Leitsatz (amtlich)

Lehnen FA und OFD die Einsichtnahme in einen gelegentlich einer Betriebsprüfung erstellten Ermittlungsbericht über nichtsteuerliche Straftaten ab, so ist für die hiergegen gerichtete Klage der Finanzrechtsweg gegeben.

 

Normenkette

FGO § 33 Abs. 2 S. 1; AO § 162 Abs. 10, § 193

 

Tatbestand

Im Betrieb des Klägers hatte vom 21. bis 31. Oktober 1963 eine Betriebsprüfung durch einen Beamten des Steuerfahndungsdienstes stattgefunden. Der Kläger begehrte Einsicht in einen Ermittlungsbericht, der angeblich neben dem Betriebsprüfungsbericht vom 25. Februar 1964 nebst einem geheimen Aktenvermerk "roter Bogen" an die OFD weitergeleitet worden war. Dieser Bericht sei unter Verletzung des Steuergeheimnisses der Staatsanwaltschaft K und anderen Behörden heimlich zugespielt worden, was zu umfangreichen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft K geführt habe. Dadurch sei er in seinen Persönlichkeitsrechten, in seiner Ehre und in seinem Ansehen als Kaufmann aufs schwerste verletzt worden. Aus dem Bericht seien die Namen und Anschriften der Denunzianten ersichtlich. Um sein Recht zu wahren und die Informanten der Bestrafung zuzuführen, müsse er den Inhalt des Berichtes kennen. Das FA lehnte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, daß der Betriebsprüfungsbericht vom 25. Februar 1964, der auch dem Kläger mitgeteilt worden sei, nichts mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu tun habe. Die OFD verwarf die dagegen erhobene Beschwerde unter Hinweis auf § 228 Abs. 2 AO als unzulässig, weil sie im Rahmen eines Strafverfahrens erhoben worden sei.

Das FG hielt den Finanzrechtsweg nicht für gegeben und wies die Klage ab. Der Kläger wolle lediglich die Tatsachen erfahren, die es ihm ermöglichen, gegen etwaige Denunzianten strafrechtlich vorzugehen. Dies gehöre zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Würden die FG über die Zulässigkeit und Durchsetzbarkeit staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsmaßnahmen befinden, so würden sie auf den Ablauf eines Strafverfahrens unmittelbar einwirken. Der Kläger könne durch eine Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren anregen. Es obliege dann der Staatsanwaltschaft, von Amts wegen strafbare Sachverhalte zu erforschen und von anderen öffentlichen Behörden Auskunft zu verlangen (§ 161 StPO).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat Erfolg.

Welcher Rechtsweg gegeben ist, richtet sich nach der Rechtsnatur des Klagebegehrens, wie sie sich aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt. Der Finanzrechtsweg ist gegeben, wenn sich der Klageanspruch nach der ihm vom Kläger gegebenen tatsächlichen Begründung als Folge eines Sachverhalts darstellt, der als Abgabenangelegenheit zu beurteilen ist. Hierbei ist nicht maßgeblich, wie der Kläger seinen Sachvortrag rechtlich würdigt (vgl. Entscheidungen des BGHZ 29, 187; BGHZ 34, 349; Entscheidungen des BVerwGE 12, 64). Abgabenangelegenheiten im Sinne der FGO sind nach § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich weiterer, hier nicht in Betracht kommender Maßnahmen.

Seinen Anspruch auf Einsichtnahme in den angeblichen geheimen Ermittlungsbericht und auf Bekanntgabe der Denunzianten leitet der Kläger daraus her, daß die Staatsanwaltschaft K auf Grund der im Ermittlungsbericht enthaltenen Angaben umfangreiche Ermittlungen gegen ihn durchgeführt habe, wodurch er in seinen Persönlichkeitsrechten, in seiner Ehre und in seinem Ansehen als Kaufmann geschädigt worden sei.

Ob der von einer Anzeige Betroffene von der Behörde, bei der er angezeigt wurde, unmittelbare Auskunft über den Inhalt der Anzeige und den Namen der Anzeigeerstatter verlangen kann und welcher Rechtsweg im Fall der Ablehnung einer solchen Auskunft gegeben ist, wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Nach der überwiegenden Meinung ist die Behörde zur Auskunft verpflichtet, wenn der Betroffene sich nur dadurch gegen herabsetzende Behauptungen und Beschuldigungen verteidigen kann, da alle staatliche Gewalt die Ehre und Menschenwürde gemäß Art. 1 des GG schützen muß (siehe Paulick in Festschrift Spitaler 1958 S. 53, 101 ff.; Erdsiek, NJW 1960, 616; Entscheidung des OVG Berlin vom 30. März 1955, Deutsches Verwaltungsblatt 1955 S. 568; Entscheidung des BVerwG vom 30. April 1965, Die Öffentliche Verwaltung 1965 S. 488, NJW 1965, 1450). Die beiden letztgenannten Entscheidungen halten den Verwaltungsrechtsweg für gegeben. Die Entscheidungen des BVerwG VII C 12.58 vom 29. Mai 1959 (BVerwGE 8, 324), des LG Bonn vom 24. Mai 1965 (Monatsschrift für Deutsches Recht 1965 S. 763, BB 1965, 1213), LG Bremen vom 22. September 1955 (BB 1955, 1121), LG Hannover vom 26. November 1958 (BB 1959, 401) und FG Düsseldorf vom 4. November 1965 (EFG 1966, 244) halten weder den Verwaltungsrechtsweg noch den Finanzrechtsweg für gegeben, und zwar auch für den Fall, daß sich das FA auf den Schutz des Steuergeheimnisses nach § 22 AO beruft (gleicher Ansicht Riewald in Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., Bd. III, § 33 FGO Anm. 3 (6) S. 109; anderer Ansicht Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 2. bis 4. Aufl., Anm. 6 zu § 22 AO ohne nähere Begründung unter fälschlichem Hinweis auf BVerwGE 8, 324 und FG Düsseldorf vom 4. November 1965, EFG 1966, 244).

Der erkennende Senat hatte in dem Urteil VII 151/60 vom 25. April 1967 (BFH 89, 113) seine Zuständigkeit nur deshalb angenommen, weil die Streitsache durch Beschluß des Landesverwaltungsgerichts rechtswirksam und bindend an das FG verwiesen worden war. Da um eine Aussagegenehmigung gestritten wurde, hatte er die Strafgerichte deshalb nicht für zuständig gehalten, weil nach § 54 StPO für die Genehmigung der Aussage die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften gelten. Er hat es aber dahingestellt sein lassen, ob im Hinblick auf § 39 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) das allgemeine Verwaltungsgericht oder im Hinblick auf § 22 AO und § 33 Abs. 2 FGO das FG zuständig ist. Im Streitfall hat sich das FA nicht auf § 22 AO berufen, weil es die Existenz des angeblichen Ermittlungsberichts in Abrede stellt.

Auszugehen ist im Streitfall in der Frage des Rechtsweges von der Behauptung des Klägers, es liege ein ihn betreffender geheimer Ermittlungsbericht vor, der auf Grund einer Betriebsprüfung erstellt worden sei. Eine Betriebsprüfung stellt eine abgabenrechtliche Angelegenheit dar (siehe §§ 162 Abs. 10, 193 AO). Werden diese eine Betriebsprüfung ermöglichenden abgabenrechtlichen Vorschriften dazu benutzt, um Ermittlungen durchzuführen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang zum Steuerverfahren stehen und nichtsteuerliche Straftaten wegen des Verdachts des Betrugs usw. betreffen und enthält der Bericht darüber auch die Namen und Adressen der Anzeigeerstatter und Informanten, so handelt es sich, auch wenn der Kläger mit seinem Auskunftsbegehren ein Strafverfahren anstrebt, deshalb noch nicht um ein solches. Der gegenteiligen Ansicht des FG kann der erkennende Senat nicht zustimmen. Zwar steht der angebliche Ermittlungsbericht nicht im Zusammenhang mit der Verwaltung der Abgaben. Die Anfertigung eines solchen Berichts gelegentlich einer Betriebsprüfung hängt jedoch mit der Anwendung der die Betriebsprüfung regelnden abgabenrechtlichen Vorschriften im Sinne der zweiten Alternative des § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO zusammen. Daher ist, wenn das FA die Einsichtnahme in den den Kläger betreffenden Ermittlungsbericht ablehnt und die OFD die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückweist, Gegenstand der dagegen erhobenen Klage eine Abgabenangelegenheit, so daß für diese Streitigkeit der Finanzrechtsweg gegeben ist.

Dieser Klageweg kann dem Kläger nicht dadurch verwehrt werden, daß er auf eine Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft verwiesen wird. Diese kann zwar nach § 161 StPO von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und gegebenenfalls die Rechtshilfe des zuständigen Amtsrichters gemäß § 162 StPO in Anspruch nehmen. Nach Art. 19 Abs. 4 GG steht aber der Rechtsweg jedem offen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Hierbei bedeutet "Rechtsweg" den unmittelbaren Weg zu einem Gericht und nicht den nur mittelbaren Weg über eine Behörde wie die Staatsanwaltschaft. Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Finanzverwaltungsbehörden aber sind im Rahmen des § 33 FGO in erster Linie die FG berufen. Da somit das FG zu Unrecht den Finanzrechtsweg als nicht gegeben angesehen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist, da die Frage des Vorhandenseins eines Ermittlungsberichts mit dem behaupteten Inhalt noch nicht geklärt ist, nicht spruchreif. Daher war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413058

BStBl II 1972, 284

BFHE 1972, 181

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