Entscheidungsstichwort (Thema)

KöStG-DDR, sog. Produktionsgenossenschaften des Handwerks: Fortgeltung nach Wiedervereinigung, Anwendungsbereich, Steuersatz - Besteuerung der Ausschüttungen - Inhalt von DDR-Gesetzen durch FG nach Grundsätzen zu irrevisiblen Landesgesetzen und zum ausländischen Recht zu ermitteln - Wiederaufleben eines lex generalis - keine Gesetzeslücke in § 5 Abs.2 StÄndG-DDR

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das KöStG-DDR gilt im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1990 als --partielles-- Bundesrecht fort.

2. Soweit Gesetze der DDR nicht vom Bundesgesetzgeber im Zuge der Wiedervereinigung übernommen wurden, ist es Aufgabe der FG, deren Inhalt festzustellen.

3. Produktionsgenossenschaften des Handwerks unterlagen mit Aufhebung des Gesetzes vom 30. November 1962 über die Besteuerung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks (GBl DDR I 1962, 119) dem KöStG-DDR.

4. Der 36%ige Steuersatz gemäß § 5 Abs.2 des StÄndG vom 6. März 1990 (GBl DDR I 1990, 136) galt nicht für Ausschüttungen einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks.

 

Orientierungssatz

1. Gewinnausschüttungen, die den Mitgliedern einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks nach dem 31.12.1990 für Wirtschaftsjahre vor 1991 zufließen, unterliegen nicht mehr dem DDR-Recht, sondern dem EStG der Bundesrepublik und sind gem. § 20 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG nicht steuerpflichtig (Ausführungen zu Rechtsnatur und Besteuerung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks nach DDR-Recht sowie nach dem Einigungsvertrag).

2. Bezüglich der Ermittlung des Inhalts der vom Bundesgesetzgeber nicht übernommenen DDR-Gesetze gelten die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu irrevisiblen Landesgesetzen und zum ausländischen Recht entsprechend (vgl. BFH-Rechtsprechung).

3. Mit dem Wegfall eines Spezialgesetzes lebt der Anwendungsbereich eines allgemeineren Gesetzes wieder auf, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (hier: KöStG-DDR als lex generalis im Verhältnis zum Gesetz über die Besteuerung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks als lex specialis).

4. § 5 Abs.2 StÄndG-DDR enthält keine planwidrige, seine gesetzesanaloge Anwendung auf Produktionsgenossenschaften des Handwerks rechtfertigende Gesetzeslücke (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1; FGO § 76; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3; KöStG § 1; FGO § 118 Abs. 2; StRVÄndG § 5 Abs. 2; EinigVtr Art. 8

 

Tatbestand

I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH), Thüringen. Der Jahresabschluß der PGH für 1990 wies für das erste Halbjahr einen Verlust von ... DM und für das zweite Halbjahr einen Gewinn von ... DM aus. Nach Abzug einer Rücklage errechnete sich für den Veranlagungszeitraum 1990 ein Einkommen von ... DM. Die hierauf entfallende Körperschaftsteuer betrug nach der Anlage Steuergrundtarif B zum Körperschaftsteuergesetz-DDR --KöStG-DDR-- (Gesetzblatt --GBl-DDR-- Sonderdruck 671) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes vom 6.März 1990 --StÄndG-DDR-- (GBl-DDR 1990, 136) 50 % des Einkommens.

Die PGH schüttete im Jahr 1991 für 1990 Gewinne in Höhe von ... DM aus. Die Klägerin machte hierfür eine Körperschaftsteuerminderung in Höhe von 14/64 geltend. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Kürzung nicht an. Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Bezirksgericht in entsprechender Anwendung des § 5 Abs.2 StÄndG-DDR die festgesetzte Körperschaftsteuer um 14 % kürzte und das die Gewinnausschüttung überschießende Einkommen entsprechend dem Steuergrundtarif B zum KöStG-DDR versteuerte.

Gegen das Urteil des Bezirksgerichts haben die Klägerin, vertreten durch eine Steuerberatungs GmbH, und das FA Revision eingelegt. Das FA beantragt, das Urteil des Bezirksgerichts aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen und den Körperschaftsteuerbescheid 1990 ersatzlos aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Die Revision des FA ist zulässig und begründet. Das Urteil des Bezirksgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

A. Revision der Klägerin

Gemäß Art.1 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) muß sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) jeder Beteiligte --mit Ausnahme der juristischen Personen des öffentlichen Rechts und der Behörden-- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Revision. Eine von einer Steuerberatungs GmbH eingelegte Revision ist unzulässig (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Zwischenurteil vom 28.August 1991 I R 37/91, BFHE 166, 100, BStBl II 1992, 282 m.w.N.). Der Revisionsschriftsatz enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Revision nicht von der Beratungs GmbH, sondern von einem Steuerberater persönlich eingelegt worden sein sollte. So ist die Revision unter dem Briefkopf der Beratungs GmbH eingelegt und von einem Steuerberater unter maschinenschriftlicher Beifügung der Beratungs GmbH unterzeichnet worden. Auch wird die "Wir-Form" verwendet. Die Vollmacht lautet auf die Beratungs GmbH.

B. Revision des FA

1. Das KöStG-DDR i.d.F. des StÄndG-DDR, zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung und Anpassung steuerlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland vom 22.Juni 1990 (GBl-DDR 1990 Sonderdruck 1427) --StAnpG-DDR-- gilt als partielles Bundesrecht i.S. des § 118 Abs.1 Satz 1 FGO grundsätzlich bis zum 31.Dezember 1990.

Gemäß Art.8 des Einigungsvertrages (BGBl II 1990, 885) trat grundsätzlich mit dem Wirksamwerden des Beitritts, d.h. am 3.Oktober 1990 (Art.1 des Einigungsvertrages), im Gebiet der ehemaligen DDR Bundesrecht in Kraft. Hiervon abweichend gilt jedoch gemäß Art.8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn.II Nr.14 des Einigungsvertrages u.a. das Recht der Besitz- und Verkehrsteuern der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) erst ab 1.Januar 1991. Zu den Besitzsteuern gehören auch die Steuern auf Einkommen und Ertrag (vgl. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 3 AO 1977 Tz.42; Scholtz in Koch, Abgabenordnung, 4.Aufl., § 3 Rdnr.34) und damit auch die Körperschaftsteuer (Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 54a Rdnr.1; Dötsch, Der Betrieb - DDR-Report 1990, 3126). Für die Zeit ab 3.Oktober 1990 bis zum Inkrafttreten des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 am 1.Januar 1991 war nach Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn.II Nr.14 Satz 2 des Einigungsvertrages das in der damaligen DDR geltende Recht weiter anzuwenden. Mit dieser gesetzlichen Bestimmung hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner --konkurrierenden-- Gesetzgebungskompetenz nach Art.105 Abs.2 i.V.m. Art.106 Abs.3 des Grundgesetzes (GG) das KöStG-DDR in der Fassung des StÄndG-DDR und des StAnpG-DDR als partielles, bis zum 31.Dezember 1990 geltendes Bundesrecht übernommen (vgl. auch BFH-Urteile vom 19.Mai 1993 II R 29/93, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630; vom 11.Mai 1993 VII R 98/92, BFH/NV 1994, 194; vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- zu § 549 ZPO vom 14.Oktober 1992 VIII ZR 91/91, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1993, 259). Entsprechendes gilt gemäß Art.8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn.II Nr.19 Buchst.b Nr.2 des Einigungsvertrages (§ 54a KStG), wonach das KöStG-DDR auch nach dem 1.Januar 1991 noch auf Gewinnausschüttungen für ein vor dem 1.Januar 1991 endendes Wirtschaftsjahr weiter anzuwenden ist.

2. Der auf das Einkommen der Klägerin anzuwendende Steuersatz beträgt nach § 5 Abs.1 Satz 1 StÄndG-DDR i.V.m. dem Steuergrundtarif B 50 %. § 5 Abs.2 StÄndG-DDR ist für eine PGH nicht anwendbar.

a) Gemäß § 5 Abs.2 StÄndG-DDR beträgt die Körperschaftsteuer abweichend von Abs.1 36 %, wenn eine Ausschüttung des Gewinns der Kapitalgesellschaft erfolgt.

Eine unmittelbare Anwendung dieser Norm auf PGHs scheidet aus. Diese sind keine Kapitalgesellschaften. Hierunter fallen nach der Legaldefinition des § 1 Abs.1 Nr.1 KöStG-DDR nur Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Diese Vorschrift ist wortlautidentisch mit § 1 Abs.1 Nr.1 KStG 1977.

b) Eine gesetzesanaloge Anwendung des § 5 Abs.2 StÄndG-DDR für PGHs scheidet mangels Gesetzeslücke aus.

Eine von Verfassungs wegen zulässige Gesetzesergänzung durch die Rechtsprechung setzt eine Gesetzeslücke voraus (vgl. z.B. Bundesverfassungsgericht --BVerfG-- vom 10. Oktober 1961 2 BvL 1/59, VerfGE 13, 153, 164), d.h., das Gesetz oder die einzelnen Gesetzesvorschriften sind, gemessen am zugrundeliegenden Plan oder Zweck des Gesetzes lückenhaft geblieben, der verfolgte Plan oder Zweck ist tatbestandsmäßig nicht oder nicht voll gedeckt (vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, S.1297; BFH-Urteil vom 9.August 1989 X R 30/86, BFHE 158, 45, BStBl II 1989, 891 m.w.N.). Eine derartige Planwidrigkeit ist jedoch nicht festzustellen. So ist insbesondere auszuschließen, daß der Gesetzgeber DDR bei Erlaß des § 5 Abs.2 StÄndG-DDR eine Herabsetzung des Ausschüttungssatzes für PGHs beabsichtigte. Dies kann unter Berücksichtigung der ausdrücklichen Sonderregelungen für PGHs in den §§ 8, 9 StÄndG-DDR ausgeschlossen werden. Planwidrige Rechtsfolgen ergeben sich auch nicht aus dem Erlaß des StAnpG-DDR insoweit, als in § 20 Abs.3 das Gesetz über die Besteuerung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks und ihrer Mitglieder --PGH-Steuergesetz-- (GBl-DDR I 1962, 119) aufgehoben wurde. Hierdurch ist keine ungewollte Doppelbesteuerung von PGH und deren Mitglieder eingetreten:

Gewinnausschüttungen, die den PGH-Mitgliedern --wie im Streitfall-- nach dem 31.Dezember 1990 zuflossen, unterliegen nicht mehr dem DDR-Recht, sondern dem Einkommensteuergesetz (EStG) der Bundesrepublik (§§ 20, 11 EStG). Nach § 20 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG sind jedoch die Ausschüttungen der PGH für Wirtschaftsjahre vor 1991, die den Mitgliedern ab dem 1.Januar 1991 zufließen, nicht steuerpflichtig. Gemäß § 20 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG i.d.F. des EStG 1991 gehören Bezüge nicht zu den Einnahmen, soweit sie aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft stammen, für die Eigenkapital i.S. des § 30 Abs.2 Nr.4 KStG als verwendet gilt. Die PGH war ab dem 1.Januar 1991 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Ob sie als wirtschaftlicher Verein (§ 1 Abs.1 Nr.4 KStG) oder als Genossenschaft (§ 1 Abs.1 Nr.2 KStG) zu beurteilen ist, kann hier offenbleiben. Gemäß § 54a Nr.1 KStG i.d.F. der Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn.II Nr.19 d zum Einigungsvertrag sind Gewinnausschüttungen für ein vor dem 1.Januar 1991 endendes Wirtschaftsjahr abweichend von § 28 Abs.3 mit dem Teilbetrag i.S. des § 30 Abs.2 Nr.4 KStG zu verrechnen. Die Einnahmen der PGH-Mitglieder aus dem Wirtschaftsjahr 1990 sind danach steuerlich nicht zu erfassen (vgl. Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Anhang DDR Rdnr.27; Gail/Goutier/Grützner, Körperschaftsteuergesetz, § 54a Rdnr.6). Eine Doppelbesteuerung der Gewinne der PGH und der Einnahmen der Mitglieder der PGH liegt damit nicht vor.

Eine planwidrige Gesetzeslücke kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß nach § 5 Abs.2 StÄndG-DDR die auf von Kapitalgesellschaften ausgeschütteten Gewinne entfallende Körperschaftsteuer nur 36 % beträgt, während mit Aufhebung des PGH-Steuergesetzes die Körperschaftsteuer einer PGH ausschließlich nach Steuergrundtarif B (§ 5 Abs.1 StÄndG-DDR) zu berechnen ist. Es ist nicht feststellbar, daß dem Gesetzgeber für Ausschüttungen einer PGH der für Kapitalgesellschaften geltende Ausschüttungssteuersatz vorschwebte. Dies gilt insbesondere schon deswegen, weil der 36-prozentige Ausschüttungssteuersatz im Vergleich zu dem nach dem Steuergrundtarif zu ermittelnden auch höher sein kann (vgl. auch § 10 Abs.2 Satz 2 der Durchführungsbestimmung zum Steueränderungsgesetz vom 16.März 1990, GBl-DDR I 1990, 195).

3. Die Revision des FA kann auch nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, daß die Klägerin nach dem KöStG-DDR nicht körperschaftsteuerpflichtig gewesen sei.

Gemäß § 1 Abs.1 KöStG-DDR waren unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig u.a. folgende Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz in der DDR hatten:

2. Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften

...

4. Sonstige juristische Personen des Zivilrechts

5. Nicht rechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen

Das Bezirksgericht hat die PGH als Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft nach § 1 Abs.1 Nr.2 KöStG-DDR behandelt, ohne hierzu Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art zu treffen. Weder ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Struktur der PGH noch hat das Bezirksgericht den Inhalt der DDR-Gesetze festgestellt, aus denen sich ergibt, daß die PGH eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft ist. Insbesondere hat das Bezirksgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welcher Fassung das Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1.Mai 1889 i.d.F. vom 20.Mai 1898 --GenG-- (RGBl I 369, 810) in der DDR weiter gegolten hat. Da DDR-Gesetze nicht Bundesgesetze sind, soweit sie nicht vom Bundesgesetzgeber im Zuge der Wiedervereinigung übernommen wurden, ist es grundsätzlich Sache der Vorinstanz, deren Inhalt festzustellen. Insoweit gelten die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu irrevisiblen Landesgesetzen und zum ausländischen Recht entsprechend (vgl. hierzu z.B. Urteil vom 9.Oktober 1985 I R 271/81, BFHE 145, 44; BFH-Urteile vom 30.Mai 1990 I R 97/88, BFHE 160, 567, BStBl II 1990, 875; vom 31.Juli 1991 I R 60/90, BFHE 165, 507).

Von einer Zurückverweisung der Sache kann der Senat jedoch im Streitfall absehen, weil die PGH --sollte sie nicht von § 1 Nr.2 KöStG-DDR erfaßt werden-- aufgrund gerichtsbekannter Tatsachen ein wirtschaftlicher Verein i.S. des § 1 Nrn.4 oder 5 KöStG-DDR ist. Wesensmerkmal eines Vereins ist seine körperschaftsartige Organisation und die Unabhängigkeit seines Bestandes vom Ein- und Austritt von Mitgliedern (vgl. BFH-Urteile vom 14.Dezember 1965 I 196/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Körperschaftsteuergesetz, § 3, Rechtsspruch 5; vom 23.Juni 1992 IX R 182/87, BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972; Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a.a.O., § 1 Rdnr.45; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 53.Aufl., Vorbemerkung 1 vor § 21; vgl. auch Müller, Genossenschaftsgesetz, 2.Aufl., § 1 Rdnr.1). Beide Merkmale erfüllt die PGH. Die PGH war eine Vereinigung von Handwerkern zur gemeinsamen (sozialistischen) Produktion. Sie war juristisch selbständig und trat auch unter ihrem Namen im Wirtschaftsleben auf. Sie hatte selbständiges (genossenschaftliches) Eigentum. Auch gingen die körperschaft steuerrechtlichen Bestimmungen der DDR davon aus, daß die PGH Körperschaftsteuersubjekt war. Dies läßt sich sowohl der Fuß note zu § 1 KöStG-DDR vom 18.September 1970, als auch § 5 Abs.1 Satz 2 StÄndG-DDR entnehmen. Nach Fußnote 1 zu § 1 Abs.1 KöStG-DDR sollte das KöStG-DDR auf sozialistische Genossen schaften keine Anwendung finden. Dieses Hinweises, der sich systematisch deutlich von den Regelungen mit normativer Kraft abhebt, hätte es nicht bedurft, wenn die sozialistischen Genossenschaften tatbestandsmäßig gar nicht von § 1 Abs.1 KöStG-DDR erfaßt worden wären. Ferner enthält § 5 Abs.1 Satz 2 StÄndG-DDR die Regelung, wonach --seinerzeit-- der nach § 5 Abs.1 Satz 1 StÄndG-DDR neu eingefügte Steuergrundtarif B u.a. für eine PGH nicht gelten sollte. Auch diese ausdrückliche gesetzliche Ausnahmeregelung geht daher davon aus, daß eine PGH von Gesetzes wegen grundsätzlich Körperschaftsteuersubjekt ist.

Erfüllte damit die PGH die Merkmale eines Körperschaftsteuersubjekts i.S. des § 1 KöStG-DDR, so war die Anwendung des KöStG-DDR auf PGHs für die Zeit der Geltung des PGH-Steuergesetzes ausgeschlossen. Mit der Aufhebung des PGH-Steuergesetzes durch § 20 Abs.1, 3 StAnpG-DDR zum 1.Juli 1990 galt das KöStG-DDR auch für die PGHs. Das KöStG-DDR und das PGH-Steuergesetz standen sich als lex generalis und lex specialis gegenüber. Im Verhältnis derartig konkurrierender Gesetze kommt das allgemeine Gesetz für die Geltungsdauer des Spezialgesetzes nicht zur Anwendung. Mit dem Wegfall des Spezialgesetzes lebt der Anwendungsbereich des allgemeineren Gesetzes wieder auf, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Da das PGH-Steuergesetz zum 1.Juli 1990 außer Kraft trat, das KöStG-DDR aber fortgalt, war die Klägerin ab 1.Juli 1990 nach § 1 KöStG-DDR unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Da das FA der Besteuerung der PGH nur das Einkommen des zweiten Halbjahres 1990 vermindert um die Verluste aus dem ersten Halbjahr 1990 zugrunde legte, ist auch die Höhe der Körperschaftsteuer 1990 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, obgleich die Besteuerung der PGH für das erste Halbjahr 1990 sich noch nach dem PGH-Steuergesetz richtet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64493

BFH/NV 1994, 56

BStBl II 1994, 578

BFHE 174, 122

BFHE 1995, 122

BB 1994, 1345

BB 1994, 1915

BB 1994, 1915-1917 (LT)

DB 1994, 1452-1454 (LT)

DStR 1994, 1038-1039 (KT)

DStZ 1994, 540-542 (KT)

StE 1994, 369 (K)

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