Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Handelsrecht Gesellschaftsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Streit um das Konkursvorrecht einer Steuerforderung nach § 61 Nr. 2 KO fällt in die Zuständigkeit der Finanzbehörden und Steuergerichte.

 

Normenkette

AO § 226a; KO § 61 Nr. 2

 

Tatbestand

über das Vermögen des Gemeinschuldners ist im Jahre 1952 das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Konkursverwalter hat die vom Finanzamt zur Konkurstabelle angemeldeten Steuerforderungen sowohl hinsichtlich der Höhe als auch hinsichtlich des geltend gemachten Vorrechtes (ß 61 Nr. 2 der Konkursordnung - KO -) bestritten. Zwecks Feststellung der bestrittenen Forderungen gemäß § 146 Abs. 5 KO hat das Finanzamt daraufhin gegen den Konkursverwalter einen Feststellungsbescheid erlassen, in dem es zugleich die Einkommensteuer-Restschuld (Abschlußzahlung) für 1950 als bevorrechtigt nach § 61 Nr. 2 KO festgestellt hat.

Im Rechtsmittelverfahren hat sich der Konkursverwalter wiederum gegen die Höhe der Steuerforderungen sowie gegen das Konkursvorrecht gewandt, für dessen Feststellung er im übrigen die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte geltend gemacht hat. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat den Feststellungsbescheid, soweit in ihm über das Konkursvorrecht der Abschlußzahlung für 1950 entschieden worden ist, ersatzlos aufgehoben. Die Konkursvorrechtsfrage sei keine Steuersache im Sinne des § 242 der Reichsabgabenordnung (AO), für die der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen sei. Wenn der Gesetzgeber eine solche Auslegung des § 242 AO gewollt hätte, so hätte es einer ausdrücklichen Bestimmung bedurft. Dies sei auch durch das Urteil des Bundesgerichtshofs III ZR 181/54 vom 28. November 1955 (veröffentlicht in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 19 S. 163 und im Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 I S. 381) festgestellt worden, auf dessen Begründung verwiesen werde.

Der Vorsteher des Finanzamts hat hiergegen Rechtsbeschwerde eingelegt und zur Begründung auf den Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 8. Juli 1955 (Neue Juristische Wochenschrift 1955 S. 1640) sowie auf das neuere Schrifttum hingewiesen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei in sich widerspruchsvoll. Wie der Bundesgerichtshof in seinen in der Neuen Juristischen Wochenschrift 1954 S. 31 und S. 1083 veröffentlichten früheren Entscheidungen selbst anerkenne, hafte das Konkursvorrecht des § 61 Nr. 2 KO der Forderung selbst an und stelle lediglich eine Eigenschaft derselben dar. Zudem habe der Bundesgerichtshof in der erstgenannten Entscheidung ausgeführt, daß das Konkursvorrecht einer öffentlich-rechtlichen Forderung öffentlich-rechtlicher Natur sei. Dann müsse aber die Zulässigkeit des Rechtsweges nach § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes verneint werden, weil § 242 AO ihn ausschließe. Bei dem Streit über das Vorrecht sei über Merkmale des steuerrechtlichen Tatbestandes zu entscheiden. Die Entscheidung hänge ausschließlich davon ab, ob der Steueranspruch im letzten Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden sei. Es liege deshalb mangels entgegenstehender gesetzlicher Regelung kein Grund vor, bei dem einheitlichen Sachverhalt für die Entscheidung über das Vorrecht die ordentlichen Gerichte für zuständig zu halten, im übrigen aber bezüglich der Höhe der Forderung die Entscheidung den Rechtsmittelinstanzen des Finanzrechtsweges zu überlassen. Abgesehen von der Rechtslage erfordere aber auch der Gesichtspunkt der Prozeßökonomie in solchen Fällen die einheitliche Entscheidung im Finanzrechtsweg.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Die Entscheidung der Frage, ob ein Streit über das Vorrecht einer Steuerforderung nach § 61 Nr. 2 KO in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte oder der Finanzbehörden und Steuergerichte fällt, hängt davon ab, ob hierin eine Steuersache im Sinne des § 242 AO zu erblicken ist. Der Reichsfinanzhof (Slg. Bd. 20 S. 240) und das Reichsgericht (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 116 S. 368) haben übereinstimmend die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte angenommen. Hierbei war die überlegung maßgebend, daß die in § 61 KO getroffene Regelung der Konkurrenz der Konkursgläubiger untereinander durch Aufstellung einer bestimmten Rangordnung ihre Grundlage im Bereiche des dem bürgerlichen Recht zugehörigen Konkursrechtes habe. Daher sei auch das Vorrecht der Steuerforderungen als Anspruch aus dem materiellen Konkursrecht und nicht aus dem materiellen Steuerrecht oder dem Steuerverfahrensrecht anzusehen. Diese Auffassung ist von einem Teil des Schrifttums bekämpft worden (vgl. insbesondere Jaeger, Kommentar zur Konkursordnung, 6. und 7. Aufl., Anm. 16 zu § 146).

Der Bundesgerichtshof ist in den in der Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidungen (Neue Juristische Wochenschrift 1954 S. 31 und S. 1038) zu dem gleichen Ergebnis wie der Reichsfinanzhof und das Reichsgericht gekommen, jedoch mit anderer Begründung. Er hat anerkannt, daß das Konkursvorrecht des § 61 Nr. 2 KO der Forderung selbst anhafte, also nur eine Eigenschaft derselben darstelle, und daß es somit bei einer öffentlich-rechtlichen Forderung öffentlich-rechtlicher Natur sei. Er hat deshalb auch eingeräumt, daß gegen die bisherige Auffassung Bedenken erhoben werden könnten, diesen jedoch folgende überlegung gegenübergestellt: Die AO habe in solchen Fällen, in denen bei Durchsetzung von Steueransprüchen gewisse Kollisionen mit unbeteiligten dritten Personen eingetreten seien, den sich hieraus ergebenden Streitigkeiten ausdrücklich nichtsteuerlichen Charakter beigemessen und sie der Entscheidung der ordentlichen Gerichte zugewiesen, so in den §§ 328, 346 und 370. Daraus sei der Schluß gerechtfertigt, daß derartige Streitigkeiten jedenfalls im Bereich der AO allgemein im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit entschieden werden sollten. Gegen diese Auffassung hat sich mit eingehenden Ausführungen, denen der Senat beitritt, Schwarz in Neue Juristische Wochenschrift 1954 S. 1867 und in Deutsche Steuer-Rundschau 1955 S. 25 gewandt. Bei den angeführten Bestimmungen der AO handelt es sich im übrigen um Sondervorschriften, aus denen kein allgemeiner Grundsatz abgeleitet werden kann.

Stellt daher das Konkursvorrecht, wie der Senat in übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof annimmt, eine der Steuerforderung innewohnende Eigenschaft dar, so müssen die Bedenken gegen die frühere Auffassung durchgreifen, d. h. es kann die Feststellung des Vorrechtes nicht von der Feststellung der Steuerforderung selbst getrennt werden; sie ist somit eine Steuersache im Sinne des § 242 AO. Dazu kommt, daß das Vorrecht allein von der Fälligkeit der Steuerforderung abhängt. Die Frage der Fälligkeit einer Steuerforderung ist aber ausschließlich in den einzelnen Steuergesetzen und in der AO geregelt.

In dem vom Finanzgericht angeführten Urteil vom 28. November 1955 hat der Bundesgerichtshof, ohne weitere Ausführungen zu machen, nur auf seine früheren Entscheidungen sowie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 26/52 S vom 6. März 1953 (Slg. Bd. 57 S. 282, BStBl 1953 III S. 111) Bezug genommen. In diesem Urteil handelt es sich jedoch um die Frage der Anmeldbarkeit einer Steuerforderung in Konkurs und nicht um die Geltendmachung des Konkursvorrechtes. Das Urteil erwähnt lediglich die oben angeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Reichsgerichts zu der letzteren Frage mit dem Hinweis auf die Umstrittenheit der genannten Entscheidungen. Es enthält sich aber einer Stellungnahme hierzu, die im Hinblick auf die anders gelagerte Streitfrage auch nicht erforderlich war. Da das Urteil von den betreffenden Ausführungen nicht getragen wird, kommt auch die Anrufung des Großen Senats nicht in Betracht.

Der erkennende Senat tritt hiernach der Auffassung der Rechtsbeschwerde bei, für die im übrigen auch Gründe der Zweckmäßigkeit und der Prozeßökonomie sprechen. Die gleiche Ansicht wird, abgesehen von dem Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 8. Juli 1955, neuerdings auch vom Finanzgericht Hamburg in seinem rechtskräftigen Beschluß IV 222/56 H vom 31. Juli 1957 (Deutsche Steuer-Zeitung - Eildienst - 1957 S. 546) vertreten, auf dessen ausführliche Begründung Bezug genommen wird. Das Finanzamt war sonach zur Feststellung des Konkursvorrechtes der Einkommensteuerabschlußzahlung 1950 zuständig. Das Vorrecht dieser Forderung ist auch als bestehend anzuerkennen. Die Einkommensteuer-Veranlagung 1950 ist zwar erst nach der Konkurseröffnung durchgeführt worden, so daß die Einkommensteuerabschlußzahlung auch erst nach diesem Zeitpunkt fällig geworden ist. Die Abschlußzahlungsschuld ist jedoch nach § 3 Abs. 5 Ziff. 1 c des Steueranpassungsgesetzes mit Ablauf des Jahres 1950 entstanden und gilt daher als betagte Forderung gemäß § 65 KO im Zeitpunkt der Konkurseröffnung als fällig geworden: damit genießt sie das Vorrecht des § 61 Nr. 2 KO (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs III ZR 236/55 vom 29. April 1957, Deutsche Steuer-Rundschau 1957 S. 299).

 

Fundstellen

Haufe-Index 409038

BStBl III 1958, 201

BFHE 1958, 527

BFHE 66, 527

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