Leitsatz (amtlich)

1. Enthalten Pensionszusagen keine Vorbehalte, so ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf Stichtage vor dem 1. Januar 1960 statt des sonst vorzunehmenden Abschlages von 75 v. H. vom Barwert der Pensionsverpflichtung der Abschlag nur mit 50 v. H. zu bemessen.

2. Zur Ernsthaftigkeit von Pensionszusagen, die Gesellschafter-Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften erteilt sind.

2. Ein nach § 100 Abs. 1 AO für vorläufig erklärter Steuerbescheid ist nur dann hinsichtlich einzelner Punkte beschränkt vorläufig, wenn das in dem Vorläufigkeitsvermerk selbst eindeutig zum Ausdruck kommt.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewG 1965 § 62 Abs. 2; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewG 1965 § 62 a; BewV-Pensionsrückstellungen § 4; AO § 100 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Einheitswerte des Betriebsvermögens der Steuerpflichtigen auf die Stichtage 1. Januar 1951, 1. Januar 1953 und 1. Januar 1954.

Das FA stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens der Steuerpflichtigen, einer GmbH, zum 1. Januar 1951 fest. Der Bescheid ist überschrieben mit „Vorläufige Wertfortschreibung 1.1.1951”. Er enthielt folgende Erläuterung:

„Die Veranlagung ist vorläufig mit Rücksicht auf den noch ausstehenden Wert gem. § 33a BewDV für den Wiederaufbau…. Es ist zunächst ein Wert von … angenommen worden. Nicht abzugsfähig sind Steuern, soweit sie für einen Zeitraum erhoben werden, der im Abschlußzeitpunkt nicht geendet hat.”

Das FA stellte später die Einheitswerte des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1953 und zum 1. Januar 1954 fest. Alle Bescheide sind unanfechtbar geworden. Das FA berichtigte im Anschluß an eine Betriebsprüfung die genannten Bescheide nach § 222 AO. Es erhöhte die Einheitswerte des Betriebsvermögens für alle drei Stichtage, weil u. a. die Teilwerte für Maschinen bisher zu niedrig angesetzt gewesen seien.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage begehrte die Steuerpflichtige, die Einheitswerte für die genannten Stichtage herabzusetzen. Die Teilwerte für die Maschinen seien zu mindern. Außerdem seien auf alle Stichtage 75 v. H. des Ausgangswerts von den drei Gesellschafter-Geschäftsführern gegebenen Pensionsanwartschaften als Rückstellung zu berücksichtigen. Schließlich sei die infolge der Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO erhöhte KGA abzuziehen.

Das FA erkannte an, daß die Teilwerte der Maschinen um bestimmte Beträge zu mindern seien. Die Rückstellungen für Pensionsanwartschaften erkannte es dem Grunde nach ebenfalls an. Es hielt jedoch einen Abschlag für erforderlich, und zwar von 75 v. H. des Ausgangswerts, soweit Vorbehalte gemacht seien, und von 50 v. H. des Ausgangswerts, soweit keine Vorbehalte bestünden. Die Mehrbeträge der KGA-Schulden seien zu berücksichtigen, ebenso die betrieblichen Mehrsteuern, die jedoch noch eine Veränderung durch das Rechtsmittel erfahren könnten, das die Steuerpflichtige insoweit noch führe.

Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Zulässigkeit der Klage richte sich gemäß § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO nach den bis zum Inkrafttreten der FGO geltenden Vorschriften. Die Berichtigungsbescheide seien deshalb nach § 234 AO a. F. nur insoweit anfechtbar, als die Änderung reiche, zumal neue Tatsachen, die nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO eine niedrigere Feststellung des Einheitswerts rechtfertigten, nicht festgestellt worden seien. Durch die Klage könnten allenfalls die durch die Berichtigungen entstandenen Erhöhungsbeträge beseitigt werden. Zutreffend habe das FA bereits für alle streitigen Stichtage bestimmte Minderungsbeträge anerkannt.

Für den 1. Januar 1951 übersteige der vom FA anerkannte Betrag die Erhöhung des Einheitswerts durch die Berichtigung. Nach § 234 AO a. F. komme nur eine Herabsetzung um den Erhöhungsbetrag in Frage. Deshalb erübrige es sich, für den Stichtag 1. Januar 1951 auf die weiteren Einwendungen der Steuerpflichtigen einzugehen. Dem stehe nicht die Vorläufigkeit des ursprünglichen Einheitswertbescheids zum 1. Januar 1951 entgegen; denn es handle sich insoweit, wie die wörtlich wiedergegebenen Erläuterungen in jenem Bescheid ergäben, nur um eine teilweise Vorläufigkeit.

Was die weiteren Stichtage betreffe, verblieben nach Abzug von den vom FA anerkannten Minderungsbeträgen noch offene Erhöhungsbeträge. Diese würden durch die zutreffend geltend gemachte Rückstellung für Pensionsanwartschaften aufgezehrt. Denn vom Barwert der Pensionsverpflichtungen sei nur wegen des unterschiedlichen Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. für die versicherungsmathematische Berechnung der Pensionsanwartschaften und von 5,5 v. H. für das Bewertungsrecht ein Abschlag von 25 v. H. statthaft. Der Umstand, daß nach dem Inhalt der von der Steuerpflichtigen gegebenen Zusage der Anspruch auf Ruhegehaltszahlung nur entfällt, „wenn der Berechtigte nach Eintritt in den Ruhestand in ein Konkurrenzunternehmen eintritt oder sich sonstwie in Konkurrenzfirmen betätigt”, rechtfertige keinen höheren Abschlag. Wegen § 234 AO a. F. dürften die ursprünglich festgestellten Einheitswerte zum 1. Januar 1953 und zum 1. Januar 1954 nicht unterschritten werden, so daß sich die an sich abziehbare Pensionsrückstellung an beiden Stichtagen nicht voll auswirken könne.

Sowohl das FA als auch die Steuerpflichtige legten gegen die Vorentscheidung Revision ein.

Das FA begründet seine Revision, die sich nur auf die Stichtage 1. Januar 1953 und 1. Januar 1954 bezieht, damit, daß nach dem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen S 3202-23189/V C-1 vom 27. Oktober 1958 (BStBl II 1958, 161) ein Globalabschlag von 75 v. H. vom Ausgangswert vorzunehmen sei. Nur wenn die Zusage ohne jeden Vorbehalt erteilt sei, reiche ein Abschlag von 50 v. H. aus.

Die Steuerpflichtige greift mit der Revision dagegen nur die Entscheidung des FG an, soweit sie den Stichtag 1. Januar 1951 betrifft. Sie trägt vor, der ursprüngliche Einheitswertbescheid auf den genannten Stichtag sei in vollem Umfang vorläufig gewesen. Eine Teilvorläufigkeit könne nur angenommen werden, wenn sie aus dem Bescheid klar hervorgehe. Sei aber der ursprüngliche Bescheid in vollem Umfange vorläufig gewesen, so könne mit dem neuen Bescheid die Einheitswertfeststellung im ursprünglichen Bescheid über die Grenze des § 234 AO a. F. hinaus geändert werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Auf die Revisionen wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Streitsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

1. Die Revision des FA ist begründet.

Thema:

In dem beigefügten Urteil III 209/65 hat der Senat allerdings nicht zu entscheiden brauchen, welcher Abschlag anzusetzen ist, wenn – wie es nach dem FG-Urteil im Streitfall für den einen Pensionsvertrag zutreffen soll – kein Vorbehalt gemacht wurde. Auch im Urteil III 255/56 S vom 24. Januar 1958 (BFH 66, 376, BStBl III 1958, 146), in dem der Senat den Abschlag von 75 v. H. ausführlich begründet hat, setzte er keinen bestimmten Vomhundertsatz für Vorbehalte an. In diesem Urteil deutete der Senat lediglich an, er habe in der mündlichen Verhandlung eines gleichliegenden Falles (III 87/56) auf die Frage des Vertreters des Steuerpflichtigen die Auskunft erteilt, wegen der Vorbehalte bei Pensionszusagen könne etwa ein Abschlag von 25 v. H. angenommen werden. In den Urteilsgründen dieses gleichliegenden Falles hat der Senat sich jedoch nicht auf einen bestimmten Vomhundertsatz für Vorbehalte festgelegt. Lediglich in dem nicht amtlich veröffentlichten Urteil III 89/56 vom 24. Januar 1958 (Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK –, Bewertungsgesetz, § 62, Rechtsspruch 23) hat der Senat einen Abschlag von 50 v. H. für zutreffend gehalten, weil die Pensionszusage nicht an Vorbehalte geknüpft war.

Der Senat ist sich auch jetzt dessen bewußt, daß die einzelnen Umstände, die den Abschlag von 75 v. H. rechtfertigen, nicht genau aufgeschlüsselt werden können; denn der Gesamtabschlag von 75 v. H. ist keine rechnerisch ermittelte Größe. Der Senat hält es jedoch für vertretbar, beim Fehlen jeglicher Vorbehalte einen Abschlag vorzunehmen. Er hält im Wege der Schätzung, die mangels anderer Ermittlungsmöglichkeiten nicht zu vermeiden ist, einen Abschlag von 50 v. H. für gerechtfertigt. Dazu kommt er, weil dies im Urteil III 255/56 S bereits angedeutet und im Urteil III 89/56 ausgesprochen wurde, weil außerdem die Finanzverwaltung in dem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1958 (a. a. O.) unter I. Ziff. 6 Abs. 2 bei Fehlen von Vorbehalten einen Abschlag von 50 v. H. für ausreichend hielt und danach ständig verfahren ist und weil schließlich diese Regelung für die Stichtage 1. Januar 1960 und 1. Januar 1961 in § 4 der Verordnung über den Abzug von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens vom 15. August 1961 – BewV-Pensionsrückstellungen – (BGBl I 1961, 1295) aufgenommen wurde. Es erscheint dem Senat nicht sachgerecht, für die Übergangszeit bis zum 1. Januar 1960 einen anderen Abschlag, der auch immer nur einen Schätzwert darstellen könnte, zu machen. Ein abweichender Abschlag wäre insbesondere mit dem Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung schlecht zu vereinbaren, weil in der Mehrzahl der Fälle, die sich auf die hier streitigen Stichtage beziehen, nach den obigen Grundsätzen verfahren wurde.

Soweit in einer Pensionszusage der Steuerpflichtigen also kein Vorbehalt gemacht wurde, ist demnach ein Abschlag von 50 v. H. vom Ausgangswert gerechtfertigt. Ob allerdings im Streitfall in einem der Pensionsverträge jeglicher Vorbehalt fehlt, hat das FG, von seinem Standpunkt aus zu Recht, nicht geprüft. Es wird unter diesem Gesichtspunkt die Ziff. 3 des Dienst- und Anstellungsvertrags nochmals zu würdigen haben.

Die vorgenannten Abschlagsätze von 75 v. H. und 50 v. H. kommen freilich nur in Betracht, wenn aus den Pensionszusagen eine ernsthafte Verpflichtung der Steuerpflichtigen entstanden ist. Das könnte im Streitfall deshalb zweifelhaft sein, weil es sich bei den Anspruchsberechtigten um Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft handelt. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern von Einmann-Gesellschaften, Familiengesellschaften und bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern stellt die Rechtsprechung besondere Anforderungen an die Ernsthaftigkeit der Pensionsverpflichtung der Kapitalgesellschaft. Auf die Urteile des Senats III 358/61 U vom 30. März 1962 (BFH 74, 624, BStBl III 1962, 232 unter II.) und III 170/60 vom 2. Oktober 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 99 – HFR 1965, 99 –) wird verwiesen. Ebenso wird insoweit insbesondere auf die Urteile des I. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) I 193/62 S vom 15. Dezember 1965 (BFH 84, 557, BStBl III 1966, 202), I 30/64 vom 5. Juli 1966 (BFH 86, 609, BStBl III 1966, 604), I R 110/66 vom 30. November 1966 (BFH 87, 343, BStBl III 1967, 153) und I R 49/66 vom 11. Januar 1967 (BFH 87, 566, BStBl III 1967, 264) Bezug genommen.

2. Auch die Revision der Steuerpflichtigen ist begründet; denn der ursprüngliche Bescheid über die Einheitswertfeststellung zum 1. Januar 1951 ist in vollem Umfange vorläufig. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein vorläufiger Bescheid nur hinsichtlich einzelner Punkte beschränkt vorläufig, wenn das in dem Vorläufigkeitsvermerk selbst eindeutig zum Ausdruck gebracht worden ist (vgl. BFH-Urteile VI 129/63 U vom 13. November 1964, BFH 81, 563, BStBl III 1965, 203; VI R 199/66 vom 11. August 1967, BFH 90, 385, BStBl II 1968, 127). Der BFH hat in der angeführten Entscheidung VI 129/63 U einen Bescheid in vollem Umfang als vorläufig angesehen, obwohl nach den Erläuterungen zu diesem Bescheid Vorläufigkeit eintrat, „weil über die steuerliche Behandlung der brasilianischen Einküfte noch nicht entschieden ist”. Der „Weil”-Satz ergebe nur die Begründung für die Vorläufigkeit, schränke sie jedoch nicht ein. Auch der erkennende Senat hat im Urteil III 292/61 vom 22. Februar 1963 (HFR 1964, 24) ausgeführt, teilweise Vorläufigkeit sei nur anzunehmen, wenn dies aus dem Bescheid klar hervorgehe. Fehle eine eindeutig erkennbare Beschränkung der Vorläufigkeit, so sei die Steuerfestsetzung im ganzen vorläufig. Trotz der Erläuterung im Bescheid „Die Veranlagung ist vorläufig, weil evtl. eine Kriegsschadenermäßigung zu berücksichtigen ist …” nahm der Senat Vorläufigkeit in vollem Umfang an. Daran hält er fest. Auch im Streitfall ist deshalb die Vorläufigkeit der Veranlagung mit den oben wiedergegebenen Erläuterungen nur begründet, nicht aber eingeschränkt worden. Die Worte „mit Rücksicht auf” geben nur das Motiv für die Vorläufigkeit wieder. Der ursprüngliche Bescheid über die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1951 war deshalb in vollem Umfang vorläufig. Damit kann die Steuerpflichtige gegen den berichtigenden Bescheid auch alles vorbringen, was sie bereits gegen den unanfechtbar gewordenen vorläufigen Bescheid hätte einwenden können, jedoch nicht eingewandt hat.

3. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen rechtlichen Beurteilung beruht, ist deshalb auf die Revisionen des FA und der Steuerpflichtigen aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif; sie wird daher an das FG zurückverwiesen. Das FG wird bei der erneuten Entscheidung folgendes zu beachten haben:

Es hat, von seinem Standpunkt aus zu Recht, für den Stichtag 1. Januar 1951 nicht festgestellt, welcher versicherungsmathematische Ausgangswert für die Rückstellung für Pensionsanwartschaften in Betracht kommt. Für die weiteren Stichtage hat es zwar die unstreitigen Ausgangswerte festgehalten, jedoch nicht aufgeschlüsselt, ob und inwieweit sie auf Pensionsanwartschaften mit Vorbehalt und ohne Vorbehalt entfallen. Das FG hat ferner nicht dazu Stellung genommen, ob und in welchem Umfang die den Gesellschafter-Geschäftsführern erteilten Pensionszusagen im Streitfall zu ernstlichen Verpflichtungen der Steuerpflichtigen geführt haben. Das FG hat dabei das gesamte neue tatsächliche Vorbringen der Beteiligten, auch soweit es hier nicht behandelt wurde, zu berücksichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557488

BStBl II 1968, 710

BFHE 1968, 178

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