Leitsatz (amtlich)

Ein "Kaufvertrag" über Wohnungseigentum und ein "Werkvertrag", in dem sich der Verkäufer verpflichtet, für den Erwerber die für diesen bestimmte Eigentumswohnung zu schaffen, ist ein rechtlich einheitlicher Vertrag, wenn beide Teilverträge in ihrem rechtlichen Bestand voneinander abhängig sind. Liegt ein rechtlich einheitlicher Vertrag vor, so ist das Grundstück (hier: der Miteigentumsanteil mit dem zugehörigen Sondereigentum) in bebautem Zustand Gegenstand des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgangs; das Entgelt für die Schaffung der Wohnung ist daher Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1; WEG § 1 Abs. 2

 

Tatbestand

I.

1. Die Eheleute D waren Eigentümer eines 1 557 m2 großen, in A gelegenen Grundstücks. Sie beabsichtigten das Grundstück mit einem Wohnhaus mit Eigentumswohnungen zu bebauen. Am 12. Februar 1971 wurde ihnen dafür ein Bauschein erteilt. Mit den Rohbauarbeiten soll nach Darstellung der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) im Februar 1971 begonnen worden sein. Am 29. Juli 1971 und am 10. Dezember 1971 gaben die Eheleute D Teilungserklärungen gem. § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) zur Teilung des Grundstücks in Wohnungseigentum ab. Die Abgeschlossenheitserklärungen wurden am 16. September 1971 erteilt.

2. Am 30. Dezember 1971 schlossen die Eheleute D mit den Klägern einen notariell beurkundeten Vertrag, der in fünf Abschnitte gegliedert ist:

In Abschn. I bekunden die Eheleute D, in dem Vertrag als Veräußerer bezeichnet, ihre Absicht, das Grundstück mit einem Wohnhaus zu bebauen, und die Vertragsparteien erklären, u. a. darüber einig zu sein,

a) daß die Veräußerer an die als Erwerber bezeichneten Kläger Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Sondereigentum an einer zu errichtenden Wohnung veräußern (Abschn. II der Vertragsurkunde) und

b) daß sie sich verpflichten, diese Wohnung für die Erwerber zu errichten (Abschn. III der Vertragsurkunde),

c) schließlich, daß die Vereinbarungen gem. Abschn. II und Abschn. III der Vertragsurkunde "in einer Weise selbständig sein sollen (§ 139 BGB), daß die Wirksamkeit und Durchführung der einen Vereinbarung durch die Wirksamkeit und Durchführung der anderen Vereinbarung nicht bedingt sein soll, insbesondere der Verkauf des Miteigentumsanteils an dem Grundstück auch dann Bestand haben soll, wenn die im Sondereigentum stehende Wohnung ... nicht fertig gestellt werden sollte".

Nach Abschn. II der Vertragsurkunde ("Kaufvertrag und Auflassung") verkauften die Eheleute D den Klägern das Wohnungseigentum an der im zweiten Obergeschoß rechts gelegenen Wohnung bestehend aus 2 051,687/10 000 Miteigentumsanteilen und dem Sondereigentum an der Wohnung zum Preis von 111 806,68 DM. Mit der Übergabe des Wohnungseigentums, spätestens aber ab 1. Januar 1973 sollten Gefahren, Lasten und Nutzungen auf die Erwerber übergehen. Die Vertragsparteien erklärten die Auflassung.

In dem mit "Bauvertrag" überschriebenen Abschn. III der Vertragsurkunde verpflichteten sich die Veräußerer, gemeinschaftliches Eigentum und Sondereigentum für die Erwerber gem. den Plänen des Kellergeschosses, Garagengeschosses und zweiten Obergeschosses und der Baubeschreibung "zu erstellen und den Erwerbern nach Fertigstellung und Erfüllung aller diesen obliegenden Verpflichtungen zu übergeben." Das dafür von den Klägern zu entrichtende, als Werklohn bezeichnete Entgelt betrug 498 193,32 DM. Der "Werklohn" wurde als "Festpreis" vereinbart. Die Wohnung sollte entsprechend der Baubeschreibung ausgestattet werden. Etwaige Sonderwünsche hatten die Kläger dem bauleitenden Architekten bekanntzugeben. Darüber erteilte Rechnungen waren von den Klägern unmittelbar an die ausführenden Unternehmer zu bezahlen; dem Architekt stand insoweit ein zusätzliches Entgelt von 10 v. H. des Rechnungsbetrages zu.

Im Abschn. IV wurde die wechselseitige Einräumung dinglicher Vorkaufsrechte vereinbart.

Nach den in Abschn. V der Vertragsurkunde enthaltenen "Schlußbestimmungen" konnten die Kläger den Bauvertrag (Abschn. III der Vertragsurkunde) "kündigen", wenn die Veräußerer "die in dieser Vereinbarung niedergelegten Verpflichtungen" nicht erfüllten (Nr. 2 des Abschn. V der Vertragsurkunde). Die Veräußerer konnten "diesen Vertrag ... kündigen, wenn die Käufer ihre vertraglichen Verpflichtungen ... nicht erfüllten" (Nr. 3 des Abschn. V der Vertragsurkunde). Im Falle einer "Kündigung" waren den Klägern die von ihnen geleisteten Zahlungen grundsätzlich zu erstatten. Im Falle einer Kündigung nach Nr. 3 des Abschn. V der Vertragsurkunde durften die Veräußerer aber bestimmte Abzüge vornehmen und die zu erstattenden Beträge solange "zurückhalten", bis ein geeigneter Nachfolger eine Vereinbarung zu gleichen Bedingungen abschließt und seinerseits die entsprechenden Zahlungen geleistet hat.

3. Der Rohbau wurde am 25. Januar 1972 für die Eheleute D abgenommen. Der Notar beantragte am 19. Mai 1972 die Umschreibung des Eigentums beim Grundbuchamt. Die Kläger wurden am 27. Juli 1972 als Wohnungseigentümer eingetragen. Am 15. August 1972 fand die Schlußabnahme zugunsten der Eheleute D statt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ am 13. April 1972 gegen jeden der klagenden Eheleute einen Grunderwerbsteuerbescheid über 21 350 DM Grunderwerbsteuer einschließlich Zuschlag, in denen er der Steuerberechnung eine auf die Kläger je zur Hälfte entfallende Gegenleistung von 610 000 DM zugrunde legte.

Mit ihren gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüchen machten die Kläger, die ihr weitergehendes Begehren auf Steuerbefreiung im anschließenden Klageverfahren fallen ließen, geltend, die Grunderwerbsteuer sei nur nach der für den Kauf der Miteigentumsanteile vereinbarten Gegenleistung von 111 806,68 DM zu erheben; denn im übrigen liege ein Werkvertrag vor. Das FA wies den Einspruch zurück.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 602 (EFG 1977, 602) veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Die Vorentscheidung weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Im Gegensatz zu dem BFH-Urteil vom 4. September 1975 II R 112/69 (BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89) zerlege das FG den auf den Erwerb einer Eigentumswohnung gerichteten Vertrag in einen grunderwerbsteuerpflichtigen Kauf und in einen grunderwerbsteuerfreien Bauvertrag. Ferner sei der Begriff des Bauherrn nach dem BFH-Urteil vom 20. Februar 1974 II R 59/66 (BFHE 112, 203, BStBl II 1974, 428) als Hilfsmerkmal zur grunderwerbsteuerrechtlichen Beurteilung zivilrechtlich nicht eindeutig qualifizierbarer Verträge heranzuziehen, und nach dem BFH-Urteil vom 4. September 1974 II R 119/73 (BFHE 113, 480, BStBl II 1975, 91) sei die Errichtung eines Gebäudes grunderwerbsteuerrechtlich regelmäßig demjenigen zuzurechnen, der Bauherr des Gebäudes sei. Die Kläger könnten aber nicht als Bauherren angesehen werden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

Die Kläger haben auf das Revisionsvorbringen nicht erwidert.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Der vom FG festgestellte Sachverhalt rechtfertigt nicht die Folgerung, es läge neben dem Kaufvertrag über das Wohnungseigentum noch ein diesem gegenüber selbständiger Werkvertrag vor. Das von den Klägern zu entrichtende vertragsmäßige Entgelt von insgesamt 610 000 DM stellt die Gegenleistung für die Übertragung des Wohnungseigentums und die davon weder rechtlich noch wirtschaftlich zu trennende Schaffung der Eigentumswohnung durch die Veräußerer dar.

1. a) Der Grunderwerbsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet. Aufgrund eines Kaufvertrags wird ein Grundstück im allgemeinen in dem Zustand veräußert, in dem es sich im Zeitpunkt der Veräußerung befindet (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 29. September 1970 II R 13/70, BFHE 100, 468 [472], BStBl II 1971, 107). Der Verkäufer kann aber auch die Verpflichtung übernehmen, auf einem noch unbebauten Grundstück ein bestimmtes Bauwerk zu errichten. Dabei kann es sich im Einzelfall um einen gegenüber der kaufvertraglichen Leistungspflicht zur Übereignung des Grundstücks selbständigen Werkvertrag handeln.

Gestalten die Vertragsparteien die Leistungspflicht des Verkäufers jedoch dahin aus, daß dieser verpflichtet ist, ein in bestimmter Weise bebautes Grundstück zu übereignen, so liegt ein atypisch gestalteter "gemischter" Vertrag vor (vgl. Palandt-Heinrichs, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 38. Aufl. 1979, § 305 Anm. 6b), dessen eine Hauptleistungspflicht auf die Übereignung des Grundstücks gerichtet ist (vgl. § 651 Abs. 1 BGB). Der Käufer kann mit dem Verkäufer auch dergestalt einen Werkvertrag über die Herstellung des Gebäudes abschließen, daß die kaufvertragliche Übereignungspflicht und die werkvertragliche Herstellungspflicht in einem rechtlich einheitlichen Vertrag zusammengefaßt sind. Liegt ein solcher "zusammengesetzter" Vertrag vor (vgl. Palandt-Heinrichs, a. a. O., § 305 Anm. 6a), so ist entsprechend dem in § 139 BGB niedergelegten Grundsatz nicht anzunehmen, daß die Veräußerung des Grundstücks auch ohne die Übernahme der Gebäudeherstellungspflicht vereinbart worden wäre. Die vertragsmäßige Verbindung der unterschiedlichen Leistungspflichten des Verkäufers bedeutet, daß das Grundstück nicht in unbebautem Zustand, sondern als bebautes verkauft worden ist (BFH-Urteil vom 28. November 1967 II 102/63, BFHE 90, 534, BStBl II 1968, 186). Das hat zur Folge, daß in einem solchen Falle wie beim atypisch ausgestalteten gemischten Vertrag mit auf Übereignung gerichteter Hauptleistungspflicht das von dem Erwerber insgesamt zu leistende Entgelt Gegenleistung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist.

Dem steht nicht entgegen, daß sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Sachmängelansprüche des Erwerbers eines Grundstücks mit einem vom Veräußerer darauf noch zu errichtenden oder im Bau befindlichen Bauwerk (einschließlich Eigentumswohnungen) in aller Regel nach Werkvertragsrecht richten (vgl. BGH-Urteil vom 5. Mai 1977 VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372 mit Nachweisen). Denn weder wird dadurch bei den gemischten Verträgen die Hauptleistungspflicht zur Übereignung verändert, noch bei den zusammengesetzten Verträgen die Einheitlichkeit des Gesamtvertrages beeinträchtigt. Es bedarf daher für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung keiner Entscheidung darüber, ob ein durch die Hinzufügung der Herstellungsverpflichtung atypisch ausgestalteter Kaufvertrag bzw. ein Werklieferungsvertrag oder ein aus einem Kaufvertrag und einem Werkvertrag zusammengesetzter einheitlicher Vertrag vorliegt. Für die Einbeziehung des für die Werkleistung zu erbringenden Teils des Entgelts in die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung kommt es sonach entscheidend darauf an, ob die übernommene Herstellungsverpflichtung im Rahmen eines rechtlich selbständigen Werkvertrages oder in einem zusammengesetzten bzw. gemischten Vertrag zusammen mit der Übereignungsverpflichtung begründet worden ist.

b) Ob ein rechtlich einheitlicher Vertrag gegeben ist, hängt bei den zusammengesetzten Verträgen davon ab, ob nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geäußerten Willen der Vertragsparteien ein einheitliches Geschäft vorliegen sollte. Das kann auch dann der Fall sein, wenn über die vertraglichen Vereinbarungen mehrere Vertragsurkunden errichtet worden sind (BFH-Urteil vom 28. November 1967 II 102/63, BFHE 90, 534, BStBl II 1968, 186). Der Wille zum Abschluß eines einheitlichen Vertrages kann auch im Wege der Auslegung festgestellt werden; er muß sich dann aus den gesamten durch die Vereinbarungen erkennbar gewordenen Interessen der Vertragschließenden ergeben (BFH-Urteil II 102/63, BFHE 90, 534; Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 7. Dezember 1921 V 141/21, RGZ 103, 295 [299]; BGH-Urteil vom 3. Dezember 1969 IV ZR 165/68, Wertpapier-Mitteilungen 1970 S. 392 [393] - WM 1970, 392 [393] -; vom 19. März 1971 V ZR 143/69, Deutsche Notarzeitschrift 1971 S. 410 - DNotZ 1971, 410 -; vom 30. April 1976 V ZR 143/74, Neue Juristische Wochenschrift 1976 S. 1931 - NJW 1976, 1931 -; wegen der Voraussetzungen unter denen eine Vielzahl von Wohnungseigentumserwerbern gemeinsam einen gesonderten Werkvertrag über die Errichtung des Wohnhauses mit dem Verkäufer abschließen können vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1976 II R 65/71, BFHE 120, 292, BStBl II 1977, 88).

2. Der Vertrag vom 30. Dezember 1971 unterliegt in vollem Umfange der Grunderwerbsteuer; denn der Vertrag war auf den Erwerb eines inländischen Grundstücks mit einer für die Kläger zu schaffenden Eigentumswohnung gerichtet.

Grundstück i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG ist auch das Wohnungseigentum. Das ergibt sich daraus, daß das Sondereigentum an einer Wohnung zu einem Miteigentumsanteil an dem Grundstück gehört (§ 1 Abs. 2, § 6 Abs. 1 WEG; BFH-Urteil vom 15. Dezember 1954 II 114/54 U, BFHE 60, 135, BStBl III 1955, 53).

Die Eigentumsverschaffungspflicht der Verkäufer aus dem Vertrag vom 30. Dezember 1971 umfaßt auch die Verpflichtung zur Schaffung der Eigentumswohnung, die in dem zu errichtenden Gebäude für die Kläger bestimmt war; denn die in der Vertragsurkunde von 30. Dezember 1971 getroffenen Vereinbarungen bilden einen rechtlich einheitlichen Vertrag. Das ergibt die auch dem BFH als Revisionsgericht mögliche Auslegung der gesamten Vertragsurkunde unter Berücksichtigung der weiteren vom FG festgestellten Umstände und der Interessenlage der Vertragsparteien (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1972 II R 188/71, BFHE 106, 236; BGH-Urteil vom 30. April 1976 V ZR 129/74, Der Betrieb 1976 S. 1479 - DB 1976, 1479 -).

Hätten die Verkäufer die ihnen nach dem "Bauvertrag" (Abschn. III der Vertragsurkunde) obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt, so hätten die Kläger (nur) den "Bauvertrag" kündigen können (Abschn. V Nr. 2 der Vertragsurkunde). Diese Regelung steht somit in Einklang mit der in Abschn. I der Vertragsurkunde getroffenen Bestimmung über die Selbständigkeit der in Abschn. II und III begründeten Vertragspflichten. Im Gegensatz dazu durften die Verkäufer aber nach der Nr. 3 des Abschn. V der Vertragsurkunde den Vertrag ohne Beschränkung auf den "Bauvertrag", also in vollem Umfange "kündigen", wenn die Kläger ihre vertraglichen Verpflichtungen, die vorwiegend die zu erbringenden Zahlungen zum Gegenstand hatten, nicht erfüllten. Daß dieses "Kündigungsrecht" den ges amten Vertrag, d. h. auch den Abschn. II der Vertragsurkunde, umfaßte, ergibt sich nicht nur aus der gegenüber der Nr. 2 abweichenden Fassung der Nr. 3 des Abschn. V, sondern auch aus der in Nr. 5 enthaltenen Regelung, daß die Verkäufer berechtigt sein sollten, die im Falle einer Kündigung nach Nr. 3 den Klägern zu erstattenden Beträge "solange zurückzuhalten, bis ein geeigneter Nachfolger eine Vereinbarung zu gleichen Bedingung en abschließt und bis dieser dann seinerseits die entsprechenden Zahlungen geleistet hat". Die Nr. 3 des Abschn. V der Vertragsurkunde geht der in Abschn. I nach § 139 BGB getroffenen Selbständigkeitsregelung als die speziellere Bestimmung vor, so daß aus letzterer nichts anderes gefolgert werden kann.

Die Beurteilung der getroffenen vertrag lichen Vereinbarungen als rechtlich einheitlichem Vertrag entspricht auch der Interessenlage der Vertragsparteien. Die Verkäufer hatten das zu errichtende Gebäude geplant und mit dem Bau des Gebäudes bereits begonnen, als der Vertrag mit den Klägern abgeschlossen wurde. Der Kauf des Wohnungseigentumsrechts durch die Kläger konnte unter diesen Umständen nur darauf gerichtet sein, eine Wohnung in dem von den Verkäufern geplanten und zu errichtenden Gebäude zu erwerben; denn der bloße Erwerb des Wohnungseigentumsrechts zwecks Errichtung eines Wohngebäudes durch einen Zusammenschluß cler künftigen Wohnungseigentümer kam praktisch und wirtschaftlich nicht mehr in Frage (vgl. BFH-Urteil II R 65/71).

Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht mehr zu entscheiden, ob schon in der von den Verkäufern übernommenen Verpflichtung (Abschn. III der Vertragsurkunde), "gemeinschaftliches Eigentum und Sondereigentum für die Erwerber" (also die Kläger) gemäß den Plänen und der Baubeschreibung "zu erstellen und den Erwerbern nach Fertigstellung ... zu übergeben" wegen der praktischen Unmöglichkeit, eine einzelne Wohnung zu errichten, eine kaufvertragliche Ver schaffungspflicht in bezug auf die für die Kläger bestimmte Eigentumswohnung liegt (BFH-Urteile vom 4. September 1974 II R 119/73, BFHE 113, 480 [483], BStBl II 1975, 91; vom 4. September 1974, II R 112/69, BFHE 113, 545 [547], BStBl II 1975, 89; siehe auch II R 65/71); denn selbst wenn damit eine auf die Herstellung des gesamten Gebäudes gerichtete Leistungspflicht der Verkäufer begründet werden sollte, so liegt doch ein einheitlicher Vertrag vor.

3. Das FG hat die rechtliche Selbständigkeit des "Bauvertrages" damit gerechtfertigt, daß sich der durch die Baufortführung nach Vertragsabschluß ergebende Wertzuwachs gemäß § 946 BGB in der Rechtssphäre der Kläger vollzieht (vgl. u. a. S. 9 und 14 der Vorentscheidung). Dem vermag der Senat nicht beizutreten.

Zutreffend geht das FG zwar davon aus, daß ein Wertzuwachs in der Rechtssphäre der Kläger deren dingliche Berechtigung als Wohnungseigentümer voraussetzt. Die Kläger wurden aber erst am 27. Juli 1972, also kurze Zeit vor der Gebrauchsabnahme des Gebäudes als Wohnungseigentümer im Wohnungsgrundbuch eingetragen, so daß sich vor diesem Zeitpunkt kein Wertzuwachs in deren Rechtssphäre ergeben konnte. Inwiefern es darauf ankommen kann, daß die Kläger eine nach Ansicht des FG verspätete Antragstellung und Eigentumsumschreibung nicht zu vertreten haben, läßt das FG unerörtert; die vom FG in diesem Zusammenhang herangezogenen Urteile des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 14. Januar 1931 II A 612/30, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz § 12 Abs. 1 Rechtsspruch 26; vom 24. Juni 1931 II A 701/30, Mrozek-Kartei, § 1 Abt. IV Rechtsspruch 13 sind noch zum Grunderwerbsteuergesetz 1927 ergangen, das die Grunderwerbsteuer grundsätzlich mit dem Eigentumsübergang entstehen ließ (vgl. § 1 GrEStG 1927), während sie seit der Schaffung des Grunderwerbsteuergesetzes 1940 grundsätzlich mit dem Abschluß des Verpflichtungsgeschäfts entsteht (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940). Auch von einer Verzögerung im Einzelfall abgesehen folgt die Eigentumsumschreibung dem Verpflichtungsgeschäft aber stets nach. Unerörtert hat das FG die sich von seinem Standpunkt aus ergebende weitere Frage gelassen, warum es gleichwohl bei der Ermittlung des Wertes der grunderwerbste uerrechtlichen Gegenleistung auf den Zeitpunkt des Vertragss chlusses und den Umfang des Rohbaues zu diesem Zeitpunkt abgestellt hat. Schließlich steht die Auffassung des FG in Widerspruch zum Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB); denn die Vertragsparteien eines Grundstückskaufvertrages können vereinbaren, daß das Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude verkauft wird (siehe Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Kommentar zur Grunderwerbsteuer 10. Aufl. 1977 Anhang Rdnr. 1032; Vorbemerkung zu § 1 Rdnr. 18 i; Palandt/Thomas, a. a. O., § 651 Anm. 1). Erstellt der Verkäufer das Gebäude nach dem Eigentumserwerb des Käufers, so kann er auch dann noch eine im Kaufvertrag übernommene Leistungspflicht erfüllen. Der vorangegangene Eigentumserwerb des Käufers als solcher vermag die Herstellungspflicht des Verkäufers nicht rechtlich zu verselbständigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73334

BStBl II 1980, 11

BFHE 1979, 544

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