Leitsatz (amtlich)

Ein atypischer stiller Gesellschafter, der als Mitunternehmer i. S. des § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG angesehen werden soll, muß auch am Zuwachs des Geschäftswerts beteiligt sein. Der Geschäftswert muß nach den verkehrsüblichen Berechnungsmethoden ermittelt werden; die Vereinbarung einer hiervon abweichenden Globalabfindung genügt nicht.

 

Normenkette

EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 2, § 15 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Immobilienmakler tätig. Ende 1966 schloß er mit zwei minderjährigen Töchtern (geboren 1956 und 1960) notarielle Verträge über die Gründung von atypischen stillen Gesellschaften. In den Verträgen ist vorgesehen, daß die Kinder am Gewinn, nicht aber am Verlust teilnehmen. Bei Beendigung der Gesellschaft soll eine Abwicklungsbilanz aufgestellt werden, in der die tatsächlichen Betriebswerte anzusetzen sind. Für seinen Anteil am Firmenwert und an den schwebenden Geschäften soll der Ausscheidende zusätzlich die Hälfte seines vorjährigen Gewinnanteils erhalten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ zunächst für die Jahre 1967 bis 1969 einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide. Nach einer Betriebsprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, daß der Kläger Alleinunternehmer geblieben sei; es hob daher die vorläufigen Feststellungsbescheide im Jahre 1973 auf.

Die Klage blieb erfolglos; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 427 (EFG 1978, 427) veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils das FA zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Gewinne zu verpflichten.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Für den Kläger und seine Kinder hätten nach § 215 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) - jetzt § 180 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung (AO 1977) - einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungen durchgeführt werden müssen, wenn sie Mitunternehmer i. S. von § 15 (Abs. 1) Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewesen wären. Das hat das FG zu Recht verneint.

1. Wer sich als stiller Gesellschafter am gewerblichen Unternehmen eines anderen beteiligt, erzielt grundsätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen, nicht aus Gewerbebetrieb (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung; jetzt § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Etwas anderes gilt, wenn er als atypischer stiller Gesellschafter im Verhältnis zum Geschäftsinhaber die Stellung eines Mitunternehmers erlangt hat. Als Mitunternehmer wird angesehen, wer Unternehmerinitiative entfalten kann und ein Unternehmerrisiko trägt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Oktober 1969 IV 294/64, BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320; vom 28. November 1974 I R 232/72, BFHE 114, 418, BStBl II 1975, 498; vom 9. Dezember 1976 IV R 47/72, BFHE 120, 534, BStBl II 1977, 155, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Da ein stiller Gesellschafter nach den §§ 335 ff. HGB nicht an der Unternehmensführung beteiligt ist, grundsäzlich also keine Unternehmerinitiative entfalten kann, kommt seiner vermögensrechtlichen Stellung besondere Bedeutung zu. Ihm müssen schuldrechtlich die Vermögensrechte eingeräumt sein, die ein Kommanditist erlangen muß, um als Mitunternehmer angesehen zu werden (BFH-Urteil vom 3. Mai 1979 IV R 153/78, BFHE 127, 538, BStBl II 1979, 515). Ein Kommanditist ist Mitunternehmer, wenn er annähernd die Rechte besitzt, die ein Kommanditist nach der Regelung des HGB hat (BFH-Urteile vom 8. Februar 1979 IV R 163/76, BFHE 127, 188, BStBl II 1979, 405; vom 6. April 1979 I R 116/77, BFHE 128, 202, BStBl II 1979, 620). Der Kommanditist ist grundsätzlich nicht nur am laufenden Unternehmenserfolg, sondern im Falle seines Ausscheidens oder bei Beendigung der Gesellschaft auch an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt (§§ 138, 155, 161 Abs. 2 HGB, 738 ff. BGB). Seine Beteiligung kann allerdings für den Fall seines vorzeitigen Ausscheidens eingeschränkt oder ausgeschlossen werden; davon bleibt seine Beteiligung im Falle der Beendigung der Gesellschaft jedoch unberührt (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1975 I R 174/73, BFHE 116, 497, BStBl II 1975, 818). Deswegen muß auch ein stiller Gesellschafter, der als Mitunternehmer angesehen werden soll, bei Beendigung der Gesellschaft einen Anspruch auf Beteiligung am tatsächlichen Zuwachs des Gesellschaftsvermögens unter Einschluß der stillen Reserven und eines Geschäftswerts haben (vgl. bereits BFH-Urteile vom 9. September 1954 IV 574/53 U, BFHE 59, 275, BStBl III 1954, 317; vom 19. Januar 1960 I 202/59 U, BFHE 70, 612, BStBl III 1960, 229; vom 21. März 1961 I 249/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 15, Rechtsspruch 246). Nur dann wird der Gewerbebetrieb im Innenverhältnis auf gemeinsame Rechnung und Gefahr des Geschäftsherrn und des stillen Gesellschafters geführt.

2. Diesen Anforderungen ist im Streitfall nicht genügt. Nach den Gesellschaftsverträgen haben die stillen Gesellschafter bei Beendigung der Gesellschaft zwar Anspruch auf ihren Anteil an den stillen Reserven der bilanzierten Vermögensgegenstände; diese sollen nämlich mit ihren "tatsächlichen Betriebswerten" angesetzt werden. Diese Regelung bezieht sich jedoch nicht auf den Geschäftswert, der - wie das FG zutreffend hervorgehoben hat - den Hauptwert des Immobilienunternehmens bildet. Hinsichtlich dieses Vermögenswerts sollen die stillen Gesellschafter mit der Hälfte ihres Vorjahresgewinns abgefunden werden; damit soll gleichzeitig ihre Beteiligung an den schwebenden Geschäften (§ 340 Abs. 2 HGB) abgegolten sein. Diese Regelung bietet keine Gewähr, daß der stille Gesellschafter entsprechend seinem Gewinnanteil auch am Zuwachs des Geschäftswerts Anteil hat. Für die Ermittlung des Geschäftswerts bestehen Berechnungsmöglichkeiten, die auch im Geschäftsverkehr bei der Bewertung von Unternehmen gebraucht werden (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1980 IV R 61/77, BFHE 131, 220, BStBl II 1980, 690, mit weiteren Nachweisen). In dieser Weise muß auch die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Geschäftswert ermittelt werden, wenn er die Eigenschaft eines Mitunternehmers erlangen soll. Die im Streitfall getroffene Abrede gewährt dem stillen Gesellschafter insbesondere bei zunehmenden Geschäftsgewinnen und längerer Dauer der Gesellschaft keine gleichwertigen Ansprüche.

Gegen die Mitunternehmerschaft der Kinder spricht auch, daß sie nur am Gewinn, nicht aber am Verlust des Unternehmens beteiligt sein sollen. Durch eine solche Abrede wird das Unternehmerrisiko eines Gesellschafters wesentlich vermindert; sie hindert zumindest in Verbindung mit anderen Umständen die Annahme einer Mitunternehmerschaft (BFH-Urteile in BFHE 59, 275, BStBl III 1954, 317; BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320; vom 5. Juli 1978 I R 22/75, BFHE 125, 545, BStBl II 1978, 644).

3. Unter Familienangehörigen geschlossene Gesellschaftsverträge können wie andere Vereinbarungen nur berücksichtigt werden, wenn sie ernsthaft gewollt und demgemäß auch tatsächlich durchgeführt worden sind (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. April 1959 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237/246). Verträge zwischen Eltern und Kindern, die diesen eigene Vermögensrechte einräumen, werden nur dann verwirklicht, wenn die Eltern die Vermögensrechte der Kinder achten; verfügen sie hierüber wie über eigenes Vermögen, so ist anzunehmen, daß der Vertrag nicht ernsthaft gewollt war (BFH-Urteil vom 3. November 1976 VIII R 170/74, BFHE 120, 393, BStBl II 1977, 206). Nach den Feststellungen des FG sind im Streitfall die den Kindern gebührenden Gewinnanteile zwar zunächst auf ihnen zustehende Sparkonten eingezahlt worden. Anschließend hat der Kläger über die Guthaben jedoch zu eigenen Gunsten verfügt und mit dem Geld ein Wohnhaus erworben. Das FG hat hieraus zu Recht gefolgert, daß eine Mitunternehmerschaft der Kinder nicht ernsthaft gewollt war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74124

BStBl II 1982, 59

BFHE 1981, 261

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