Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Geltendmachung und Erstattung von Gebühren eines Rechtsanwalts, der eine Steuerangelegenheit seiner Ehefrau in einem Verfahren vor dem Finanzgericht mit Erfolg wahrnimmt.

 

Normenkette

BGB § 1353; AO § 316; FGO § 139

 

Tatbestand

Der Ehemann der Beschwerdeführerin (Bfin.) war als Erbe seiner Mutter im Grundbuch eingetragener Eigentümer eines Grundstücks in A. Das Gebäude war zerstört. Die Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 ergab einen Einheitswert von 4.300 DM.

Die Eheleute leben unstreitig auf Grund vertraglicher Regelung in Gütertrennung, die im Güterrechtsregister eingetragen ist.

Der Ehemann der Bfin. bewilligte durch öffentlich beglaubigte Erklärung vom 11. September 1950 zugunsten seiner Ehefrau, der Bfin., die Eintragung einer Darlehnshypothek von 30.000 DM. Er räumte ihr in der gleichen Urkunde das Recht ein, unter Verzicht auf die Darlehnshypothek die übereignung des Grundstücks zu verlangen, und bewilligte zugunsten der Bfin. die Eintragung einer entsprechenden Vormerkung in das Grundbuch.

Einen Tag später - am 12. September 1950 - verzichtete er durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt (ß 928 BGB) auf das Eigentum an dem Grundstück, nach seiner Darlegung, weil die Stadt A von ihm die Zahlung mehrerer Tausend DM zur Beseitigung der Trümmer auf dem Grundstück verlangt habe.

Die Darlehnshypothek, die Vormerkung und der Eigentumsverzicht wurden am 14. September 1950 im Grundbuch eingetragen.

Die Bfin. trat durch notarielle Verhandlung vom 3. März 1954 ihre Rechte aus der Vormerkung unter Verzicht auf die Hypothek gegen Zahlung von 5.500 DM an einen Dritten ab.

Das Finanzamt sah auf Grund dieser Vorgänge, insbesondere der von dem Ehemann bewilligten Eintragungen im Grundbuch, die Bfin. unter Bezugnahme auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise als Eigenbesitzerin des Grundstücks im Sinne von § 11 Ziff. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) an und erließ gegen sie unter dem 17. September 1954 einen Zurechnungsfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1951.

Gegen diesen Einheitswertbescheid erhob der Ehemann der Bfin. "in Vollmacht und namens" seiner Ehefrau Einspruch. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Bfin. legte, vertreten durch ihren Ehemann, gegen diesen Einspruchsbescheid das Rechtsmittel der Berufung an das Finanzgericht ein. Sie überreichte zur Begründung einen Beschluß des Oberlandesgerichts ...., in dem dieses ausführte, daß das durch Vormerkung gesicherte, der Bfin. eingeräumte Wahlrecht auf Auflassung des Grundstücks durch die Erklärung vom 11. September 1950 nicht rechtswirksam begründet worden sei, da die Verpflichtung, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedürfe (ß 313 BGB). Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Finanzgerichts legte daraufhin dem Finanzamt nahe, den Zurechnungsbescheid vom 17. September 1954 und den Einspruchsbescheid vom 28. Oktober 1954 zurückzunehmen. Das Finanzamt entsprach dieser Anregung durch gemäß § 94 der Reichsabgabenordnung (AO) erlassenen Abhilfebescheid vom 26. Mai 1955. In dem Abhilfebescheid wurden die Rechtsmittelkosten zu Lasten des Landes ..... übernommen.

Die Bfin. begehrte nunmehr vom Finanzamt die Erstattung von Auslagen im Betrage von 3,20 DM und Gebühren (einschließlich Umsatzsteuer) in Höhe von 19,26 DM, indem sie geltend machte, daß ihr Ehemann in der entsprechenden Höhe die Bezahlung der Auslagen und Gebühren von ihr verlange.

Das Finanzamt lehnte den Erstattungsantrag durch Erinnerungsbescheid vom 30. September 1955 ab. Das Finanzgericht billigte der Bfin. die begehrten Auslagen zu, wies aber die Berufung durch das mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) angefochtene Urteil hinsichtlich der geltend gemachten Gebührenansprüche als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Auch die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache vom Finanzgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zugelassene Rb. hat keinen Erfolg.

Da die Berufung in dem vorangegangenen Rechtsmittelverfahren gegen den Einheitswert-(Zurechnungs-) Bescheid bereits an das Finanzgericht weitergeleitet war, würde an sich nach der jedenfalls bis zum 1. Oktober 1957 (Inkrafttreten des Gesetzes zur änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 - Bundesgesetzblatt 1957 I S. 861 ff. - Art. XI § 10) maßgebenden Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht nur eine Prozeß-, sondern auch eine Verhandlungsgebühr erstattungsfähig sein, nachdem der Rechtsstreit durch den einer gerichtlichen Entscheidung gleichzusetzenden Abhilfebescheid (ß 94 AO) seine Erledigung zugunsten der Bfin. gefunden hatte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 186/55 S vom 6. Februar 1957, Slg. Bd. 64 S. 312, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 118). Im Streitfall kommt jedoch eine Erstattung deshalb nicht in Betracht, weil der Ehemann gegen die Bfin. einen Gebührenanspruch nach Ansicht des Senats nicht geltend machen kann.

Es war dabei zunächst zu prüfen, ob es sich bei der Vertretung der Bfin. in dem finanzgerichtlichen Verfahren um eine eigene Steuerangelegenheit des Ehemannes handelte. Da § 316 Abs. 2 AO nur die Erstattung von Kosten für die Zuziehung eines Bevollmächtigten vorsieht, kann in Verfahren vor den Finanzgerichten ein Rechtsanwalt, der seine eigene Steuerangelegenheit mit Erfolg wahrnimmt, eine Erstattung von Gebühren vom Finanzamt nach der genannten Vorschrift nicht verlangen (vgl. Urteil des erkennenden Senats II 27/55 S vom 10. August 1955 - Slg. Bd. 61 S. 204, BStBl 1955 III S. 276 -).

Da die Eheleute unstreitig auf Grund vertraglicher Regelung in Gütertrennung leben und bei diesem Güterstand ein Verwaltungsrecht des Ehemannes - anders als bei dem früheren gesetzlichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung - hinsichtlich des Vermögens der Ehefrau nicht gegeben ist, wird auch die Wahrnehmung der steuerlichen Interessen der beschwerdeführenden Ehefrau in einem ihr Vermögen betreffenden finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich als eine für den Ehemann im Rechtssinne "fremde" (nicht "eigene") Angelegenheit anzusehen sein. Daran wird auch dadurch nichts geändert, daß durch den im Streitfall vor dem Finanzgericht angefochtenen Zurechnungsbescheid auch die Interessen des Ehemannes als des früheren Eigentümers des Grundstücks berührt wurden (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs III 41/56 S vom 27. April 1956 - Slg. Bd. 63 S. 21 ff., 25, BStBl 1956 III S. 203 ff., 205 unter II, Abs. 1 -). Die Erstattung kann daher nicht aus den Gründen des angeführten Urteils II 27/55 S vom 10. August 1955 versagt werden. Etwas anderes gilt auch nicht, wenn, unbeschadet vereinbarter oder kraft Gesetzes geltender Gütertrennung, eine Ehefrau ihrem Ehemann, der Rechtsanwalt ist, die Verwaltung ihres Vermögens ganz oder teilweise übertragen hat. Denn er ist insoweit grundsätzlich Verwalter "fremden" Vermögens und im Rechtssinn an die "Weisungen" seiner Ehefrau gebunden (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 16. Aufl. 1957, Vorbemerkung und Anmerkung 2 zu § 1430 BGB bisheriger Fassung).

Gleichwohl kann im Streitfall ein Erstattungsanspruch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, weil, wie auch das Finanzgericht im Ergebnis zutreffend dargelegt hat, der Geltendmachung des Gebührenanspruchs durch den Ehemann der Bfin. die Bestimmung des § 1353 BGB entgegensteht. Nach dieser Vorschrift sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Daraus folgt eine gegenseitige Beistandspflicht, wie sie dem Wesen der Ehe entspricht. Unter "ehelicher Lebensgemeinschaft" wird dabei der gesamte Inhalt der persönlichen Verhältnisse der Ehegatten zueinander verstanden, wie er sich aus dem sittlichen Wesen der Ehe ergibt (vgl. Palandt a. a. O., Anmerkung 2 zu § 1353 BGB). Das sittliche Wesen der Ehe beherrscht alle Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander, persönliche wie vermögensrechtliche (so ausdrücklich Palandt a. a. O., Einführung vor § 1353, Anmerkung 1, ferner Soergel, Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 1955, Anmerkung 1 zu § 1353 am Ende mit weiteren Zitaten). Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit sich aus dieser danach bestehenden Beistandspflicht auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten eine grundsätzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts ergibt, unbeschadet vereinbarter oder kraft Gesetzes bestehender Gütertrennung unentgeltlich in Vermögensangelegenheiten seiner Ehefrau betreffenden Steuerrechtsstreitigkeiten für sie tätig zu sein, so daß, wie das Finanzgericht meint, Ausnahmen von diesem Grundsatz einer ausdrücklichen vorherigen Vereinbarung bedürften, wie sie im Streitfall nicht dargetan ist. Die Ansicht des Finanzgerichts, daß im allgemeinen die Geltendmachung von Gebührenansprüchen durch einen Rechtsanwalt gegen seine eigene Ehefrau nach der Lebenserfahrung nicht üblich sei, wird jedenfalls bei solchen steuerlichen Rechtsstreitigkeiten, die keinen besonderen Zeitaufwand erfordern, nicht zu beanstanden sein. Es liegt insoweit ähnlich wie bei einem Arzt, der in der Regel auch seine vermögende Ehefrau entsprechend dem sittlichen Wesen der Ehe unentgeltlich behandeln muß und wird. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß Fälle denkbar sind, in denen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Hinblick auf die entstehende große zeitliche Inanspruchnahme des die Ehefrau als Rechtsanwalt in Steuerrechtsstreitigkeiten vertretenden Ehemannes die Geltendmachung von Gebührenansprüchen gegen die Ehefrau zulässig erscheint, soweit die Hilfeleistung des Ehemannes über den Rahmen des § 1353 BGB hinausgeht.

Für den Streitfall bedarf es keiner abschließenden Beurteilung dieser Fragen. Denn hier ist nach den gegebenen besonderen Umständen die Geltendmachung der geringfügigen Gebührenansprüche mit der gekennzeichneten Beistandspflicht nicht vereinbar. Dabei ist auch entscheidend zu berücksichtigen, daß der Ehemann der Bfin. durch seine eigenen Maßnahmen, die das vorher ihm gehörige, von seiner Mutter ererbte Grundstück betrafen, (die Bestellung einer Darlehnshypothek von 30.000 DM bei einem Einheitswert von 4.300 DM, die Einräumung der Vormerkung und die unmittelbar anschließende Eigentumsaufgabe) die Voraussetzung dafür geschaffen hat, daß das Finanzamt das Grundstück der Bfin. wirtschaftlich zurechnen zu müssen glaubte. Es würde dem sittlichen Wesen der Ehe widersprechen, wenn der Ehemann der Bfin. unter diesen Umständen gegen sie Gebührenansprüche geltend machen dürfte. Damit entfällt aber auch die Erstattungspflicht des Finanzamts, da nur solche Gebühren erstattungsfähig sind, auf deren Zahlung ein Rechtsanspruch besteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408922

BStBl III 1958, 18

BFHE 1958, 47

BFHE 66, 47

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