Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat verbleibt bei den Grundsätzen seiner Entscheidungen III 102/55 S und III 166/54 S vom 18. November 1955 (BStBl 1956 III S. 8 bzw. S. 10, Slg. Bd. 62 S. 19 bzw. 24) über die Erstarrung des Grundsteuermeßbetrags nach § 7 Abs. 1 des I.WoBauG.

 

Normenkette

WoBauG § 7 Abs. 1, § 92 Abs. 1; 2-WoBauG 110/4

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) ist Eigentümerin des im Jahre 1925 erbauten Mietwohngrundstücks .... in M. (älterer Neuhausbesitz). Für dieses Grundstück betrug der Einheitswert zum 1. Januar 1935 34.200 RM und der Grundsteuermeßbetrag zum 1. Januar 1938 179,55 RM. Das Gebäude des Grundstücks besteht aus Erdgeschoß und zwei Obergeschossen mit je zwei Wohnungen. Im Kriege wurde das Gebäude des Grundstücks im I. und II. Obergeschoß beschädigt. Die Fortschreibung zum 21. Juni 1948 ergab einen Einheitswert von 24.300 DM und einen Grundsteuermeßbetrag von 127,58 DM.

Im Jahre 1954 wurden die Kriegsschäden beseitigt und das Gebäude wieder instandgesetzt. Das Städtische Amt für Wohnungsbau bestätigte, daß vor der Instandsetzung die zwei Wohnungen im I. Obergeschoß nur behelfsmäßig und zwei Wohnungen im II. Obergeschoß nur bunkermäßig bewohnt waren und daß ohne die Instandsetzung alle vier Wohnungen auf die Dauer unbewohnbar geworden wären. Auf Grund dieser Feststellung beantragte die Bgin. für die vier Wohnungen die Grundsteuervergünstigung nach § 7 des Ersten Wohnungsbaugesetzes (I. WoBauG). Es besteht kein Streit darüber, daß die Voraussetzungen der Grundsteuervergünstigung gegeben sind. Streitig ist lediglich die Höhe des festzusetzenden Steuermeßbetrags.

Das Finanzamt stellte zum 1. Januar 1955 den Einheitswert auf 34.200 DM (Einheitswert 1935 34.200 RM) fest. Die beantragte Grundsteuervergünstigung gewährte es in der Weise, daß es den Steuermeßbetrag nicht nach diesem Einheitswert festsetzte, sondern am bisherigen Steuermeßbetrag von 127,58 DM festhielt (Erstarrung). Der Einspruch, mit dem die Bgin. die volle Steuervergünstigung für die vier Wohnungen und demgemäß Herabsetzung des Steuermeßbetrags auf 78,70 DM begehrte, blieb erfolglos. Dagegen hatte die Berufung Erfolg. Das Finanzgericht setzte den streitigen Steuermeßbetrag auf 78,45 DM herab und begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Der Bundesfinanzhof habe zwar festgestellt, daß der Gesetzgeber des I.WoBauG an eine Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags gedacht habe. Das sei auch die Ansicht des Finanzgerichts. Der Bundesfinanzhof habe aber weiter erklärt, daß eine Erstarrung nur für den Regelfall gelte und daß es möglich sein müsse, Korrekturen anzubringen, soweit dabei nicht Bewertungsfragen aufgerollt werden müßten. Im Streitfall sei wegen des besonderen Sachverhalts eine Korrektur geboten und auch ohne Anschneiden von bewertungsrechtlichen Fragen möglich. Einer Erstarrung des bisherigen Steuermeßbetrags stünden Sinn und Wortlaut des § 7 des I.WoBauG entgegen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Dieser ist der Auffassung, daß es sich hier um einen Regelfall handelt, für den der Grundsatz der Erstarrung gelten müsse. Das ergebe sich auch aus § 92 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG), der den § 7 Abs. 1 des I.WoBauG klarstelle. Daß die absolute Erstarrung und damit der Ansatz des bisherigen Steuermeßbetrags auch für das I.WoBauG gelten solle, ergebe sich aus § 110 Abs. 4 des II.WoBauG.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Der erkennende Senat hat im Streit über die Auslegung des § 7 Abs. 1 des I.WoBauG entschieden, daß diese Vorschrift grundsätzlich eine Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags enthält, daß aber die Erstarrung nicht ausschließt, notwendige Korrekturen an diesem Grundsteuermeßbetrag anzubringen. Bei diesen Korrekturen kann es sich aber nur um solche handeln, die ohne Aufrollung von Bewertungsfragen möglich sind (Urteil des Bundesfinanzhofs III 102/55 S vom 18. November 1955, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 8, Slg. Bd. 62 S. 19). Im Streitfall trifft das nicht zu. Bei der von der Bgin. vorgenommenen Berechnung eines Steuermeßbetrags von 78,45 DM werden Bewertungsfragen aufgerollt (Aufteilung des Einheitswerts in Bodenwert- und Gebäudewertanteil). Das tritt hier nur deshalb nicht in Erscheinung, weil das Finanzamt die sachliche Richtigkeit der vorgeschlagenen Aufteilung nicht ausdrücklich bestritten hat. Die weitere im Urteil des Bundesfinanzhofs III 166/54 S vom 18. November 1955 (BStBl 1956 III S. 10, Slg. Bd. 62 S. 24) zugelassene Ausnahme von der Erstarrung - Veränderungen am Steuergegenstand nicht lediglich durch Neubau, durch Wiederaufbau zerstörter oder Wiederherstellung beschädigter Gebäude usw. - trifft hier nicht zu. Es handelt sich vielmehr um einen Regelfall, bei dem die Erstarrung des bisherigen Grundsteuermeßbetrags eingetreten ist. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, von den beiden vorgenannten Entscheidungen abzuweichen. Der Senat verbleibt vielmehr bei den Grundsätzen dieser Entscheidungen.

Nach § 110 Abs. 4 des II.WoBauG ist für Wohnungen und Wohnräume, auf die die Vorschriften des I.WoBauG anzuwenden sind und die nach § 7 des I.WoBauG begünstigt sind, auf Antrag der Steuermeßbetrag für die Erhebung der Grundsteuer nach den Vorschriften des § 92 des vorliegenden Gesetzes - II.WoBauG - neu zu veranlagen, wenn der für den nichtbegünstigten Teil des Grundstücks rechtskräftig festgesetzte Steuermeßbetrag höher ist als der Steuermeßbetrag, der sich nach § 92 ergibt. Im Streitfall ist über die Grundsteuervergünstigung bislang noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Der Steuermeßbetrag könnte im vorliegenden Verfahren nach den Vorschriften des § 92 des II.WoBauG veranlagt werden, wenn dies für die Steuerpflichtige günstiger wäre. Das trifft aber nicht zu. Vergleiche hierzu das zur Veröffentlichung bestimmte Gutachten des Bundesfinanzhofs III D 1/57 S vom 4. Juli 1958.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409139

BStBl III 1958, 364

BFHE 1959, 235

BFHE 67, 235

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