Tenor

1. Eine von der Finanzbehörde zur Erteilung einer schriftlichen Auskunft herangezogene Bank ist hinsichtlich ihrer Aufwendungen in entsprechender Anwendung des §`11 ZSEG wie ein Zeuge zu entschädigen (§ 107 AO 1977).

2. § 147 Abs. 5 AO 1977 ist in den Fällen einer sich aus §§ 93, 107 AO 1977 ergebenden Entschädigungsverpflichtung nicht anwendbar.

 

Tatbestand

I.

Die Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt – FA –) bat die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit Schreiben vom 13. September 1977 unter Hinweis auf § 93 i.V.m. § 208 der Abgabenordnung (AO 1977), ihr die Kontenstände des am 18. Mai 1975 verstorbenen L zum jeweiligen Jahresabschluß vom 31. Dezember 1968 bis 31. Dezember 1974 sowie die jährlichen Zinsgutschriften für 1969 bis 18. Mai 1975 mitzuteilen. Mit Schreiben vom 29. November 1977 teilte die Klägerin dem FA die Kontenstände mit und erklärte, daß keine Zinsen gutgeschrieben worden seien. Mit einem weiteren Schreiben vom 9. Dezember 1977 teilte die Klägerin auf telefonische Anfrage dem FA noch mit, daß das Konto als Gehaltskonto geführt und deshalb nicht verzinst worden sei.

Für die durch diese Auskunftserteilung entstandenen Auslagen stellte die Klägerin dem FA folgende Beträge in Rechnung:

4 Stunden Arbeitszeit (je 8 DM): 32 DM

2 Seiten Schreibkosten (je 5 DM): 10 DM

insgesamt: 42 DM.

Das FA lehnte die Erstattung dieser Beträge ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage der Klägerin verurteilte das Finanzgericht (FG) das FA, der Klägerin Auslagen in Höhe von 34 DM zu erstatten. Im übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe gemäß § 107 AO 1977 einen Anspruch darauf, nach Maßgabe des entsprechend anzuwendenden Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) entschädigt zu werden. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch dem Grunde nach sei lediglich, daß jemand als Auskunftspflichtiger von den Finanzbehörden zu Beweiszwecken herangezogen werde. Ohne Bedeutung sei, ob die erteilte Auskunft qualitativ einer Zeugenaussage gleichgestellt werden könne. So stehe auch demjenigen ein Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zu, der bei seiner Einvernahme überhaupt keine Angaben zum Beweisthema machen könne oder nur versehentlich geladen worden sei. Dem § 107 AO 1977 liege ebenso wie dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, Personen, die als Auskunftspflichtige bzw. als Zeugen zu Beweiszwecken herangezogen worden seien, für die hierfür aufgewendete Zeit und Arbeit unabhängig davon zu entschädigen, welchen Inhalt die gemachten Angaben hätten. Im übrigen handele es sich bei der erteilten Auskunft sehr wohl um die Mitteilung von eigenem Wissen der Klägerin bzw. ihrer Angestellten über bestimmte Tatsachen, die außer von den Angehörigen des verstorbenen Steuerpflichtigen nur von der Klägerin habe erteilt werden können.

Das FA könne den Entschädigungsanspruch gemäß § 107 AO 1977 auch nicht mit der Begründung ablehnen, es hätte auch die Vorlage der einschlägigen Unterlagen gemäß § 97 AO 1977 verlangen können, und in diesem Falle wäre die Klägerin gemäß § 147 Abs. 5 i.V.m. § 97 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 verpflichtet gewesen, auf eigene Kosten lesbare Reproduktionen der datengespeicherten Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Für diesen Fall besteht zwar keine Entschädigungspflicht gemäß § 107 AO 1977. Im Streitfalle habe es aber das FA nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich gehalten, im Rahmen der nach § 92 Satz 1 AO 1977 zur Verfügung stehenden Beweismittel Beweis in Form einer Auskunftseinholung gemäß § 93 Abs. 1 AO 1977 zu erheben. Die Klägerin sei nach § 93 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 gehalten gewesen, die ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen einzusehen. Der Gesetzgeber habe Auskunftspflichtigen mit datengespeicherten Unterlagen nicht die Verpflichtung auferlegt, die sich aus der Erfüllung der in § 93 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 ergebenden Kosten selbst zu tragen, wie er dies bei einem Beweis durch Vorlage von Urkunden durch einen Hinweis (§ 97 Abs. 3 Satz 2 AO 1977) auf die entsprechende Anwendung des § 147 Abs. 5 AO 1977 zum Ausdruck gebracht habe. Der vom FA zitierte Beschluß des Oberlandesgerichts (OLG) Bremen vom 16.Dezember 1975 Ws 156/75 (Neue Juristische Wochenschrift 1976 S. 685 – NJW 1976, 685–) betreffe einen anderen Sachverhalt sowie auch die Rechtslage vor Inkrafttreten der Abgabenordnung.

Zu den danach gemäß § 11 ZSEG i.V.m. § 107 AO 1977 zu erstattenden Auslagen gehörten sowohl die Personalausgaben als auch die Sachauslagen. Die geltend gemachte Arbeitszeit von vier Stunden erscheine glaubhaft. Der Ansatz von 8 DM je Arbeitsstunde liege im Rahmen des § 2 Abs. 2 ZSEG und erscheine nach dem Lohnniveau von Bankangestellten auch als angemessen. Für Schreibauslagen könnten in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 ZSEG i.V.m. Nr. 1900 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) nur 1 DM pro Seite erstattet werden. Der Entschädigungsbetrag errechne sich somit wie folgt:

4 Stunden Arbeitszeit: 32 DM

2 Seiten Schreibarbeiten: 2 DM

insgesamt: 34 DM.

Im übrigen sei die Klage abzuweisen.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des FA ließ das FG die Revision mit Beschluß vom 22.August 1979 zu.

Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Verweisung auf das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in § 197 AO 1977 bewirke, daß eine Auskunft nur dann zur Entschädigungspflicht führen könne, wenn sie mit der Aussage eines Zeugen, mindestens mit der schriftlichen Beantwortung einer Beweisfrage durch einen Zeugen, vergleichbar sei. Im angefochtenen Urteil werde der Frage, ob die erteilte Auskunft qualitativ einer Zeugenaussage gleichgestellt werden könne, keine Bedeutung zugemessen. Damit habe das FG verkannt, daß es sich bei § 107 AO 1977 um eine Rechtsgrundverweisung handele. Die mit der Feststellung der Kontostände und Zinsgutschriften befaßten Bankangestellten seien weder als Zeugen noch als Sachverständige tätig gewesen; sie hätte nur mechanische Dienstleistungen verrichtet. Werde das Ergebnis einer solchen Dienstleistung der Finanzbehörde zur Verfügung gestellt, könne darin nicht ein persönliches Beweismittel gesehen werden. Würden vom FA angeforderte Auskünfte lediglich aus vorlagepflichtigen Urkunden erteilt, so handele es sich in der Regel ebenfalls nicht um die Mitteilung eigener besonderer Tatsachenkenntnisse des Auskunftspflichtigen, sondern um eine mechanische Dienstleistung i.S. des OLG-Beschlusses in NJW 1976, 685. Etwas anderes könne nur gelten, wenn Bankangehörige Einzelheiten von Belegen, Wechseln, Schecks, Überweisungsaufträgen, Konto- oder Depotauszügen, Unterschriftsproben oder über den Verlauf von Kreditverhandlungen mitteilen sollten (Hartmann, Kostengesetze, 19. Aufl., Anm. 3 A zu § 1 ZSEG, Anm. 2 A zu § 2 ZSEG, Anm. 1 B e zu § 11 ZSEG).

Entgegen der Auffassung des FG komme es sehr wohl darauf an, ob sich die Klägerin bei der Auskunftserteilung ihrer Datenverarbeitungsanlage bedient habe und welche Arbeitszeit hierauf entfallen sei. Soweit Auskunftspflichtige die von ihnen nach § 93 Abs. 3 AO 1977 einzusehenden Unterlagen nur in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern lesbar machen könnten, müßten sie Vorlagepflichtigen i.S. von § 97 AO 1977 gleichgestellt werden, weil sie die gesetzlich aufbewahrungspflichtigen Unterlagen im eigenen Interesse nur im Wege der Mikroverfilmung erfaßt hätten. Die bei einer Auskunft entstehenden Kosten für eine Wiedergabe mikroverfilmter Unterlagen könnten daher nicht erstattungsfähig sein (§§ 97 Abs. 3 Satz 2, 147 Abs. 5 AO 1977). Es könne keinen Unterschied ausmachen, ob Ablichtungen mikroverfilmter Unterlagen vorgelegt oder aus diesen Unterlagen Auskünfte gegeben würden.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das FG hat das FA zu Recht verpflichtet, der Klägerin Auslagen in Höhe von 34 DM zu erstatten.

Nach § 107 AO 1977 sind Auskunftspflichtige und Sachverständige, die die Finanzbehörde zu Beweiszwecken herangezogen hat, auf Antrag in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zu entschädigen. Diese Bestimmung regelt unmittelbar dem Grunde nach die Pflicht zur Entschädigung. Die Berechtigung der Finanzbehörde, Auskünfte einzuholen und Sachverständige zuzuziehen, ergibt sich aus den §§ 92, 93 und 96 AO 1977. Als Auskunftspflichtige kommen sowohl Beteiligte als auch andere Personen in Betracht (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Eine Entschädigungsverpflichtung besteht nach § 107 AO 1977 aber dem Grunde nach nur dann, wenn andere Personen als die Beteiligten zur Erteilung von Auskünften herangezogen werden (§ 107 Satz 2 AO 1977). Haben sie Auskunft erteilt, so sind sie kraft der in § 107 AO 1977 zum Ausdruck kommenden Rechtsfolgeverweisung entsprechend den Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zu entschädigen.

Wenn § 107 AO 1977, was die Entschädigung der Auskunftspflichtigen und der Sachverständigen betrifft, die entsprechende Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vorschreibt, so beruht das einmal darauf, daß das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen nach seinem Wortlaut nur dann Platz greift, wenn Zeugen und Sachverständige vom Gericht oder vom Staatsanwalt zu Beweiszwecken herangezogen werden (vgl. § 1 Abs. 1 ZSEG) und nicht auch dann, wenn sie von Finanzbehörden herangezogen werden, und zum anderen daran, daß die Abgabenordnung anstelle des Begriffs Zeuge den weitergefaßten Begriff „Auskunftspflichtige” verwendet.

Im Streitfalle hat das FA nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG die Klägerin unter Hinweis auf § 93 i.V.m. § 208 AO 1977 um bestimmte Auskünfte gebeten, die die Kontenstände bzw. die Zinsgutschriften des verstorbenen L betrafen. Die Vorlage von Urkunden (§§ 92 Nr.3 und 97 AO 1977) hat es nicht verlangt (vgl. im übrigen § 97 Abs. 2 AO 1977, wonach die Vorlage von Urkunden nur in zweiter Linie in Betracht kommt). Bei den erbetenen Auskünften handelt es sich, wie das FG zutreffend angenommen hat, um die Mitteilung von eigenem Wissen der Klägerin über bestimmte Tatsachen. Die Auskunftspflicht oblag der Klägerin als juristischer Person (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 107 AO 1977 Anm.6). Auskünfte über in das Wissen einer juristischen Person gestellte Tatsachen können nur durch die sie vertretenden Vorstandsmitglieder (§ 78 des AktiengesetzesAktG –) bzw. durch die von ihnen Beauftragten erteilt werden. Für die Entschädigungsverpflichtung gemäß § 107 AO 1977 ist es deshalb unbeachtlich, daß mit der Feststellung der Kontostände und Zinsgutschriften, die den eigentlichen Inhalt der erteilten Auskunft ausmachten, Bankangestellte der Klägerin befaßt waren. Die Klägerin hat danach, vertreten durch die für sie handelnden Organe bzw. Beauftragten, Auskünfte über Tatsachen erteilt, wie sie in anderen Verfahren auch ein Zeuge bekundet. Sie ist deshalb in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen wie ein Zeuge zu entschädigen. Daß die Klägerin die Auskünfte schriftlich erteilt hat, steht der Entschädigungsverpflichtung des FA nicht entgegen. Nach § 93 Abs. 4 AO 1977 können Auskunftspflichtige die Auskünfte schriftlich, mündlich oder fernmündlich erteilen. Da das FA um Mitteilung der gewünschten Auskünfte ohne jeden Zusatz gebeten hatte, war die Klägerin berechtigt, die erbetenen Auskünfte schriftlich zu erteilen. Dem Wortlaut des § 107 AO 1977 kann nicht entnommen werden, daß Auskunftspflichtige nur dann in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zu entschädigen seien, wenn sie ihre Auskunft mündlich erteilt haben.

Was die Höhe der danach der Klägerin zustehenden Entschädigung angeht, so ist dem FG darin zuzustimmen, daß zu den Auslagen, die ihr durch die Vorbereitung und Ausarbeitung der Auskunftsschreiben entstanden sind, sowohl die Personalausgaben als auch die Sachauslagen gehören. Die Entschädigungsverpflichtung des FA ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 11 ZSEG. Nach dieser Vorschrift werden auch die in den §§ 8 bis 10 ZSEG nicht besonders genannten baren Auslagen der Zeugen oder Sachverständigen ersetzt, soweit sie notwendig gewesen sind. Diese Voraussetzung liegt zwar hier nicht vor, da der Klägerin bare Auslagen nicht entstanden sind. Es entspricht aber Sinn und Zweck des entsprechend anwendbaren § 11 ZSEG, daß danach auch Personalunkosten von Auskunftspflichtigen zu ersetzen sind. Die mit den Vorbereitungsaufgaben für die Erteilung der Auskunft betrauten Angestellten der Klägerin konnten in dieser Zeit notwendigerweise ihrer sonstigen Beschäftigung nicht nachgehen (so zutreffend der Beschluß des OlG Düsseldorf vom 30.Januar 1978 1 Ws 87/78, Wertpapier-Mitteilungen Teil IV 1978 S. 527 – WM Teil IV 1978, 527 –; vgl. auch Hartmann, a.a.O., 20. Aufl., § 11 ZSEG Anm. 1 B e).

Zu Unrecht beruft sich das FA zur Abwehr des Entschädigungsanspruchs auf § 147 Abs. 5 AO 1977. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der aufzubewahrende Unterlagen nur in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegen kann, verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen. Diese Vorschrift befaßt sich im Vierten Teil der Abgabenordnung (Durchführung der Besteuerung) und dessen Zweiten Abschnitt (Mitwirkungspflichten) mit der Führung von Büchern und Aufzeichnungen. Die in den §§ 140 f. AO 1977 geregelten Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten konkretisieren die dem Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 1 AO 1977 obliegende Pflicht zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9.Aufl., vor § 140 AO 1977 Rdnr. 3). § 147 Abs. 5 AO 1977 ist deshalb auf die in § 107 AO 1977 geregelte Entschädigung eines Dritten als Auskunftspflichtiger nicht unmittelbar anwendbar.

Auch eine analoge Anwendung des § 147 Abs. 5 AO 1977 scheidet aus. Die sich aus § 147 Abs. 5 AO 1977 ergebende Verpflichtung zur Kostentragung greift auch im Dritten Teil der Abgabenordnung (Allgemeine Verfahrensvorschriften) und hier insbesondere im Dritten Unterabschnitt (Besteuerungsgrundsätze, Beweismittel) des Ersten Abschnitts (Verfahrensgrundsätze) kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift Platz, wenn die Finanzbehörde als Beweismittel Urkunden und Akten beizieht (§ 97 Abs. 3 Satz 2 AO 1977). Für die in § 93 AO 1977 geregelte Auskunftspflicht ist eine entsprechende Anwendung des § 147 Abs. 5 AO 1977 nicht vorgesehen. Nach § 93 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 haben Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Diese allgemein gehaltene Einsichtspflicht richtet sich an alle Auskunftspflichtigen, also auch an solche, die aufzubewahrende Unterlagen i.S. des § 147 Abs. 1 AO 1977 nur in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegen können (§ 147 Abs. 5 AO 1977). Wenn der Gesetzgeber gleichwohl davon abgesehen hat, im Rahmen der Auskunftspflicht gemäß § 93 AO 1977 den § 147 Abs. 5 AO 1977 für anwendbar zu erklären, kann insbesondere im Hinblick darauf, daß dies bei einem Beweis durch Vorlage von Urkunden in § 97 Abs. 3 AO 1977 ausdrücklich angeordnet worden ist, von einer durch analoge Anwendung des § 147 Abs. 5 AO 1977 zu schließenden Gesetzeslücke nicht ausgegangen werden.

Auf den Beschluß des OlG Bremen (NJW 1976, 685) kann sich das FA zur Begründung seiner Auffassung, daß bei schriftlicher Auskunftserteilung einer Bank eine Entschädigungsverpflichtung nicht bestehe, nicht berufen. Diese Entscheidung betraf ebenso wie die Beschlüsse des OLG München vom 29.Mai 1979 2 Ws 367/79 (Der Deutsche Rechtspfleger 1979 S. 358) und des OLG Nürnberg vom 12. Mai 1980 Ws 199/80 (NJW 1980, 1861) nicht Auskunftsersuchen i.S. der §§ 93, 208 AO 1977, sondern richterliche Beschlagnahmeverfügungen und Durchsuchungsanordnungen gemäß §§ 94 ff. der Strafprozeßordnung. Die genannten Gerichte gingen übereinstimmend davon aus, daß die betroffenen Bankinstitute bei der Herausgabe der beschlagnahmten Unterlagen bzw. der gefertigten Ablichtungen und Kopien nicht als Zeugen oder Sachverständige in Erscheinung getreten seien und daß deshalb das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen weder unmittelbar noch analog anwendbar sei. Die Entscheidungen befaßten sich mithin nicht mit der sich für Auskunftspflichtige ergebenden Rechtslage nach der Abgabenordnung, deren § 107 eine entsprechende Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen für alle Arten der Auskunft ausdrücklich vorschreibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6990653

BFHE 1981, 385

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