Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne von § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG kann auch der überlebende Ehegatte im Sinne des § 14 der Höfeordnung für die britische Zone, dem die Verwaltung und Nutznießung am Hofe zusteht, sein.

Unter "laufenden Betriebsausgaben" im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG sind sämtliche laufenden Betriebsausgaben bezüglich des Umlaufvermögens zu verstehen; die in Abschn. 94 VStR 1953 vorgesehene Beschränkung auf nur solche Ausgaben, die mit den Einnahmen aus der Veräußerung umlaufender Betriebsmittel in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, findet im Gesetz keine Grundlage (und ist von den Steuergerichten nicht zu beachten).

Der Einnahmeüberschuß im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG muß am Veranlagungszeitpunkte noch vorhanden sein, um vom Rohvermögen abgezogen werden zu können.

BewG § 74 Abs. 1 Ziff. 3; VStR 1953 Abschn. 94; Höfeordnung für die britische Zone vom 24. April 1947 (Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, britisches Kontrollgebiet, 1947 S. 505 und 1948 S.

 

Normenkette

BewG § 74 Abs. 1 Ziff. 3, § 118/1/3; HöfeO § 14

 

Tatbestand

Streitig ist die Vermögensteuerveranlagung 1954.

Der am 16. August 1947 verstorbene Ehemann der Bfin. war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes. Hoferbe ist der im Jahre 1935 geborene älteste Sohn. Der Bfin. steht bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (nach einem im April 1954 geschlossenen notariellen Vertrage bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres) des Anerben die Verwaltung und Nutznießung am Hofe zu. Es gilt grundsätzlich die Höfeordnung (HO) der Britischen Militärregierung vom 24. April 1947 (Anlage B zur Verordnung Nr. 84).

Das Finanzamt hat die Bfin. nach dem Stande vom 1. Januar 1954 zur Vermögensteuer veranlagt. Mit dem Einsprüche beantragte die Bfin., bei ihr als Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebes zur Ermittlung des Wertes des Gesamtvermögens den landwirtschaftlichen Einnahmeüberschuß abzuziehen. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.

Die Entscheidung der Vorinstanz beruht vor allem auf folgenden Erwägungen: Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG - insbesondere nach dem Urteil III A 351/34 vom 21. Februar 1935 (RStBl 1935 S. 627) - sei der Einnahmenüberschuß bei dem abzugsfähig, der im Feststellungszeitpunkte Eigentümer des Betriebes gewesen sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die genannte Vorschrift auf den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zu beschränken sei; jedenfalls könne derjenige, dem lediglich die Verwaltung und Nutznießung am Hofe zustehe, nicht als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG angesehen werden. Da der Nutzungsberechtigte nur einen ihm nicht gehörigen Betrieb verwalte, sei bei ihm eine Doppelbesteuerung, die durch § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG vermieden werden solle, im allgemeinen nicht möglich. Im Streitfalle sei die Bfin. mit dem Hoferben nicht zur Vermögensteuer zusammen zu veranlagen, da dieser am Stichtage bereits das 18. Lebensjahr vollendet habe. Die Vergünstigung nach § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG sei an die Person des Steuerpflichtigen und nicht an das sachliche Vermögen geknüpft. Der Umstand, daß bei der Neufassung des BewG der Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes ausdrücklich in den Kreis der Begünstigten einbezogen werden solle, lasse erkennen, daß Nutzungsberechtigte nicht begünstigt werden könnten. Zwischen der Pacht und dem Nutznießungsrechte des überlebenden Ehegatten auf Grund der HO beständen grundsätzliche Unterschiede. Die Bfin. verwalte den Hof für den Hoferben und habe ihn nicht als ihr gehörig inne, so daß sie nicht als Inhaberin des landwirtschaftlichen Betriebes behandelt werden könne.

Mit der Rb. werden von der Bfin. wesentliche Verfahrensmängel und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes geltend gemacht. Wesentliche Verfahrensmängel sieht die Bfin. darin, daß die Vorinstanz nicht geprüft habe, ob das steuerpflichtige Vermögen überhaupt zutreffend errechnet worden sei. Auch habe das Finanzgericht es unterlassen, sich mit den Anträgen auseinanderzusetzen. Schließlich hätte das Finanzgericht, wenn es hinsichtlich der Gleichstellung von Eigentümer, Pächter und Nießbraucher bei der Anwendung des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG Zweifel an der Richtigkeit ihrer Ausführungen gehabt, noch nähere Ermittlungen treffen oder die Entscheidung zunächst aussetzen müssen. Unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes erblickt die Bfin. darin, daß das Finanzgericht den Begriff "Inhaber" eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG unzutreffend ausgelegt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Auf Ersuchen des Senates ist der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren beigetreten.

Der Bundesminister der Finanzen hat bereits in einem Schreiben vom 21. August 1958 an einen Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen die Auffassung vertreten, daß der Begriff "Inhaber von landwirtschaftlichen Betrieben, Weinbaubetrieben und gärtnerischen Betrieben" (ß 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG) auch den Pächter, Nießbraucher und sonstige Nutzungsberechtigte umfasse. An dieser Auffassung hält der Bundesminister der Finanzen auch für den Streitfall fest. Pächter und Nießbraucher von landwirtschaftlichen Betrieben seien als Inhaber eines solchen Betriebes anzusehen, da sie die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Betrieb hätten und diesen im eigenen Namen und zu eigenem Nutzen führten. Es sei keineswegs die Auffassung gerechtfertigt, daß Inhaber des Betriebes nur der Eigentümer der dem Betriebe gewidmeten Wirtschaftsgüter sein könne. Dies widerspräche der allgemeinen übung des Gesetzgebers, der durchweg unter dem Inhaber einer Sache denjenigen verstehe, der die tatsächliche Verfügungsgewalt besitze, der aber nicht Eigentümer zu sein brauche (vgl. §§ 793, 807, 808, 1187, 1195 BGB, § 10 des Aktiengesetzes - AktG -, Art. 12 Abs. 3 des Wechselgesetzes, Art. 5 des Scheckgesetzes sowie § 22 HGB und Würdinger im Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB, 2. Auflage, § 22 Anm. 45 und 46). Nach Würdinger seien sowohl der Nießbraucher als auch der Pächter eines Handelsgeschäftes während der Dauer des Nießbrauches bzw. während der Pachtzeit als Inhaber des Handelsgeschäftes anzusehen.

Nun sei allerdings der überlebende Ehegatte, dem die Verwaltung und Nutznießung am Hofe zustehe, weder Pächter noch Nießbraucher. Die Verwaltung und Nutznießung nach § 14 HO werde als ein besonders geregeltes und durch besondere Zwecke bestimmtes Recht angesehen, das weder Nießbrauch im Sinne des BGB noch elterliches Verwaltungs- Nutzungsrecht sei (Lange-Wulff, Kommentar zur Höfeordnung, 5. Auflage, § 14, Randnote 188 a, S. 243). Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluß vom 22. Oktober 1957, Recht der Landwirtschaft 1958 S. 132, Deutsche Rechtsprechung II - 282 - Nr. 103 d) handele es sich um ein Recht, das je nach den Verhältnissen im Einzelfalle mehr einem Nießbrauchrechte oder mehr einem elterlichen Rechte der Verwaltung und Nutznießung angenähert sein könne.

Für die Entscheidung der Frage, wer bei der Verwaltung und Nutznießung nach § 14 HO Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes sei, werde es unter diesen Umständen darauf ankommen, ob der überlebende Ehegatte den landwirtschaftlichen Betrieb im eigenen Namen oder im Namen des Hoferben führe, wie dies früher der Inhaber der elterlichen Gewalt hinsichtlich eines Erwerbsgeschäftes des Kindes getan habe (vgl. § 1655 BGB a. F.). Es bleibe allerdings die Frage, ob § 14 HO dem überlebenden Ehegatten überhaupt das Recht gebe, im Namen des Hoferben zu handeln und diesen zu verpflichten. Ausdrücklich sei hierüber im Gesetz nichts bestimmt. Die Meinung von Lange-Wulff, a. a. O., § 14, Randnote 188 a, S. 242, scheine dahin zu gehen, daß der überlebende Ehegatte den landwirtschaftlichen Betrieb im eigenen Namen zu führen habe. Sonst hätten sie kaum darauf hinweisen können, daß der überlebende Ehegatte über den Hof oder über Hofgrundstücke nur mit Zustimmung des Hoferben gemäß § 185 BGB verfügen könne; denn auf Verfügungen im Namen des Hoferben - Verfügungen im fremden Namen - sei § 185 BGB nicht anwendbar (Höchstrichterliche Rechtsprechung 1934 Nr. 1276). Andererseits sei jedoch zu bemerken, daß das frühere Recht der bäuerlichen Verwaltung und Nutznießung nach der Erbhoffortbildungs-Verordnung durch § 59 Abs. 3 der Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen vom 2. Dezember 1947 (Verordnungsblatt der britischen Zone 1947 S. 157) insoweit in das Recht der elterlichen Verwaltung und Nutznießung gemäß den §§ 1638 ff. BGB a. F. überführt worden sei, als es einem Elternteil hinsichtlich des Erbhofes eines Kindes zustehe. Das Erwerbsgeschäft eines Kindes aber - hierzu gehöre auch ein landwirtschaftlicher Betrieb - führe der Gewalthaber, wenn nichts anderes ausdrücklich vereinbart werde, im Namen des Kindes (Würdinger, a. a. O., Vorbem. 40 zum I. Abschn.). Hieraus könnte gefolgert werden, daß bei der Anwendung des § 14 HO entsprechend zu verfahren sei, wenn Hoferbe ein Kind des überlebenden Ehegatten sei, und abweichende Vereinbarungen nicht getroffen worden seien.

Indessen könne diese Frage auf sich beruhen, weil steuerlich davon auszugehen sei, wie sich die Beteiligten - unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen - tatsächlich verhielten (vgl. § 5 StAnpG). Führe der überlebende Ehegatte den Hof im Namen des Hoferben, so werde der Hoferbe als Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG anzusehen sein. Alle Vermögensveränderungen würden sich dann am Vermögen des Hoferben vollziehen. Der überlebende Ehegatte habe analog § 1655 BGB a. F. lediglich Anspruch auf den jährlichen Gewinn. Führe der überlebende Ehegatte den landwirtschaftlichen Betrieb dagegen im eigenen Namen, was wohl meistens der Fall sein dürfte, so sei er Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes. Die Entscheidung werde nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu treffen sein.

Der Senat hält die Ausführungen des Bundesministers der Finanzen, der Begriff des Inhabers im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG sei nicht auf den Eigentümer zu beschränken, für zutreffend. Soweit die frühere Rechtsprechung eine andere Auffassung vertrat, wird sie nicht aufrechterhalten. Der steuerrechtliche Begriff der Inhaberschaft ist gesetzlich nicht geregelt. Er muß also im Wege der Auslegung bestimmt werden. Als Inhaber wird derjenige anzusehen sein, der kraft eigenen Rechtes die Nutzungen zieht. Aus dem BewG ergibt sich nicht, daß der Abzug nur dem zusteht, dem der landwirtschaftliche Einheitswert zugerechnet ist. Auch bei zwei Steuerpflichtigen wäre eine doppelte Erfassung (nicht Doppelbesteuerung) im Einheitswerte des einen und im sonstigen Vermögen des anderen ein fiskalisches Unrecht. Wenn auch die Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1963 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 180 vom 26. September 1963) für den vorliegenden Fall keine Gültigkeit haben, so sei doch darauf hingewiesen, daß nach Abschn. 102 VStR 1963 unter Inhaber von landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG auch Pächter, Nießbraucher und sonstige Nutzungsberechtigte zu verstehen seien, wenn sie den Betrieb in eigenem Namen und auf eigene Rechnung führen, ohne daß es auf die Zurechnung des Einheitswertes ankomme. Dem über den juristischen und wirtschaftlichen Eigentümer hinausgehenden Begriffe des Inhabers kann zwangslos auch der überlebende Ehegatte im Sinne des § 14 HO zugerechnet werden. In der Regel wird man nach dem Gesamtbilde, wie es auch in der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen unter Bezugnahme auf verschiedene Rechtsbestimmungen und Rechtsgebiete zum Ausdruck kommt, den überlebenden Ehegatten mit seinem Rechte auf Verwaltung und Nutznießung am Hofe als den Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes anzusehen haben.

Im vorliegenden Falle spricht nichts für eine von § 14 HO abweichende Regelung. Die Bfin. hat nach dem Akteninhalt und ihrem unbestrittenen Vorbringen den landwirtschaftlichen Betrieb im eigenen Namen geführt, die Nutzungen wie ein Nießbraucher gezogen, die tatsächliche Verfügungsgewalt ausgeübt, und sie ist auch nach außen entsprechend aufgetreten. Es mag sein, daß im Einzelfalle aus den besonderen tatsächlichen Verhältnissen heraus eine andere Beurteilung unter Verneinung der Anwendbarkeit des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG erforderlich ist. Hier bedarf es der vom Bundesminister der Finanzen vorgeschlagenen Zurückverweisung an die Vorinstanz zwecks Nachprüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht, da nichts gegen die Inhaberschaft spricht. Die Bfin. ist daher als Inhaberin des landwirtschaftlichen Betriebes anzuerkennen. Das Urteil des Finanzgerichts ist in diesem Punkte rechtsirrig und wird infolgedessen aufgehoben.

Wegen der Berechnung des dem Grunde nach zulässigen Abzuges des oben genannten überschusses erfolgt Zurückverweisung an das Finanzgericht. Zur Berechnung des überschusses der laufenden Betriebseinnahmen über die laufenden Betriebsausgaben, die nach dem Tage entstanden sind, der für Umfang und Bewertung der umlaufenden Betriebsmittel maßgebend ist, nimmt der Senat folgende Stellung ein:

Der Bundesminister der Finanzen hat u. a. auf folgendes hingewiesen: Der Abzug führe dadurch oft zu einem wirtschaftlich unvernünftigen Ergebnis, daß einerseits beim landwirtschaftlichen Vermögen die vollständig veralteten Einheitswerte des Jahres 1935 anzusetzen seien, andererseits aber der Einnahmeüberschuß nach den wirtschaftlichen Verhältnissen am Veranlagungszeitpunkte ermittelt werde. Das Mißverhältnis werde dadurch noch erheblich vergrößert, daß die Berechnung des Einnahmeüberschusses nicht nach den laufenden Betriebseinnahmen und laufenden Betriebsausgaben in ihrer Gesamtheit im Sinne des Einkommensteuerrechts, sondern nach den Bestimmungen des Abschnittes 94 (102) VStR 1953 (1960) vorgenommen werde. Dabei seien die laufenden Betriebseinnahmen im vollen Umfange, die laufenden Betriebsausgaben jedoch erheblich gekürzt anzusetzen. Gründe für die Kürzung der laufenden Betriebsausgaben in dem dort vorgeschriebenen Umfange seien aus § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG nicht ersichtlich.

Sinn und Zweck des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG, nämlich die gleichmäßige Besteuerung herbeizuführen, würde viel eher erreicht, wenn von den ungekürzten laufenden Betriebseinnahmen und den ungekürzten laufenden Betriebsausgaben ausgegangen würde. Er - der Bundesminister der Finanzen - sei deshalb schon seit Jahren bemüht, hierauf die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben im Sinne des Einkommensteuerrechtes abzustellen. Diese Absicht habe sich bisher nicht verwirklichen lassen. Es wäre erwünscht, wenn der Bundesfinanzhof, für den die Richtlinien nicht bindend seien, diese Rechtsauffassung vertreten könnte, zumal auch bei wörtlicher Auslegung des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG die Ermittlung des Einnahmeüberschusses nach Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben im Sinne des Einkommensteuerrechtes durchaus zulässig sein würde. Eine andere Möglichkeit bestehe darin, die Abzugsfähigkeit nur insoweit zuzulassen, als durch den Einnahmeüberschuß nachweislich eine Erhöhung des übrigen Vermögens zum Veranlagungszeitpunkte eingetreten sei. Dabei wären neben Geldanlagen bei Banken oder Sparkassen auch Schuldentilgung, Kosten der privaten Lebensführung sowie Investitionen, die nicht zu einer änderung des Einheitswertes führten, zu berücksichtigen. Beide Methoden dürften zu dem gleichen Ergebnis führen. Allerdings würde sich die erste Methode einfacher praktizieren lassen. Eine völlige Gleichbehandlung aller Landwirte werde auch dann nicht erreicht, wenn der ungekürzte Einnahmeüberschuß vom Rohvermögen abgezogen werde; denn § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG sei insoweit unvollständig, als die Hinzurechnung eines Ausgabenüberschusses zum Rohvermögen nicht vorgesehen sei. Dadurch seien diejenigen Landwirte begünstigt, die Schulden aufnehmen oder ihr übriges Vermögen einsetzen würden, um einen Ausgabenüberschuß zu decken (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs III 115/55 S vom 7. Oktober 1955, BStBl 1955 III S. 360, Slg. Bd. 61 S. 421 unter I letzter Absatz).

Abschließend ist vom Senate eine äußerung des Bundesministers der Finanzen über die Berechnung des Einnahmeüberschusses im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG angefordert worden, insbesondere darüber, ob Abschnitt 94 VStR 1953 in der Beschränkung der laufenden Betriebsausgaben mit dem Gesetz vereinbar ist. Der Bundesminister der Finanzen vertritt die Auffassung, daß die laufenden Betriebsausgaben in vollem Umfange angesetzt werden müßten. Dadurch werde zugleich erreicht, daß der Abzug des überschusses nur insoweit zugelassen werde, als der geltend gemachte Einnahmenüberschuß im Veranlagungszeitpunkte im Vermögen, und zwar unter Berücksichtigung von Geldanlagen, Schuldtilgung, Privatentnahmen und Privateinnahmen sowie Investitionen, die nicht zu einer änderung des Einheitswertes führten, noch vorhanden sei.

Die Bfin. dagegen will unter laufenden Betriebsausgaben nur solche Ausgaben verstehen, die mit der Veräußerung der im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG einnahmeerzielenden Betriebsmittel zusammenhängen, d. h. mit den zu berücksichtigenden Einnahmen wirtschaftlich zusammenhängen. Die anderen Betriebsausgaben (z. B. Saatgut, Dünger für die nächste Ernte) dienten der gesicherten Fortführung des Betriebes für eine Fruchterzeugung und seien mithin bereits im Ertragswerte enthalten, ebenso wie die Erlöse aus dem Verkauf der Erzeugnisse. Zudem sei nach § 32 Abs. 2 BewG ein überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln nur dann zu berücksichtigen, wenn er am 30. Juni vorhanden gewesen sei. Die Bfin. beruft sich auf die Rechtsprechung (z. B. Urteil des Reichsfinanzhofs III 165/38 vom 6. Oktober 1938, RStBl 1938 S. 1105) und auf die Verwaltungspraxis (VStR). Danach seien unter "laufenden Betriebseinnahmen" die Einnahmen aus der Veräußerung umlaufender Betriebsmittel, unter "laufenden Betriebsausgaben" die mit diesen Einnahmen wirtschaftlich zusammenhängenden Ausgaben zu verstehen. Es solle ein Landwirt, der in der Zeit vom 30. Juni bis 31. Dezember seine Ernte verkauft habe, vermögensteuerlich nicht ungünstiger, aber auch nicht günstiger behandelt werden als der Landwirt, der seine Ernte am 1. Januar noch nicht verkauft hat (Urteil des Reichsfinanzhofs III 21/39 vom 3. November 1939, RStBl 1940 S. 501). Für den Abzug des Einnahmeüberschusses sei nicht Voraussetzung, daß dieser überschuß noch im bewertbaren Vermögen vorhanden sei. Einer derartigen Beschränkung des Abzuges würde der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entgegenstehen. Die Bfin. verweist auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 398/27 vom 19. Dezember 1928 (RStBl 1929 S. 165), wonach der Erlös der Ernte stets irgendwie dem Gesamtvermögen zugute gekommen sei.

Die Ausführungen der Bfin. sind nicht zutreffend. Des weiteren hält der Senat nicht mehr an dem von der Bfin. angeführten Rechtssatze des Urteils des Bundesfinanzhofs III 115/55 S vom 7. Oktober 1955 (a. a. O.) fest, daß es für den Abzug des Einnahmenüberschusses vom Rohvermögen nicht erforderlich sei, daß der überschuß am Veranlagungszeitpunkte in Werten irgendwelcher Art noch vorhanden sei.

Der Wortlaut des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG spricht gleichlautend von laufenden Betriebseinnahmen und laufenden Betriebsausgaben. Er bietet keine Veranlassung, die laufenden Betriebsausgaben zu beschränken. Abschnitt 94 VStR 1953, der durch eine solche Beschränkung den Abzug vom Rohvermögen erhöht, hat keine gesetzliche Grundlage. Eine solche ergibt sich auch nicht zwingend aus dem Sinn des Bewertungsrechtes oder der landwirtschaftlichen Ertragsbesteuerung, da § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG nur die zeitliche Spanne zwischen den beiden Bewertungsstichtagen durch Ausschaltung sämtlicher laufender Betriebsausgaben und sämtlicher laufender Betriebseinnahmen überbrücken soll. Es ist nicht ersichtlich, weshalb bei solcher Neutralisierung Einnahmen und Ausgaben verschieden begrenzt sein sollten. Es ist vielmehr nicht erforderlich, daß die laufenden Betriebsausgaben mit der Erzielung der beim Abzuge zu berücksichtigenden Betriebseinnahmen im Zusammenhange stehen. Es soll lediglich eine steuerliche Doppelerfassung vermieden werden, und dieses Ziel wird bei wortgetreuer Auslegung des Gesetzes erreicht. Wenn sich die Bfin. demgegenüber auf die ständige, anders lautende Rechtsprechung beruft, so kann dem nicht gefolgt werden. Denn aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ergibt sich die von der Bfin. behauptete Schlußfolgerung nicht. In dem Urteil VI A 398/27 vom 19. Dezember 1928 (a. a. O.) ist allerdings ausgesprochen, daß nur die Einnahmen aus der Ernte sowie aus umlaufenden Betriebsmitteln usw. abzüglich der damit wirtschaftlich zusammenhängenden Ausgaben abgezogen werden. Hier ist also die von der Bfin. behauptete enge Begrenzung der Betriebsausgaben statuiert, um einen möglichst hohen, vom Rohvermögen abzugsfähigen überschuß der laufenden Betriebseinnahmen zu erzielen.

In der Entscheidung des Reichsfinanzhofs III A 65/31 vom 24. November 1932 (RStBl 1933 S. 45) steht zwar ebenfalls in dem Rechtssatze, Betriebsausgaben (im Sinne des heutigen § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG) seien lediglich solche Ausgaben, die mit den gemäß dem heutigen § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG abzugsfähigen Betriebseinnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Aus den Urteilsgründen jedoch ergibt sich, daß der Rechtssatz in dieser Fassung nicht zutreffend ist, zumindest zu einem Mißverständnis, dem auch die Bfin. unterlag, führen kann. Maßgebend für die Auslegung eines Urteils sind die Gründe, nicht der Rechtssatz. Nach den Urteilsgründen (Abschnitt III) sind nicht die laufenden Betriebsausgaben des landwirtschaftlichen Betriebes (entsprechend den Ausführungen der Bfin.) mit Rücksicht auf ihren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den laufenden Betriebseinnahmen zu untersuchen und entsprechend aufzuteilen, vielmehr sind sämtliche laufenden Betriebsausgaben des Landwirtschaftsbetriebes vom 30. Juni bis 31. Dezember abzuziehen. Der Rechtssatz des Urteils bezieht sich nur auf Ausgaben, die nicht mit den umlaufenden Betriebsmitteln, sondern dem Anlagevermögen und entsprechend dem damals gegebenen Sachverhalte dem außerdem noch vorhandenen forstwirtschaftlichen Betriebe in wirtschaftlicher Beziehung stehen. Es ist danach keine Rede davon, die vom Rohvermögen abzugsfähigen laufenden Betriebseinnahmen nur um die mit diesen speziellen Betriebseinnahmen zusammenhängenden laufenden Betriebsausgaben zu kürzen.

Die dargelegte ungenaue oder unrichtige Fassung des Rechtssatzes führte in dem Urteil des Reichsfinanzhofs III 165/38 vom 6. Oktober 1938 (a. a. O.) wiederum zu dem unzutreffenden und diesmal auch in den Urteilsgründen kurz herausgestellten Ergebnis, unter laufenden Betriebseinnahmen seien die Einnahmen aus der Veräußerung umlaufender Betriebsmittel, unter laufenden Betriebsausgaben die mit diesen Einnahmen wirtschaftlich zusammenhängenden Ausgaben zu verstehen. Zu Unrecht wird in den Urteilsgründen zur Stützung dieses offenbar ohne nähere Prüfung übernommenen Rechtssatzes auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 65/31 vom 24. November 1932 (a. a. O.) Bezug genommen. In dieser Entscheidung ist nichts derartiges ausgeführt. Eine zusätzliche Begründung, die die Einschränkung der laufenden Betriebsausgaben rechtfertigen könnte, bringt das Urteil III 165/38 nicht. Ausgaben für das Anlagevermögen standen außerhalb der Debatte, diese sollten zur Kürzung des Einnahmenüberschusses nicht herangezogen werden. Wahrscheinlich aber hat der Reichsfinanzhof damals trotzdem in mißverständlicher Ausdrucksweise darauf hingewiesen, daß Ausgaben für Anlagevermögen nicht berücksichtigt werden dürften.

Bei dieser Sachlage ist es nicht recht verständlich, daß sich die Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 21/39 vom 3. November 1939 (a. a. O.) zur Begründung der Auffassung, es müsse ein wirtschaftlicher Zusammenhang gerade mit den speziellen laufenden Betriebseinnahmen bestehen, auf die Urteilsgründe der Entscheidung des Reichsfinanzhofs vom 6. Oktober 1938 beruft. Das Urteil des Reichsfinanzhofs III 21/39 vermag somit nicht die von der Bfin. vorgetragene Auffassung zu stützen, da es auf nicht zutreffender, irrtümlicher Auslegung eines früheren Urteils beruht.

Die von der Bfin. angeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs spricht somit bei richtiger Würdigung nicht gegen, sondern für die Auffassung des Senats, daß nämlich sämtliche laufenden Betriebsausgaben in bezug auf das Umlaufvermögen in der Zeit vom 30. Juni bis 31. Dezember die vom Rohvermögen abzuziehenden laufenden Betriebseinnahmen mindern.

Als letzter Punkt steht zur Erörterung, ob der abzuziehende überschuß am Stichtage (1. Januar) noch vorhanden sein muß.

In § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG ist diese Frage nicht geregelt. Nach Abschn. 94 VStR 1953/1957 kommt es für den Abzug des Einnahmeüberschusses lediglich darauf an, daß die laufenden Betriebseinnahmen die laufenden Betriebsausgaben überstiegen haben; es sei nicht erforderlich, daß der überschuß am Veranlagungszeitpunkte in Werten irgendwelcher Art noch vorhanden sei. Diesen Standpunkt vertrat bisher auch die Rechtsprechung (siehe VStR 1953/1957 unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 115/55 S vom 7. Oktober 1955, a. a. O.). Nach den Ausführungen dieser Entscheidung gebe der Wortlaut des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG trotz sonstiger Bedenken keine Möglichkeit, wegen Nichtvorhandenseins des überschusses den Abzug zu versagen; die entsprechende Handhabung ermögliche zudem eine einfache Gestaltung des Abzuges. Einen ähnlichen Standpunkt nahm bereits das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. Dezember 1928 (a. a. O.) ein, mit dem Hinweis, Wort und Sinn der gesetzlichen Bestimmung gäben keinen Anlaß, "daß die Abzugsfähigkeit der Betriebseinnahmen irgendwie durch den Zweck bedingt sei, zu dem sie verwendet worden" seien.

Der Senat hält diese Rechtsprechung nicht aufrecht. Der Wortlaut des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG schreibt die bisherige Auslegung nicht vor, sondern läßt die Frage offen. Eine möglichst einfache Durchführung des Abzuges rechtfertigt nicht eine, sich aus dem Gesetz nicht ergebende Handhabung. Da die Einzelvorschrift keine spezielle Regelung enthält, ist auf den für das Bewertungsrecht maßgebenden Grundsatz der Stichtagsbewertung zurückzugreifen. Danach ist Voraussetzung für den Ansatz von Vermögenswerten und für den Abzug von Schulden und Lasten, daß sie in dem für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgebenden Zeitpunkt bestanden haben. Dieser Grundsatz gilt auch bei Auslegung des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG. Bei einer anderen Beurteilung würde der Abzug des Einnahmeüberschusses den Charakter eines Freibetrages annehmen. Diese Auslegung findet in der durch das Gesetz zur änderung des Bewertungsgesetzes vom 10. August 1963 (BGBl 1963 I S. 676) erfolgten Neufassung des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG seine Bestätigung. Es wird nur gesetzlich festgelegt, was sich aus der Systematik des Bewertungsrechtes ohnehin ergibt.

Unter Aufhebung der Vorentscheidung erfolgt Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht, das nunmehr die Vermögensteuerveranlagung der Bfin. auf den 1. Januar 1954 unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen durchzuführen hat. Zu beachten ist selbstverständlich, daß nur Einnahmen und Ausgaben umlaufender Betriebsmittel, nicht aber solche, die das Anlagevermögen betreffen, zur Verrechnung stehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410944

BStBl III 1963, 554

BFHE 1964, 636

BFHE 77, 636

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