Entscheidungsstichwort (Thema)

Veranlassung zur Klage bei Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Unterhaltsschuldner, der nur Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringt, gibt auch dann Veranlassung für eine Klage auf den vollen Unterhalt, wenn er zuvor nicht zur Titulierung des freiwillig gezahlten Teils aufgefordert worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 93; FamFG § 243 Nr. 4

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 31.10.2008; Aktenzeichen 15 WF 265/08)

AG Potsdam (Urteil vom 17.04.2008; Aktenzeichen 44a F 237/07)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des OLG Brandenburg vom 31.10.2008 aufgehoben.

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil des AG - FamG - Potsdam vom 17.4.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerdeverfahren hat der Beklagte zu tragen.

Beschwerdewert: bis 2.000 EUR

 

Gründe

I.

[1] Die Parteien streiten noch um die Kostenquote aus ihrem Unterhaltsrechtsstreit.

[2] Die Klägerin zu 1) und der Beklagte sind geschiedene Ehegatten, die Klägerinnen zu 2) und 3) sind ihre im Juli 1995 geborenen gemeinsamen Kinder.

[3] Mit ihrer Klage hatte die Klägerin zu 1) zunächst rückständigen Trennungsunterhalt i.H.v. insgesamt 3.000 EUR nebst Zinsen begehrt. Mit weiterem Schriftsatz hatte sie die Klage um rückständigen und laufenden Unterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder erweitert. Auf den Klagabweisungsantrag des Beklagten hat die Klägerin zu 1) ihren Antrag auf Trennungsunterhalt mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Hinsichtlich des Kindesunterhalts sind die Kläger zu 2) und 3) in den Prozess eingetreten und haben monatlichen Unterhalt ab März 2008i.H.v. 117,98 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes sowie rückständigen Unterhalt i.H.v. jeweils 286 EUR sowie Sonderbedarf der Klägerin zu 3) beantragt. Der Beklagte hat dem Parteiwechsel zugestimmt und den Kindesunterhalt i.H.v. jeweils 105 % des Mindestunterhalts abzgl. hälftigen Kindergeldes anerkannt.

[4] Mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil hat das AG den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen zu 2) und 3) rückständigen Unterhalt i.H.v. jeweils 240 EUR sowie monatlichen laufenden Kindesunterhalt ab Mai 2008i.H.v. 110 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Dem weiteren Antrag auf Zahlung von 427,76 EUR als Sonderbedarf für eine kieferorthopädische Behandlung der Klägerin zu 3) hat das AG i.H.v. 353,07 EUR stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

[5] Das AG hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nach Obsiegen und Unterliegen zwischen den Parteien aufgeteilt. Auf die gegen die Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Kosten anteilig den Klägerinnen auferlegt. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da dies angesichts der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Rechtsfrage, wie sich Unterhaltsteilleistungen auf die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses auswirken, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei und die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe.

II.

[6] 1. Auf den vorliegenden Rechtsstreit ist noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil das Verfahren schon zuvor eingeleitet worden war (§ 111 Abs. 1 FGG-RG).

[7] Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil das OLG sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. Sie ist nach § 574 Abs. 2 ZPO auch zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

[8] 2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiederherstellung der Kostenentscheidung des AG.

[9] Das AG hat die Kosten seines Verfahrens zu Recht nach Obsiegen und Unterliegen zwischen den Klägern zu 1) bis 3) und dem Beklagten aufgeteilt und dabei auch die Verurteilung des Beklagten im Rahmen seines Anerkenntnisses zu seinen Lasten gewertet. Soweit das Beschwerdegericht insoweit mit der Folge einer vollen Kostenpflicht der Klägerinnen ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO (für Verfahren ab dem 1.9.2009 vgl. § 243 Nr. 4 FamFG) angenommen hat, hält dies der rechtlichen Prüfung nicht stand.

[10] a) In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, ob ein Unterhaltsschuldner, der lediglich Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringt, damit Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat oder ob dies ohne vorherige Aufforderung zur Titulierung des gezahlten Teils nur hinsichtlich des nicht gezahlten Teils gilt.

[11] aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, ein Unterhaltsschuldner, der nur Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringe, gebe durch sein Verhalten hinsichtlich des vollen Unterhaltsanspruchs Veranlassung zur Einreichung der Klage i.S.v. § 93 ZPO (OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 1130; OLG Köln OLGReport Köln 2002, 384 und NJW-RR 1998, 1703; OLG Düsseldorf FamRZ 1991, 1207; OLG Koblenz FamRZ 1986, 826; Zöller/Herget ZPO, 28. Aufl., § 243 FamFG Rz. 5 m.w.N.).

[12] bb) Nach einer anderen in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung gibt ein Unterhaltsverpflichteter im Umfang eines freiwillig gezahlten Teilbetrages auf den geschuldeten Unterhalt keine Veranlassung zur Klage, wenn er nicht vorprozessual aufgefordert worden ist, diesen Teilbetrag titulieren zu lassen. Danach kommt in einem anschließenden Rechtsstreit ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO in Betracht, soweit der Unterhaltsschuldner zuvor nicht zur Titulierung des Sockelbetrages aufgefordert worden war (OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1575; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 102; OLG Nürnberg FamRZ 2000, 621; OLG Braunschweig OLGReport Braunschweig 1998, 332; OLG Hamburg FamRZ 1993, 101; OLG München OLGReport München 1992, 25; OLG Bremen FamRZ 1989, 876 und Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO § 93 Rz. 7 a).

[13] Zum Teil wird hier allerdings vertreten, dass der Unterhaltsschuldner Veranlassung zur Erhebung der gesamten Klage gegeben hat, wenn der geschuldete Unterhalt erheblich über dem tatsächlich gezahlten Unterhalt liege (OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1575; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 252; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 117; OLG Hamm FamRZ 1993, 712).

[14] b) Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an.

[15] aa) Ein Unterhaltsgläubiger hat grundsätzlich auch dann ein Rechtsschutzinteresse an der vollständigen Titulierung seines Unterhaltsanspruchs, wenn der Schuldner den Unterhalt bisher regelmäßig und rechtzeitig gezahlt hat (BGH, Urt. v. 1.7.1998 - XII ZR 271/97, FamRZ 1998, 1165). Der Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, dass der Schuldner seine freiwilligen Zahlungen jederzeit einstellen kann und der Unterhaltsgläubiger auf laufende pünktliche Unterhaltsleistungen angewiesen ist. § 258 ZPO sieht deswegen ausdrücklich die Möglichkeit einer Klage auf künftige wiederkehrende Leistungen vor.

[16] Allerdings gibt ein Unterhaltsschuldner, der den vollen geschuldeten Unterhalt regelmäßig zahlt, dem Unterhaltsgläubiger keinen Anlass zur Erhebung einer Klage i.S.v. § 93 ZPO. Der Unterhaltsgläubiger muss deswegen, wenn er die Rechtsfolgen eines sofortigen Anerkenntnisses nach § 93 ZPO vermeiden will, den Unterhaltsgläubiger in solchen Fällen zunächst zur außergerichtlichen Titulierung des Unterhaltsanspruchs auffordern (zum Inhalt einer Titulierungsaufforderung vgl. OLG Stuttgart FamRZ 1990, 1368). Zahlt der Unterhaltsschuldner also den vollen geschuldeten Unterhalt und wurde er vor Klagerhebung nicht ordnungsgemäß zur Titulierung aufgefordert, bleibt ihm im Rechtsstreit die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses mit der Kostenfolge des § 93 ZPO.

[17] bb) Erbringt der Unterhaltsschuldner - wie hier - allerdings lediglich einen Teilbetrag auf den geschuldeten Unterhalt, scheidet die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses in einem Rechtsstreit auf den vollen Unterhalt aus. Auch dann hat der Gläubiger ein Titulierungsinteresse auf den vollen geschuldeten Unterhalt. Hinsichtlich des nicht gezahlten Teils des Unterhalts ist ein Titel schon deswegen erforderlich, weil erst dieser dem Unterhaltsgläubiger die Vollstreckung ermöglicht. Ein Titulierungsinteresse besteht allerdings auch, wie im Falle der Zahlung des vollen Unterhalts, hinsichtlich eines gezahlten Teilbetrages. Das Titulierungsinteresse unterscheidet sich also nicht von den Fällen, in denen der Unterhaltsschuldner regelmäßig den vollen Unterhalt zahlt.

[18] Wenn der Unterhaltsschuldner lediglich Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringt, gibt er dem Unterhaltsgläubiger damit Anlass zur Klage hinsichtlich des gesamten Unterhalts, ohne dass es auf eine vorherige Aufforderung zur außergerichtlichen Titulierung ankommt. Wie sich schon aus den gezahlten Teilleistungen ergibt, ist der Schuldner in solchen Fällen gerade nicht freiwillig bereit, den gesamten geschuldeten Unterhalt zu leisten. Eine außergerichtliche Titulierung würde deswegen lediglich zu einem Titel über den freiwillig gezahlten Teil des geschuldeten Unterhalts führen. Ein weitergehender Unterhaltsanspruch wäre auch dann nicht vollstreckbar und der Unterhaltsberechtigte wäre auf eine weitere Klage hinsichtlich des nicht freiwillig titulierten Unterhalts angewiesen. Dabei wäre er im Regelfall auf eine Leistungsklage nach § 257 ZPO verwiesen und müsste seinen Unterhaltsanspruch aus zwei verschiedenen Titeln vollstrecken, wobei es dem Unterhaltsschuldner freistünde, auf welchen Titel er freiwillig zahlt.

[19] Denn wenn der Unterhaltsschuldner mit einem außergerichtlichen Titel lediglich einen Sockelbetrag als Teilunterhalt anerkannt hat, ist der restliche Unterhalt nicht im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO, sondern mit der Leistungsklage nach § 258 ZPO geltend zu machen (BGH BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983; v. 3.11.2004 - XII ZR 120/02, FamRZ 2005, 101; v. 7.11.1990 - XII ZR 9/90, FamRZ 1991, 320). Nur wenn der Unterhaltsschuldner mit dem außergerichtlichen Titel den vollen Unterhalt anerkennen und der Unterhaltsgläubiger sich darauf einlassen würde, wäre eine spätere Anpassung im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO möglich, was eine Vollstreckung aus einem einheitlichen Titel ermöglichen würde. Eine solche Vereinbarung des vollen Unterhalts liegt allerdings nicht vor, wenn die Parteien - wie hier - schon außergerichtlich über die Höhe des vollen Unterhalts streiten und sich nicht auf einen Betrag einigen können. Aus der Sicht des Unterhaltsgläubigers, auf die es insoweit ankommt, hat der Unterhaltsschuldner dann nur einen Teil des begehrten Unterhalts anerkannt. Und auch der Unterhaltsschuldner weiß im Falle eines fortdauernden Streits über die Unterhaltshöhe, dass er nur einen Teilbetrag des verlangten Unterhalts akzeptiert hat.

[20] Würde der vom Unterhaltsschuldner akzeptierte Teilbetrag zunächst außergerichtlich tituliert, müsste der Unterhaltsgläubiger den restlichen Unterhalt zusätzlich im Wege der Leistungsklage geltend machen. Ein solches zweigleisiges Verfahren mit den Folgen der unterschiedlichen späteren Abänderbarkeit der beiden Titel nach § 313 BGB für den außergerichtlichen Titel einerseits und nach § 323 Abs. 2 und 3 ZPO für den ergänzenden gerichtlichen Titel mit materieller Rechtskraft andererseits ist dem Unterhaltsgläubiger nicht zumutbar. Deswegen gibt der Unterhaltsschuldner, der nicht den vollen Unterhalt leistet, grundsätzlich Anlass zur Klageerhebung in Höhe des gesamten geschuldeten Unterhalts, ohne dass er zunächst zur außergerichtlichen Titulierung aufgefordert werden muss. In solchen Fällen kommt ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO also nicht mehr in Betracht.

[21] c) Der Beklagte hat hier unstreitig lediglich einen Teil des geschuldeten Unterhalts geleistet und damit Anlass zu der Klage auf Kindesunterhalt gegeben. Soweit die Klage Erfolg hatte, also i.H.v. 110 % des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes nebst rückständigem Unterhalt und Sonderbedarf der Klägerin zu 3), hat deswegen nach § 92 Abs. 1 ZPO der Beklagte die Kosten zu tragen. Dies führt zu der Kostenquote, wie sie das AG in dem angefochtenen Urteil zutreffend errechnet hat. Die Kosten der erfolglosen Rechtsmittelverfahren hat der Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2274455

NJW 2010, 238

EBE/BGH 2010

FamRZ 2010, 195

FamRZ 2010, 447

FuR 2010, 157

AnwBl 2010, 49

FPR 2010, 182

MDR 2010, 213

NJ 2010, 7

ZfF 2011, 188

AGS 2010, 149

FF 2010, 130

FF 2010, 174

FamFR 2010, 38

FamRB 2010, 75

NJW-Spezial 2010, 164

FK 2010, 39

JAmt 2010, 200

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