Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweitinstanzlicher Prozessbevollmächtigter. Prüf- und Notierungspflicht der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist bei Annahme des Mandats

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verpflichtung des Rechtsanwalts, die Notierung sowohl der Berufungs- als auch der Berufungsbegründungsfrist zu prüfen, wenn ihm die Handakte zu einer Besprechung mit seinem Mandanten vorgelegt worden ist, in deren Verlauf der Mandant ihn beauftragt, Berufung einzulegen, und im Anschluss an die er die Berufungsschrift diktiert (Fortführung von BGH, Beschl. v. 11.2.2004 - XII ZB 263/03, FamRZ 2004, 696; v. 21.4.2004 - XII ZB 243/03, FamRZ 2004, 1183 f.).

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, §§ 233, 520 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Beschluss vom 24.06.2003; Aktenzeichen 20 U 2477/03)

LG Landshut

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des OLG München v. 24.6.2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 112.484 EUR

 

Gründe

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Das LG verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung eines ihm von der Klägerin gewährten Darlehens von 220.000 DM nebst Zinsen. Der Beklagte ließ das ihm am 28.2.2003 zugestellte Urteil durch seine erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte nebst Anschreiben am 14.3.2003 per Fax an die Münchener Kanzlei der Rechtsanwaltspartnerschaft K. übermitteln und vereinbarte mit dem dort tätigen Rechtsanwalt Dr. N. einen Besprechungstermin für den 19.3.2003.

Im Rahmen dieses Besprechungstermins, zu dem Rechtsanwalt Dr. N. die neu angelegte Akte mit dem Fax v. 14.3.2003 vorgelegt wurde, beauftragte der Beklagte ihn, fristwahrend Berufung gegen das Urteil einzulegen und die Erfolgsaussichten der Berufung zu prüfen. Unmittelbar im Anschluss an diese Besprechung diktierte Rechtsanwalt Dr. N. die Berufungsschrift, die am 21.3.2003 gefertigt wurde und am 26.3.2003 beim OLG einging.

Am 6.5.2003 ließ Rechtsanwalt Dr. N. sich die Akte erneut vorlegen und stellte dabei fest, dass die am 28.4.2003 abgelaufene Frist zur Begründung der Berufung im Fristenkalender nicht notiert und ihm die Akte deshalb nicht rechtzeitig zur Fertigung der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt worden war.

Das Berufungsgericht hat den am 20.5.2003 zugleich mit einer Berufungsbegründung eingegangenen Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, aber nicht zulässig. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch ist sie geeignet, der Fortbildung des Rechts zu dienen; auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.

1. Das Berufungsgericht sieht ein dem Beklagten gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Dr. N. darin, dass dieser bei Annahme des Mandats die Berufungsbegründungsfrist nicht selbst geprüft und deren Notierung veranlasst habe. Diese Aufgabe habe ihm allein oblegen, da er nicht davon habe ausgehen dürfen, dass seine zuverlässige Büroangestellte die Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung nebst Vorfristen schon anlässlich des Eingangs des Faxschreibens der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 14.3.2003 notiert habe. Weder lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass dem übermittelten Urteil das Datum seiner Zustellung habe entnommen werden können, noch stelle der Eingang einer solchen Faxnachricht in einer Sache, in der zuvor noch kein Mandatsverhältnis bestanden habe, einen Vorgang dar, bei der sich einer Rechtsanwaltsfachangestellten aufdrängen müsse, dass Fristen zu notieren seien.

2. Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Faxanschreiben der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten habe einen ausdrücklichen Hinweis auf die Zustellung des Urteils am 28.2.2003 enthalten, was das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt habe. Deshalb habe die mit der Fristenüberwachung beauftragte zuverlässige Angestellte - auch auf Grund einer im Einzelnen dargelegten allgemeinen Büroanweisung - sehr wohl Anlass gehabt, die einfache Fristenberechnung eigenverantwortlich vorzunehmen und die entsprechenden Fristen zu notieren. Rechtsanwalt Dr. N. habe deshalb bei der Besprechung am 19.3.2003 darauf vertrauen dürfen, dass dies geschehen sei.

3. Darauf kommt es indes im Ergebnis nicht an. Ein dem Beklagten zuzurechnendes Verschulden seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ist jedenfalls darin zu sehen, dass dieser nicht alles ihm Zumutbare getan und veranlasst hat, damit die Frist zur Begründung des Rechtsmittels gewahrt wird (st.Rspr., etwa BGH, Beschl. v. 28.9.1989 - VII ZR 115/89, MDR 1990, 235 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 12). Der Rechtsanwalt ist nämlich insb. verpflichtet, die Anbringung von Erledigungsvermerken über die Notierung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfristen zu überprüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden (BGH, Beschl. v. 11.2.2004 - XII ZB 263/03, FamRZ 2004, 696; v. 21.4.2004 - XII ZB 243/03, FamRZ 2004, 1183 f., m.N.).

a) Hier waren Rechtsanwalt Dr. N. die Handakten zu dem Besprechungstermin am 19.3.2003 vorgelegt worden. Auch wenn ihm das Mandat zur Einlegung der Berufung erst im Rahmen dieser Besprechung erteilt wurde, lagen ihm die Akten somit von diesem Zeitpunkt an und insb. bei dem anschließenden Diktat der Berufungsschrift "im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung" (BGH v. 21.4.2004 - XII ZB 243/03, FamRZ 2004, 1183 f. [1184]) vor. Denn auch die Vorlage zu einer Besprechung, in der erst noch entschieden werden sollte, ob eine fristgebundene Prozesshandlung vorzunehmen war, ist jedenfalls dann, wenn diese Entscheidung positiv ausfällt, eine Vorlage im Zusammenhang mit einer solchen Prozesshandlung.

b) Auch wenn die Ansicht der Rechtsbeschwerde zuträfe, dass Rechtsanwalt Dr. N. am 19.3.2003 allenfalls die Eintragung der Berufungsfrist, nicht aber auch der Berufungsbegründungsfrist hätte kontrollieren müssen, hätte ihm auffallen müssen, dass die Handakten keinen Vermerk über die Eintragung der Berufungsfrist enthielten, so dass er dem sich daraus ohne weiteres ergebenden konkreten Verdacht hätte nachgehen müssen, auch die Notierung der Berufungsbegründungsfrist könne unterblieben sein. Der Umstand, dass die Berufungsfrist hier trotz fehlender Fristnotierung gewahrt wurde, lässt daher - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - die Ursächlichkeit dieser versäumten Kontrolle für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht entfallen.

c) Allerdings trifft die Auffassung der Rechtsbeschwerde, aus Anlass der Besprechung v. 19.3.2003 und des daran anschließenden Diktats der Berufungsschrift habe allenfalls die Berufungsfrist und deren Notierung überprüft werden müssen, nicht zu. Denn die Kontrollpflicht des Rechtsanwalts beschränkt sich, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift vorliegen, nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist notiert ist; sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist. Diese beginnt nach § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils. Ihr Ablauf steht daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits fest. Mit der anwaltlichen Verpflichtung, alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, wäre es deshalb nicht zu vereinbaren, wollte sich der Anwalt bei der gebotenen Prüfung der Fristennotierung auf die Berufungsfrist beschränken und die - ebenfalls bereits feststehende - Berufungsbegründungsfrist aussparen (BGH, Beschl. v. 11.2.2004 - XII ZB 263/03, FamRZ 2004, 696; v. 21.4.2004 - XII ZB 243/03, FamRZ 2004, 1183 f. [1184]).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1288762

BGHR 2005, 457

EBE/BGH 2005, 4

FamRZ 2005, 435

FuR 2005, 239

NJW-RR 2005, 498

MDR 2005, 468

MDR 2006, 556

NJW-Spezial 2005, 143

PA 2005, 66

BRAK-Mitt. 2005, 75

Mitt. 2005, 187

ProzRB 2005, 209

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