Entscheidungsstichwort (Thema)

Handelsrecht Gesellschaftsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der dem Steuerpflichtigen bekanntgegebene Prüfungsauftrag unterbricht die Verjährung grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, wieviel Zeit zwischen der Bekanntgabe und der Ausführung des Auftrags verstreicht.

Die Lohnsteueraußenprüfung und der ihr zugrunde liegende Auftrag unterbrechen nicht nur die Verjährung des Lohnsteuerhaftungsanspruchs, sondern auch die Verjährung der Lohnsteueransprüche gegen die Arbeitnehmer.

Hat das Finanzgericht die Berufung eines Steuerpflichtigen zunächst zurückgewiesen oder verworfen und hat die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde zur Aufhebung dieses Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht geführt, so sind auch die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen, wenn das Finanzgericht die Berufung erneut zurückweist oder verwirft.

 

Normenkette

AO §§ 147, 146a Abs. 3, §§ 307, 135/1

 

Tatbestand

Die Lohnsteuerstelle des Finanzamts beauftragte am 12. März 1954 einen namentlich bestimmten Beamten, bei der Bfin. eine Lohnsteueraußenprüfung durchzuführen. Am 17. März 1954 benachrichtigte das Finanzamt die Bfin. von der bevorstehenden Prüfung. Der beauftragte Prüfungsbeamte führte den Auftrag vom 12. März 1954 jedoch nicht aus. Er hat im Berufungsverfahren erklärt, daß es ihm nicht mehr möglich sei, den Grund für die damalige Nichterledigung des Auftrages anzugeben. Er hat mehrere Ursachen namhaft gemacht, die möglicherweise verantwortlich gewesen sein könnten. Im Februar 1955 führten zwei andere Beamte eine Lohnsteueraußenprüfung bei der Bfin. durch. Das Ergebnis war ein Haftungsbescheid, in dem das Finanzamt an Lohnsteuer und Abgabe Notopfer Berlin für II/1948 620 DM und für 1949 2.327 DM nachforderte.

Das Finanzgericht hat die Berufung der Bfin., mit der sie Verjährung geltend machte, zunächst als unzulässig verworfen; dieses Urteil hat der Bundesfinanzhof aufgehoben. In seiner Entscheidung zur Sache erkannte das Finanzgericht den Verjährungseinwand gegen den Anspruch für 1948 an, wies den Einwand für 1949 jedoch zurück. Durch den Prüfungsauftrag vom 12. März 1954 sei die Verjährung unterbrochen worden. Die Kosten wurden dem Land zu 1/5, der Bfin. zu 4/5 auferlegt.

Mit der Rb. wird die Entscheidung des Berufungsgerichts sowohl in der Hauptsache als auch im Kostenpunkt bemängelt. Der Prüfungsauftrag vom 12. März 1954 habe die Verjährung nicht unterbrochen, da er nicht binnen angemessener Frist - eine solche betrage einen Monat - ausgeführt worden sei. Da die Bfin. im ersten Rechtsbeschwerdeverfahren obgesiegt habe, hätten die Kosten dieses Verfahrens jedenfalls ganz dem Land auferlegt werden müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Zutreffend ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, daß der Prüfungsauftrag vom 12. März 1954 die Verjährung des Lohnsteuerhaftungsanspruchs 1949 unterbrochen hat. Daß ein Prüfungsauftrag, wie das Finanzgericht annimmt, allgemein eine zur Unterbrechung geeignete Maßnahme des Finanzamts sei, wird von der Rb. nicht in Zweifel gezogen. Diese Auffassung steht mit § 147 AO in Einklang, sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Reichs- und Bundesfinanzhofs. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Zu der Frage, ob ein Prüfungsauftrag, damit er die Verjährung unterbricht, nach außen erkennbar geworden sein muß, braucht der Senat unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht Stellung zu nehmen, da die Mitteilung des Finanzamts an die Bfin. vom 17. März 1954 den Auftrag hat erkennbar werden lassen.

Die Unterbrechungswirkung des Auftrages vom 12. März 1954 ist nicht dadurch berührt worden, daß bis zur Ausführung des Auftrages elf Monate verstrichen sind. Die Unterbrechung der Verjährung durch einen Prüfungsauftrag ist unabhängig davon, binnen welcher Frist die Betriebsprüfung dem Auftrag nachfolgt. Der von einigen Schriftstellern (Theis, Der Betrieb 1957 S. 564; Mattern, Steuerberatung 1959 S. 243) geäußerten entgegengesetzten Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Das Gesetz gibt für eine solche Einschränkung der Unterbrechungswirkung keinen Anhaltspunkt. Die Einschränkung wäre zudem unvereinbar mit dem Prinzip der Rechtssicherheit. Der IV. Senat hat dazu in dem Urteil IV 156/57 U vom 3. Juli 1958 (BStBl 1958 III S. 472, Slg. Bd. 67 S. 519, am Ende) gesagt, die Institution der Verjährung vertrage keinen Unsicherheitsfaktor; ein solcher sei mit der Struktur der Verjährung, mit der Rechtssicherheit und mit dem Schutzbedürfnis des Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

In dem angefochtenen Urteil hat auch das Finanzgericht die Meinung vertreten, daß die Prüfung dem Auftrag in "angemessener Frist" nachfolgen müsse. Es hat dies damit begründet, daß die Unterbrechungswirkung einer Handlung des Finanzamts rückwirkend entfalle, wenn das Finanzamt die Handlung später wieder aufhebe, und daß ein unangemessen langer Aufschub der Ausführung des Auftrages seiner Aufhebung praktisch gleichkomme. Diese Begründung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Es ist schon zweifelhaft, ob eine späte Ausführung des Auftrages einer Aufhebung gleichzustellen ist. Unrichtig ist jedenfalls die Annahme, daß eine Maßnahme des Finanzamts mit ihrer späteren Zurücknahme auch die Wirkung der Unterbrechung verliere. Nach § 147 AO kommt es nur auf den tatsächlichen Vorgang der dort bezeichneten Handlung an. Dieser Vorgang wird nicht aus der Welt geschafft, wenn die Behörde die spezifischen Wirkungen der Handlung durch eine spätere, entgegengesetzte Verfügung wieder aufhebt. Der Reichsfinanzhof hat demgemäß ausgesprochen, daß Steuerbescheide, wenn sie später wieder aufgehoben werden, nur ihre unmittelbaren Wirkungen, nicht aber die Unterbrechungswirkung verlieren.

Die Bfin. sucht ihren Rechtsmittelantrag mit der Erwägung zu rechtfertigen, daß Scheinhandlungen die Verjährung nicht unterbrächen; sie deutet an, daß der Prüfungsauftrag vom 12. März 1954 eine Scheinhandlung gewesen sei. Der Bfin. ist zuzugeben, daß Scheinhandlungen die Wirkung des § 147 AO nicht haben. Das gilt nicht nur für Prüfungsaufträge, sondern ganz allgemein. Diese Beurteilung von Scheinhandlungen ergibt sich daraus, daß die Unterbrechung nicht in den bloßen Willen des Finanzamts gestellt ist, daß das Finanzamt vielmehr, wenn es die Verjährung unterbrechen will, Maßnahmen ergreifen muß, die nach seiner Absicht unmittelbar oder mittelbar zur Feststellung des Steueranspruchs dienen sollen. Die bloß vorgespiegelte Absicht dieser Art steht der wirklichen nicht gleich. Die Finanzgerichte haben daher, wenn sich diesbezüglich Anhaltspunkte ergeben, aber nur dann, zu prüfen, ob die in Rede stehende Handlung ernst gemeint war. Im Streitfall lagen solche Anhaltspunkte nicht vor. Die Erklärung des zunächst beauftragten Prüfungsbeamten über die Gründe der vorläufigen Nichterledigung des Auftrags gaben dem Finanzgericht keinen Anlaß, den Auftrag als Scheinhandlung zu beurteilen oder weitere Ermittlungen darüber anzustellen.

Die Geltendmachung des gegen die Bfin. gerichteten Haftungsanspruches setzt nach § 149 AO voraus, daß auch die Steueransprüche gegen die Arbeitnehmer noch nicht verjährt sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Prüfungsauftrag vom 12. März 1954 hat auch die Verjährung der sich gegen die Arbeitnehmer richtenden Steueransprüche unterbrochen. Es kann auch insofern unentschieden bleiben, ob die an die Bfin. gerichtete Mitteilung vom 17. März 1954 erforderlich war, um den Tatbestand des § 147 AO zu erfüllen. Jedenfalls ist der Prüfungsauftrag durch diese Mitteilung nach außen erkennbar geworden, so daß im Streitfall auch der strengeren Meinung über die Anforderungen an die unterbrechende Wirkung eines Prüfungsauftrages genügt ist. Nicht erforderlich ist, daß die nach außen erkennbare Maßnahme gerade auch dem Schuldner des verjährungsgefährdeten Anspruchs erkennbar geworden sein müsse. Auch der IV. Senat des Bundesfinanzhofs steht auf diesem Standpunkt (vgl. das Urteil IV 156/57 U a. a. O.; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Anm. III 3 zu § 147 AO). Allgemein unterbrechen daher Anfragen der Finanzbehörden bei Dritten und die Einsicht in die Geschäftsbücher Dritter die Verjährung, sofern sie dazu dienen sollen, Besteuerungsgrundlagen in bezug auf einen bestimmten Steueranspruch zu ermitteln. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann erfüllt, wenn eine Lohnsteueraußenprüfung angeordnet und dem Arbeitgeber mitgeteilt wird. Daß mit der Prüfung und also auch mit dem Auftrage nicht nur steuererhebliche Tatsachen für den Haftungsanspruch, sondern zugleich auch für den Anspruch gegen die Arbeitnehmer beigebracht werden sollen, ergibt sich aus der Natur der Sache, da für beide Ansprüche in weitem Umfange dieselben Tatsachen rechtserheblich sind. Die Finanzbehörden sind deswegen auch befugt, durch eine Außenprüfung der in §§ 50 ff. LStDV bezeichneten Art zugleich in bezug auf die Steueransprüche gegen die Arbeitnehmer Ermittlungen anzustellen (der Reichsfinanzhof hatte diese Frage in dem Urteil VI A 603/34 vom 8. August 1934, RStBl 1934 S. 1058, unentschieden gelassen).

Auch die Kostenentscheidung des Finanzgerichts ist richtig.

Nach § 307 Abs. 1 AO sind die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen, insoweit sein Begehren im endgültigen Ergebnis erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Im endgültigen Ergebnis unterlegen ist ein Berufungsführer insbesondere dann, wenn das Finanzgericht seine Berufung zunächst zurückgewiesen oder verworfen hatte, die dagegen eingelegte Rb. Erfolg hatte, die Sache jedoch an das Finanzgericht zurückgewiesen wurde und das Finanzgericht die Berufung erneut zurückweist oder verwirft (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III A 234/35 vom 24. Oktober 1935, RStBl 1935 S. 1395).

 

Fundstellen

Haufe-Index 409690

BStBl III 1960, 275

BFHE 1961, 72

BFHE 71, 72

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