Leitsatz (amtlich)

Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz gebietet nicht, den Begriff der mittelbaren Beteiligung i. S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG restriktiv dahin auszulegen, daß er nur Beteiligungen über eine andere Kapitalgesellschaft erfaßt, die der Veräußerer seinerseits, z. B. aufgrund einer Beteiligung zu mehr als der Hälfte, beherrscht (Anschluß an das BFH-Urteil vom 28. Juni 1978 I R 90/76, BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590).

 

Normenkette

EStG § 17; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die X-AG hatte ein Grundkapital von 500 000 DM. Daran waren u. a. beteiligt

a) die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit Aktien im Privatvermögen im Nennwert von 13 600 DM (= 2,72 v. H.),

b) die Erbengemeinschaft Nachlaß CB mit Aktien im Nennwert von 68 000 DM (= 13,6 v. H.),

c) die Kommanditgesellschaft Firma X & Co. KG (im folgenden KG) mit Aktien im Nennwert von 313 600 DM (= 62,72 v. H.) und

d) die Y-AG mit Aktien im Nennwert von 64 000 DM (= 12,8 v. H.).

Die Klägerin war ihrerseits (außer direkt an der X-AG mit 2,72 v. H.) beteiligt

a) am Nachlaß CB mit 25 v. H.,

b) an der KG mit 15 v. H. und

c) an der Y-AG mit Aktien im Privatvermögen im Nennwert von 240 000 DM (= 30 v. H. des Grundkapitals der Y-AG von 800 000 DM).

Zum Nachlaß CB gehörte - außer den erwähnten Aktien der X-AG im Nennwert von 68 000 DM - eine Beteiligung an der KG mit 40 v. H. und Aktien der Y-AG im Nennwert von 240 000 DM (= 30 v. H. des Grundkapitals).

Im Jahre 1964 wurden sämtliche Aktien der X-AG, die sich im Besitz der Klägerin, des Nachlasses CB und der KG befanden, an die Firma Z veräußert.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat bei der Einkommensteuerveranlagung 1964 (Bescheid vom 17. Februar 1966) die Auffassung, daß der Klägerin einkommensteuerrechtlich eine Veräußerung von Aktien der X-AG im Nennwert von zusammen 109 000 DM persönlich zuzurechnen sei, und zwar

a) 13 600 DM (= direkter Besitz der Klägerin = 2,72 v. H. des Grundkapitals),

b) 17 000 DM (= 25 v. H. der Aktien des Nachlasses CB von 68 000 DM = 25 v. H. von 13,6 v. H. = 3,4 v. H.),

c) 47 040 DM (= 50 v. H. der Aktien der KG von 313 600 DM = 15 v. H. von 62,72 v. H. = 9,408 v. H.) und

d) 31 360 DM (= 25 v. H. der Beteiligung von 40 v. H. des Nachlasses CB an der KG und damit an Aktien der KG von 313 600 DM = 25 v. H. von 40 v. H. von 62,72 v. H. = 6,272 v. H.).

Der hieraus erzielte (unstreitige) Gewinn von 124 098 DM sei gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensteuerpflichtig. Die Klägerin sei an der X-AG in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung teils unmittelbar, teils mittelbar zu mehr als 25 v. H. beteiligt gewesen. Die veräußerten Aktien im Nennwert von zusammen 109 000 DM beliefen sich zwar nur auf 21,8 v. H. des Grundkapitals der X-AG. Die gesamte Beteiligung habe jedoch 26,6 v. H. betragen. Denn den veräußerten Aktien sei die mittelbare Beteiligung der Klägerin an der X-AG über die Y-AG hinzuzurechnen, nämlich

a) 30 v. H. von 12,8 v. H. (direkte Beteiligung der Klägerin an der Y-AG; direkte Beteiligung der Y-AG an der X-AG) = 3,84 v. H. und

b) 25 v. H. von 30 v. H. von 12,8 v. H. (25prozentige Beteiligung der Klägerin am Nachlaß CB; 30prozentige Beteiligung des Nachlasses CB an der Y-AG; 12,8prozentige Beteiligung der Y-AG an der X-AG) = 0,96 v. H.

Den Einspruch wies das FA zurück.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, bei verfassungskonformer Auslegung des § 17 EStG könne eine mittelbare Beteiligung über eine andere Kapitalgesellschaft die Steuerpflicht nach § 17 EStG nur begründen, wenn der Steuerpflichtige die Kapitalgesellschaft, die die Beteiligung vermittle, beherrsche, z. B. weil er daran zu mehr als 25 v. H. beteiligt sei. Im Streitfall habe die Klägerin die Y-AG mit ihrer 30prozentigen Beteiligung nicht beherrscht; ihre mittelbare Beteiligung an der X-AG über die Y-AG müsse deshalb außer Betracht bleiben.

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 18 (EFG 1978, 18) veröffentlicht.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA rügt eine Verletzung des § 17 Abs. 1 EStG 1965. Es vertritt die Auffassung, daß für den Begriff der "mittelbaren Beteiligung" über eine andere Kapitalgesellschaft die rein rechnerische - kapitalmäßige - Beteiligung ausreiche und entgegen der Ansicht des FG nicht hinzukommen müsse, daß der Anteilseigner die andere Kapitalgesellschaft beherrsche.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Klägerin war an der X-AG in den letzten fünf Jahren vor der Veräußerung der Aktien insgesamt teils unmittelbar, teils mittelbar zu mehr als einem Viertel beteiligt. Denn entgegen der Auffassung der Vorentscheidung kann bei der Prüfung der Frage, ob die Klägerin zu mehr als einem Viertel beteiligt war, die mittelbare Beteiligung der Klägerin an der X-AG über die Y-AG nicht außer Betracht bleiben.

1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG 1965 gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn (oder Verlust) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und die innerhalb eines Veranlagungszeitraums veräußerten Anteile 1 v. H. des Kapitals der Gesellschaft übersteigen. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 1965 ist eine wesentliche Beteiligung gegeben, "wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war".

Die Steuerpflicht erfaßt nach § 17 EStG nur Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung der dem Veräußerer selbst zuzurechnenden Anteile, also "unmittelbarer" Anteile; lediglich bei Prüfung der Frage, ob der Veräußerer an der Kapitalgesellschaft, deren Anteile (unmittelbare Beteiligung) er veräußert hat, wesentlich, also zu mehr als einem Viertel beteiligt war, ist nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine mittelbare Beteiligung des Veräußerers zu berücksichtigen, und zwar in der Weise, daß die mittelbare Beteiligung der unmittelbaren Beteiligung hinzugerechnet wird. Eine mittelbare Beteiligung liegt insbesondere dann vor, wenn der Veräußerer der Anteile, deren Veräußerung in Frage steht, an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, zu deren Vermögen wiederum Anteile an der Kapitalgesellschaft gehören, deren Anteile der Veräußerer veräußert hat.

Der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 28. Juni 1978 I R 90/76 (BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590) zu der längere Zeit umstrittenen und auch für den Streitfall maßgeblichen Rechtsfrage Stellung genommen, ob der Begriff der mittelbaren Beteiligung (als Teil der insgesamt wesentlichen Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 EStG) rein kapitalmäßig zu sehen ist oder ob, wie die Vorentscheidung annimmt, ein beherrschender Einfluß auf die Kapitalgesellschaft gegeben sein muß, die die mittelbare Beteiligung vermittelt. Der I. Senat ist zu dem Ergebnis gekommen, daß § 17 EStG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und nach dem systematischen Zusammenhang, in dem die Norm steht, dahin verstanden werden muß, daß eine mittelbare Beteiligung auch gegeben ist, wenn kein beherrschender Einfluß auf die Kapitalgesellschaft besteht, die ihrerseits Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft besitzt.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Diese Auslegung des § 17 EStG wird bestätigt durch die zwischenzeitlich (ab 1. Januar 1977) in Kraft getretene Vorschrift des § 36a EStG, die zwischen einem "Anteilseigner mit beherrschendem Einfluß" und einem "wesentlich beteiligten Anteilseigner ohne beherrschenden Einfluß" unterscheidet und damit deutlich macht, daß das Gesetz von einem Begriff der wesentlichen Beteiligung ausgeht, für den der beherrschende Einfluß nicht entscheidend ist, und zwar nicht einmal in dem Sinne, daß er gesetzliches Leitbild ist und typisierend als regelmäßig gegeben unterstellt wird. Tatsächlich ist es auch nicht so, daß eine Beteiligung zu mehr als einem Viertel stets einen beherrschenden Einfluß gewährleistet und eine Beteiligung von nicht mehr als einem Viertel diesen ausschließt. Wenn aber die "Steuerbefangenheit" von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unabhängig davon ist, ob und in welchem Umfange die Anteile im Einzelfalle Einfluß auf die Kapitalgesellschaft vermitteln, so kann auch die Auslegung des Begriffs der mittelbaren Beteiligung nicht davon abhängen, ob der Veräußerer auf die Kapitalgesellschaft, die die Beteiligung vermittelt, seinerseits einen beherrschenden Einfluß hat. Die für das FG möglicherweise tragende Vorstellung, daß eine mittelbare Beteiligung einer unmittelbaren nur dann gleichartig sei, wenn die Kapitalgesellschaft, die die Beteiligung vermittelt, beherrscht wird, weil nur in diesem Falle durch die Kapitalgesellschaft hindurchgegriffen werden könne, hat im Gesetz in dieser Form keinen Niederschlag gefunden. Entsprechendes gilt für die theoretisch vorstellbare weitere - im Streitfall aber nicht entscheidungserhebliche - Einschränkung, daß nur unmittelbare Beteiligungen zu mehr als einem Viertel geeignet sind, eine mittelbare Beteiligung zu vermitteln.

Für das vorstehend entwickelte Gesetzesverständnis spricht auch, daß, wie der BFH mehrfach entschieden hat (z. B. Urteil vom 5. Oktober 1976 VIII R 38/72, BFHE 120, 471, BStBl II 1977, 198), für die Annahme einer (unmittelbaren) wesentlichen Beteiligung des Veräußerers bereits eine Beteiligung ausreicht, die nur kurzfristig bestanden hat und wegen dieser Kurzfristigkeit dem Inhaber in aller Regel keinen Einfluß auf die Gesellschaft vermitteln konnte. Wäre das Gesetz dahin zu verstehen, daß mittelbare Beteiligungen nur zu berücksichtigen sind, soweit der Veräußerer die Kapitalgesellschaft, die die Beteiligung vermittelt, beherrscht und demgemäß die Gesellschaftsrechte aus dem Anteilsbesitz der vermittelnden Kapitalgesellschaft indirekt wie Rechte aus eigenen Anteilen ausüben kann, so wäre es naheliegend, auch (unmittelbare oder mittelbare) Beteiligungen, die wegen ihres kurzfristigen Bestandes keinen Einfluß auf die Kapitalgesellschaft vermitteln, an der sie bestehen, außer Betracht zu lassen. Denn auch eine unmittelbare Beteiligung, die nur kurzfristig besteht, ist einer gleich hohen unmittelbaren langfristigen Beteiligung nicht in jeder Hinsicht gleichartig, so wie eine mittelbare Beteiligung über eine beherrschte Kapitalgesellschaft und eine mittelbare Beteiligung über eine nichtbeherrschte Kapitalgesellschaft nicht in jeder Hinsicht gleichartig sind, gleichwohl aber gleichbehandelt werden.

2. Entgegen der Annahme der Vorentscheidung zwingen auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte nicht dazu, das Gesetz dahin auszulegen, daß eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer nicht beherrscht, keine mittelbare Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 1965 sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es ist verfassungsrechtlich nicht nachzuprüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat. Das gesetzgeberische Ermessen findet seine Grenze erst im Willkürverbot. Dabei hat grundsätzlich der Gesetzgeber zu entscheiden, welche Elemente der zur ordnenden Lebensverhältnisse maßgebend dafür sind, ob sie im Vergleich zu Lebensverhältnissen, die nicht in allen, aber in einzelnen Elementen gleich sind, rechtlich gleich oder ungleich zu behandeln sind (BVerfGE 26, 302/310; 27, 111/127; 29, 327/335; 29, 402/411).

Hieraus folgt, daß die vom FG für richtig gehaltene Auslegung des § 17 EStG nur dann verfassungsrechtlich geboten wäre, wenn eine gesetzliche Regelung, derzufolge der Begriff der mittelbaren Beteiligung kapitalmäßig zu verstehen ist und damit auch Beteiligungen über eine Kapitalgesellschaft erfaßt, die der Veräußerer nicht beherrscht, als willkürlich zu werten wäre. Dies trifft nicht zu. Zwar hebt die Vorentscheidung zu Recht hervor, daß das BVerfG in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des § 17 EStG (BVerfGE 27, 111/128) in der "Nähe" einer Beteiligung zur Geschäftsführung der Gesellschaft "bereits" einen ausreichenden Grund gesehen hat, eine Beteiligung zu mehr als einem Viertel einkommensteuerrechtlich anders zu behandeln als eine Beteiligung zu nicht mehr als einem Viertel. Daraus folgt aber noch nicht, daß eine gesetzliche Regelung, die auch Beteiligungen erfaßt, die im Einzelfalle keine "Nähe" zur Geschäftsführung der Gesellschaft vermitteln, willkürlich ist. Dies gilt schon deshalb, weil bei einer gesetzlichen Regelung, die abzugrenzen hat, welche Anteile an Kapitalgesellschaften "steuerbefangen" sind, auch Gesichtspunkte der Berechenbarkeit der Rechtslage im Einzelfall und der Praktikabilität zu berücksichtigen sind.

Schließlich darf im Rahmen der Prüfung, ob verfassungsrechtliche Gesichtspunkte die vom FG für richtig befundene restriktive Auslegung des Begriffs der mittelbaren Beteiligung geboten erscheinen lassen, nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich diese restriktive Auslegung im Einzelfalle auch als nachteilig für die Steuerpflichtigen erweisen kann, dann nämlich, wenn das in dem Anteil an einer Kapitalgesellschaft investierte Kapital z. B. durch Konkurs der Gesellschaft verlorengeht. Denn derartige private Vermögensverluste sind nur zu berücksichtigen, soweit es sich um eine wesentliche Beteiligung handelt und demgemäß § 17 EStG eingreift.

3. Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Zu Recht ist das FA im angefochtenen Einkommensteuerbescheid davon ausgegangen, daß die Klägerin insgesamt zu mehr als einem Viertel an der X-AG beteiligt war. Zutreffend hat das FA in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 7. April 1976 I R 75/73 (BFHE 119, 146, BStBl II 1976, 557) die im Nachlaß CB und im Gesellschaftsvermögen der KG befindlichen Aktien hierbei anteilig der Klägerin zugerechnet. Dabei kann der Senat offenlassen, ob die KG Betriebsvermögen hatte und ob die Grundsätze des zitierten BFH-Urteils auch auf Personengesellschaften anzuwenden sind, deren Gesellschaftsvermögen einkommensteuerrechtlich den Charakter von Betriebsvermögen hat. Selbst wenn letzteres zu verneinen sein sollte und im Streitfall die KG Betriebsvermögen gehabt haben sollte, würde dies das Ergebnis nicht in Frage stellen, weil dann die Beteiligung über die KG als mittelbare Beteiligung zu berücksichtigen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73612

BStBl II 1980, 646

BFHE 1981, 49

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