Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach die Finanzverwaltung ihre Rechte als Gläubiger nach dem AnfG durch Duldungsbescheid nach § 191 Abs.1 AO 1977 geltend machen kann.

2. Hat ein Ehegatte von dem anderen Ehegatten (Schuldner) einen Vermögensgegenstand anfechtbar durch unentgeltliche Verfügung erworben, so können die Eheleute nicht durch eine nachträgliche Vereinbarung die unentgeltliche Zuwendung in eine entgeltliche Verfügung umwandeln.

 

Orientierungssatz

1. § 191 Abs. 1 AO 1977 macht die Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid allein davon abhängig, daß eine gesetzliche Verpflichtung zur Duldung besteht. Auf das Motiv einer solchen Verpflichtung stellt das Gesetz nicht ab. § 191 Abs. 1 AO 1977 findet auch dann Anwendung, wenn der Duldungspflichtige --wie der Anfechtungsgegner nach dem AnfG-- eine eigene Verpflichtung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis zu erfüllen hat.

2. Der Begriff der unentgeltlichen Verfügung i.S. der Nrn. 3 und 4 des § 3 Abs. 1 AnfG ist entsprechend dem Zweck dieser Vorschriften auszulegen, der dahin geht, vollstreckbare Rechte von Gläubigern im Hinblick auf ihre Durchsetzung gegen die Folgen unentgeltlicher Vermögensübertragungen möglichst zu schützen. Dem Zweck der Gläubigeranfechtung genügt es, daß der Schuldner aus seinem Vermögen einen Zugriffswert aufopfert, für den kein ausreichender Gegenwert zu leisten ist. Dabei ist weniger die objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung entscheidend als die Frage, ob die Beteiligten den Gegenwert als ausgleichend erachtet haben (vgl. BFH-Rechtsprechung, BGH-Rechtsprechung; Literatur).

3. Die den Ehegatten einander obliegende Verpflichtung zum angemessenen Unterhalt der Familie beizutragen, umfaßt zwar auch die Sorge für den angemessenen Wohnbedarf der Familie. Daraus läßt sich aber keine Pflicht zur Anschaffung oder Mitfinanzierung eines Eigenheims herleiten (vgl. BGH-Rechtsprechung; Literatur). Hier: Duldung der Zwangsvollstreckung nach dem AnfG.

4. Der Erlaß eines Duldungsbescheids stellt eine Ermessensentscheidung dar, die der Begründung bedarf. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn das FA im Duldungsbescheid ausführt, die Vollstreckung in das Vermögen des Steuerschuldners sei ohne Erfolg geblieben (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

AO 1977 § 191 Abs. 1; AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 7 Abs. 1; BGB §§ 1360, 1360a; AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

I. Der Ehemann der Klägerin übertrug am 28.Oktober 1977 einen ihm gehörenden Sparbrief der Stadtsparkasse G über einen Nennbetrag von 55 000 DM auf die Klägerin. Der übertragene Sparbrief sollte zur Sicherung eines von der Klägerin anläßlich des Erwerbs eines Familienheims bei der Volksbank D aufgenommenen Kredits dienen. Im August 1978 gewährte die Klägerin ihrem Ehemann zur Finanzierung einer Existenzgründung aus Bankmitteln der Volksbank D ein Darlehen in Höhe von 25 000 DM. Nach dem Vorbringen der Klägerin und einer im Einspruchsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Eheleute wurde der Klägerin im Zusammenhang mit dieser Darlehensgewährung von ihrem Ehemann der vorstehend erwähnte Sparbrief "übertragen", der aber zur Sicherung der Bankforderungen bei der Volksbank D verblieb.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ am 20.September 1979 gegen die Klägerin einen Duldungsbescheid, durch den er die unentgeltliche Übertragung des Sparbriefes auf die Klägerin gemäß § 3 Abs.1 Nr.4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) anfocht und die gesetzlichen Rückgewähransprüche (Duldung der Zwangsvollstreckung in den Sparbrief, hilfsweise Wertersatz) geltend machte. Die nach erfolglosem Einspruch gegen den Duldungsbescheid erhobene Klage der Klägerin hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) änderte unter Abweisung der Klage im übrigen den Duldungsbescheid dahin ab, daß die Klägerin die Zwangsvollstreckung insoweit dulden müsse, als der Wert des Sparbriefs den Betrag von 25 000 DM übersteigt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit diese der Klage stattgegeben hat, und auch insoweit zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. a) Das FA war befugt, die Klägerin als Empfängerin einer unentgeltlichen Verfügung aus dem Vermögen ihres Ehemannes (Vollstreckungsschuldners) durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen (§ 191 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977-- i.V.m. § 3 Abs.1 Nr.4, § 7 Abs.1 AnfG). Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich die Verpflichtung des Anfechtungsgegners zur Duldung der Zwangsvollstreckung aufgrund des § 7 AnfG unmittelbar aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ergibt, auf dem der Rückgewähranspruch beruht, und das FA diese Verpflichtung durch Duldungsbescheid nach § 191 Abs.1 AO 1977 verfolgen kann (Urteile vom 14.Juli 1981 VII R 49/80, BFHE 133, 501, 503, BStBl II 1981, 751; vom 2.März 1983 VII R 120/82, BFHE 138, 10, 12, BStBl II 1983, 398; vom 31.Mai 1983 VII R 7/81, BFHE 138, 416, 418, BStBl II 1983, 545; vom 8.März 1984 VII R 43/83, BFHE 141, 106, 108, BStBl II 1984, 576, und vom 31.Juli 1984 VII R 151/83, BFHE 142, 99, BStBl II 1985, 31). Gegen die Durchsetzbarkeit der Rechte aus dem AnfG durch die Finanzverwaltung mit Hilfe eines Duldungsbescheids sind in Rechtsprechung und Schrifttum Einwendungen erhoben worden (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 25.September 1984 V 85/83, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1985, 211, im Anschluß Böhle-Stamschräder/Kilger, Anfechtungsgesetz, 7.Aufl., § 9 Anm.IV.4). Der Senat hält trotz dieser Einwendungen an seiner Rechtsprechung fest.

§ 191 Abs.1 AO 1977 ist nicht, wie das Schleswig-Holsteinische FG meint, eine reine Rechtsfolgenregelung, sondern eine --verfassungsrechtlich unbedenkliche-- Spezialregelung, insoweit darin entsprechend dem Wesen des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens die Form der Inanspruchnahme auf Rückgewähr durch Verwaltungsakt anstatt durch Klage oder Einrede geregelt ist (Urteile in BFHE 138, 10, 12, BStBl II 1983, 398, und in BFHE 138, 416, 418, BStBl II 1985, 545; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 12.September 1983 1 BvR 1161, 1162/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Anfechtungsgesetz, § 3, Rechtsspruch 6; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 191 Anm.2 e). Es trifft auch nicht zu, daß aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis --dem Rückgewähranspruch nach § 7 AnfG-- kein steuerliches Duldungsverhältnis hergeleitet werden dürfe, denn es entspricht gerade dem Inhalt des Rückgewähranspruchs, daß der Anfechtungsgegner sich vom Gläubiger so behandeln lassen muß (Duldungs-, nicht Haftungspflicht), als gehöre der weggegebene Gegenstand noch zum Vermögen des Schuldners (Urteil in BFHE 138, 10, 12, BStBl II 1983, 398, und BFH-Beschluß vom 31.Juli 1979 VII B 11/79, BFHE 128, 338, 340, BStBl II 1979, 756). Ferner kann nicht anerkannt werden, daß durch Verwaltungsakt als Duldungspflichtiger nur herangezogen werden könne, wem hinsichtlich der Verwaltung und Nutzung fremden Vermögens bestimmte Befugnisse eingeräumt sind (vgl. § 77 Abs.1 AO 1977). Denn § 191 Abs.1 AO 1977 macht die Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid allein davon abhängig, daß eine gesetzliche Verpflichtung zur Duldung besteht. Auf das Motiv einer solchen Verpflichtung stellt das Gesetz nicht ab. Der Vorschrift kann schließlich auch nicht entnommen werden, daß sie hinsichtlich der Duldungspflicht --wie bei der Haftung-- zwingend an das Einstehenmüssen für fremde Schuld anknüpft. § 191 Abs.1 AO 1977 findet deshalb auch dann Anwendung, wenn der Duldungspflichtige --wie der Anfechtungsgegner nach dem AnfG-- eine eigene Verpflichtung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis (§ 7 AnfG) zu erfüllen hat. Aus der Sicht des Steuergläubigers dient aber der Erlaß eines Duldungsbescheids ebenso wie die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners der Verwirklichung von Steueransprüchen gegen einen Dritten, den Steuer- oder Vollstreckungsschuldner.

b) Das FG hat zutreffend entschieden, daß der angefochtene Duldungsbescheid formell ordnungsgemäß ergangen ist. Die in der Inanspruchnahme der Klägerin liegende Ermessensentscheidung (§ 191 Abs.1 Satz 1 AO 1977) bedurfte der Begründung (vgl. Urteile des Senats vom 3.Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, 3, BStBl II 1981, 493, und in BFHE 138, 416, BStBl II 1983, 545, 548). Diesem Erfordernis ist dadurch genügt, daß das FA im Duldungsbescheid ausgeführt hat, die Vollstreckung in das Vermögen des Steuerschuldners sei ohne Erfolg geblieben (ebenso bereits entschieden im Falle des Urteils in BFHE 138, 416, BStBl II 1983, 545). Der Klägerin war daraus ersichtlich, daß aus der Sicht des FA allein der ihr vom Vollstreckungsschuldner übertragene Sparbrief für eine teilweise Befriedigung der Steuerschulden in Betracht kam.

2. Die Voraussetzungen des Rückgewähranspruchs nach § 7 Abs.1 AnfG, aufgrund dessen die Klägerin die Zwangsvollstreckung in dem Sparbrief zu dulden hat, sind erfüllt, denn dieser Vermögensgegenstand ist durch anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners in das Vermögen der Klägerin gelangt. Wie FA und FG zutreffend erkannt haben, ist im Streitfall der Anfechtungstatbestand des § 3 Abs.1 Nr.4 AnfG gegeben. Nach dieser Vorschrift sind anfechtbar die in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung von dem Schuldner vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen zugunsten seines Ehegatten. Die persönlichen und zeitlichen Voraussetzungen dieser Anfechtungsvorschrift sind erfüllt. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 FGO) ist der streitbefangene Sparbrief bzw. das durch diesen Brief verkörperte Forderungsrecht zwischen den Eheleuten, nämlich vom Ehemann der Klägerin auf die Klägerin, übertragen worden. Diese Verfügung erfolgte, wie festgestellt, am 28.Oktober 1977 und damit innerhalb der Frist von zwei Jahren vor der vom FA mit Duldungsbescheid vom 20.September 1979 geltend gemachten Anfechtung. Die Verfügung erfolgte --jedenfalls am 28.Oktober 1977-- auch unentgeltlich.

Wie der Senat im Urteil vom 8.August 1978 VII R 125/74 (BFHE 125, 500, BStBl II 1978, 663, 666) entschieden hat, ist der Begriff der unentgeltlichen Verfügung i.S. der Nrn.3 und 4 des § 3 Abs.1 AnfG entsprechend dem Zweck dieser Vorschriften auszulegen, der dahin geht, vollstreckbare Rechte von Gläubigern im Hinblick auf ihre Durchsetzung gegen die Folgen unentgeltlicher Vermögensübertragungen möglichst zu schützen. Dem Zweck der Gläubigeranfechtung genügt es, daß der Schuldner aus seinem Vermögen einen Zugriffswert aufopfert, für den kein ausreichender Gegenwert zu leisten ist. Dabei ist weniger die objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung entscheidend als die Frage, ob die Beteiligten den Gegenwert als ausgleichend erachtet haben (BFHE 125, 500, BStBl II 1978, 666; Böhle-Stamschräder/Kilger, a.a.O., § 3 Anm.III.1; Urteil des BGH vom 13.März 1978 VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 62, 64 zu der im wesentlichen gleichlautenden Vorschrift des § 32 der Konkursordnung --KO--). Die Motive und der Erfolg der Zuwendung sind ohne Bedeutung und eine ausdrückliche vertragliche Einigung ist weder für die Verfügung noch über deren Unentgeltlichkeit i.S. des § 3 Abs.1 Nrn.3 und 4 AnfG erforderlich (Böhle-Stamschräder/Kilger, a.a.O., § 3 Anm.III.2 und 3).

Das FG ist ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Übertragung des Sparbriefs vom Ehemann der Klägerin auf die Klägerin im Oktober 1977 --d.h. vor der nachfolgenden Darlehensgewährung durch die Klägerin-- in vollem Umfang unentgeltlich erfolgt ist. Dieser Beurteilung ist zu folgen, da eine Gegenleistung der Klägerin an ihren Ehemann zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen des FG nicht ersichtlich ist. Da es hinsichtlich ihrer Unentgeltlichkeit auf die Beweggründe für die Verfügung und die mit ihr verfolgten Zwecke nicht ankommt, ist es unerheblich, daß die Klägerin den ihr übertragenen Sparbrief dazu verwendet hat, eine von ihr anläßlich des Erwerbs eines Hauses aufgenommene Bankverbindlichkeit zu sichern. Maßgebend ist allein, daß der Sparbrief, wie das FG festgestellt hat, aus dem Vermögen des Ehemannes der Klägerin in das Vermögen der Klägerin übergegangen ist, der Ehemann also zugunsten der Klägerin aus seinem Vermögen einen Zugriffswert aufgeopfert hat, für den er jedenfalls nach den Vorstellungen der Eheleute im Oktober 1977 keinen Gegenwert erhalten sollte.

Nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz war der Ehemann der Klägerin nicht unter dem Gesichtspunkt der angemessenen Beitragsleistung zum Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) verpflichtet, selbst eine Sicherheit für den von der Klägerin im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Familienheimes aufgenommenen Bankkredit zu stellen. Die den Ehegatten einander obliegende Verpflichtung, zum angemessenen Unterhalt der Familie beizutragen, umfaßt zwar auch die Sorge für den angemessenen Wohnbedarf der Familie. Daraus läßt sich aber keine Pflicht zur Anschaffung oder Mitfinanzierung eines Eigenheims herleiten (vgl. BGH-Urteile vom 23.September 1966 VI ZR 9/65, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1966, 2401, und in BGHZ 71, 62, 67; Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 46.Aufl., § 1360a Anm.1 b). Die Sicherung einer fremden Schuld ohne rechtliche Verpflichtung und ohne einen Gegenwert zu erlangen, ist aber regelmäßig eine unentgeltliche Zuwendung (BGH-Urteil vom 15.Dezember 1982 VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679). Deshalb stellt die Übertragung des Sparbriefs vom Ehemann (Steuerschuldner) auf die Klägerin auch unter Berücksichtigung des damit ursprünglich verfolgten Zwecks eine nach § 3 Abs.1 Nr.4 AnfG unentgeltliche Verfügung dar.

3. Das FG sieht aber die Anfechtbarkeit der Verfügung dadurch teilweise "als geheilt" an, daß durch die nachfolgende Sicherungsabrede im Zusammenhang mit der Gewährung des Darlehens über 25 000 DM von der Klägerin an ihren Ehemann im August 1978 ein neuer Rechtsgrund für die Übertragung des Sparbriefs geschaffen worden sei, der in Höhe der zu sichernden Darlehensvaluta die Verfügung entgeltlich mache. Es meint, eine nach § 3 Abs.1 Nr.4 AnfG anfechtbare Verfügung sei nicht mit einem für alle Zeiten untilgbaren Makel behaftet; vielmehr könnten sich aufgrund späterer Rechtshandlungen die für die Entscheidung über die Unentgeltlichkeit relevanten Umstände ändern. Dem vermag der erkennende Senat für den Streitfall nicht zu folgen.

Das FG sieht es nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme als erwiesen an, daß die Klägerin ihrem Ehemann im August 1978 ein Darlehen in Höhe von 25 000 DM gewährt hat, wobei die Sicherung dieses Darlehens als neuer Schuldgrund für die Abtretung des Sparbriefs durch den Ehemann vereinbart worden ist. Der Senat ist hinsichtlich der Tatsache der Darlehensgewährung an die Feststellungen des FG gebunden, da insoweit Denkfehler und Verstöße gegen Erfahrungssätze nicht ersichtlich und zulässige und begründete Verfahrensrügen von der Revision nicht erhoben worden sind (§ 118 Abs.2 FGO). Bedenken bestehen aber bereits insoweit, ob die Bindung des Revisionsgerichts an die Tatsachenwürdigung des FG auch die von diesem angenommene Sicherungsabrede hinsichtlich des abgetretenen Sparbriefs umfaßt, die im Zusammenhang mit dem Abschluß des Darlehensvertrags von den Eheleuten getroffen sein soll. Denn es ist zweifelhaft, ob die hierzu im angefochtenen Urteil enthaltenen Ausführungen eine Überprüfung der tatsächlichen Würdigung der Vorinstanz anhand dazu geeigneter tatsächlicher Feststellungen ermöglichen (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm.13). Der Senat sieht von einer Entscheidung über diese Rechtsfrage ab, da nicht ausreichende Feststellungen zu einer Zurückverweisung der Sache an das FG führen müßten. Er gelangt indessen zu dem Ergebnis, daß im Falle der tatsächlichen Vereinbarung der vom FG angenommenen Sicherungsabrede als neuer Schuldgrund für die Abtretung des Sparbriefs diese nicht wirksam wäre, so daß es im vollen Umfang bei der unentgeltlichen Verfügung i.S. des § 3 Abs.1 Nr.4 AnfG verbleibt und die gegen den Duldungsbescheid erhobene Klage insgesamt abzuweisen ist. Aus diesem Grunde kann auch dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Sicherung eigener Schulden eine entgeltliche Verfügung darstellt, die die Anfechtbarkeit nach der vorstehenden Vorschrift ausschließt, und ob im Falle einer übermäßigen Sicherung (hier: Sparbrief über 55 000 DM Nominalbetrag für Darlehensschulden von 25 000 DM) das Sicherungsgeschäft, wie das FG angenommen hat, in eine entgeltliche Verfügung hinsichtlich der ausgeglichenen Leistungen und in eine unentgeltliche Zuwendung für den kreditübersteigenden Wert des Sicherungsguts zerlegbar ist (vgl. hierzu Böhle-Stamschräder/Kilger, a.a.O., § 3 Anm.III.6).

Das FG hat ausgeführt, Unentgeltlichkeit i.S. des § 3 Abs.1 AnfG liege vor, wenn "bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses" Leistung und Gegenleistung nicht in einem annähernd ausgeglichenen Verhältnis stehen. Diese Aussage geht von einer zutreffenden Rechtsansicht aus, wenn sie auch durch die vom FG zitierten Entscheidungen (BFHE 125, 500, BStBl II 1978, 663, 666; BGHZ 71, 62) nicht ausdrücklich belegt wird. Genauer ausgedrückt ist maßgeblich für die Frage, ob die Zuwendung entgeltlich oder unentgeltlich ist, der Zeitpunkt der Zuwendung (vgl. BGH-Urteil in NJW 1983, 1679; Böhle-Stamschräder/Kilger, a.a.O., § 3 Anm.III.9). Das ist bezogen auf den Streitfall der 28.Oktober 1977, nämlich der Zeitpunkt der ursprünglichen Übertragung des Sparbriefs vom Ehemann der Klägerin auf die Klägerin. Wie oben ausgeführt und auch vom FG festgestellt, lag zu diesem Zeitpunkt eine in vollem Umfang unentgeltliche Verfügung vor, da eine Gegenleistung der Klägerin für die Übertragung des Sparbriefs weder objektiv gegeben war noch nach den Vorstellungen der Ehegatten erfolgen sollte. Wenn aber für die Frage der Unentgeltlichkeit der Verfügung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Übertragungsaktes abzustellen ist, so kann durch eine nachfolgende Sicherungsabrede, die zehn Monate später --im August 1978-- im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung durch die Klägerin an ihren Ehemann getroffen worden sein soll, eine nachträgliche Heilung der einmal gegebenen Anfechtbarkeit der Verfügung nicht eintreten. Die Unentgeltlichkeit der Übertragung des Sparbriefs auf die Klägerin wird nicht nachträglich (teilweise) dadurch beseitigt, daß die Beteiligten später hierfür einen neuen Rechtsgrund (Sicherungsabrede) vereinbaren.

Anders wäre es nur dann, wenn die Beteiligten von vornherein eine --wenn auch später zu erbringende-- Gegenleistung der Klägerin ins Auge gefaßt hätten; in diesem Falle hätte bereits am 28.Oktober 1977 keine unentgeltliche Übertragung des Sparbriefs vom Ehemann auf die Klägerin vorgelegen. Ein solcher Sachverhalt ist aber nach den Feststellungen des FG nicht gegeben; er ist auch von der Klägerin nicht behauptet worden. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Anlaß für die Darlehensgewährung von der Klägerin an ihren Ehemann (Existenzgründung) erst im August 1978 entstanden ist und daß die Eheleute bei der zum Zwecke der Sicherung von Bankverbindlichkeiten vorgenommenen Übertragung des Sparbriefs durch den Ehemann im Oktober 1977 die Möglichkeit einer späteren Gegenleistung der Klägerin nicht in Erwägung gezogen haben.

Die Eheleute waren auch rechtlich gehindert, im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung von der Klägerin an ihren Ehemann im August 1978 eine wirksame Sicherungsabrede dergestalt zu treffen, daß der Sparbrief des Ehemannes der Klägerin zur Sicherung ihres Darlehensanspruchs übereignet werden sollte. Denn dem Ehemann stand der Sparbrief als Sicherungsgut nicht mehr zur Verfügung, da er bereits im Oktober 1977 --nach den Feststellungen des FG ohne jede Einschränkung-- auf die Klägerin übertragen worden war. Da der dingliche Rechtserwerb durch die Klägerin in der Zwischenzeit nicht durch Rückübereignung auf den Ehemann rückgängig gemacht worden war, konnte der bereits unentgeltlich übertragene Sparbrief nicht mehr Gegenstand einer erneuten --nunmehr teilweise entgeltlichen-- Rechtsübertragung werden.

Wie oben ausgeführt, war der Sparbrief nach seiner Übertragung auf die Klägerin zur Sicherung von Bankschulden an die Volksbank D übertragen worden. Daß erst diese Sicherungsübereignung, wie die Klägerin vorträgt, sie in die Lage versetzt hat, ihren Bankkredit um 25 000 DM zu erhöhen und diesen Betrag darlehensweise ihrem Ehemann zur Verfügung zu stellen, ändert nichts daran, daß die nach dem AnfG maßgebliche Rechtshandlung, die Übertragung des Sparbriefs auf die Klägerin am 28.Oktober 1977, eine unentgeltliche Verfügung i.S. des § 3 Abs.1 Nr.4 AnfG darstellt. Da die Anfechtbarkeit nach dem AnfG (vgl. § 3 Abs.1 und § 7 Abs.1) an einzelne Rechtshandlungen anknüpft, kann für die Frage der Unentgeltlichkeit einer Verfügung nicht auf die Gesamtheit der Vermögensbeziehungen abgestellt werden, die sich zwischen den Beteiligten bis zum Zeitpunkt des Ergehens des Duldungsbescheids ergeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61954

BStBl II 1988, 313

BFHE 149, 204

BFHE 1987, 204

BB 1987, 1026

BB 1987, 1026-1027 (ST)

DB 1987, 1520-1520 (ST)

HFR 1987, 394-395 (ST)

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