Entscheidungsstichwort (Thema)

Scheinvater. Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung. Titulierter Anspruch auf Nennung des biologischen Vaters. Anspruch auf übergeganenen Kiindesunterhalt. Vorrangiges öffentliches Interesse. Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Vollstreckungsmaßnahmen. Persönlichkeitsrecht der Mutter. Grundrechtsabwägung

 

Leitsatz (amtlich)

Der titulierte Anspruch auf Nennung des Vaters des nichtehelichen Kindes ist in der Regel auch vollstreckbar, weil durch die Vollstreckung der Eingriff in die Grundrechte der auskunftspflichtigen Kindesmutter nicht über das Maß hinaus vertieft wird, in dem ihre grundrechtlich geschützten Interessen bereits durch die (rechtskräftige) Verurteilung berührt sind.

 

Normenkette

ZPO § 888 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG (Beschluss vom 05.10.2006; Aktenzeichen 9 W 269/06)

LG Gera (Beschluss vom 08.05.2006; Aktenzeichen 3 O 1656/04)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss des 9. Zivilsenats des OLG Jena vom 5.10.2006 und der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Gera vom 8.5.2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die 3. Zivilkammer des LG Gera zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

[1] I. Der Gläubiger erbrachte, nachdem er seine Vaterschaft mit Zustimmung der Schuldnerin urkundlich anerkannt hatte, als sog. Scheinvater für den am 10.10.1989 geborenen Sohn der Schuldnerin Unterhaltszahlungen. Es steht rechtskräftig fest, dass der Gläubiger nicht der Vater des Kindes ist.

[2] Mit rechtskräftigem Versäumnisurteil des LG Gera vom 3.8.2005 wurde die Schuldnerin verurteilt, dem Gläubiger den Namen des biologischen Vaters des Kindes zu benennen. Auf Antrag des Gläubigers verhängte das LG Gera mit rechtskräftigem Beschluss vom 10.11.2005 gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Auskunft ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 EUR, ersatzweise für je 100 EUR einen Tag Zwangshaft. Das Zwangsgeld konnte nicht beigetrieben werden. Am 17.2.2006 hat der Gläubiger den Erlass eines Haftbefehls gegen die Schuldnerin beantragt. Dem ist die Schuldnerin mit Schreiben vom 22.3.2006 entgegengetreten. Sie macht unter Berufung auf Fehler im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens geltend, dass der Gläubiger der Vater ihres Sohnes sei.

[3] Das LG hat mit Beschluss vom 8.5.2006 "klarstellend festgestellt", dass die Schuldnerin damit Auskunft erteilt habe und die Vollstreckung aus dem Beschluss vom 10.11.2005 entfalle. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen die Schuldnerin weiter. Diese war im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vertreten.

[4] II. Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Gläubigers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

[5] 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass die Schuldnerin zwar den Auskunftsanspruch nicht erfüllt habe. Die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung durch Erlass eines Haftbefehls sei aber deshalb unzulässig, weil eine derartige Vollstreckungsmaßnahme in verfassungswidriger Weise die Grundrechte der Schuldnerin verletze. Ob ein titulierter Anspruch gegen die Kindesmutter auf Benennung des biologischen Vaters im Wege des § 888 ZPO vollstreckt werden könne, sei umstritten. Jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung bei einem vorangegangenen Versäumnisurteil sei - auch noch im Stadium nach Erlass eines rechtskräftigen Zwangsgeldbeschlusses - eine Grundrechtsabwägung durchzuführen, bei der das Recht der Schuldnerin, keine Einzelheiten aus ihrem Intimleben preisgeben zu müssen, grundsätzlich höher zu bewerten sei als die reinen Vermögensinteressen des Gläubigers. Besondere Umstände, unter denen der Schuldnerin ausnahmsweise ein Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht zuzumuten sei, seien nicht ersichtlich.

[6] 2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[7] a) Der Beschluss des LG ist als Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Haftbefehls auszulegen, die vom Beschwerdegericht bestätigt worden ist.

[8] b) Der Erlass des Haftbefehls ist vom Gläubiger zum Zweck der Vollstreckung der Verurteilung der Schuldnerin, ihm den Namen des biologischen Vaters des Kindes zu nennen, beantragt worden. Die Verurteilung ist auf die Erteilung einer Auskunft gerichtet, die nur aufgrund des persönlichen Wissens der Schuldnerin gegeben werden kann und daher als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 888 Rz. 11 m.w.N.). Das LG hat als das zuständige Prozessgericht des ersten Rechtszugs auf Antrag des Gläubigers durch rechtskräftigen Beschluss vom 10.11.2005 Zwangsgeld und (Ersatz-)Zwangshaft als Beugemittel gegen die Schuldnerin festgesetzt (vgl. § 888 Abs. 1 Satz 1, § 891 Satz 1 ZPO). Der Beschluss ist ein eigener Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für die Beitreibung des Zwangsgeldes und die Vollstreckung der (Ersatz-)Zwangshaft (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 888 Rz. 13; Gruber in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 888 Rz. 31; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 888 Rz. 27). Für die Vollstreckung der (Ersatz-)Zwangshaft gelten die in den §§ 899 ff. ZPO enthaltenen Vorschriften über die Haft entsprechend (§ 888 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Die Vollstreckung der Haft setzt demzufolge einen Haftbefehl voraus (vgl. § 901 ZPO), für dessen Erlass gleichfalls das Prozessgericht zuständig ist (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 888 Rz. 13; Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 888 Rz. 15; a.A. Stein/Jonas/Brehm, a.a.O., § 888 Rz. 29: Zuständigkeit des AG nach § 764 Abs. 2 ZPO).

[9] c) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann im vorliegenden Fall nach den vom Beschwerdegericht zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen der Erlass des beantragten Haftbefehls nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Verurteilung auf Erteilung der Auskunft über den Namen des Kindesvaters könne wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht vollstreckt werden.

[10] aa) Das Beschwerdegericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Grundrechte und die aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Verfassungsprinzipien, insb. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auch im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens Geltung beanspruchen (BVerfGE 52, 214, 219; vgl. auch BVerfGE 48, 396, 400 f.; 61, 126, 134 ff.). Sie sind daher bei der Auslegung der Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts zu berücksichtigen.

[11] bb) Im Rahmen der Zwangsvollstreckung eines Titels, der zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung verpflichtet, kann Vollstreckungshindernissen, die sich aus drohenden Grundrechtsverletzungen ergeben, durch eine entsprechende Anwendung von § 888 Abs. 3 ZPO, wonach die Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 und 2 ZPO im Falle der Verurteilung zur Eingehung einer Ehe, zur Herstellung des ehelichen Lebens und zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag ausgeschlossen ist, Rechnung getragen werden (vgl. Schuschke/Walker, a.a.O., § 888 Rz. 44, 47; Gruber in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 888 Rz. 22; Stein/Jonas/Brehm, a.a.O., § 888 Rz. 38). Entsprechend § 888 Abs. 3 ZPO kann die Vollstreckung ausgeschlossen sein, wenn die Durchsetzung des Titels mit den Zwangsmitteln des § 888 Abs. 1 ZPO einen Verstoß gegen Grundrechte des Schuldners darstellen würde. Dem auf der Grundlage eines die Zwangsmittel anordnenden (rechtskräftigen) Beschlusses gestellten Antrag auf Erlass eines Haftbefehls fehlte in einem solchen Fall das Rechtsschutzbedürfnis.

[12] cc) Von einem unter dem Gesichtspunkt eines Grundrechtsverstoßes bestehenden Vollstreckungshindernis kann nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden.

[13] (1) Die Vollstreckung des Anspruchs auf Auskunft über den Vater ihres Kindes berührt zwar das Persönlichkeitsrecht der Schuldnerin nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, das u.a. das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre umfasst und zu dem die persönlichen, auch geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner gehören (vgl. BVerfGE 96, 56, 61; 117, 202 Tz. 77; BVerfG NJW 1988, 3010). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, inwieweit und wem gegenüber er persönliche Lebenssachverhalte offenbart (vgl. BVerfGE 65, 1, 43 f.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird, hat der Einzelne die Einschränkungen hinzunehmen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden (BVerfGE 96, 56, 61).

[14] Leitet sich - wie im vorliegenden Fall - der dem Vollstreckungstitel zugrunde liegende materiell-rechtliche Anspruch aus einer zivilrechtlichen Generalklausel her - als Anspruchsgrundlage kommen hier nur § 826 BGB oder § 242 BGB in Betracht (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 1994, 651; OLG Bamberg FamRZ 2004, 562), stellt sich die grundrechtliche Problematik bereits und in erster Linie im Erkenntnisverfahren. Dies gilt auch bei einer Verurteilung durch ein Versäumnisurteil, das nach § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Halbs. 1 ZPO gegen den Beklagten nur ergehen kann, wenn das als zugestanden anzunehmende tatsächliche Vorbringen des Klägers den Klageantrag rechtfertigt. Die danach erforderliche Schlüssigkeit der Klage setzt folglich in einem Fall wie dem vorliegenden die Prüfung voraus, ob dem geltend gemachten Anspruch auf Nennung des Kindesvaters Grundrechte der auf Auskunft in Anspruch genommenen Kindesmutter entgegenstehen. Führt die Abwägung unter Beachtung der grundrechtlich geschützten Interessen der Schuldnerin zu deren Verurteilung im Erkenntnisverfahren, ist der titulierte Anspruch in der Regel auch vollstreckbar, weil durch die Vollstreckung der Eingriff in die Grundrechte der Schuldnerin nicht über das Maß hinaus vertieft wird, in dem ihre grundrechtlich geschützten Interessen bereits durch die Verurteilung berührt sind (vgl. OLG Bremen NJW 2000, 963, 964; OLG Hamm NJW 2001, 1870, 1871; Staudinger/Rauscher, BGB [2004], Einl. zu §§ 1589 ff. Rz. 105; Musielak/Lackmann, a.a.O., § 888 Rz. 3; Walker, JZ 2000, 316 f.).

[15] (2) Stellt danach entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts die Vollstreckbarkeit des rechtskräftig titulierten Auskunftsanspruchs die Regel dar, müssen im Einzelfall besondere, die Belange des Gläubigers deutlich überwiegende Umstände vorliegen, um ausnahmsweise von einer Nichtvollstreckbarkeit entsprechend § 888 Abs. 3 ZPO ausgehen zu können (vgl. dazu auch Schuschke/Walker, a.a.O., Allgemeine Vorbemerkungen Rz. 3). Im vorliegenden Fall sind besondere, das Gläubigerinteresse an einer Vollstreckung des rechtskräftigen Titels deutlich überwiegende Interessen der Schuldnerin, die begehrte Auskunft zu verweigern, nicht ersichtlich und von ihr auch nicht vorgetragen worden.

[16] Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann allein aus dem Umstand, dass der die Schuldnerin zur Auskunft verpflichtende Titel als Versäumnisurteil ergangen ist, nicht hergeleitet werden, dass die verfassungsrechtlich gebotene Interessenabwägung entweder vollständig unterblieben oder rechtlich fehlerhaft vorgenommen worden ist. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Versäumnisurteil rechts- und verfahrensfehlerfrei ergangen ist. Nach § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO kann bei einem Versäumnisurteil auf Entscheidungsgründe verzichtet werden. Sieht das Gericht danach, wie im Regelfall, von einer Begründung seines Versäumnisurteils ab, ergibt sich allein daraus kein Anhaltspunkt für die Annahme, es habe von der Schlüssigkeitsprüfung nach § 331 Abs. 2 ZPO abgesehen oder diese nicht rechtsfehlerfrei vorgenommen. Umstände, die im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, zeigt das Beschwerdegericht nicht auf. Es hat allerdings eine eigene Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben vorgenommen und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass das Persönlichkeitsrecht der Kindesmutter, den Partner einer von ihr unterhaltenen geschlechtlichen Beziehung nicht preisgeben zu müssen, grundsätzlich höher zu bewerten sei als reine Vermögensinteressen des Scheinvaters und dass besondere Umstände, nach denen der Schuldnerin ein Eingriff in ihre Persönlichkeitssphäre zuzumuten wäre, nicht vorlägen. Dabei hat das Beschwerdegericht aber außer Betracht gelassen, dass der Gläubiger, der mit der allein sorgeberechtigten Schuldnerin nicht verheiratet war, die Unterhaltsleistungen für das Kind der Schuldnerin nur deshalb erbracht hat, weil er die Vaterschaft zunächst nach § 55 Abs. 1 Satz 1 des Familiengesetzbuches der DDR - FGB - vom 20.12.1965 (GBl. DDR I 1966, 1 in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19.6.1975, GBl. DDR I, 517) anerkannt hatte. Die Schuldnerin hatte die dazu nach § 55 FGB erforderliche Zustimmung erklärt. Sie hat damit selbst bereits aus diesem Grunde eine maßgebliche Ursache dafür gesetzt, dass der Gläubiger anstelle des tatsächlichen Vaters Unterhaltszahlungen erbracht hat.

[17] Der Frage, ob die Zustimmungserklärung der Mutter zu der Anerkennungserklärung des Vaters nach § 55 FGB zur Entstehung eines Rechtsverhältnisses zwischen diesen mit etwaigen Treue- und Auskunftspflichten geführt hat, braucht nicht nachgegangen zu werden. Denn unabhängig davon begegnet es jedenfalls unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keinen Bedenken, wenn dem Scheinvater, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkannt hatte, ein zivilrechtlicher Anspruch gegen die Mutter auf Nennung des tatsächlichen Vaters zugesprochen wird, nachdem die Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung rechtskräftig festgestellt worden ist. Ein Eingriff in den unantastbaren Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Schuldnerin liegt nicht vor. Sie hat spätestens mit der Zustimmungserklärung nach § 55 FGB zum Ausdruck gebracht, das Kind stamme von dem Gläubiger. Sie hat sich folglich schon dadurch auch über die Tatsache des geschlechtlichen Verkehrs geäußert, und zwar in einer für den Gläubiger nachteiligen Weise. Da nunmehr die Unrichtigkeit ihrer Erklärung feststeht, ist es ihr zuzumuten, durch Angabe des tatsächlichen Vaters an der Beseitigung der dem Scheinvater entstandenen Nachteile mitzuwirken.

[18] Bei der im vorliegenden Fall gebotenen Interessenabwägung ist weiter zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin im Verfahren vor dem AG, das die Sache anschließend an das LG verwiesen hat, persönlich angehört worden ist (Sitzungsprotokoll vom 17.9.2003 - GA 19) und sie sodann gegen das aufgrund ihres Nichterscheinens im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG ergangene Versäumnisurteil keinen Einspruch eingelegt hat. Auch gegen den die Zwangsmittel anordnenden Beschluss vom 10.11.2005, der ihr am 17.11.2005 zugestellt worden ist, hat sie kein Rechtsmittel eingelegt. Sie hat lediglich mit Schreiben vom 22.3.2006 geltend gemacht, sie erkenne das im Vaterschaftsanfechtungsverfahren vom AG eingeholte Sachverständigengutachten nicht an, weil es zu diesem Verfahren nur dadurch gekommen sei, dass der Gläubiger zuvor eine Speichelprobe des Kindes ohne dessen und ohne ihre Zustimmung eingeholt und diese (außergerichtlich) habe untersuchen lassen. Einwendungen gegen das im Vaterschaftsanfechtungsverfahren vom Gericht eingeholte Abstammungsgutachten als solches bringt sie nicht vor. Die Entscheidung des AG im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist von der Schuldnerin als gesetzlicher Vertreterin ihres Kindes auch nicht mit Rechtsmitteln angegriffen worden. Gründe, die eine etwaige Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 ZPO) rechtfertigen könnten, lassen sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.

[19] Demzufolge kann ein schützenswertes Interesse der Schuldnerin, trotz rechtskräftiger Verurteilung den Namen des Kindesvaters nicht anzugeben, nicht angenommen werden. Vielmehr besteht ein vorrangiges öffentliches Interesse daran, dass dem Gläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung des ihm rechtskräftig zugesprochenen Anspruchs ermöglicht wird. Die Beachtung dieses Interesses dient der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtsordnung, welche ihrerseits Grundbestandteil der rechtsstaatlichen Ordnung ist (vgl. BVerfGE 61, 126, 136).

[20] (3) Die Zwangsvollstreckung stellt sich auf der Grundlage der vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen insb. auch nicht als unverhältnismäßig dar. Die Vollstreckung ist geeignet, dem Gläubiger Auskunft über die Identität des tatsächlichen Vaters zu verschaffen und ihn damit in die Lage zu versetzen, diesen nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB auf übergegangenen Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kann der Scheinvater in Fällen der vorliegenden Art, in denen die zur Erhebung einer Vaterschaftsfeststellungsklage Befugten von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen Gebrauch machen oder sie ablehnen, die Vaterschaft inzident im Rahmen eines Prozesses über den Scheinvaterregress feststellen lassen (BGH, Urt. v. 16.4.2008 - XII ZR 144/06 Tz. 29, zum Abdruck in BGHZ bestimmt; anders noch BGHZ 121, 299, 301 ff.). Die Schuldnerin kann die ihr drohende Haft durch Erteilung der Auskunft ohne Weiteres abwenden.

[21] d) Auch die sonstigen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls können nach den im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden tatsächlichen Feststellungen nicht verneint werden.

[22] aa) Der Gläubiger hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Der Versuch der Gerichtsvollzieherin, das festgesetzte Zwangsgeld beizutreiben, ist erfolglos geblieben. Die Schuldnerin ist angehört worden.

[23] bb) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die Schuldnerin durch die Angabe, Vater ihres Kindes sei der Gläubiger, den Auskunftsanspruch nicht erfüllt hat (zur Berücksichtigung des Erfüllungseinwands im Zwangsvollstreckungsverfahren vgl. BGHZ 161, 67). Da das Gegenteil rechtskräftig feststeht, stellt die Angabe der Schuldnerin keine erschöpfende Auskunft dar.

[24] III. Die angefochtenen Beschlüsse des OLG und des LG sind somit aufzuheben. Eine eigene Entscheidung in der Sache (vgl. § 577 Abs. 5 ZPO) ist dem Senat nicht möglich, weil dies die insb. unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmende Prüfung voraussetzt, ob in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls weiterhin gegeben sind. Die Sache ist daher an das LG zurückzuverweisen, damit dieses erneut über den Antrag auf Erlass des Haftbefehls entscheiden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2025747

NJW 2008, 2919

BGHR 2008, 1200

EBE/BGH 2008, 267

FamRZ 2008, 1751

JurBüro 2008, 547

ZAP 2008, 1019

MDR 2008, 1176

NJ 2008, 557

FamRB 2008, 298

RÜ 2008, 637

VE 2009, 23

VE 2009, 5

ZKJ 2008, 469

FuBW 2008, 979

FuNds 2009, 158

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