Erhebung der Kosten nach dieser Bestimmung abzusehen. Um zu verhindern, dass es zu einer Kette nicht endender Nichterhebungsverfahren kommt (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 21 GKG Rz. 11), verlangt die Rechtsprechung vielmehr einen schweren Verfahrensverstoß (BGH, Beschl. v. 10.3.2003 - IV ZR 306/00, NJW-RR 2003, 1294; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 21 GKG Rz. 10, m.w.N.). Zwar hätte das LG gem. § 7 Abs. 1 S. 1 EGZPO mit der Zulassung der Revision gleichzeitig - und nicht erst später mit Ergänzungsbeschluss - über die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel entscheiden müssen. Hierin liegt aber kein schwerer Verfahrensverstoß. Die Klägerinnen hätten das Rechtsmittelverfahren und die damit entstandenen Kosten durch einen Antrag auf Urteilsergänzung vermeiden können. In solchen Fällen besteht kein ausreichender Grund, die angefallenen Gerichtskosten nicht zu erheben (Meyer, GKG, 6. Aufl., § 21 Rz. 9).

Auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 S. 3 GKG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann bei Zurücknahme eines Antrages von der Erhebung der Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Die Bestimmung gilt auch bei Rücknahme eines Rechtsmittels (Meyer, GKG, 6. Aufl., § 21 Rz. 11). Weil das LG es versäumt hatte, im Urteil über die Rechtsmittelzuständigkeit zu entscheiden, durften die Klägerinnen nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz die Revision sowohl beim BGH als auch beim BayObLG einlegen (BGH, Beschl. v. 26.11.1980 - IVb ZR 592/80, MDR 1981, 303 = NJW 1981, 576 [577]). Sie konnten aber nicht darauf vertrauen, dass das LG bei der von ihm nachzuholenden Zuständigkeitsbestimmung das BayObLG als Revisionsgericht bestimmen würde. Sie mussten vielmehr davon ausgehen, dass es den BGH als Revisionsgericht bestimmen würde. Nach § 8 Abs. 2 EGGVG ist bei Anwendung von Bundesrecht eine Zuständigkeit des BayObLG nämlich nur gegeben, wenn der landesrechtliche Rechtsstoff überwiegt (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 8 EGGVG Rz. 3). Das war hier nicht der Fall. Bei der Entscheidung des Berufungsgerichts ging es ausschließlich um mietrechtliche Fragen, somit um Bundesrecht und nicht um Landesrecht.

Die Klägerinnen müssen sich das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (Meyer, GKG, 6. Aufl., § 21 Rz. 11).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1375058

BGHR 2005, 1221

NJW-RR 2005, 1230

MDR 2005, 956

RVG-B 2005, 135

RVGreport 2006, 77

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