Leitsatz (amtlich)

Setzt sich eine Gesamthandsgemeinschaft über ein Grundstück durch Realteilung mit Spitzenausgleich auseinander, so liegt ein entgeltliches Rechtsgeschäft für den über die Gesamthandsbeteiligung des Erwerbers hinausgehenden Anteil vor. Die Veräußerung des Grundstücks innerhalb der Spekulationsfrist von zwei Jahren führt nur bezüglich dieses Anteils zu einem Spekulationsgewinn.

 

Orientierungssatz

Eine Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt nur vor, wenn das Wirtschaftsgut entgeltlich erworben wird (vgl. BFH-Urteil vom 3.8.1976 VIII R 192/74). Bei einem teilweise entgeltlichen Erwerb führt nur die Veräußerung des entgeltlich erworbenen Teils zu einem Spekulationsgewinn (vgl. BFH-Urteil vom 5.10.1966 VI 309/64; Literatur). Soweit der VIII. Senat des BFH im Urteil vom 3.8.1976 VIII R 192/74 für die Ermittlung des Spekulationsgewinns stillschweigend von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, folgt dem der nunmehr für Einkommensbesteuerung sonstiger Einkünfte zuständige IX. Senat des BFH nicht.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 4; BGB §§ 2033, 2042, 752

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1979 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Mutter des Klägers hatte diesem mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16.Februar 1979 ihren 1/6 Miterbenanteil an dem Nachlaß X schenkweise übertragen. Einziger Nachlaßgegenstand war ein 6 000 qm großes unbebautes Grundstück. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19.April 1979 vereinbarten die Mitglieder der Erbengemeinschaft X eine Teilerbauseinandersetzung. Der Kläger erhielt gegen Zahlung von 150 000 DM das Eigentum an einer aus zwei Teilgrundstücken bestehenden Teilfläche des Grundstücks von 4 000 qm und schied aus der Erbengemeinschaft aus. Bei der Ermittlung des vom Kläger zu zahlenden Betrags gingen die Vertragspartner von einem Verkehrswert des gesamten Grundstücks von 300 000 DM und der dem Kläger zugewiesenen Teilfläche von 200 000 DM aus. Auf diesen Betrag rechneten sie den Wert des Anteils des Klägers am gesamten Grundstück (1/6 von 300 000 DM = 50 000 DM) an. Mit Verträgen vom 15. und 16. September 1979 veräußerte der Kläger die Teilgrundstücke für 100 000 DM und 200 000 DM.

Dieser Sachverhalt wurde dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) während eines Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid 1979 bekannt. Das FA wies die Kläger mit Schreiben vom 30.November 1981 darauf hin, daß es den angefochtenen Bescheid zu ihrem Nachteil ändern werde. Der aus der Übernahme der beiden Teilgrundstücke und ihrer Weiterveräußerung erzielte Veräußerungsgewinn unterliege als Spekulationsgewinn der Einkommensteuer.

Nachdem die Kläger hierauf erwidert hatten, daß ein Spekulationsgewinn nicht zu erfassen sei, setzte das FA in der Einspruchsentscheidung einen Spekulationsgewinn von 100 000 DM (300 000 DM ./. 200 000 DM) an.

Der Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es führte im wesentlichen aus, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5.November 1974 VIII R 81/69 (BFHE 114, 475, BStBl II 1975, 411) sei die Zuweisung von Vermögensgegenständen an einen Miterben gegen Abfindungsleistung ein unentgeltlicher Vorgang. Der Kläger sei durch die Übernahme des Erbanteils an der Erbengemeinschaft X zwar nicht Miterbe geworden, die Grundsätze dieses BFH-Urteils seien jedoch auf den Streitfall anzuwenden, weil die Übertragung des Erbanteils von der Mutter auf den Kläger einer vorweggenommenen Erbfolge nicht unähnlich sei. In der Person des Klägers seien mithin die Voraussetzungen eines Anschaffungsgeschäfts hinsichtlich der streitbefangenen Grundstücke nicht erfüllt. Ein früherer für die Spekulationsfrist relevanter Anschaffungszeitpunkt komme nicht in Betracht; der Erblasser sei im Jahre 1976 verstorben.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es macht geltend, der Kläger habe die Teilfläche gegen ein Entgelt von 200 000 DM von der Erbengemeinschaft erworben. Dieser Grundstückskauf habe sachlich mit der Erbauseinandersetzung nichts zu tun. Der Kläger stehe für diesen Kauf der Erbengemeinschaft wie jeder dritte Käufer gegenüber.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und bei der Festsetzung der Einkommensteuer einen Spekulationsgewinn von 100 000 DM zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Vorentscheidung verletzt § 23 Abs.1 Nr.1 EStG. Nach dieser Vorschrift sind zu sonstigen Einkünften führende Spekulationsgeschäfte (§ 22 Nr.2 EStG) bei Grundstücken Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Eine Anschaffung i.S. dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn das Grundstück entgeltlich erworben wird (vgl. BFH-Urteil vom 3.August 1976 VIII R 192/74, BFHE 120, 42, BStBl II 1977, 382). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß es sich bei dem Erwerb der Grundstücke durch den Kläger um einen unentgeltlichen Vorgang gehandelt habe.

Soweit sich das FG in seinem Urteil auf die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils in BFHE 114, 475, BStBl II 1975, 411 gestützt hat, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil diese seit der Entscheidung des Senats vom 9.Juli 1985 IX R 49/83 (BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722) keine Geltung mehr haben. Der Senat kann daher offenlassen, ob die Rechtsgrundsätze in BFHE 114, 475, BStBl II 1975, 411 auch auf die Erbauseinandersetzung des Klägers als Nichterben angewendet werden könnten. Bedenken bestehen schon deshalb, weil der Kläger durch die Übertragung des Miterbenanteils (§ 2033 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) zwar an die Stelle seiner Mutter in das zwischen den Miterben bestehende Gesamthandsverhältnis eingetreten, jedoch nicht Miterbe im rechtlichen Sinne geworden ist (vgl. Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 12.Aufl., § 2033 Tz.23, m.w.H.).

Wie der Senat in BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722 ausgeführt hat, ist der Besteuerung die bürgerlich-rechtliche Gestaltung zugrunde zu legen. Geht man hiervon aus, so hat der Kläger die beiden Grundstücke zum Teil angeschafft. Der Kläger war zu 1/6 Gesamthandseigentümer des Nachlaßgrundstücks. Durch den Teilerbauseinandersetzungsvertrag vom 19.April 1979 haben er und die Miterben die persönliche Teilauseinandersetzung durch Realteilung mit sog. Spitzenausgleich vereinbart. Soweit dem Kläger dabei eine seinem 1/6-Anteil entsprechende Teilfläche übertragen wurde, liegt allerdings kein entgeltlicher Erwerb vor. Der Kläger erhielt insoweit etwas, was ihm schon vor der Auseinandersetzung, wenn auch in gesamthänderischer Bindung, gehörte. Zwar gab er für die Einräumung des Alleineigentums an der seinem 1/6-Anteil entsprechenden Teilfläche seine Gesamthandsberechtigung am gesamten Grundstück auf. Bei diesem der Erbauseinandersetzung durch Realteilung (§ 2042 Abs.2 i.V.m. § 752 BGB) immanenten Austausch handelt es sich jedoch nicht um einen entgeltlichen Vorgang. Die im Auseinandersetzungsvertrag vorgenommene Anrechnung des Werts des Anteils des Klägers am gesamten Grundstück stellte demgemäß keine Leistung des Klägers für die Übertragung der Teilgrundstücke dar. Sie bildete lediglich eine rechnerische Größe für die Ermittlung der Gegenleistung, die der Kläger für die Zuteilung der seinen 1/6-Anteil flächen- und wertmäßig übersteigenden Grundstücksfläche zu erbringen hatte. Ein entgeltlicher Erwerb ist insoweit gegeben, als der Kläger mehr erhielt, als seiner Gesamthandsbeteiligung am Nachlaßgrundstück entsprach, und hierfür 150 000 DM zu zahlen hatte.

Der Senat kann offenlassen, ob Erbanteil und Grundstücksanteil nämliche Wirtschaftsgüter sind (vgl. BFH-Urteil vom 19.Juli 1983 VIII R 161/82, BFHE 139, 251, BStBl II 1984, 26); denn der Kläger hat die im Rahmen der Teilauseinandersetzung nicht entgeltlich erworbene Grundstücksfläche nicht bereits zu einem früheren für § 23 Abs.1 Nr.1 Buchst. a EStG erheblichen Zeitpunkt angeschafft. Der Erwerb des Erbanteils von der Mutter war unentgeltlich.

Der Kläger hat die Grundstücke, die er am 19.April 1979 zum Teil entgeltlich erworben hat, am 15. und 16.September 1979 und damit innerhalb der zweijährigen Spekulationsfrist (§ 23 Abs.1 Nr.1 Buchst. a EStG) veräußert. Die Einkünfte aus den Spekulationsgeschäften waren mithin als sonstige Einkünfte zu erfassen.

2. Das FA hat allerdings die Höhe der Einkünfte aus den Spekulationsgeschäften unzutreffend ermittelt. Bei einem teilweise entgeltlichen Erwerb führt nur die Veräußerung des entgeltlich erworbenen Teils zu einem Spekulationsgewinn (vgl. BFH-Urteil vom 5.Oktober 1966 VI 309/64, BFHE 87, 146, BStBl III 1967, 74, ganz am Ende; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 23 Anm.17, m.w.N.; Littmann, Einkommensteuergesetz, 14.Aufl., § 23 Rdnr.26, und Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Anm.32). Soweit der VIII.Senat des BFH im Urteil in BFHE 120, 42, BStBl II 1977, 382 für die Ermittlung des Spekulationsgewinns stillschweigend von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, folgt dem der erkennende Senat nicht. Da dieser nunmehr für die Entscheidung über die Einkommensbesteuerung sonstiger Einkünfte zuständig ist, bedarf es keiner Anrufung des Großen Senats.

3. Das FA war --entgegen der Auffassung der Kläger-- aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht gehindert, Spekulationsgewinne anzusetzen. Abgesehen davon, daß der vom FG festgestellte Sachverhalt darauf schließen läßt, daß die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 1979 nach § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) gegeben waren, reichte das Schreiben des FA vom 30.November 1981 als Hinweis nach § 367 Abs.2 Satz 2 AO 1977 aus. Eines weiteren Hinweises auf die Entgegnung der Kläger mit Schreiben vom 28.Dezember 1981 bedurfte es nicht. Das Schreiben enthielt weder sachdienliche Rückfragen der Kläger noch hatte das FA im Einspruchsverfahren seine ursprünglich vertretene Rechtsmeinung geändert (vgl. BFH-Urteil vom 21.September 1983 II R 153/82, BFHE 139, 225, BStBl II 1984, 177).

4. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger hat von den beiden 4 000 qm großen Teilgrundstücken 1 000 qm (*= 1/6 von 6 000 qm), das sind 25 v.H. nicht entgeltlich erworben. Er hat insgesamt 3 000 qm, das sind 75 v.H. der beiden Grundstücke angeschafft. Zur Ermittlung des Spekulationsgewinns (§ 23 Abs.4 Satz 1 EStG) sind 75 v.H. der Veräußerungspreise von 300 000 DM = 225 000 DM dem Anschaffungspreis von 150 000 DM gegenüberzustellen. Das ergibt Spekulationsgewinne von zusammen 75 000 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61622

BStBl II 1988, 250

BFHE 151, 143

BFHE 1988, 143

DStZ 1988, 569 (ST)

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