Leitsatz (amtlich)

Die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG Berlin setzt voraus, daß das erworbene Grundstück im unbebauten Zustand weiterveräußert werden soll und auch tatsächlich weiterveräußert wird.

 

Normenkette

GrEStG Berlin § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d; GrEStG Berlin § 8 Abs. 10

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - ein freies Wohnungsunternehmen - kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 18. September 1972 ein unbebautes Grundstück. Sie beantragte Befreiung des Erwerbsvorgangs von der Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), weil sie beabsichtige, das von ihr erworbene Grundstück planungsgemäß mit Wohngebäuden zu bebauen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah demgemäß zunächst von der Besteuerung des Erwerbsvorgangs ab.

Am 11. März 1974 teilte die Klägerin dem FA mit, daß sie das Grundstück am 29. Dezember 1973 an die Grundstücksgemeinschaft "X-Straße", Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus den Gesellschaftern A, B und C, verkauft habe. Sie beantragte nunmehr Steuerfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG wegen eines steuerbegünstigten Zwischenerwerbs. Am 29. Dezember 1973 war auf dem verkauften Grundstück bereits ein Rohbau errichtet worden.

Das FA setzte nunmehr gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG gegen die Klägerin eine Grunderwerbsteuer nebst Aufgeld fest. Die Steuer sei am 29. Dezember 1973 entstanden.

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin weiterhin geltend, daß ihr Steuerfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG zustehe, weil sie das unbebaut erworbene Grundstück zum Zwecke der Bebauung ohne Gewinn veräußert habe. Die Veräußerung sie bereits vor Baubeginn aufgrund eines am 9. Februar 1973 privatschriftlich abgegebenen, von der Grundstücksgemeinschaft noch im Februar 1973 mündlich angenommenen Kaufvertragsangebots erfolgt, wenngleich die notarielle Beurkundung erst am 29. Dezember 1973 erfolgt sei, als sich das Grundstück bereits aufgrund der von der Grundstücksgemeinschaft geschlossenen Bebauungsverträge im Zustand der Bebauung befunden habe.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA bezog sich in seiner Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 1975 auf Feststellungen des Betriebsprüfers anläßlich einer Betriebsprüfung bei der Unternehmensgruppe Y. Danach soll der Kontakt zu der Grundstücksgemeinschaft erst Ende Oktober/Anfang November 1973 über Herrn C hergestellt worden sein. Das FA vertrat die Auffassung, daß das Grundstück zumindest bis zum 29. Dezember 1973 von der Klägerin selbst als Bauherrin bebaut worden sei. Denn ein anderer Bauherr sei während dieser Zeit nicht vorhanden gewesen. Da demnach das Grundstück mit einem Rohbau an die Grundstücksgemeinschaft veräußert worden sei, könne Steuerfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG nicht in Betracht kommen. Diese Vorschrift beziehe sich nur auf Zwischenerwerbe, nicht aber auf die Fälle, in denen der Erwerber zunächst mit der Bebauung beginne und das Grundstück dann während der Bebauung weiterveräußere. Im übrigen sei auch nicht nachgewiesen, daß die Weiterveräußerung ohne Gewinn erfolgt sei.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin weiterhin daran festgehalten, daß im Februar 1973 ein zunächst formunwirksamer Kaufvertrag zwischen ihr und der Grundstücksgemeinschaft geschlossen worden sei, der dann am 29. Dezember 1973 beurkundet worden sei, ferner, daß am 8. Juni 1973 von der Grundstücksgemeinschaft der Bauleistungsvertrag mit der Firma Y KG und ein Baubetreuungsvertrag mit der Z KG abgeschlossen worden sei. Daraus ergebe sich, daß sie, die Klägerin, das Grundstück nicht selbst bebaut habe. Doch selbst wenn man dies annehme, komme § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG zur Anwendung, weil nach dessen Sinn und Zweck ein mit einem Rohbau bebautes Grundstück noch als unbebaut zu gelten habe.

Die Klägerin hat demgemäß die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG seien von der Klägerin erfüllt worden. Die Bebauung des Grundstücks mit einem Wohngebäude sei planungsgemäß vorgenommen worden. Mit dem Wortlaut, zumindest mit dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d und Nr. 9 GrEStG sei es zu vereinbaren, auch die Veräußerung im Zustand der Bebauung als steuerfrei nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG anzusehen. Die Klägerin habe auch keinen Gewinn erzielt; denn sie habe das Grundstück zu dem Preis verkauft, zu dem sie es erworben habe.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Ein nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG steuerfreier Zwischenerwerb liegt entgegen der Auffassung des FG nicht vor, wenn das erworbene Grundstück mit einem im Bau befindlichen Gebäude (ohne Gewinn) an einen Erwerber weiterveräußert wird, der das Gebäude planungsgemäß fertigstellt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist der Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Weiterveräußerung ohne Gewinn unter bestimmten Voraussetzungen von der Grunderwerbsteuer befreit. Die Weiterveräußerung muß danach die einzige Zweckbestimmung des Erwerbs sein. Deshalb fällt ein Erwerb, auf den eine Weiterveräußerung nach teilweiser Durchführung der Bebauung folgt, nicht unter die Steuerbefreiungsvorschrift. Durch die Ausführung von Bauarbeiten tritt i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG keine Verwirklichung des steuerbegünstigten Zwecks ein. Die Kosten der Bauarbeiten sind deshalb auch keine Kosten aus der Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks i. S. des § 8 Abs. 10 GrEStG.

Eine andere Beurteilung greift nicht deshalb Platz, weil eine Steuervergünstigung regelmäßig auch dann erhalten bleibt, wenn ein steuerbegünstigter Zweck durch einen anderen steuerbegünstigten Zweck ersetzt wird (vgl. Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 4 Tz. 139, Anhang Tz. 1193). Eine solche Auswechselung des steuerbegünstigten Zwecks ist ohne Nachversteuerung nur dann möglich, wenn die Verwirklichung der neuen Zweckbestimmung noch zur (materiell endgültigen) Steuerbefreiung aus diesem Gesichtspunkt führen kann. Dies ist jedoch nicht mehr der Fall, wenn der Erwerber erst nach Beginn der Bebauung von dem steuerbegünstigten Zweck der planungsgemäßen Bebauung zum steuerbegünstigten Zweck der Weiterveräußerung übergeht. Denn in diesem Falle kann die Zweckbestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG (Weiterveräußerung des erworbenen Grundstücks im unbebauten Zustand) nicht mehr verwirklicht werden. Hieraus folgt, daß eine Auswechslung des steuerbegünstigten Zwecks nur bis zum Beginn der Bebauung möglich ist.

Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, daß zumindest eine von der Rechtsprechung zu schließende Lücke anzunehmen sei, deren Schließung zu dem von dem FG angenommenen Ergebnis führe. Eine solche die Fälle der Weiterveräußerung eines unbebaut erworbenen Grundstücks im Zustande der Bebauung betreffende Lücke im Gesetz ist nicht erkennbar.

Im Falle des Erwerbs zur Bebauung (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 9 GrEStG) tritt die (materiell endgültige) Steuerbefreiung nur dann ein, wenn der Erwerber die Bebauung selbst durchführt. Beginnt der Erwerber mit der Bebauung, wird die Bebauung jedoch nach einer Weiterveräußerung von dem Nacherwerber beendet, so ist der Nacherwerb gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 11 GrEStG zumindest teilweise (vgl. § 7 Abs. 2 GrEStG) von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Der ursprüngliche Erwerb wird jedoch in einem solchen Falle wegen Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks steuerpflichtig (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG). Daraus folgt, daß jeweils nur ein Erwerb zur Bebauung bzw. Fertigstellung der Bebauung steuerbegünstigt sein kann. Auch die spätere Weiterveräußerung des Grundstücks mit fertiggestelltem Gebäude unterlag bzw. unterliegt der Grunderwerbsteuer, soweit nicht besondere Befreiungsvorschriften bestehen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 12 GrEStG, § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen - GrEStEigWoG -).

Eine Gesetzeslücke, die durch die Rechtsprechung auszufüllen wäre, kann nicht angenommen werden. Entscheidet sich der Gesetzgeber dahin, daß jeweils nur ein Erwerb zur Bebauung bzw. zur Fertigstellung der Bebauung steuerfrei ist, so bleibt es ihm allein vorbehalten, darüber zu befinden, in welchen Fällen zusätzlich noch ein vorangegangener Zwischenerwerb steuerfrei sein soll. Die Entscheidung dieser Frage ist letztlich eine rechtspolitische Entscheidung, die allein vom Gesetzgeber und nicht von der Rechtsprechung zu treffen ist.

Danach ist § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG nur dann anwendbar, wenn ein unbebautes Grundstück zur unbebauten Weiterveräußerung ohne Gewinn erworben wird. Diese Voraussetzungen konnte die Klägerin nicht mehr erfüllen, als sie das erworbene Grundstück durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29. Dezember 1973 weiterverkaufte. Denn zu diesem Zeitpunkt war auf dem Grundstück bereits ein Rohbau errichtet worden. Der steuerbegünstigte Zweck, die Weiterveräußerung im unbebauten Zustand ohne Gewinn, konnte unter diesen Umständen nicht mehr verwirklicht werden (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).

An diesem Ergebnis könnte auch die Behauptung der Klägerin nichts ändern - die Richtigkeit dieser Behauptung unterstellt -, daß bereits im Februar 1973 (formunwirksam) Einigkeit über die Weiterveräußerung des unbebauten Grundstücks mit den späteren Nacherwerbern erzielt worden sei und daß die Nacherwerber vor Baubeginn einen Baubetreuungsvertrag mit der Z KG und einen Bauleistungsvertrag mit der Firma Y KG abgeschlossen hätten. Denn aus diesen (nicht notariell beurkundeten) Verträgen erlangten die Nacherwerber keine rechtsverbindlichen Ansprüche auf Übertragung des weiterhin der Klägerin gehörenden Grundstücks als unbebaut. Sowohl der Baubetreuungsvertrag als auch der Bauleistungsvertrag (sofern sie vor Baubeginn abgeschlossen worden sein sollten) konnten nur für den Fall sinnvoll sein, daß es später zum Abschluß eines notariell beurkundeten Kaufvertrages mit der Klägerin käme. Dies aber war erst im Dezember 1973 der Fall, als die Klägerin das Grundstück nicht mehr unbebaut weiterveräußern konnte. Auf den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin kommt es deshalb nicht an.

Der angefochtene Steuerbescheid ist auch nicht etwa mit der Begründung aufzuheben, daß die Klägerin den steuerbegünstigten Zweck (die eigene Bebauung des Grundstücks) trotz der Weiterveräußerung durch Kaufvertrag vom 29. Dezember 1973 nicht aufgegeben habe. Zwar ist es bei dem Verkauf eines unbebaut erworbenen Grundstücks während der Bebauung denkbar, daß Gegenstand der Veräußerung das bebaute Grundstück ist und deshalb der steuerbegünstigte Zweck durch den Verkauf nicht aufgegeben wird (vgl. das Urteil des Senats vom 12. März 1980 II R 52/77, BFHE 130, 341, 342, BStBl II 1980, 472). Im vorliegenden Fall gibt es jedoch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür, daß ihr trotz des Verkaufes des Grundstücks die Fertigstellung des Bauvorhabens weiterhin zuzurechnen gewesen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74171

BStBl II 1982, 172

BFHE 1981, 452

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge