Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Verlustabzugs bei Personengesellschaften

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Personengesellschaften erfordert die Verlustverrechnung, die im Anrechnungsjahr einen positiven und im Verlustentstehungsjahr einen negativen Gewerbeertrag der Gesellschaft voraussetzt (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1989IV R 117/88, BFHE 159, 528, BStBl II 1990, 436), eine auf die einzelnen Mitunternehmer bezogene Berechnung. Maßgeblich ist der jeweilige Gewinnverteilungsschlüssel; Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben sind zu berücksichtigen.

 

Normenkette

GewStG § 10a

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Partenreederei in Liquidation, betrieb die Seeschiffahrt. Bis zum 30. Juni 1982 waren an ihr D mit 20 Parten, die W-AG mit 50 Parten, die G-AG mit 20 Parten sowie die F-AG mit 10 Parten beteiligt. Zum 1. Juli 1982 übertrug D seine 20 Parten auf die Kommanditgesellschaft A (GmbH & Co).

Mit Bescheiden vom 5. Juni 1984 veranlagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Klägerin zur Gewerbesteuer 1981 und 1982. Das FA kürzte die von 1978 bis 1980 bei der Klägerin entstandenen Gewerbeverluste nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung in Höhe von insgesamt 1 383 565 DM nicht in vollem Umfang von den positiven Gewerbeerträgen 1981 und 1982 in Höhe von insgesamt 1 153 809 DM, sondern ließ für 1981 nur einen Betrag in Höhe von 723 985 DM zum Abzug zu, für 1982 wurde der Abzug eines Gewerbeverlustes gänzlich versagt. Dies beruhte auf der vom FA vertretenen Auffassung, daß die verrechenbaren Fehlbeträge für jeden Gesellschafter nach seinen Anteilen --unter Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben-- an den (positiven) Gewerbeerträgen und den Fehlbeträgen zu ermitteln seien. Den Einspruch der Klägerin wies das FA zurück.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß allein auf das Unternehmen abzustellen sei. Die Klägerin könne daher den gesamten Verlust 1978 und 1979 vom maßgebenden Gewerbeertrag 1981 und 1982 abziehen, so daß in beiden Streitjahren kein Gewerbeertrag gegeben sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10a GewStG. Auch nach der Änderung des § 10a GewStG durch das Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1986 sei die Unternehmeridentität Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10a GewStG. Aus der Personengebundenheit des Gewerbeverlustes folge, daß für jeden einzelnen Gesellschafter der Anteil am positiven und negativen Gewerbeertrag "gesondert" festzustellen und auszugleichen sei. Die in dem Revisionsantrag genannten Beträge ergäben sich durch die Berücksichtigung der Gewerbesteuerrückstellung.

Entgegen der Auffassung der Klägerin habe der Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Mai 1993 GrS 3/92 (BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616) Bedeutung für das anhängige Revisionsverfahren. Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10a GewStG sei die Identität der Unternehmer. Träger des Rechts auf den Verlustabzug sei --so der Große Senat unter C III 2-- nicht der Gewerbebetrieb als solcher, sondern der Unternehmer des Betriebs. Unter C III 9 c führe der Große Senat für den Fall des Eintritts einer weiteren Person als Mitunternehmer aus, daß der vor dem Eintritt des neuen Gesellschafters entstandene Fehlbetrag auch weiterhin insgesamt, jedoch nur von dem Betrag abgezogen werden könne, der vom gesamten Gewerbeertrag entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel auf den oder die früheren Unternehmer entfalle. Daß der Gewerbeertrag nicht eine eigenständige Besteuerungsgrundlage sei, folge auch aus den Ausführungen unter C III 6 b bb, denen zufolge auch die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens in die Ermittlung des Gewerbeertrags einzubeziehen seien.

Demgegenüber führt die Klägerin aus:

Der Auffassung des FG sei zu folgen; das Urteil vom 4. Dezember 1989 IV R 117/80 (BFHE 159, 528, BStBl II 1990, 436) könne nicht überzeugen. Die Auffassung, daß die Gesellschafter die Unternehmer eines von der Personengesellschaft unterhaltenen Gewerbebetriebs seien, sei nicht haltbar. Der Beschluß des Großen Senats in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616 habe auf die Entscheidung des anhängigen Revisionsverfahrens keine Auswirkung. Es stelle sich allein die Frage, ob der Verlustabzugsbetrag bei der Veranlagung als einheitlich berechneter Betrag abzuziehen oder ob er als Summe der gesellschafterbezogen berechneten und entwickelten Ergebnisanteile zu behandeln sei, mit der Folge, daß für die Gesellschaft ein positiver Gewerbeertrag zu versteuern sei, weil ein Gesellschafter einen positiven Gewinnanteil habe, obwohl insgesamt ein ausreichender Verlustvortrag vorhanden sei. Wenn der Große Senat der Auffassung sei, daß auch bei Eintritt eines weiteren Gesellschafters der Verlustabzug in voller Höhe abgezogen werden könne, müsse dies erst recht in dem Fall gelten, in dem eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse überhaupt nicht gegeben sei. Gemäß § 10a Satz 2 GewStG i.d.F. des Art.3 Nr.4 des Steuerreformgesetzes 1990 werde der abziehbare Verlust nur als ganzes festgestellt, so daß die Ermittlung des Gewerbeertrags einheitlich vorzunehmen sei.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO--).

1. Gemäß § 10a Satz 1 GewStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung wird der maßgebende Gewerbeertrag bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die fünf vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vier vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. In § 10a Satz 1 GewStG i.d.F. des Art.10 Nr.7 des StBereinG 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735, 750) sind die Worte "bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes ermitteln" nicht mehr enthalten.

2. Unter Berücksichtigung der Verbindung objekt- und personensteuerartiger Elemente der Gewerbesteuer machte schon der Reichsfinanzhof (RFH) den Abzug von Gewerbeverlusten sowohl von der Unternehmens- als auch von der Unternehmeridentität abhängig (RFH-Urteil vom 26. August 1942 VI 236/42, RStBl 1942, 1024). Der BFH folgte dieser Rechtsprechung (vgl. BFH-Entscheidungen vom 4. Februar 1966 VI 272/63, BFHE 86, 123, BStBl III 1966, 374; vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348; vom 24. Juni 1981 I S 3/81, BFHE 133, 564, BStBl II 1981, 748; in BFHE 159, 528, BStBl II 1990, 436). In dem Beschluß in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616 hat der Große Senat an diesen Grundsätzen festgehalten: Unternehmeridentität sei Voraussetzung für den Verlustabzug (C III). Ungeachtet des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer sei Träger des Rechts auf den Verlustabzug nicht der Gewerbebetrieb als solcher, sondern der Unternehmer des Betriebs (C III 1). Wie im Einkommensteuerrecht seien auch in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht die Gesellschafter, sofern sie Mitunternehmerrisiko trügen und Mitunternehmerinitiative ausüben könnten, als (Mit-)Unternehmer und damit als Unternehmer des Betriebs anzusehen (C III 6 b). Bestätigt werde dieser Zusammenhang durch die Vorschrift des § 7 GewStG, nach der für die Ermittlung des Gewerbeertrags von dem nach den Vorschriften des EStG oder des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermittelnden Gewinn aus Gewerbebetrieb auszugehen sei. Damit würden nach ständiger Rechtsprechung des BFH entsprechend der einkommensteuerrechtlichen Handhabung auch die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sowie die Sonderbetriebseinnahmen und die Sonderbetriebsausgaben in die Ermittlung des Gewerbeertrags einbezogen. Diese Einbeziehung beruhe auf der Wertung der Gesellschafter als (Mit-)Unternehmer des Betriebs. Wäre dies nach der gewerbesteuerrechtlichen Regelung abweichend von der Rechtslage bei der Einkommensteuer nicht der Fall, so entbehrte die Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens in die Ermittlung des Gewerbeertrags der Rechtsgrundlage (C III 6 b bb).

Die Unternehmerbezogenheit des Verlustabzugs führt zwangsläufig dazu, daß Gewerbeertrag und abziehbarer Verlust nach den Merkmalen des einzelnen (Mit-)Unternehmers zu ermitteln sind. Dabei sind Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben bei dem Unternehmer zu berücksichtigen, der den Tatbestand der Einkünfte-(Ertrags-)Erzielung verwirklicht hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann eine einheitliche Ermittlung des Gewerbeertrags auch nicht aus der gesonderten Feststellung der vortragsfähigen Fehlbeträge hergeleitet werden, wie sie ab dem Erhebungszeitraum 1990 in § 10a Satz 2 GewStG vorgesehen ist. Diese Regelung, über deren genauen Inhalt und Umfang in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden braucht, hat als bloß verfahrenstechnische Regelung keinen Einfluß auf das Erfordernis der Unternehmeridentität. Die vorgenommene Beurteilung führt grundsätzlich auch nicht zu einer Beschränkung des Verlustabzugs; die anteiligen Fehlbeträge sind in vollem Umfang bei dem einzelnen Mitunternehmer zu berücksichtigen.

3. Die Entscheidung des FA entspricht diesen Grundsätzen, so daß das angefochtene Urteil, das allein auf das Unternehmen abgestellt hat, keinen Bestand haben kann. Die Verlustverrechnung, die im Anrechnungsjahr einen positiven und im Verlustentstehungsjahr einen negativen Gewerbeertrag voraussetzt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 159, 528, BStBl II 1990, 436), erfordert eine auf die einzelnen Mitunternehmer (Gesellschafter) bezogene Berechnung. Zu diesem Zweck sind sowohl die Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres als auch die Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel (dazu vgl. BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 341) und unter Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben den einzelnen Mitunternehmern zuzuordnen; die Verlustverrechnung ist jeweils für den einzelnen Unternehmer vorzunehmen. Die Ergebnisse der einzelnen Verrechnungen sind sodann wieder zum (einheitlichen) Gewerbeertrag des Unternehmens zusammenzufassen.

4. Der Senat kann keine abschließende Entscheidung treffen, da zur Höhe der noch zu berücksichtigenden Gewerbesteuerrückstellungen keine Feststellungen getroffen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65351

BFH/NV 1994, 45

BStBl II 1994, 364

BFHE 173, 374

BFHE 1994, 374

BB 1994, 779

BB 1994, 779 (L)

DB 1994, 1120-1121 (LT)

DStR 1994, 578-579 (KT)

DStZ 1994, 310 (KT)

HFR 1994, 405-406 (LT)

StE 1994, 229 (K)

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