Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzungsgesuch. Statthaftes Rechtsmittel. Entscheidung über Verwerfung des Rechtsmittels bindend. Trennungs- und Kindesunterhalt. Versäumung der Beschwerdefrist

 

Leitsatz (amtlich)

Bei gesonderter Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch muss diese mit dem statthaften Rechtsmittel angegriffen werden, weil andernfalls die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag rechtskräftig und für die Entscheidung über die Verwerfung des Rechtsmittels bindend wird (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 8.1.2016 - I ZB 41/15, NJW-RR 2016, 507).

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1; ZPO §§ 233, 238 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Beschluss vom 15.08.2016; Aktenzeichen II-5 UF 48/16)

AG Essen-Borbeck (Beschluss vom 12.02.2016; Aktenzeichen 12 F 236/14)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des OLG Hamm vom 15.8.2016 wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen.

Wert: 51.067 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde in einer Unterhaltssache.

Rz. 2

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner Trennungs- sowie Kindesunterhalt geltend gemacht. Der Beschluss des AG, mit dem dieses dem Antrag der Antragstellerin nur teilweise stattgegeben hat, ist ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 22.2.2016 zugestellt worden. Am 7.3.2016 hat sie beim AG die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren beantragt. Am 22.3.2016 hat sie beim OLG per Telefax Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt. Nachdem das OLG auf die Unzulässigkeit der Beschwerde hingewiesen hatte, hat sie am 4.5.2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Nachdem das OLG zunächst die Anträge auf Verfahrenskostenhilfe und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit einem noch im Juni 2016 zugestellten Beschluss zurückgewiesen hatte, hat es die Beschwerde mit Beschluss vom 15.8.2016 verworfen. Gegen den letztgenannten Beschluss richtet sich die am 22.9.2016 beim BGH eingegangene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II.

Rz. 3

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des BGH geklärt und die Antragstellerin vermag auch nicht aufzuzeigen, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.

Rz. 4

1. Das OLG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin habe nicht innerhalb der am 22.3.2016 abgelaufenen Beschwerdefrist beim AG Beschwerde eingelegt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor, da sie nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gehindert gewesen sei.

Rz. 5

2. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen der Rechtsprechung des BGH.

Rz. 6

a) Zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde verfristet ist, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG gem. § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG beim zuständigen AG eingelegt worden ist.

Rz. 7

b) Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Versagung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wendet, gehen ihre Angriffe ins Leere.

Rz. 8

aa) Bei gesonderter Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch muss diese mit dem statthaften Rechtsmittel angegriffen werden, weil andernfalls die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag rechtskräftig und für die Entscheidung über die Verwerfung des Rechtsmittels bindend wird (BGH Beschlüsse v. 8.1.2016 - I ZB 41/15, NJW-RR 2016, 507 Rz. 14; v. 16.4.2002 - VI ZB 23/00, NJW 2002, 2397, 2398 und BGH v. 7.10.1981 - IVb ZB 825/81, FamRZ 1982, 163; BeckOK ZPO/Wendtland [Stand: 1.12.2016] § 238 Rz. 18; Musielak/Voit/Grandel ZPO, 12. Aufl., § 238 Rz. 7).

Rz. 9

Allerdings ist die betroffene Partei unter dem Aspekt der Rechtskraft - soweit die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO gewahrt ist, die bei Geltendmachung mehrerer Hinderungsgründe erst mit der Beseitigung des letzten Hinderungsgrunds zu laufen beginnt - nicht gehindert, nachfolgend weitere Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen, über die noch nicht entschieden worden ist (BGH Beschl. v. 8.1.2016 - I ZB 41/15, NJW-RR 2016, 507 Rz. 14).

Rz. 10

bb) Gemessen hieran war die Entscheidung des OLG vom 22.6.2016 über den Wiedereinsetzungsantrag für seine nachfolgende Entscheidung über die Verwerfung des Rechtsmittels bindend. Denn die Antragstellerin hat verabsäumt, gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 238 Abs. 2 ZPO und § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 22.6.2016 einzulegen.

Rz. 11

Daran ändert auch nichts, dass die Antragstellerin hiergegen Gegenvorstellung erhoben hat. Zum einen hat sie mit dieser nur die bereits von ihr geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe zu bekräftigen versucht, also keinen neuen Wiedereinsetzungsgrund genannt. Zum anderen ist die Gegenvorstellung gegenüber dem ordentlichen Rechtsbehelf, hier also der Rechtsbeschwerde, nachrangig (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO, 37. Aufl. Vorbem. § 567 Rz. 14; Zöller/Heßler ZPO, 31. Aufl., § 567 Rz. 23 jew. m.w.N.).

Rz. 12

Schließlich entfällt die Bindung an den Beschluss vom 22.6.2016 auch nicht deshalb, weil das OLG in seiner Entscheidung über die Verwerfung der Beschwerde die Gründe, warum eine Wiedereinsetzung nicht zu gewähren sei, fast wortgleich wiederholt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 10556620

NJW 2017, 10

NJW 2017, 1554

FamRZ 2017, 819

FuR 2017, 320

JurBüro 2017, 614

JurBüro 2018, 111

JZ 2017, 357

MDR 2017, 723

FF 2017, 217

FamRB 2017, 220

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