Leitsatz (amtlich)

Hat ein Arbeitnehmer durch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses eine ihm zugesagte Altersversorgung verloren, aber auf Grund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag als Entschädigung einen Betrag in Höhe der bis dahin gebildeten Pensionsrückstellung ausgezahlt erhalten, so finden §§ 24 Nr. 1 a, 34 Abs. 1 und 2 EStG Anwendung. Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 9 EStG i. V. m. §§ 7 und 8 KSchG kann nicht gewährt werden.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 9; KSchG §§ 7-8; EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Geschäftsführer der Firma A. Alleininhaberin dieses Unternehmens war seine Ehefrau. Nach Scheidung der Ehe wurde das Anstellungsverhältnis des Klägers zum 1. Oktober 1967 gekündigt. Auf seine Klage entschied das Arbeitsgericht, daß das Anstellungsverhältnis des Klägers erst zum 31. März 1968 beendet werde. Die Firma wurde zur Nachzahlung der inzwischen fällig gewordenen Monatsgehälter von 3 500 DM verurteilt. Neben den Gehaltszahlungen für Februar und März 1968 erhielt der Kläger auch noch das Weihnachtsgeld für 1967 in Höhe von 1 750 DM sowie eine Abfindung wegen der ihm erteilten Pensionszusage in Höhe der bis zum 31. März 1968 gebildeten Rückstellung von 26 106 DM.

Dem Begehren des Klägers, bei der Einkommensteuerveranlagung für 1968 die Entschädigung für die Pensionszusage nach § 3 Nr. 9 EStG von der Steuer freizustellen, weil es sich hier um eine steuerfreie Abfindung nach §§ 7 und 8 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) gehandelt habe, entsprach der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (FA) nicht.

Die Klage, mit der der Kläger beantragte, die Entschädigung wegen sozial ungerechtfertigter Kündigung steuerfrei zu stellen, hatte zum Teil Erfolg.

Hinsichtlich der für die Pensionsabfindung begehrten Steuerbefreiung entschied das FG, daß die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG nicht vorlägen, dem Kläger jedoch hierfür die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG zu gewähren sei. Die Anwendbarkeit der maßgeblichen §§ 7 und 8 KSchG scheitere daran, daß der Kläger auf Grund der ihm erteilten Pensionszusage einen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung der Pensionsabfindung besessen habe. Eine solche bereits im Anstellungsvertrag vereinbarte Zahlung könne nicht einer Abfindung i. S. der §§ 7, 8 KSchG gleichgestellt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Zahlung wie hier nur für den Fall der nicht vom Kläger zu vertretenden Auflösung des Anstellungsverhältnisses geschuldet worden sei. Nach der Rechtsprechung des BFH könnten Zahlungen, mit denen arbeitsvertragliche Ansprüche bis zur Lösung des Arbeitsverhältnisses abgegolten würden, nicht als Abfindung in diesem Sinne anerkannt werden (Urteile vom 28. Juli 1955 IV 26/54 U, BFHE 61, 256, BStBl III 1955, 296; vom 14. April 1967 VI R 304/66, BFHE 88, 459, BStBl III 1967, 431). Voraussetzung sei vielmehr, daß der Arbeitnehmer über die arbeitsvertraglichen Ansprüche hinaus eine Entschädigung erhalten habe, die ihre Grundlage ausschließlich im sozialen Kündigungsschutz hätte. Diese Voraussetzung sei hier aber nicht gegeben. Im Streitfall habe es auch keiner näheren Untersuchung der Frage bedurft, ob die von der Ehefrau des Klägers ausgesprochene außerordentliche Kündigung, die durch das arbeitsgerichtliche Urteil in eine ordentliche Kündigung umgewandelt worden sei, überhaupt noch als sozialwidrig angesehen werden könne, nachdem es der Kläger unterlassen habe, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der dafür vorgesehenen Weise nach § 3 Satz 1 KSchG geltend zu machen.

Hinsichtlich der Steuervergünstigung nach § 34 EStG führte das FG aus, zu den nach dieser Vorschrift begünstigten Einkünften gehörten auch Entschädigungen i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, die als Ersatz für entgehende Einnahmen gewährt würden. Nach der Rechtsprechung des BFH setze der Begriff "Entschädigung" i. S. dieser Bestimmung voraus, daß der Steuerpflichtige unfreiwillig einen Schaden erlitten habe und daß die Entschädigung dem Ausgleich dieses Verlustes diene (so BFH-Urteil vom 20. November 1970 VI R 183/68, BFHE 101, 237, BStBl II 1971, 263). Im Streitfall habe der Kläger seine künftigen Ansprüche aus der ihm zugesagten Altersversorgung ohne sein Zutun verloren, da sein Anstellungsverhältnis von der Arbeitgeberin gekündigt worden sei und ihn nach der vom Betriebsrat zu den Steuerakten gereichten Stellungnahme kein Verschulden an der Kündigung getroffen habe. Der an den Kläger ausgezahlte Pensionsrückstellungsbetrag sei deshalb als Ersatz für den iniolge der Kündigung eingetretenen Verlust der Altersversorgung anzusehen. Dabei sei ohne Bedeutung, daß der Kläger auf Grund der ihm erteilten Pensionszusage bereits einen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung des im Zeitpunkt seines Ausscheidens vorhandenen Rückstellungsbetrages besessen habe; denn dieser Anspruch habe nur für den Fall bestanden, daß der Kläger keinen Anlaß zur Kündigung gegeben hatte. Die Zahlung des streitigen Betrages habe daher nicht den Charakter laufenden Arbeitslohnes getragen. Das FG gewährte deshalb dem Kläger für den Entschädigungsbetrag von 26 106 DM die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG unter Ansatz eines ermäßigten Steuersatzes von 17,91 v. H.

Gegen das Urteil des FG haben der Kläger und das FA innerhalb der Rechtsmittelfrist Revision eingelegt. Der Kläger beantragte, das Urteil des FG aufzuheben und die Pensionsabfindung von der Einkommensteuer freizustellen; hilisweise beantragte er, das Urteil des FG zu bestätigen. Zur Begründung hat er vorgetragen, die im August 1967 ausgesprochene Kündigung sei sozial ungerechtiertigt gewesen. Ihm sei ein Jahr, nachdem er von seiner Frau, mit der er in Gütertrennung gelebt hatte, schuldlos geschieden worden war, ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt worden. Er habe die Rechtsunwirksamkeit der sozial ungerechtfertigten Kündigung nicht beim Arbeitsgericht eingeklagt, da er einen Vergleich mit der Firma angestrebt habe. Dieser Vergleich sei dann am 2. Mai 1969 zustande gekommen und sei nach der Rechtsprechung ebenso anzuerkennen wie ein Arbeitsgerichtsurteil. Er habe beim Arbeitsgericht nur gegen den Kündigungstermin geklagt, der dann auf den 31. März 1968 festgesetzt worden sei. Der Betrag der auf Grund der Pensionszusage gebildeten Rückstellung sei an ihn auszuzahlen gewesen, weil der Grund für die Kündigung nicht in seiner Person gelegen hätte.

Das FA hat beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer wie in der Einspruchsentscheidung festzusetzen. Das FA rügt unrichtige Anwendung der §§ 24 Nr. 1 a, 34 Abs. 2 EStG. Zur Begründung trägt es vor, das Arbeitsgericht habe auf die Klage die außerordentliche Kündigung des Klägers in eine befristete umgewandelt; danach habe das Anstellungsverhältnis zum 31. März 1968 geendet. Nach den Feststellungen des FG habe der Kläger auf Grund der ihm erteilten Pensionszusage einen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung einer Pensionsabfindung in Höhe der Pensionsrückstellung gehabt für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Das FG habe in der Pensionsabfindung eine nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigte Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 a EStG gesehen und dies damit begründet, daß der Kläger mit dem Anstellungsverhältnis auch seinen Pensionsanspruch gegen seinen Willen verloren gehabt habe. Die Entscheidung des FG überzeuge nicht. Die Pensionsabfindung habe keinen Ersatz für entgangene Einnahmen dargestellt, weil die Abfindung selbst die vertraglich vereinbarte Leistung verkörpert habe. Entgegen der Auffassung des FG sei dabei unbeachtlich, daß der Abfindungsanspruch des Klägers nur für den Fall bestanden habe, daß er keinen Anlaß zur Kündigung gegeben hätte. Denn ein solcher Sachverhalt habe hier nicht vorgelegen. Für den Fall des hier eingetretenen Geschehensablaufs hätten die Beteiligten von vornherein eine Pensionsabfindung in Höhe des jeweiligen Rückstellungsbetrages vereinbart. Diese Vereinbarung sei durch die Abfindungszahlung erfüllt worden. Der Kläger habe das erhalten, was im Vertrag zugesagt worden sei. Auf das BFH-Urteil vom 19. Februar 1965 IV 94/63 (HFR 1965, 406) werde Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Beiden Revisionen mußte der Erfolg versagt bleiben.

1. Revision des Klägers.

Die Vorentscheidung ist, soweit sie die Steuerfreiheit der ausgezahlten Pensionsabfindung versagt hat, weil die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG, §§ 7, 8 KSchG nicht vorlägen, frei von Rechtsirrtum. Das FG hat zutreffend angenommen, daß das Kündigungsschutzgesetz auf den Kläger zwar anwendbar sei, weil er nicht zu den leitenden Angestellten mit selbständiger Einstellungsbefugnis von Personal gehört habe. Es hat aber seine Entscheidung in diesem Punkt mit Recht darauf gestützt, daß der Kläger keine Abfindung erhalten hat, die ihre Grundlage allein im sozialen Kündigungsschutz hatte. Das FG ist dabei ohne Rechtsirrtum von der Rechtsprechung des BFH ausgegangen (Urteile IV 26/54 und VI R 304/66), daß Zahlungen, mit denen arbeitsvertragliche Ansprüche abgegolten wurden, die bereits vor der Lösung des Arbeitsverhältnisses entstanden waren, keine Abfindung i. S. der §§ 7, 8 KSchG sind. Voraussetzung für die Auszahlung der Pensionsabfindung war nach dem Arbeitsvertrag ausschließlich, daß der Kläger die Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zu vertreten gehabt hätte, was unstreitig ist. Der Kläger hätte mithin allein auf dieser Rechtsgrundlage die vertraglich vereinbarte Abfindung einklagen können. Es hätte hierzu keiner Prüfung der Voraussetzungen der §§ 7, 8 KSchG bedurft. Die Auszahlung ist auch unabhängig von dem späteren Vergleich vom 2. Mai 1969 erfolgt.

2. Revision des FA.

Soweit das FG dem Kläger die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG gewährt hat, entspricht das Urteil den vom Senat insbesondere im Urteil vom 9. August 1974 VI R 142/72 (BFHE 113, 239, BStBl II 1974, 714) dargelegten Rechtsgrundsätzen. Es ist entscheidungserheblich, daß dem Kläger rechtswirksam gekündigt worden ist und die Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht. Daß ihm gekündigt wurde, beweist insbesondere die Tatsache, daß erst mit Hilfe des Arbeitsgerichts die außerordentliche Kündigung zum 1. Oktober 1967 in eine ordentliche Kündigung zum 31. März 1968 umgewandelt wurde. Demgemäß wurde auch die Rückstellung für die Pensionsabfindung auf den 31. März 1968 berechnet.

Mit der Auszahlung der Pensionsabfindung hat der Kläger auch nicht etwas erhalten, was ihm nach seinem Arbeitsvertrag bereits zugestanden hätte. Zutreffend hat das FG in seinem Urteil entschieden, daß der Kläger die ihm vertraglich zugesagten Pensionsansprüche ohne sein Zutun durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses verloren hat. Für diesen Verlust ist der Kläger entschädigt worden. Es kann nicht entscheidend darauf ankommen, daß die dem Kläger für den Verlust seiner späteren Pensionsansprüche infolge einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu leistende Entschädigung bereits beim Abschluß des Arbeitsvertrages festgelegt worden war. Ohne die vom Kläger nicht zu vertretende Kündigung hätte er nach Eintritt in den Ruhestand laufende Pensionszahlungen erhalten. Für den Verlust dieser Ansprüche ist der Kläger entschädigt worden. Die Auszahlung dieser Abfindung stellt auch eine außerordentliche Einkunft i. S. des § 34 Abs. 1 EStG dar, weil sonst laufend zu gewährende Zahlungen in eine Entschädigungszahlung zusammengedrängt worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71671

BStBl II 1976, 38

BFHE 1976, 40

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