Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vereinigung von Hoheitsbetrieben mit Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts ist grundsätzlich nicht mit steuerlicher Wirkung anzuerkennen. An der gegenteiligen bisherigen Rechtsprechung wird nicht festgehalten. 2. Es bestehen keine Bedenken, daß mehrere organisatorisch zusammengefaßte Versorgungsbetriebe einer Körperschaft des öffentlichen Rechts steuerlich als ein Betrieb behandelt werden.

 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 6; KStDV §§ 1-2, 4

 

Tatbestand

Die Strom- und die Wasserversorgung der Stadt A (Bfin.) waren seit Jahren in den Stadtwerken zusammengefaßt, die als einheitlicher Betrieb gewerblicher Art zur Körperschaftsteuer herangezogen wurden (§ 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG). Das Kanalwerk der Stadt wurde im Rahmen der Stadtverwaltung (des Stadtbauamts) als Hoheitsbetrieb geführt und unterlag als solcher nicht der Körperschaftsteuer (§ 4 KStDV).

Im Streitjahr 1956 wurden durch änderung der Betriebssatzung der Stadtwerke die Elektrizitäts- und Wasserversorgung sowie die Abwasserbeseitigung als gesonderter Eigenbetrieb zusammengefaßt. Die änderung trat im Jahre 1956 in Kraft, die Gebührensatzung erst am 1. Januar 1958.

Die Betriebsprüfung verneinte im Streitfall das Vorhandensein jenes inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs, an den die Rechtsprechung die steuerliche Anerkennung der Zusammenfassung von Versorgungsbetrieben mit Hoheitsbetrieben knüpft (Urteil des Reichsfinanzhofs I 433/39 vom 19. Juni 1940, RStBl 1941 S. 34; Urteile des Bundesfinanzhofs I 131/53 U vom 10. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 210, Slg. Bd. 61 S. 32, und I 317/55 U vom 20. März 1956, BStBl 1956 III S. 166, Slg. Bd. 62 S. 448). Das Finanzamt versagte hiernach bei Körperschaftsteuerveranlagung der Stadtwerke für 1956 dem bei dem Kanalbetrieb entstandenen Verlust die Berücksichtigung.

Nach Zurückweisung der Sprungberufung als unbegründet rügt die Rb. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Der von der Rechtsprechung angestellte Vergleich zwischen den Betrieben öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Privatbetrieben und die Forderung eines engen inneren Zusammenhangs zwischen den zusammengefaßten Betrieben der öffentlichen Körperschaften seien unberechtigt, weil bei den Betrieben der öffentlichen Hand die Gewinnerzielung zurücktrete. Sie dürften nicht schlechter behandelt werden als die Kapitalgesellschaften, bei denen die Organschaft steuerlich anerkannt werde. Der Steuerersparnis stehe der Wegfall der Steuerfreiheit des Kanalbetriebs gegenüber. Auch aus den Sonderabschreibungen nach § 79 EStDV - mit denen nach den Berufungsausführungen in den Jahren 1956 und 1957 Kanalinvestitionen von über 800 000 DM finanziert wurden - könne nicht auf die überwiegende Absicht einer Steuerersparnis geschlossen werden. Der wirtschaftliche Zusammenhang des Betriebes beruhe auf sachlichen Beziehungen und sei zwangsläufig, umfangreich und nachhaltig. Darüber hinaus sprächen Zweckmäßigkeitsgründe für die Zusammenfassung der Planung, der Verlegung und Unterhaltung der Netze, der Wartung, des Bereitschaftsdienstes und der sanitären überwachung; der Filterbetrieb beim Wasserwerk und die Kläranlagen des Kanalwerks hätten viele technische Einrichtungen gemeinsam.

Der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen gelangte in seiner Stellungnahme, auf deren Einzelheiten noch zurückzukommen ist, zu dem Ergebnis, daß die hoheitliche Tätigkeit einer Gemeinde steuerlich nicht mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammengefaßt werden könne.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vertrat in ihrer Stellungnahme die Auffassung, die Vereinigung von Hoheitsbetrieben mit Betrieben gewerblicher Art sei steuerlich anzuerkennen; dies ergebe sich aus § 4 KStDV. Der Wettbewerbsgedanke dürfe die Organisationsfreiheit der öffentlich- rechtlichen Körperschaften nicht einschränken. Der Hinweis, daß die Hoheitsbetriebe Verlustbetriebe seien, sei unzulässig, weil dabei die Anerkennung der Zusammenfassung vom steuerlichen Ergebnis abhängig gemacht werde, und unzutreffend, weil auch die Hoheitsbetriebe nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen seien. Eine Schlechterstellung gegenüber den Kapitalgesellschaften, bei denen die einheitliche Rechtsform die verschiedensten Betätigungen decke, sei nicht vertretbar.

Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. führte in seiner Stellungnahme im wesentlichen aus: Die Auffassung, daß der einzelne Betriebszweig als Betrieb gewerblicher Art und Steuersubjekt anzusehen sei, stehe in Widerspruch mit der Forderung, daß der Betrieb gewerblicher Art organisatorisch verselbständigt sein müsse. Bei den Querverbundbetrieben der kommunalen Wirtschaft bestehe real kein Einzelbetrieb mehr. Für den Fall der Eingliederung von Hoheitsbetrieben, zu denen nach § 4 KStDV eindeutig auch die Kanalwerke gehörten, in Betriebe gewerblicher Art müsse die Rechtsprechung Grundsätze festlegen. Grundsätzlich komme es darauf an, ob im Einzelfall der enge innere wirtschaftliche Zusammenhang gegeben sei. Ein Verlust des Hoheitsbetriebes sei beim Gesamtbetrieb zu berücksichtigen, wenn das hoheitliche Moment im Gesamtbild des Unternehmens nur noch untergeordnete Bedeutung habe.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. der Stadt muß der Erfolg versagt werden.

Es kann zunächst der Auffassung der Bfin. nicht gefolgt werden, daß die Zusammenfassung des Kanalbetriebes mit den Stadtwerken (das Aufgehen des Kanalwerks im Wasserwerk) schon deshalb steuerlich anzuerkennen sei, weil die Abwässerbeseitigung wegen des natürlichen Kreislaufs des Wassers nur die Kehrseite der Wasserversorgung darstelle. Zutreffend hat das Finanzgericht ausgeführt, daß sich die Maßnahmen zur Reinhaltung des Wassers nicht auf die Abwässerbeseitigung beschränken und daß diese nicht allein der Reinhaltung des Wassers dient. Wasserversorgung und Entwässerung sind hiernach keine einheitliche Betätigung. Im übrigen hat der Verordnungsgeber in § 4 KStDV ausdrücklich festgelegt, daß die Anstalten zur Abführung von Abwässern zu den Hoheitsbetrieben gehören. Demgemäß geht es hier um die Frage der steuerlichen Zusammenfassung eines Hoheitsbetriebes mit Betrieben gewerblicher Art (Versorgungsbetrieben).

Die Rechtsprechung hat bisher die steuerliche Anerkennung einer solchen Zusammenfassung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie hat sie aber, ebenso wie die Anerkennung der Vereinigung mehrerer Betriebe gewerblicher Art, an die Voraussetzung geknüpft, daß zwischen den Betrieben ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (Urteile des Bundesfinanzhofs I 131/53 U und I 317/55 U). An dieser Rechtsprechung hält der Senat, soweit es sich um die Vereinigung von Hoheitsbetrieben mit Betrieben gewerblicher Art handelt, aus den folgenden Gründen nicht mehr fest.

Hoheitsbetriebe und die Betriebe gewerblicher Art sind, wie der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, voneinander grundverschieden. Die Verschiedenheit, die sowohl in der Art der Tätigkeit als auch in der Behandlung durch den Steuergesetzgeber zum Ausdruck kommt, schließt eine steuerliche Zusammenfassung aus; die Lage ist hier eine andere als die bei der Vereinigung gewerblicher Betriebe, bei denen eine grundsätzliche Verschiedenheit in dieser Beziehung nicht gegeben ist. Der in der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vertretenen Auffassung, daß die steuerliche Zulässigkeit der Vereinigung von Hoheitsbetrieben mit Betrieben gewerblicher Art aus § 4 KStDV hervorgehe, kann nicht gefolgt werden. Die genannte Bestimmung hebt allerdings für den Begriff des Hoheitsbetriebes auf das überwiegen der Ausübung der öffentlichen Gewalt über die Betätigung gewerblicher Art ab. Hierbei kann aber nur an Fälle gedacht sein, in denen die beiden Tätigkeiten so ineinandergreifen, daß eine genaue Abgrenzung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wo also die gewerbliche Tätigkeit unlösbar mit der hoheitlichen Tätigkeit verbunden ist, eine Art Nebentätigkeit im Rahmen der einheitlichen Tätigkeit bildet, die ihrem Wesen nach hoheitlich ist. Andernfalls hätte die öffentlich-rechtliche Körperschaft es in der Hand, durch Vereinigung verlustbringender Hoheitsbetriebe mit Betrieben gewerblicher Art die gesetzmäßige Besteuerung dieser Betriebe willkürlich herabzudrücken, was gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der gewerblichen Betriebe, mögen sie Privaten oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften gehören, verstoßen würde (vgl. das Urteil I 317/55 U). Daß es nicht ganz allgemein auf das "überwiegen" ankommt, wird auch dadurch bestätigt, daß § 4 KStDV bei einer Reihe beispielsweise aufgezählter Betriebe (insbesondere auch den Anstalten zur Abführung von Abwässern und Abfällen) unterstellt, daß sie Hoheitsbetriebe sind. Das kann nur bedeuten, daß es bei diesen Betrieben nicht auf das überwiegen der hoheitlichen Tätigkeit ankommt und daß sie durch Vereinigung mit Betätigungen gewerblicher Art (auch wenn diese überwiegen) den Charakter von Hoheitsbetrieben nicht verlieren. Hiernach ist - im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung - grundsätzlich die Vereinigung von Hoheitsbetrieben mit Betrieben gewerblicher Art nicht anzuerkennen; es bedarf dabei nicht der Prüfung eines wirtschaftlichen Zusammenhangs.

Die Anwendung dieser Rechtsauffassung auf den Tatbestand des Streitfalls führt zu der steuerlichen Ablehnung der Zusammenfassung. Durch die von der Bfin. aus Zweckmässigkeits- und Rationalisierungserwägungen vorgenommenen Vereinigungsmaßnahmen ist die Abgrenzung nicht unmöglich geworden, wie aus der Feststellung des Verlusts des Kanalwerks für das Streitjahr zu ersehen ist. Die mehrfach ins Treffen geführte Einheitlichkeit der Verbrauchsgebühr für Wasser und Entwässerung kann dabei schon deswegen keine Rolle spielen, weil diese Gebühr im Streitjahr noch nicht in Kraft stand. Aus diesen Gründen kommt eine Beurteilung der zusammengefaßten Betriebe nach dem überwiegen eines von ihnen nicht in Betracht. Der Kanalbetrieb ist somit steuerlich als selbständiger Hoheitsbetrieb zu behandeln. Er fällt nicht unter die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG.

Es bleibt zu prüfen, ob die Zusammenfassung der beiden Versorgungsbetriebe - des Elektrizitätswerks und des Wasserwerks - zu Recht besteht. Der Senat bejaht dies. Er geht von der ständigen Rechtsprechung aus, nach der die steuerliche Anerkennung der Zusammenfassung mehrerer Betriebe gewerblicher Art einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft den engen inneren wirtschaftlichen Zusammenhang dieser Betriebe zur Voraussetzung hat. Die Rechtsprechung hat zu dem Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs eingehende Ausführungen gemacht und ausgesprochen, daß die Feststellung dieses Zusammenhangs auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung im Einzelfall liegt. Der Bundesminister der Finanzen vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, daß die Anerkennung der Zusammenfassung nicht von dem wirtschaftlichen Zusammenhang der Betriebe, sondern von einer Wesensgleichheit oder Wesensähnlichkeit abhängig gemacht werden sollte. Der Senat vermag sich aber dem Einwand der Bfin. nicht zu verschließen, daß die Abgrenzung dieser Begriffe zu Schwierigkeiten führen würde; da für eine änderung der Rechtsprechung in diesem Punkt hinreichende Gründe nicht ersichtlich sind, hält der Senat an der Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Zusammenhangs fest. Im übrigen schließt er sich aber der Auffassung des Bundesministers der Finanzen an, daß der organisatorischen Zusammenfassung von Versorgungsbetrieben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts die körperschaftsteuerliche Anerkennung nicht versagt werden kann. Der Minister hat diese Auffassung darauf gestützt, daß alle Versorgungsbetriebe einer einheitlichen Aufgabe, nämlich der Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen und lebenswichtigen Gütern zu sozial gerechten und tragbaren Bedingungen, dienen. Es kann dahingestellt bleiben, welche weiteren Gründe in diesen Fällen für die Annahme eines inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Versorgungsbetrieben und für die Anerkennung der Zusammenfassung sprechen. Diese ist von den Behörden der Finanzverwaltung und von der Rechtsprechung stets anerkannt worden, wie der Bundesfinanzhof in dem Urteil I 5/54 U vom 28. Februar 1956 (BStBl 1956 III S. 133, Slg. Bd. 62 S. 361) hervorgehoben hat. Schon der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 20. August 1938, RStBl 1938 S. 801, und die KStR für 1939, RStBl 1940 S. 73, dann die weiteren KStR enthielten - im wesentlichen übereinstimmend - die Anweisung, daß mehrere organisatorisch zusammengefaßte Versorgungsbetriebe einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Körperschaftsteuerveranlagung als ein Betrieb zu behandeln seien. Der Senat hat gegen diese Rechtsauffassung keine Bedenken.

Hiernach ist die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410514

BStBl III 1962, 448

BFHE 1963, 498

BFHE 75, 498

BB 1962, 1070

DB 1962, 1394

DStR 63, 28

StRK, KStG:1 R 43

NWB, F. 4 S.1001 Nr. 2

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