Leitsatz (amtlich)

Überläßt ein Landwirt seinem Sohn lediglich gegen Leistung von Unterhalt den landwirtschaftlichen Betrieb, ohne ihm das Eigentum am Grund und Boden und den Gebäuden zu übertragen, so sind die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft dem Sohn zuzurechnen, wenn ihm das alleinige Nutzungsrecht nicht nur für kurze Zeit eingeräumt, das gesamte tote und lebende Inventar übereignet und die alleinige Führung des Betriebs übergeben wird.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1, 3, § 12 Nr. 2, § 13

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) oder ihrem Sohn zuzurechnen sind.

Die Kläger schlossen mit Datum vom 1. Juni 1965 mit ihrem Sohn G einen schriftlichen Vertrag, in welchem sie diesem ihren landwirtschaftlichen Betrieb mit Wirkung vom gleichen Tag an auf vorerst neun Jahre verpachteten. Als Gegenleistung sollte der Sohn den Klägern 200 DM monatlich zahlen sowie freie Wohnung, Verpflegung, Kleidung und Pflege gewähren. Nicht angefordertes Pachtgeld sollte nach dem Pachtvertrag innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit verjähren.

Mit einem weiteren schriftlichen "Inventar-Übergabevertrag" mit Datum vom gleichen Tage übertrugen die Kläger das lebende und tote Inventar auf ihren Sohn, der sich u. a. verpflichtete, "die in einem gesonderten Vertrag evtl. noch zu vereinbarende und festzulegende Abfindungsleistung zu zahlen".

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erkannte den Pachtvertrag einkommensteuerrechtlich nicht an und rechnete die vom Sohn erklärten Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb bei der Einkommensteuerveranlagung 1966 den Klägern zu. Den Einspruch der Kläger wies das FA mit der Begründung zurück, der Pachtvertrag enthalte die unter Fremden nicht übliche Vereinbarung, daß nicht gezahlte Pachtzinsen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit verjährten. Die Vertragspartner hätten diese Bestimmung zwar nachträglich durch Zusatzvertrag vom 8. November 1968 rückwirkend aufgehoben, diese Aufhebung habe jedoch einkommensteuerrechtlich keine Rückwirkung und sei deshalb für das Streitjahr unbeachtlich. Der Inventarübergabevertrag enthalte keine eindeutige Vereinbarung einer Gegenleistung. Anstatt einen Kaufpreis zu vereinbaren, wie es unter Fremden üblich sei, hätten die Parteien die Bestimmung der Gegenleistung einem weiteren Vertrag vorbehalten, dessen Abschluß jedoch ungewiß gewesen sei. Der Pachtvertrag sei auch nicht ernsthaft durchgeführt worden. Bei einer Nachschau am 13. Juni 1967 sei festgestellt worden, daß der Pächter erst am 7. April 1967 ein Konto bei der Kreissparkasse eröffnet habe und daß bis dahin alle unbaren Geschäfte über das Konto des Verpächters abgewickelt worden seien. Bis zum Tage der Nachschau habe der Verpächter seinen Anteil an der Molkereigenossenschaft noch nicht auf den Pächter übertragen. Eine Nachfrage bei der Landhandelsfirma R, mit der die Kläger laufende Geschäftsbeziehungen unterhalten hätten, habe ergeben, daß dieser Firma nicht bekannt gewesen sei, daß der Betrieb an den Sohn verpachtet worden sei.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus, Verträge zwischen nahen Angehörigen könnten einkommensteuerrechtlich nur anerkannt werden, wenn sie ernsthaft gewollt und tatsächlich vollzogen würden. Im Streitfall reichten die vom FA festgestellten und in der Einspruchsentscheidung ausführlich dargestellten Mängel des Vertrages und seiner Durchführung aus, um ihm die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen. Die ernsthafte Durchführung des Vertrages hätte erfordert, daß der Pächter gegenüber Dritten im eigenen Namen aufgetreten wäre und daß sich der Verpächter nicht mehr an der Betriebsführung beteiligt hätte. Nach den Feststellungen des FA, denen die Kläger nicht widersprochen hätten, sei die Verpachtung des Betriebes offenbar auch den engsten Geschäftspartnern nicht mitgeteilt worden. Ein außenstehender Dritter habe deshalb nicht erkennen können, ob die Kläger oder ihr Sohn den Betrieb tatsächlich geführt hätten. Dem Umstand, daß für den Pächter kein eigenes Bankkonto eingerichtet worden sei, sondern daß dieser die gesamten bargeldlosen Geschäfte über das Konto des Verpächters abgewickelt habe, komme gerade in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu, da durch die Anzeige der Kontoänderung Dritte am leichtesten hätten erfahren können, daß die Betriebsführung auf den Sohn übergegangen sei. Die Ansicht der Kläger, der Sohn habe über das Konto wie ein wirtschaftlicher Eigentümer verfügen können, so daß es einer Änderung streng genommen gar nicht bedurft hätte, könne gerade nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen, da ein Bevollmächtigter immer nur mit Wirkung für und gegen den Vollmachtgeber verfügen könne. Die Abwicklung der Geldgeschäfte über e i n Konto könne man daher gerade als Anzeichen dafür werten, daß der Betrieb nach wie vor vom Kläger oder gemeinsam von den Klägern und deren Sohn bewirtschaftet worden sei.

Mit der Revision beantragen die Kläger, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 1966 unter einkommensteuerrechtlicher Anerkennung der Verträge vom 1. Juni 1965 festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Streitsache.

1. Die Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb sind demjenigen zuzurechnen, der als Unternehmer den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr betreibt. In der Regel ist dies der Eigentümer des dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dienenden Betriebsvermögens, und zwar auch dann, wenn er den Betrieb durch einen anderen, z. B. einen Verwalter, bewirtschaften läßt.

Der Inhaber einer Land- und Forstwirtschaft kann indessen das betriebliche Vermögen, ohne es zu übereignen, einem anderen durch Vertrag derart zur Nutzung überlassen, daß dieser das Unternehmen nunmehr auf eigene Rechnung und Gefahr betreibt. Dies kann u. a. durch die Verpachtung des gesamten Betriebs oder z. B. auch - was für den Streitfall nicht in Betracht kommt - durch die Einräumung eines Nießbrauchrechts am betrieblichen Vermögen geschehen (vgl. Urteil des Senats vom 17. Juli 1975 IV R 119/74, BStBl II 1975, 770).

2. Da die Kläger mit ihrem Sohn einen Pachtvertrag über ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb abgeschlossen haben, hat das FG zu Recht in erster Linie geprüft, ob der Sohn auf Grund dieses Pachtvertrages den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr bewirtschaftet hat. Zutreffend ging es dabei davon aus, daß bürgerlichrechtliche Verträge, wie z. B. Pachtverträge, die im Wirtschaftsleben allgemein zwischen Fremden üblich sind, unter Familienangehörigen steuerrechtlich nur anzuerkennen sind, wenn sie ernsthaft, klar und eindeutig vereinbart sind und das Vereinbarte auch tatsächlich durchgeführt wird (vgl. z. B. Urteile des BFH vom 7. September 1972 IV R 197/68, BFHE 107, 35, BStBl II 1972, 944; vom 3. August 1973 IV R 21/72, BFHE 110, 132, BStBl II 1973, 844, und vom 9. Juli 1969 I R 78/67, BFHE 96, 351, BStBl II 1969, 649). Dabei sind an die ernsthafte Begründung solcher Rechtsverhältnisse, insbesondere auch zwischen Eltern und Kindern, strenge Anforderungen zu stellen, weil bei dem nahen Verwandtschaftsverhältnis und den meist gleichlaufenden Interessen von Eltern und Kindern gegenüber dem Steuergläubiger die Gefahr des Mißbrauchs besonders naheliegt (vgl. z. B. Urteil des BFH vom 3. August 1973 IV R 21/72 - BFHE 110, 132, BStBl II 1973, 844 - zu Gesellschaftsverhältnissen zwischen Eltern und Kindern). Die Ernsthaftigkeit des Vertragsverhältnisses ist vor allem daran zu messen, ob auch einander fremde Vertragspartner einen solchen Vertrag hätten abschließen und derart durchführen können, wie dies zwischen den Verwandten geschehen ist.

Zur ernsthaften Vereinbarung und Durchführung einer Pacht gehört u. a. , daß die regelmäßige Zahlung des Pachtzinses sichergestellt ist. Daran fehlt es im Streitfall für das Streitjahr. Die Vereinbarung über die kurze Verjährungsfrist von nur drei Monaten für "nicht angefordertes Pachtgeld" läßt deutlich erkennen, daß es im Belieben der Kläger stehen sollte, auf die Forderung ihres Pachtzinses zu jeder Zeit zu verzichten, indem sie etwaige Unterlassungen der Pachtzahlungen des Sohnes stillschweigend duldeten. Eine solche Regelung ist bei Pachtverträgen zwischen Fremden kaum denkbar, jedenfalls wäre sie mit der ernsthaften Vereinbarung eines Pachtzinses nicht vereinbar. Mit Recht weist das FA darauf hin, daß die Vereinbarung vom 8. November 1968 über die rückwirkende Beseitigung dieser Verjährungsklausel für das Streitjahr unbeachtlich ist, da rückwirkend getroffene Vereinbarungen einkommensteuerrechtlich grundsätzlich nicht möglich sind. Die einkommensteuerrechtliche Anerkennung des Pachtvertrages scheitert daher bereits an der unzureichenden Vereinbarung eines Pachtzinses.

3. Indessen steht mit der Erkenntnis, daß der Pachtvertrag vom 1. Juni 1965 einkommensteuerrechtlich nicht anzuerkennen ist, weil er nicht dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist, noch nicht abschließend fest, daß der Sohn der Kläger nicht Unternehmer des landund forstwirtschaftlichen Betriebs geworden ist. Die Nichtanerkennung des Pachtvertrages hat zunächst nur zur Folge, daß die sog. Pachtzahlungen beim Sohn der Kläger keine Betriebsausgaben und bei den Klägern keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind; es ist damit noch nicht entschieden, ob die getroffenen Vereinbarungen - wenn nicht als Pachtvertrag, so doch als anderer besonderer Überlassungsvertrag - zwischen den Eltern und dem Sohn als künftigen Hoferben wirksam geworden sind.

Diese Entscheidung hängt zunächst rechtlich davon ab, ob Eltern ihrem Sohn (oder Tochter) den Betrieb ihres land- und forstwirtschaftlichen Hofes auch ohne einen Pachtvertrag oder einen anderen entgeltlichen Überlassungsvertrag mit der Folge übertragen können, daß der Sohn als alleiniger Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft anzusehen ist, ohne auch Eigentümer des gesamten land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, also des Hofes zu sein. Wegen der besonderen Verhältnisse, die heute in der Land- und Forstwirtschaft durch die Änderung der geforderten Lebensbedingungen auftreten, bejaht dies der Senat, wenn sich ein Landwirt z. B. wegen seines Alters vom Betrieb seiner Land- und Forstwirtschaft zurückziehen und diesen dem späteren Erben auf dessen Rechnung und Gefahr überlassen möchte, ohne ihm das Eigentum am gesamten Betriebsvermögen, also auch am Grund und Boden und den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, übertragen zu müssen. So wie Eltern ihren landwirtschaftlichen Betrieb unentgeltlich, nur gegen Gewährung von Altenteilsleistungen, durch Übereignung auf die Kinder übertragen können (vgl. Urteile des BFH vom 11. Oktober 1963 VI 278/62 U, BFHE 77, 701, BStBl III 1963, 578, und vom 16. September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706), muß es auch möglich sein, daß sie mit einkommensteuerrechtlicher Wirkung nur die alleinige Nutzung des gesamten Betriebes dem Sohn oder der Tochter ohne entsprechendes Entgelt, d. h. nur gegen die Zahlung von Unterhaltsleistungen, überlassen. Ein solcher Überlassungsvertrag läßt den Vergleich mit einem Vertrag, wie er unter Fremden abgeschlossen zu werden pflegt, schon deshalb nicht zu, weil es sein Zweck ist, den besonderen Vermögensbeziehungen Rechnung zu tragen, die zwischen Eltern und Kindern in der Land- und Forstwirtschaft bestehen.

Nach Auffassung des Senats kann also in solchen Fällen auch ohne Abschluß eines Pachtvertrages das Unternehmerrisiko und damit die Unternehmerschaft auf die Kinder übergehen. Voraussetzung für die Anerkennung eines solchen Überlassungsvertrages ist aber, daß sich aus den vertraglich festgelegten Vereinbarungen zwischen den Beteiligten und aus den tatsächlichen Gegebenheiten eindeutig und klar ergibt, daß dem betreffenden Sohn (oder der Tochter)

a) das alleinige Nutzungsrecht am land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bis zum Eintritt des Erbfalles, zumindest aber für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum nach außen hin erkennbar eingeräumt,

b) das Eigentum am lebenden und toten Inventar - entgeltlich oder unentgeltlich - übertragen und

c) die alleinige Entscheidungsbefugnis über sämtliche zur Führung des Betriebs erforderlichen Maßnahmen überlassen wird.

Es ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die getroffenen Vereinbarungen die oben dargelegten Voraussetzungen erfüllen. Das FG hat dies außer acht gelassen, weil es die Prüfung allein darauf beschränkte, ob der Pachtvertrag vom 1. Juni 1965 als solcher steuerlich anzuerkennen ist. Die Vorentscheidung kann daher keinen Bestand haben.

4. Die Streitsache ist nicht entscheidungsreif. Ob die in Abschn. 3. unter den Buchstaben a-c genannten Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, kann auf Grund der Feststellungen des FG nicht beurteilt werden.

a) Das FG meint, das Nutzungsrecht sei auf den Sohn tatsächlich nicht übergegangen. Seine Begründung, daß die Kläger und ihr Sohn den Pachtvertrag nicht wie zwischen Fremden ausgeführt hätten, ist aber nicht mehr durchschlagend, wenn feststeht, daß der Sohn auf Grund der getroffenen Vereinbarungen den landwirtschaftlichen Betrieb auch ohne wirksames Zustandekommen eines Pachtvertrages übernommen haben kann. Das FG wird deshalb anhand von Unterlagen oder anderer Beweismittel aufzuklären haben, ob die Kläger und ihr Sohn durch ihr Verhalten, z. B. durch ihr Auftreten gegenüber der Bank und den sonstigen Geschäftspartnern oder auf andere Weise, zu erkennen gegeben haben, daß der Sohn im Streitjahr Unternehmer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs war.

Was das zeitliche Moment der Übertragung des Nutzungsrechts betrifft, so ist der Senat der Auffassung, daß die vereinbarte Überlassung des Hofes für die Dauer von neun Jahren für den Übergang des unternehmerischen Risikos von den Eltern auf den Sohn ausreicht.

b) Bezüglich der Übergabe des Inventars wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung davon ausgehen können, daß die Kläger aufgrund des Inventar-Übergabevertrags vom 1. Juni 1965 das Eigentum am gesamten toten und lebenden Inventar auf den Sohn übertragen haben. An der Ernsthaftigkeit dieser Vereinbarung und deren Durchführung zu zweifeln, besteht kein Anlaß. Zweifel bestehen auch nicht dadurch, daß die Kläger in dem Vertrag den Sohn verpflichteten, "die in einem gesonderten Vertrag eventuell noch zu vereinbarende und festzulegende Abfindungsleistung zu zahlen". Es kann offenbleiben, welche Überlegungen die Kläger zu diesem Vorbehalt der Nachforderung einer "Abfindungsleistung" bewogen haben. Denn für die Frage, ob der Sohn mit dem Erwerb des Eigentums an dem Inventar das unternehmerische Risiko übernommen hat, ist es unerheblich, ob die Kläger das Inventar entgeltlich oder unentgeltlich übertragen haben.

c) Zu der Frage, ob die Kläger die Bewirtschaftung des Betriebs dem Sohn derart überlassen haben, daß er die alleinige Entscheidungsbefugnis in allen Fragen der Betriebsführung - z. B. über die Art der Nutzung des Grund und Bodens sowie über die Beschaffung der erforderlichen Güter und den Verkauf von Erzeugnissen - innehatte, sind bisher keine Feststellungen getroffen. Das FG wird auch dies - ggf. durch Zeugenvernehmungen - nachzuholen haben. Die Streitsache ist daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71514

BStBl II 1975, 772

BFHE 1976, 364

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