Leitsatz (amtlich)

Der Abzug des Überschusses der laufenden Betriebseinnahmen über die laufenden Betriebsausgaben nach § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG in der vor dem Inkrafttreten des ÄndG-BewG 1963 vom 10. August 1963 (BGBl I 1963, 676; BStBl I 1963, 608) geltenden Fassung steht dem Pächter zu, wenn der landwirtschaftliche Betrieb verpachtet ist und auf Rechnung und Gefahr des Pächters betrieben wird.

 

Normenkette

BewG vor dem ÄndG-BewG 1963 § 32; BewG vor dem ÄndG-BewG 1963 § 33; BewG vor dem ÄndG-BewG 1963 § 74 Abs. 1 Nr. 3; BewDV §§ 5-7

 

Tatbestand

Der Kläger ist Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebs. Von dem auf den 1. Januar 1956 für diesen Betrieb festgestellten Einheitswert in Höhe von 165 800 DM wurde ihm als Pächteranteil nach § 30 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes in der am 1. Januar 1957 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) für Vermögensteuerzwecke ein Betrag von 27 800 DM zugerechnet. In seiner Vermögenserklärung auf den 1. Januar 1957 machte der Kläger den Abzug nach § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG für einen Einnahmeüberschuß in Höhe von 85 170 DM geltend. Das FA ließ bei der Vermögensteuer-Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1957 durch Bescheid vom 25. Mai 1959 diesen Abzug nur in Höhe von 16,76 v. H. des geltend gemachten Betrages (= 14 254 DM) zu. Dieser Prozentsatz entsprach dem Verhältnis des Pächteranteils zum Gesamteinheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs.

Der Einspruch, mit dem der Kläger den Abzug des vollen Einnahmeüberschusses begehrte, hatte nur teilweise Erfolg. Die Berufung war in der Hauptstreitfrage überwiegend erfolgreich. Das FG schloß sich der im Urteil des BFH III 433/58 S vom 6. September 1963 (BFH 77, 636, BStBl III 1963, 554) vertretenen Auffassung an, daß auch ein Pächter den Abzug nach § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG geltend machen könne. Es ließ allerdings entsprechend diesem Urteil den Abzug nur in Höhe von 56 715 DM zu, weil er nur in dieser Höhe am Stichtag noch in irgendeiner Form im übrigen Vermögen vorhanden gewesen sei.

Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügt das FA unrichtige Anwendung des § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG. Nach seiner Auffassung steht dieser Abzug nur dem Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebs, nicht aber dem Pächter zu.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Der Senat hat in dem Urteil III 433/58 S vom 6. September 1963 (a. a. O.) entschieden, daß Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne von § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG auch der überlebende Ehegatte im Sinn des § 14 der Höfeordnung für die britische Zone, dem die Verwaltung und Nutznießung des Hofes zusteht, sein kann. In der Begründung dieses Urteils hat sich der Senat der Auffassung des BdF angeschlossen, daß der Begriff des Inhabers im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG nicht auf den Eigentümer zu beschränken sei, sondern daß darunter auch Pächter, Nießbraucher und sonstige Nutzungsberechtigte zu verstehen seien, wenn sie den Betrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung führen. Der Senat hat diese Auffassung damit begründet, der steuerrechtliche Begriff der Inhaberschaft sei gesetzlich nicht geregelt. Er müsse also im Wege der Auslegung bestimmt werden. Als Inhaber werde derjenige anzusehen sein, der kraft eigenen Rechts die Nutzungen ziehe. Aus dem BewG ergebe sich nicht, daß der Abzug nur dem zustehe, dem der landwirtschaftliche Einheitswert zugerechnet sei. Auch bei zwei Steuerpflichtigen wäre eine doppelte Erfassung (nicht doppelte Besteuerung) im Einheitswert des einen und im sonstigen Vermögen des anderen ein fiskalisches Unrecht. Der Senat sieht keine Veranlassung, auf Grund der im Streitfall vom FA erhobenen Einwendungen von dieser Auffassung abzugehen.

Der Haupteinwand des FA geht dahin, daß im BewG der Begriff "Inhaber des Betriebs" fest umrissen sei, so daß es insoweit keiner Auslegung des § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG bedürfe. Denn aus den §§ 32 und 33 BewG und aus den §§ 5 bis 7 BewDV ergebe sich eindeutig, daß grundsätzlich unter Betriebsinhaber der Eigentümer verstanden sein solle. Dieser Einwand ist unrichtig. In § 32 Abs. 2 BewG ist in Verpachtungsfällen der "buchführende Inhaber" des landwirtschaftlichen Betriebs regelmäßig gerade nicht der Eigentümer, sondern der Pächter, weil diesem die umlaufenden Betriebsmittel gehören, die allerdings nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BewG in den landwirtschaftlichen Betrieb einzubeziehen sind. In § 33 BewG und den dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen kann "Betriebsinhaber sowohl der Eigentümer als auch der Pächter sein. Der Pächter ist Betriebsinhaber im Sinne dieser Vorschrift, wenn das Wohngebäude ihm gehört, aber nach § 30 Abs. 2 Satz 2 BewG in den landwirtschaftlichen Betrieb einzubeziehen ist. Denn dann ist bei der Frage der Mindestbewertung nach § 33 BewG auf den Wert dieses Wohngebäudes abzustellen. Damit ist auch der weitere Einwand des FA hinfällig, daß nichts darauf hindeute, daß als Inhaber im Sinn des § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG auch der Pächter in Betracht kommen könne.

Entgegen der Meinung des FA entspricht die vom Senat vertretene Auffassung, daß im Falle der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs der Abzug des Einnahmeüberschusses dem Pächter zustehe, auch dem Sinn und Zweck des § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG. Diese Vorschrift steht im Zusammenhang damit, daß für die umlaufenden Betriebsmittel nach § 32 Abs. 2 BewG nicht, wie nach § 32 Abs. 1 BewG für alle anderen Teile des landwirtschaftlichen Betriebs, der Feststellungszeitpunkt, sondern entweder der 30. Juni des Jahres, das dem Feststellungszeitpunkt vorangeht, oder - bei buchführenden Landwirten - der letzte Tag des Wirtschaftsjahres, das vor dem Feststellungszeitpunkt endet, maßgebend ist. Es ist also für die umlaufenden Betriebsmittel auch ein anderer Zeitpunkt maßgebend als der für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgebende Veranlagungszeitpunkt (1. Januar). Zwischen dem 30. Juni bzw. dem letzten Tag des Wirtschaftsjahres und dem 1. Januar können aber Verschiebungen von den umlaufenden Betriebsmitteln zu anderen Vermögensarten eintreten. Der Zweck des § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG besteht gerade darin, für diese Fälle einen Ausgleich zu schaffen. Ohne diese Vorschrift würde ein Überschuß der laufenden Betriebseinnahmen, die die umlaufenden Betriebsmittel betreffen, über die laufenden Betriebsausgaben, die die umlaufenden Betriebsmittel betreffen, steuerlich doppelt erfaßt, soweit er am 1. Januar noch im übrigen Vermögen desjenigen vorhanden ist, der ihn erzielt hat. Bei verpachteten Betrieben ist das regelmäßig der Pächter; denn dieser hat die umlaufenden Betriebsmittel. Auch die Doppelerfassung tritt regelmäßig beim Pächter ein. Denn wenn auch die umlaufenden Betriebsmittel nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BewG in den landwirtschaftlichen Betrieb einzubeziehen sind, so ist doch der auf die umlaufenden Betriebsmittel entfallende Anteil nach § 30 Abs. 2 Satz 3 BewG zu Vermögensteuerzwecken dem Pächter zuzurechnen. Der vom FA angesprochene Fall, daß auch der Eigentümer den Abzug nach § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG zu einem Teil geltend macht, kann bei verpachteten Betrieben gar nicht praktisch werden, weil in diesen Fällen der Eigentümer gar keine Einnahmen und Ausgaben hat, die im Zusammenhang mit den umlaufenden Betriebsmitteln stehen. Es ist dabei unerheblich, daß die Einnahmen durch den Einsatz des gesamten landwirtschaftlichen Betriebs erzielt werden. Maßgebend für die Anwendung des § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG ist allein, daß der Einnahmeüberschuß aus Einnahmen und Ausgaben entstanden ist, die die umlaufenden Betriebsmittel betreffen. Diese Voraussetzung ist jedoch bei verpachteten Betrieben, die im Namen und für Rechnung des Pächters geführt werden, nur beim Pächter erfüllt. Deshalb ist auch der weitere Einwand des FA hinfällig, die Zubilligung des Abzugs nach § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG an den Pächter verletze den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68452

BStBl II 1969, 258

BFHE 1969, 540

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