Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an der in seiner Entscheidung vom 10. Januar 1975 (V ZR 110/73, WM 1975, 255, 256 = DNotZ 1976, 96, 97) begründeten Auffassung fest, daß ein übertragbares und damit pfändbares Recht eines Auflassungsempfängers erst dann vorliegt, wenn ein Antrag auf Eigentumsumschreibung vom Erwerber beim Grundbuch gestellt ist (oder eine Auflassungsvormerkung vorliegt, vgl. BGHZ 83, 395, 399; 89, 41, 44 f.)

 

Normenkette

GBO § 79 Abs. 2; ZPO § 857

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main

LG Fulda

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 22. Dezember 1987 aufgehoben.

Das Grundbuchamt beim Amtsgericht Bad Hersfeld wird angewiesen, im Grundbuch von L…, Band 14, Blatt 345, folgende Amtswidersprüche gegen die in der Abteilung III unter den laufenden Nummern 2 und 3 für die Beteiligte zu 2 eingetragenen Zwangssicherungshypotheken mit Beträgen von 10.879,45 DM und von 5.680,45 DM einzutragen:

Widerspruch gegen die Eintragung der Zwangssicherungshypotheken Nr. 2 und 3, sich darauf gründend, daß eine Hypothek kraft Gesetzes wegen Unwirksamkeit der am 8. August 1986 ausgeführten Pfändung nicht entstanden ist, zugunsten der Inhaberin der in Abteilung III, Nr. 1 eingetragenen Grundschuld von Amts wegen aufgrund des Beschlusses des Bundesgerichtshofes vom 1. Dezember 1988 (V ZB 10/88).

Die weitere Ausführung der Eintragung bleibt dem Grundbuchamt überlassen.

Im übrigen wird die weitere Beschwerde als unzulässig verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens hat die Beteiligte zu 2 zu tragen.

 

Gründe

I.

Mit notariellem Vertrag vom 25. Juli 1986 (UR Nr. … des Notars. W. H… in B…) verkaufte Dipl. Kfm., H… eine noch herauszumessende Teilfläche aus zwei Grundstücken an die Beteiligten und ihren Sohn A zum Erwerb zu je 1/3 Miteigentum. Die Vertragspartner erklärten zugleich die Auflassung und bewilligten die Eigentumsumschreibung.

Mit Verfügungen vom 6. August 1986 pfändete das Finanzamt Bad Hersfeld für das Land Hessen (Beteiligte zu 2) wegen dort bezeichneter Steuerforderungen die Ansprüche der Beteiligten zu 3 auf Eintragung als Eigentümer zu je 1/3 aufgrund der mit dem Veräußerer „erfolgten Einigung (Auflassung)” Die Verfügungen wurden am 8. August 1986 nur den Beteiligten zu 3 zugestellt.

Mit notarieller Urkunde vom 2. Oktober 1986 bewilligten die Beteiligten zu 3 und ihr Sohn A… die Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 107.000 DM für die Landeskreditkasse (Beteiligte zu 1) an erster Rangstelle auf dem noch einzutragenden Grundstück.

Die Anträge auf Eigentumsumschreibung und auf Eintragung der Grundschuld wurden am 31. März 1987 beim Grundbuchamt eingereicht; die Eintragungen erfolgten am 15. April 1987.

Mit Schreiben vom 1. September 1987 hat das Finanzamt Bad Hersfeld für die Beteiligte zu 2 unter Vorlage der Pfändungsverfügungen beantragt, zwei Zwangssicherungshypotheken im Range vor der Grundschuld der Beteiligten zu 1 einzutragen.

Das Grundbuchamt hat den Antrag mit Beschluß des Rechtspflegers vom 5. Oktober 1987 zurückgewiesen.

Auf die als Beschwerde geltende Erinnerung der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 22. Dezember 1987 dem Antrag der Beteiligten zu 2 auf Eintragung der Sicherungshypotheken an erster Rangstelle stattgegeben.

Das Grundbuchamt hat die Sicherungshypotheken am 26. Januar 1988 unter Eintragung eines Vorrangvermerks (1. Rangstelle) bei der Post III, 1 eingetragen.

Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hat die Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben und die Löschung des Rangvermerks, hilfsweise, die Eintragung eines Widerspruchs bei diesem anzuordnen.

Das Oberlandesgericht möchte die weitere Beschwerde zurückweisen. Es sieht sich hieran durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in BGHZ 45, 186; 49, 197; 83, 395 und vor allem durch das Senatsurteil v. 10. Januar 1975, V ZR 110/73, WM 1975, 255, 256 = DNotZ 1976, 96 gehindert, nach denen ein pfändbares Anwartschaftsrecht erst mit einem Umschreibungsantrag des Erwerbers entsteht.

II.

A.

Die Vorlage an den Bundesgerichtshof ist gemäß § 79 Abs. 2 GBO statthaft.

1. Das vorlegende Oberlandesgericht will in der Auslegung einer bundesgesetzlichen, das Grundbuchrecht betreffenden Bestimmung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen.

Die Auffassung des Oberlandesgerichts, der Auflassungsempfänger habe infolge der sich aus § 873 Abs. 2 BGB ergebenden Bindung schon vor Beantragung der Eigentumsumschreibung ein pfändbares Anwartschaftsrecht erworben, würde den tragenden Gründen der Senatsentscheidung vom 10. Januar 1975, V ZR 110/73, WM 1975, 255, 256 = DNotZ 1976, 96 widersprechen. Der Senat hat ein solches Recht des Auflassungsempfängers verneint, wenn dieser den Antrag noch nicht gestellt hat (oder sein Antrag vom Grundbuchamt zurückgewiesen worden ist).

Die Abweichung betrifft auch das Grundbuchrecht. Im vorliegenden Fall geht es zwar um eine unterschiedliche Auslegung materiell-rechtlicher und vollstreckungsrechtlicher Vorschriften (§§ 873 Abs. 2, 925 BGB; 857 Abs. 1, 2, 848 Abs. 2 Satz 2 ZPO); diese ist jedoch eine Vorfrage für die Entscheidung über den gemäß §§ 38, 22 Abs. 1 GBO gestellten Eintragungsantrag. Alle sachlich-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die das Grundbuchamt angewendet (oder zu Unrecht nicht angewendet) hat, sind – sofern sie auf bundesgesetzlicher Regelung beruhen – das Grundbuchrecht betreffende Vorschriften im Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 1 GBO (vgl. RGZ 146, 308, 309; BGHZ 3, 140, 141; 19, 355, 356; Senatsbeschl. v. 10. März 1976, V ZB 7/72, NJW 1976, 893, 894).

2. Der Vorlage steht auch nicht entgegen, daß die Senatsentscheidung, von der das vorlegende Oberlandesgericht abweichen will, nicht in einer Grundbuchsache, sondern in einem streitigen Verfahren ergangen ist (BGH Beschl. v. 4. Juli 1953, II ZB 9/53, MDR 1953, 612, 613 und Senatsbeschl. v. 24. Januar 1985, V ZB 5/84, NJW 1985, 3070).

B.

Die weitere Beschwerde ist nur mit dem Hilfsantrag auf Eintragung eines Widerspruchs zulässig.

1. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts ist gemäß § 78 GBO statthaft und in der gemäß § 80 Abs. 1 Sätze 1, 2 GBO zulässigen Form eingelegt worden.

2. Sie ist jedoch – wie im Vorlagebeschluß zutreffend ausgeführt – gemäß §§ 80 Abs. 3, 71 Abs. 1 Satz 2 GBO unzulässig, soweit die Beteiligte zu 1 unter Aufhebung der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung die Löschung des zugunsten der Antragstellerin eingetragenen Rangvermerks begehrt.

C.

Im Umfang ihrer Zulässigkeit ist die weitere Beschwerde begründet.

1. Es steht hier nur noch zur Entscheidung, ob die Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO veranlaßt ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichte enthält eine Gesetzesverletzung, die zu einer unrichtigen Grundbucheintragung geführt hat.

a) Das Grundbuchamt ist nicht nur zur Beachtung der förmlichen Eintragungsvoraussetzungen, sondern auch zur Wahrung der Richtigkeit des Grundbuchs verpflichtet, und darf deshalb keine Eintragungen vornehmen, deren Unrichtigkeit bekannt ist (BGHZ 35, 135, 139; BayOblGZ 1969, 278, 281). Dies gilt auch gegenüber dem Eintragungsersuchen einer Behörde (OLG Köln DNotZ 1958, 487, 488; BayObLGZ 1952, 157, 159; 1970, 182, 184 f.; 1985, 372, 374; vgl. auch BGHZ 19, 355, 357). Geht schon aus den von der Behörde dem Ersuchen Beigefügten Unterlagen hervor, daß die begehrte Eintragung das Grundbuch unrichtig machen würde, so darf das Grundbuchamt dem Ersuchen nicht entsprechen. Das Gleiche gilt für die im Beschwerdeverfahren gemäß §§ 71 ff. GBO zu treffenden Entscheidungen.

b) Die Eintragung der Sicherungshypotheken durfte nicht angeordnet werden. Die Beteiligte zu 2 hat keine Grundpfandrechte erworben, da die Pfändung des Anwartschaftsrechts durch die am 8. August 1988 zugestellten Verfügungen ins Leere ging.

Der Senat hält an der in seiner Entscheidung vom 10. Januar 1975 (V ZR 110/73, WM 1975, 255, 256 = DNotZ 1976, 96, 97; vgl. auch schon BGHZ 49, 197, 199 ff.) begründeten Auffassung fest, daß ein übertragbares und damit pfändbares Recht erst dann vorliegt, wenn ein Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt gestellt ist (oder eine Auflassungsvormerkung vorliegt, BGHZ 83, 395, 399; 89, 41, 44 f.). Nur unter dieser Voraussetzung ist es gerechtfertigt, ein vom schuldrechtlichen Anspruch unabhängiges, dem späteren Vollrecht vergleichbares, übertragbares und pfändbares Recht (Anwartschaftsrecht) anzunehmen.

Das vorlegende Oberlandesgericht will der in einer älteren Entscheidung des Kammergerichts (JFG 4, 339, 342) und im Schrifttum (KEHE-Hermann, GBO 6. Aufl. Einl. M 16; Münzberg, Festschrift für Schiedermair, 1976, 439, 446 ff.; Reinicke/Tiedtke NJW 1982, 2281, 2282 f.; Staudinger/Ertl, BGB 12. Aufl. § 925 Rdnr. 133; Stöber, Forderungspfändung 8. Aufl. Rdnr. 2067 – 2071) vertretenen Auffassung folgen, die ein solches Recht schon nach Auflassungserklärung bejaht.

Der Senat vermag sich dieser Ansicht jedoch aus den nachstehenden Gründen nicht anzuschließen.

Die vom Oberlandesgericht vertretene Auffassung, es bestehe kein Grund, die Übertragbarkeit, Verpfändbarkeit bzw. Pfändbarkeit eines Anwartschaftsrechts des Erwerbers von der Stellung der Anträge beim Grundbuchamt abhängig zu machen, trägt dem Umstand nicht Rechnung, daß der Erwerb des Eigentums am Grundstück gemäß § 873 Abs. 1 Satz 1 BGB Einigung und Eintragung erfordert. Es ist deshalb nicht möglich, ein dem Vollrecht vergleichbares Anwartschaftsrecht unabhängig vom Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen anzunehmen. Nach der Gegenmeinung würde selbst dann ein solches Recht entstehen, wenn die Parteien die Rechtsänderung im Grundbuch (noch) nicht wollen und deshalb beispielsweise vereinbaren, zur Zeit keine Anträge beim Grundbuchamt zu stellen. Eine solche Vereinbarung wäre möglich; § 873 Abs. 2 BGB stünde ihr nicht entgegen (Senatsurt. v. 15. Mai 1953, V ZR 95/52, LM Nr. 3 zu § 925 BGB; OLG Düsseldorf NJW 1954, 1041; MünchKomm/Kanzleiter 2. Aufl. § 925 Rdnr. 27; BGB-RGRK/Augustin 12. Aufl. § 925 Rdnr. 78).

Die Bindungswirkung aus § 873 Abs. 2 BGB bietet allein keine geeignete Grundlage schon nach der Auflassung ein dem Vollrecht vergleichbares, übertragbares Recht des Erwerbers anzunehmen. Der mit dieser Vorschrift bezweckte Schutz des Erwerbers rechtfertigt nicht, zugunsten eines Gläubigers des Erwerbers vor Stellung des Eintragungsantrages eine übertragbare und pfändbare Rechtsposition zu bejahen.

Den Senat überzeugt auch nicht das Argument, die Übertragbarkeit der Rechtsposition des Auflassungsempfängers sei schon deshalb anzuerkennen, weil diese eine Umschreibung des Eigentums auf einen Zweiterwerber ohne eine Eintragung des ersten Erwerbers ermögliche (Münzberg, Festschrift für Schiedermair (1976), 439, 449; vgl. auch Hoche NJW 1954, 652). Die Umschreibungsmöglichkeit beruht nicht darauf, daß der Auflassungsempfänger die Rechte aus der Auflassung auf einen Dritten überträgt. Sie folgt vielmehr daraus, daß in der Auflassung für den Auflassungsempfänger zugleich die Ermächtigung durch den Grundstückseigentümer liegt, als Nichtberechtigten (§ 185 Abs. 1 BGB) über das Grundstück zu verfügen (vgl. RGZ 129, 150, 153).

Es wird nach alledem daran festgehalten, daß die Stellung des Antrages auf Eigentumsumschreibung der Zeitpunkt ist, in dem ein übertragbares Recht entsteht.

2. Da mangels wirksamer Pfändung des Anwartschaftsrechts keine Sicherungshypotheken entstanden sind, ist das Grundbuch durch deren Eintragung unrichtig geworden.

III.

Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ist danach aufzuheben.

Gleichzeitig ist die Eintragung von Amtswidersprüchen – unabhängig von der Reichweite der Anträge – nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO anzuordnen. Die Widersprüche richten sich gegen die Eintragung der in Abteilung III unter Nr. 2 und 3 für die Beteiligte zu 2 ausgewiesenen, aber nicht entstandenen Sicherungshypotheken.

IV.

Das erfolgreiche Beschwerdeverfahren ist gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609389

BGHZ 106, 108

BGHZ, 108

NJW 1989, 1093

ZIP 1989, 166

DNotZ 1990, 289

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