Verfahrensgang

LG Oldenburg (Beschluss vom 31.10.2005; Aktenzeichen 6 T 626/05)

AG Wilhelmshaven (Aktenzeichen 10 IN 75/00)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 31. Oktober 2005, berichtigt durch Beschluss vom 4. November 2005, wird auf Kosten des weiteren Beteiligten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 30.363,49 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Rz. 1

Der Beschwerdeführer war vom 12. Mai 2000 bis 9. November 2000 vorläufiger Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, ab 18. Juli 2000 als starker vorläufiger Verwalter. Er beantragte die Vergütung einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 85.912,50 EUR festzusetzen. Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 1,309 Mio. EUR berechnete er eine Regelgebühr von 53.750,00 EUR und machte hieraus eine Grundgebühr von 35% sowie Zuschläge für einen obstruierenden Geschäftsführer von 5%, für die Unternehmensfortführung mit 46 Arbeitnehmern für sechs Monate von 60%, für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes von 5% und für die Vorbereitung der Sanierung von 10% geltend.

Rz. 2

Das Amtsgericht hat die Vergütung einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 48.673,31 EUR festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des (weiteren) Beteiligten hat das Landgericht die Vergütung auf 55.549,01 EUR heraufgesetzt. Dabei hat es einen Ausgangsvergütungssatz von 25% der nach § 2 Abs. 1 InsVV berechneten Vergütung zugrunde gelegt sowie Zuschläge von 60 Prozentpunkten bewilligt, nämlich 5% wegen eines obstruierenden Geschäftsführers, 40% für die Unternehmensfortführung, 5% für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes und 10% für die Vorbereitung der Sanierung.

Rz. 3

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der vorläufige Insolvenzverwalter seinen ursprünglichen Vergütungsantrag in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

II.

Rz. 4

Das Rechtsmittel ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), jedoch unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Rz. 5

1. Die Rechtsbeschwerde nimmt an, das Beschwerdegericht hätte einen höheren Zuschlag als die bewilligten 40 Prozentpunkte zugesprochen, wenn es sich um eine Unternehmensfortführung über die Zeit des Insolvenzeröffnungsverfahrens hinaus gehandelt hätte. Die Frage, ob es für die Vergütung des vorläufigen Verwalters von Bedeutung sei, ob dieser das Unternehmen nur für die Zeit des Insolvenzeröffnungsverfahrens weitergeführt habe oder ob es auch darüber hinaus fortgeführt werden sollte, sei deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, zumindest sei die Frage zur Fortbildung des Rechts zu entscheiden.

Rz. 6

Diese Frage ist weder klärungsbedürftig noch entscheidungserheblich.

Rz. 7

Für die Bemessung des Zuschlags für den vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechend § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV macht es keinen Unterschied, ob das Unternehmen auch noch nach der Verfahrenseröffnung weitergeführt wird oder werden soll. Entscheidend ist allein der Arbeitsaufwand des vorläufigen Insolvenzverwalters in der Zeit der tatsächlichen Unternehmensfortführung während seiner Amtszeit.

Rz. 8

Das Beschwerdegericht hat den Zuschlag bemessen anhand der Zahl der Arbeitnehmer, der Dauer der Fortführung sowie des Umstandes, dass zwei große alte und ein neuer, größerer Auftrag abgewickelt wurden. Es hat zugrunde gelegt, dass je nach Einzelfall für Unternehmensfortführungen Zuschläge zwischen 25% und 75% angesetzt werden. Dies betrifft allerdings, wie die in Bezug genommene Literaturstelle zeigt, die Zuschläge für den endgültigen Verwalter (Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 3 Rn. 72), während für den vorläufigen Verwalter dort Zuschläge von 10 % bis 50 % bei kleinen bis mittleren Unternehmen nach § 267 HGB genannt sind. Einen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers lässt dies nicht erkennen.

Rz. 9

Das Landgericht hat allerdings ausgeführt, aus den Berichten des Antragstellers habe sich frühzeitig ergeben, dass es mangels ausreichender Masse keine dauerhafte Fortführung geben werde, sondern eine Abwicklung, letztlich begrenzt auf die Zeit der vorläufigen Verwaltung. Dass dieser Umstand zur Herabsetzung der Höhe des Zuschlags geführt hätte, ist den Ausführungen des Landgerichts jedoch nicht zu entnehmen. Diese Feststellung ist – entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde – im Übrigen auch nicht verfahrensfehlerhaft. Bereits der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Juli 2000 – auf den sich die Rechtsbeschwerde beruft – kann in diesem Sinn verstanden werden. Der dort erwähnte, angeblich vor dem Abschluss stehende große Auftrag ist nicht erteilt worden. Im Bericht des Beschwerdeführers vom 6. November 2000 wurde sodann ausdrücklich mitgeteilt, dass bis auf den (berücksichtigten) einzelnen größeren Auftrag keine anderen wesentlichen Aufträge hereingeholt werden konnten, weshalb der Betrieb geschlossen werden müsse.

Rz. 10

2. Für rechtsgrundsätzlich hält die Rechtsbeschwerde die Frage, ob unabhängig von einzelnen Zuschlägen stets geprüft werden müsse, ob die so ermittelte Vergütung einer angemessenen Honorierung der geleisteten Tätigkeit entspreche.

Rz. 11

Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Die Bemessung der Zu- und Abschläge ist vom Tatrichter so vorzunehmen, dass dem vorläufigen Verwalter eine angemessene Vergütung gewährt wird (BGHZ 116, 233, 238; 157, 282, 287; BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204, 1206). Eine Vergleichsrechnung anhand der Anzahl der aufgewendeten Stunden des Verwalters und seiner Mitarbeiter hat dagegen, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht stattzufinden. Eine solche Vergleichsrechnung könnte, würde man sie vornehmen, auch nicht lediglich mit dem Ziel einer Heraufsetzung der Vergütung durchgeführt werden, sondern müsste umgekehrt auch zu einer Herabsetzung der Vergütung führen, etwa bei hohen Bemessungsgrundlagen. Dies widerspräche aber dem System der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung. Der Verordnungsgeber hat die Vergütungsregelung insbesondere im Interesse der Rechtssicherheit, leichterer Handhabbarkeit und Entlastung der Gerichte so ausgestaltet, dass sich die Vergütung nach einer festzustellenden Bemessungsgrundlage bemisst (vgl. BGHZ 157, 282, 287). Eine Vergütungsbemessung nach dem Arbeits- und Kostenaufwand im Einzelfall und eine Berechnung nach Stundensätzen kommt danach nicht in Betracht (vgl. BGHZ 157, 282, 301).

Rz. 12

3. Die Rechtsbeschwerde meint, das Erfordernis der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordere die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, weil das Landgericht Dresden in einem vergleichbaren Fall (ZIP 2005, 1745 ff.) eine Gesamtvergütung von 125,25% der Regelvergütung festgesetzt habe. Dort sei für eine Unternehmensfortführung von 18 Tagen ein Zuschlag von 50% gewährt worden, weshalb im vorliegenden Fall ein Zuschlag von 40% unangemessen sei.

Rz. 13

Insoweit zeigt die Rechtsbeschwerde jedoch keine Divergenz auf. Eine solche läge nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung eine Rechtsfrage anders beantwortet hätte, als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufgestellt hätte, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diesen tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGHZ 154, 288, 293; BGH, Beschl. v. 24. September 2002 – VI ZB 26/02, DAR 2003, 64). Derartige Rechtssätze sind weder der angegriffenen Entscheidung noch der Vergleichsentscheidung in diesem Zusammenhang zu entnehmen.

Rz. 14

Auch eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung ergibt sich hieraus nicht; eine solche hat die Rechtsbeschwerde zwar behauptet, aber nicht dargelegt. Es handelt sich vielmehr um Einzelfallentscheidungen.

Rz. 15

4. Die Rechtsbeschwerde will schließlich ihre Zulässigkeit auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gründen, weil das Beschwerdegericht den neuen Sachvortrag in der Beschwerde nicht berücksichtigt habe, dass der Verwalter ein angemietetes Betriebsgrundstück bewirtschaftet habe und deshalb die Bemessungsgrundlage um den Wert dieser Immobilie, also um 500.000,00 EUR, zu erhöhen gewesen sei.

Rz. 16

Zwar trifft es zu, dass das Landgericht hierauf nicht eingegangen ist. Hierauf beruht die Entscheidung aber nicht. Eine angemietete Immobilie kann die Bemessungsgrundlage nicht erhöhen. Dies ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Senats, wonach die Befassung mit fremden Gegenständen, an denen Aussonderungsrechte bestehen, bei der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht bei der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen ist, sondern nur – bei einer Befassung in erheblichem Umfang – einen Zuschlag zur Regelvergütung rechtfertigen kann (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 – IX ZB 268/04, ZIP 2006, 625; vgl. auch BGHZ 165, 266; v. 13. Juli 2006 – IX ZB 104/05, ZIP 2006, 1403, z.V.b. in BGHZ). Diese Rechtsprechung ist zwar durch die Zweite Verordnung zur Änderung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3389) teilweise überholt. Ob § 19 Abs. 2 InsVV in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung Rückwirkung auch für den vorliegenden Fall entfaltet, auf den schon die Erste Verordnung zur Änderung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) keine Anwendung fand, weil das Insolvenzverfahren vor dem 1. Januar 2004 eröffnet worden war (§ 19 InsVV in der Fassung der Ersten Änderungsverordnung; vgl. BGH, Beschl. v. 6. April 2006 – IX ZB 109/05, ZIP 2006, 2228) kann dahinstehen. Denn auch nach § 11 Abs. 1 Satz 5 InsVV n.F. ist das angemietete Betriebsgrundstück bei der Bemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen, weil es der Schuldner lediglich aufgrund eines Besitzüberlassungsvertrages in Besitz hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2833481

ZInsO 2007, 370

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