Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Das Entgelt für die übernahme der Verpflichtung, ein nicht zu einem Betriebsvermögen gehörendes Grundstück nicht an ein Kaufhausunternehmen zu verpachten oder das Grundstück nicht selbst als Kaufhaus zu nutzen, ist eine Einnahme im Sinne des § 22 Ziff. 3 EStG.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Ziff. 3, § 24/1/a, § 34/2/2

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige ist Eigentümer eines Grundstücks, das er zu 25 v. H. eigengewerblich nutzt. Im Streitjahr 1958 verpflichtete er sich gegenüber einem vereidigten Buchprüfer oder einem von diesem zu benennenden Dritten, sein Grundstück bis Ende 1977 weder unmittelbar noch mittelbar für ein Warenhaus oder ähnliches zu nutzen oder nutzen zu lassen; diese Verpflichtung wurde als Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen. Als Gegenleistung erhielt der Steuerpflichtige 55.000 DM und ein unverzinsliches Darlehen von 45.000 DM, das er vom Jahre 1968 ab in 10 Jahresraten zu tilgen hat. Die erwähnte Vereinbarung ging darauf zurück, daß mehrere Kaufhausgesellschaften Interesse für das Grundstück des Steuerpflichtigen gezeigt hatten. Hinter dem vereidigten Buchprüfer steht eines dieser Kaufhausunternehmen.

Streitig ist, wie die 55.000 DM einkommensteuerrechtlich zu behandeln sind. Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1963 S. 356 veröffentlicht ist, rechnete den Betrag voll zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Es gewährten dem Steuerpflichtigen aber, weil diese Einnahmen eine Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 a EStG sei, die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG. Es führte aus, die Entschädigung sei einmalig und außerordentlich und sei an die Stelle mehrjähriger Einnahmen aus Vermietung abgetreten. Das ergebe sich daraus, daß der Steuerpflichtige auf Grund der vorangegangenen Verhandlungen mit einer Kaufhaus-AG bei der Vermietung an diese ab dem Jahre 1962 eine Pachteinnahme von jährlich etwa 140.000 DM habe erwarten können. Dadurch, daß er sich verpflichtet habe, diese Nutzung nicht zu ziehen, seien ihm die Mindereinnahmen von etwa 16.000 DM jährlich entstanden. Die einmalige Zahlung von 55.000 DM sei mehr als dreimal so hoch wie der abgegoltene voraussichtliche Jahresertrag von 16.000 DM. Die Abfindung bedeute also die Zusammenballung von Einkünften, so daß die Tarifvergünstigung des § 34 EStG angebracht sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Auffassung des Finanzgerichts, die streitige Entschädigung sei ein Ersatz für entgehende Mieteinnahmen, tritt der Senat nicht bei. Entschädigungen im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG bilden keine selbständige Einkunftsart neben den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG. Diese Vorschrift bestimmt vielmehr nur, daß eine Entschädigung für Einnahmen, die zu einer der in § 2 Abs. 3 EStG genannten Einkunftsarten gehören, wie Einnahmen aus dieser Einkunftsart zu behandeln sind (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 691/34 vom 5. Februar 1936, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1936 Nr. 194, und des Bundesfinanzhofs IV 630/55 U vom 21. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 164, Slg. Bd. 64 S. 437; IV 139/58 U vom 16. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 100, Bd. 72 S. 266; I 206/61 U vom 18. September 1962, BStBl 1962 III S. 468, Slg. Bd. 75 S. 547). Die Vorschrift wäre anwendbar, wenn dem Steuerpflichtigen Mieteinnahmen, auf die er einen Anspruch hatte oder mit denen er für die Zukunft einigermaßen sicher rechnen konnte, verlorengegangen wären und er für diesen Verlust entschädigt worden wäre, mit anderen Worten, wenn die Entschädigung unmittelbar durch den Verlust der (künftigen) Mieteinnahmen bedingt gewesen wäre (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 260/52 U vom 11. Dezember 1952, BStBl 1953 III S. 57, Slg. Bd. 57 S, 144). Eine bereits fließende oder zu erschließende Einkunftsquelle müßte also mindestens teilweise verschüttet worden sein und die Entschädigung müßte unmittelbar dem Ausgleich dieses Schadens dienen. Nur unter dieser Voraussetzung wäre die Besteuerung gemäß §§ 21 Abs. 1 Ziff. 1, 24 Ziff. 1, 34 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 EStG, wie das Finanzgericht sie zugelassen hat, möglich.

Das Finanzgericht meint nun, der Steuerpflichtige habe durch den Vertrag vom 30. Januar 1958 die Möglichkeit verloren, in Zukunft durch die Verpachtung des Grundstücks an ein Kaufhausunternehmen einen jährlichen Mehrertrag von 16.000 DM zu erzielen. Diese Feststellung steht im Widerspruch zu dem Inhalt der Akten, besonders zu den eigenen Angaben des Steuerpflichtigen vor dem Finanzgericht. Aus der Niederschrift vom 21. Dezember 1962 ergibt sich nämlich, daß der Steuerpflichtige erklärte, bei Abschluß des Vertrages am 18. Januar 1958 hätten sich die Verhandlungen mit dem Kaufhausunternehmen bereits zerschlagen. Der Steuerpflichtige erklärte nicht, daß er etwa in aussichtsreichen Verhandlungen mit einem anderen Interessenten gestanden habe. Unter diesen Umständen sind dem Steuerpflichtigen keine künftigen Mieteinnahmen, mit denen er einigermaßen sicher hätte rechnen können, verlorengegangen; es ist ihm also auch kein Schaden entstanden, für den er entschädigt werden konnte. Da die Sachbeurteilung des Finanzgerichts mithin auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten beruht, war die Vorentscheidung gemäß §§ 288 Ziff. 1, 296 Abs. 1 AO aufzuheben.

Nach Aufhebung der Vorentscheidung kann der Senat selbst entscheiden (§ 296 Abs. 3 AO). Die Sache ist spruchreif. Der Steuerpflichtige hat durch die vertragliche Bindung und Eintragung der Dienstbarkeit keinen Schaden erlitten, weil ihm, wie dargelegt, tatsächlich keine höheren künftigen Mieteinnahmen entgangen sind. Nach seiner Erklärung, sind ihm auch keine höheren eigengewerblichen Einnahmen entgangen, weil er keine Mittel zum Ausbau eines eigenen Kaufhauses hatte. Damit kommt eine steuerliche Erfassung der streitigen Einnahmen über §§ 21 oder 15 Ziff. 1 in Verbindung mit § 24 Ziff. 1 EStG nicht in Betracht.

Der Senat ist aber der Auffassung, daß die 55.000 DM Einnahmen im Sinne des § 22 Ziff. 3 EStG sind. Nach den Urteilen des Reichsfinanzhofs VI A 666/34 vom 12. September 1934 (RStBl 1934 S. 1135), VI A 1339/31 vom 2. März 1932 (RStBl 1932 S. 511) und VA A 367/35 vom 28. Oktober 1936 (RStBl 1937 S. 338) kann die Leistung im Sinne dieser Vorschrift in einem Tun, Dulden oder Unterlassen bestehen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann. Ein Veräußerungsvorgang als ein solcher fällt allerdings nicht unter den Begriff Leistung im Sinne dieser Vorschrift. Hier hatte sich der Steuerpflichtige zu einem bestimmten Unterlassen verpflichtet, nämlich sein Grundstück nicht als Kaufhaus zu nutzen oder nutzen zu lassen. Dies bedeutete keine Veräußerung des Grundstücks oder könnte auch nur wirtschaftlich einer Veräußerung gleichgestellt werden. Die Einräumung der Dienstbarkeit ist dabei ohne Bedeutung, weil die Eintragung dieses Realrechts wirtschaftlich keine Teilveräußerung des Eigentums an dem Grundstück ist. Denn der Steuerpflichtige kann auch nach der Eintragung sein Grundstück eigengewerblich oder durch Vermietung nach Belieben nutzen. Wirtschaftlich hat er sich nur dazu verpflichtet, dem Zahlenden bzw. dem hinter ihm stehenden Auftraggeber eine Konkurrenz vom Leibe zu halten, indem er sich verpflichtete, keinem Konkurrenzunternehmen die Benutzung des Grundstücks zur Einrichtung eines Konkurrenzladens zu gestatten. Diese Verpflichtung ist eine solche eigener Art, die weder als Vorgang der "Vermietung" im Sinne von § 21 EStG noch als "Veräußerung oder Teilveräußerung" des Eigentums am Grundstück verstanden werden kann. Leistungen dieser Art fallen aber unter § 22 Ziff. 3 EStG, so daß dafür gewährte Gegenleistungen Einnahmen im Sinne dieser Vorschrift sind.

Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen sind, waren deshalb aufzuheben. Die Sache wird zur Steuerberechnung an das Finanzamt zurückverwiesen, das die streitigen 55.000 DM als sonstige Einnahmen nach § 22 Ziff. 3 EStG anzusetzen hat. Die Tarifvergünstigung des § 34 EStG kann nach dem Gesetz für dies Einkünfte nicht gewährt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411611

BStBl III 1965, 361

BFHE 1965, 319

BFHE 82, 319

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