Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitliche Entschädigung bei Auflösung eines Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Eine bei Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgehende Einnahmen gewährte Entschädigung ist einheitlich zu beurteilen, auch wenn sie sich aus mehreren Teilen (in sachlicher oder auch in zeitlicher Hinsicht) zusammensetzt.

 

Orientierungssatz

Wird die Entschädigung auf zwei (oder mehr) Veranlagungszeiträume aufgeteilt, kommt die Anwendung des § 34 Abs.1 EStG nicht in Betracht.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1-2

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bei der Firma C beschäftigt. Nach Vollendung des 58.Lebensjahres im September 1988 erhielt er von seinem Arbeitgeber 100 000 DM. Zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs schied der Kläger im Februar 1989 aus, wobei er in diesem Jahr weiterhin laufenden Arbeitslohn bezog. Im Streitjahr 1990, in dem der Kläger das 60.Lebensjahr vollendete, erhielt er neben der Firmenpension einen weiteren Betrag von 300 000 DM. Die Firma C erklärte, die Sonderzahlung von 400 000 DM sei anläßlich der Pensionierung des Klägers, vorrangig wegen dessen frühen Ausscheidens erfolgt; 100 000 DM seien im letzten Jahr der aktiven Tätigkeit, 300 000 DM im Jahr der planmäßigen Pensionierung ausgezahlt worden. Die damit auch verbundene Anerkennung für geleistete Arbeit habe deren Höhe in einem nicht näher bestimmbaren Umfang beeinflußt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte ab, den Betrag von 300 000 DM gemäß § 34 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung ermäßigt zu besteuern.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Dabei ging das FG dem Vortrag des Klägers entsprechend davon aus, daß zunächst vereinbart gewesen sei, daß er mit Vollendung des 60.Lebensjahres ausscheide und dafür eine Abfindung von 400 000 DM habe erhalten sollen. Wegen seiner Bereitschaft, bereits mit Vollendung des 58.Lebensjahres auszuscheiden, habe er bereits 1988 100 000 DM vorab erhalten. Es handele sich damit um rechtlich unterschiedlich begründete selbständige Zahlungen, die getrennt zu beurteilen seien. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes rechtfertige sich auch daraus, daß durch die Vorabzahlung von 100 000 DM nahezu keine Entzerrung der Progression eingetreten sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Entscheidend sei, ob die gezahlten Beträge als Raten einer einheitlichen Entschädigungsleistung zu bewerten seien oder ob zwei rechtlich gesondert zu betrachtende Leistungen vorlägen. Nach der zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung habe der Kläger für die vorzeitige Pensionierung einen Betrag von 400 000 DM mit Vollendung des 60.Lebensjahres erhalten sollen. Diese Vereinbarung (und damit der Anspruch auf 400 000 DM) sei bestehen geblieben, als der Kläger dann tatsächlich bereits zwei Jahre früher als zunächst geplant aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Lediglich die Zahlungsweise sei modifiziert und die Entschädigung in zwei Raten gezahlt worden. Damit sei aber nicht --wie die Kläger erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen hätten-- eine zweite, rechtlich selbständige Entschädigungsvereinbarung getroffen worden, die zu Folge gehabt hätte, daß die ursprüngliche Vereinbarung auf 300 000 DM herabgesetzt und eine rechtlich selbständige Vereinbarung über eine Entschädigung von 100 000 DM mit Vollendung des 58.Lebensjahrs getroffen worden wäre. Eine derartige Vertragskonstruktion ergebe sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem jetzigen Vorbringen der Kläger. Auch sei ein Grund, die Abfindung auf 300 000 DM herabzusetzen, nicht erkennbar. Vielmehr wäre unter diesen Umständen durchaus mit einer noch höheren Entschädigung zu rechnen gewesen. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei die Vorverlegung der Pensionierung des Klägers nicht durch die Zahlung von 100 000 DM, sondern durch die Weiterzahlung des Gehalts und durch die vorgezogene Zahlung eines Teilbetrags der Entschädigungsleistung honoriert worden. Letztendlich sei die Entschädigung nach der letztgültig getroffenen Vereinbarung in zwei Raten gezahlt worden. Werde die Entschädigungszahlung --wie hier-- auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt, komme der ermäßigte Steuersatz nur ausnahmsweise zur Anwendung.

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Entgegen der Auffassung des FA habe das FG nicht den Inhalt der Bescheinigungen der Firma C zugrunde gelegt, sondern das, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals oder ergänzend vorgetragen habe. Zugrunde zu legen sei der vom FG festgestellte Sachverhalt, der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG geklärt worden sei. Die Revisionsbegründung des FA enthalte keine Verfahrensrügen. Das FG habe einen Sachverhalt festgestellt, nach dem zwei unterschiedliche Vereinbarungen getroffen worden seien. Die zusätzliche Vereinbarung aus dem Jahr 1988 zum Ausscheiden des Klägers zum 1. März 1989 habe der Arbeitgeber mit der Zahlung des Einmalbetrags von 100 000 DM "erkauft". Diese Vereinbarung habe eine eigene Qualität und einen neuen und eigenen Rechtsgrund geschaffen. Bei dieser Einigung seien sowohl der Kläger wie sein Arbeitgeber davon ausgegangen, daß diese Lösung den Kläger nicht benachteiligen würde.

Wollte man jedoch die beiden Zahlungen auf einen einheitlichen Rechtsgrund zurückführen und damit als zwei Teilbeträge einer Entschädigungsleistung behandeln, würde sich im Ergebnis nichts ändern. In diesem Fall wäre einer der Ausnahmetatbestände gegeben, die die Rechtsprechung zulasse. Sei eine Entschädigung in einem bestimmten Veranlagungszeitraum vorgesehen, gingen die Zahlungen aber aus Gründen, die der Empfänger nicht zu vertreten habe, in verschiedenen Veranlagungszeiträumen ein, so sei ihm gleichwohl die Tarifermäßigung zu gewähren.

In jedem Fall aber greife die zweite Begründung des FG durch; die "Steuerersparnis" bei Aufteilung zeige, daß diese Zahlungsweise kein Grund sein dürfe, die Zahlungen an den Kläger mit den ungemilderten Progressionswirkungen zu belasten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Auslegung des Begriffs der Entschädigung durch das FG ist zu beanstanden.

1. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs.1 und Abs.2 EStG sind (nur) gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juli 1993 XI R 74/92, BFH/NV 1994, 368, und vom 6. September 1995 XI R 71/94, BFH/NV 1996, 204).

Eine aus Anlaß der Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgehende Einnahmen gemäß § 24 Nr.1 Buchst.a EStG gewährte Entschädigung (wie z.B. aus Anlaß einer vorzeitigen Pensionierung) ist einheitlich zu beurteilen. Das gilt auch für den Fall, daß sich die Entschädigung aus mehreren Teilen (in sachlicher oder auch in zeitlicher Hinsicht) zusammensetzt, z.B. indem unterschiedliche Auszahlungstermine vereinbart werden oder indem eine zunächst getroffene Vereinbarung modifiziert wird. Nur in besonders gelagerten Fällen kann es möglich sein, daß ein Steuerpflichtiger in Zusammenhang mit der Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mehrere selbständige Entschädigungen erhält, z.B. bei Auflösung mehrerer Arbeitsverhältnisse in einem Veranlagungszeitraum oder wenn neben eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 Buchst.a EStG ein Wettbewerbsverbot i.S. des § 24 Nr.1 Buchst.b EStG tritt (dazu vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 10/92, BFHE 170, 445, BStBl II 1993, 497).

2. Bei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung sind im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung des § 34 Abs.1 EStG nicht gegeben. Die vereinbarte Entschädigung ist steuerrechtlich als einheitliche Entschädigung zu erfassen, die in zwei Teilbeträgen ausgezahlt worden ist. Die Änderung der zunächst vorgesehenen Abwicklung bedeutet nur eine Modifikation der ursprünglichen Vereinbarung, führt aber --entgegen der Auffassung der Kläger und der des FG-- nicht zu einer zweiten Entschädigung. Diese Beurteilung entspricht im übrigen auch den Vorstellungen des Arbeitgebers, der in seinen Bescheinigungen davon ausgegangen ist, daß der Kläger aus Anlaß seiner Pensionierung eine einmalige Sonderzahlung erhalten habe, die aus betriebsinternen Gründen in zwei Teilbeträgen ausgezahlt worden sei.

3. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Rechtsprechung in Fällen, in denen sich eine Entschädigungszahlung auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume verteilt, von dem Erfordernis der einheitlichen Auszahlung Ausnahmen für denkbar gehalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1993 XI R 67/92, BFH/NV 1994, 224, m.w.N). Der BFH hat eine solche Ausnahme nur ein einziges Mal in einem extrem gelagerten Fall zugelassen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 368), der dem Streitfall nicht vergleichbar ist. Wird eine Auszahlung daher in zwei oder mehreren Teilbeträgen vorgenommen, steht dieser Umstand einer Steuerermäßigung regelmäßig entgegen. Unbilligen Ergebnissen kann ggf. im Einzelfall durch Maßnahmen nach § 163 und § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) begegnet werden.

4. Schließlich ist die Anwendung des § 34 Abs.1 EStG auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil durch die Aufteilung der Entschädigung auf zwei Veranlagungszeiträume nur eine unwesentliche steuerliche Entlastung eingetreten ist. Der tatsächliche Progressionseffekt ist ohne Bedeutung. So ist im umgekehrten Fall der Steuersatz selbst dann zu ermäßigen, wenn durch die Entschädigung keine zusätzliche Progressionsbelastung eintritt (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, BStBl II 1983, 221).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65884

BFH/NV 1996, 215

BStBl II 1996, 416

BFHE 180, 152

BFHE 1997, 152

BB 1996, 1372 (Leitsatz)

DB 1996, 1503-1504 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1996, 1004 (Kurzwiedergabe)

DStZ 1996, 564-565 (Kurzwiedergabe)

HFR 1996, 501-502 (Leitsatz)

StE 1996, 418 (Kurzwiedergabe)

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