Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Verliert der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH durch eine Kapitalerhöhung seine Mehrheitsbeteiligung, so sind frühestens in der Bilanz des Jahres, in dem die Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen wird, die Grundsätze der Rechtsprechung des BFH über Pensionsrückstellungen für Anwartschaften von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern nicht mehr anzuwenden.

Bei der Bemessung von Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer kann jedoch die änderung der Beteiligungsverhältnisse nur berücksichtigt werden, wenn die Eintragung im Handelsregister spätestens im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung der OFD erfolgt ist.

Durch die endgültige oder vorläufige Veranlagung wird der Rechtsstreit über die Vorauszahlungen nicht erledigt (BFH-Urteil IV 9/64 vom 14. Januar 1965, HFR 1965 S. 334).

 

Normenkette

KStG §§ 6, 20; EStG §§ 5, 6a, 35; GmbHG §§ 57, 54/3

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -), eine GmbH, versprach am 8. Oktober 1952 schriftlich ihrem Gesellschafter- Geschäftsführer, der an der GmbH zu 80 v. H. beteiligt war, eine Pension von 600 DM monatlich für den Fall, daß er in den Diensten der GmbH das 65. Lebensjahr vollendet oder daß er dauernd arbeitsunfähig wird und zu diesem Zeitpunkt noch im Dienst der GmbH steht. Nach dem Tod des Gesellschafter-Geschäftsführers erhält seine Witwe die Hälfte der Pension.

Am 12. Dezember 1960 beschloß die Gesellschafterversammlung der Stpfl., das Stammkapital der Gesellschaft von 20 000 DM auf 32 000 DM zu erhöhen. Die neuen Geschäftsanteile übernahmen der Sohn und die minderjährige Tochter des Gesellschafter-Geschäftsführers je zur Hälfte, so daß nach Durchführung der Kapitalerhöhung die folgenden Personen an der Gesellschaft beteiligt waren:

der Gesellschafter-Geschäftsführer mit 16 000 DM sein Sohn - - - - - - - - - - - - mit 6.000 DM seine Tochter - - - - - - - - - - mit 6.000 DM eine Angestellte - - - - - - - - - mit 4.000 DM.Gleichzeitig erhielt § 6 des Gesellschaftsvertrags folgende Fassung:

Zum Geschäftsführer wird Herr X. (der bisherige Geschäftsführer) bestellt. Zum Prokuristen wird Herr Y. sein Sohn) bestellt.

Der zum Geschäftsführer bestellte Herr X. ist zum Ende des Geschäftsjahres, das der Vollendung seines 65. Lebensjahres folgt, unwiderruflich als Geschäftsführer abzuberufen. Als neue Geschäftsführer sind dann die neu eintretenden Gesellschafter, nämlich

Herr Y. 2. Fräulein Z. zu bestellen.

Die Erschienenen zu 1) bis 3) verpflichten sich hiermit unwiderruflich, alle Erklärungen abzugeben, die zur Durchführung des § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags erforderlich sind".

Der Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -) setzte im November 1959 durch besonderen Bescheid die Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer für das vierte Vierteljahr 1959 und für das Jahr 1960 fest. Das FA ging dabei von dem Jahresergebnis 1958 aus, ließ dabei aber eine Zuführung von 11 165 DM zur Pensionsrückstellung für die Anwartschaft des Gesellschafter- Geschäftsführers nicht zu.

Beschwerde und Berufung blieben ohne Erfolg. Während des Berufungsverfahrens wurden die Körperschaftsteuerveranlagungen 1959 bis 1961 vorläufig durchgeführt. Gleichwohl hat das Finanzgericht (FG) die Auffassung vertreten, der gegenwärtige Rechtsstreit über die Vorauszahlungen sei nicht erledigt, da das rechtliche Interesse an einer Entscheidung in der Hauptsache auch nach Durchführung der vorläufigen Veranlagung fortbestehe.

In der Sache selbst hat sich das FG auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) berufen, nach der Pensionsrückstellungen für Gesellschafter-Geschäftsführer von Einmann-Gesellschaften oder von Gesellschaften, die zu mehr als 50 v. H. vom Gesellschafter- Geschäftsführer allein oder zusammen mit seinen von ihm abhängigen Familienangehörigen beherrscht würden, nur zulässig seien, wenn nach den Erfahrungen des Lebens ernsthaft damit gerechnet werden könne, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer tatsächlich in den Ruhestand treten werde. Diesen Nachweis habe die Stpfl. nicht erbracht.

Mit der Rb. - Revision - rügt die Stpfl. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und trägt außerdem folgenden neuen Sachverhalt vor: Sie, die Stpfl., habe ihre Geschäftsgrundlage verloren und beschränke sich seit dem 1. Januar 1963 auf die Verwaltung ihres Vermögens. Ihr Gesellschafter-Geschäftsführer sei mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an in die Dienste einer anderen GmbH getreten, für die sie bisher die Großhandelsgeschäfte wahrgenommen habe. Von dieser Firma beziehe er nunmehr sein Gehalt, diese Firma habe auch die Pensionsverpflichtung übernommen und dafür das erforderliche Deckungskapital in bar erhalten. Deutlicher könne die Ernsthaftigkeit einer Pensionszusage nicht bewiesen werden.

Die Stpfl. beantragt, die Vorentscheidung und die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Verfahrensrechtlich tritt der Senat der Auffassung des FG bei, daß die vorläufigen Körperschaftsteuerveranlagungen für 1959 und 1960 den Rechtsstreit über die Vorauszahlungen für diese Jahre nicht erledigt haben. Wie der BFH in dem Urteil IV 9/64 vom 14. Januar 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (HFR) 1965 S. 334, ausführlich dargelegt hat, fällt das rechtlich geschützte Interesse eines Steuerpflichtigen an der Feststellung, daß er durch die Entscheidungen der Verwaltung über Vorauszahlungen in seinen Rechten verletzt werde (§ 40 Abs. 2 FGO), nicht dadurch weg, daß inzwischen die Veranlagung durchgeführt worden ist. Dies gilt erst recht, wenn die Veranlagung nur vorläufig erfolgt.

In der Sache selbst ergibt die rechtliche Würdigung, daß die streitigen Pensionsrückstellungen jedenfalls in der begehrten Höhe bei der Bemessung der Vorauszahlungen nicht berücksichtigt werden durften. In ständiger Rechtsprechung hat der BFH entschieden, daß Rückstellungen für Pensionszusagen zugunsten eines Gesellschafter- Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft, der zu mehr als 50 v. H. an der Gesellschaft beteiligt ist, nur dann anzuerkennen sind, wenn nachgewiesen wird, daß die Gesellschaft ernstlich mit einer Inanspruchnahme aus der Pensionszusage rechnen muß. An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, da der Gesellschafter-Geschäftsführer infolge seiner beherrschenden Stellung die Zusage jederzeit rückgängig machen oder aber seinen Entschluß durchsetzen kann, über den vorgesehenen Tag des Ausscheidens hinaus als Geschäftsführer tätig zu sein (Urteil des BFH I 193/62 S vom 15. Dezember 1965, BStBl III 1966, 202, mit Angaben über die bisherige Rechtsprechung). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Rechtsprechung gebilligt (Beschluß 1 BvR 488/62 vom 11. November 1964, HFR 1965 Nr. 77 S. 92).

Die Stpfl. hat, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, nicht nachweisen können, daß sie aus der Pensionszusage, die sie ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer erteilt hat, zum vorgesehenen Zeitpunkt tatsächlich in Anspruch genommen werden wird. Der Hinweis auf die nervlichen und seelischen Belastungen zweier Weltkriege, der Inflation und der Zeit nach 1945, die die Generation des Gesellschafter-Geschäftsführers hinter sich habe, genügt dazu ebensowenig wie der Umstand, daß der Sohn des Gesellschafter-Geschäftsführers bereits auf seine künftige Stellung als Geschäftsführer vorbereitet werde. Soweit die Stpfl. in diesem Zusammenhang auf neu eingetretene Tatsachen hinweist, können diese im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zutreffend hat das FG auch der am 12. Dezember 1960 beschlossenen änderung des Gesellschaftsvertrags eine Auswirkung auf die Höhe der Vorauszahlungen für 1959 und 1960 versagt. Durch die Kapitalerhöhung und die übernahme der neuen Geschäftsanteile durch die Kinder des Gesellschafter-Geschäftsführers hat dieser seine Mehrheitsbeteiligung verloren. Damit ist die Grundlage für die Anwendung der Rechtsprechung des BFH über Pensionsrückstellungen für Anwartschaften von beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführern weggefallen. Denn ein Gesellschafter- Geschäftsführer, dessen Anteile an der Gesellschaft 50 v. H. nicht übersteigen, kann gegen den Willen der übrigen Gesellschafter keine änderung der Bestimmungen des Pensionsvertrags erreichen, er kann ferner zur Einhaltung dieser Bestimmungen rechtlich gezwungen werden (vgl. §§ 47, 46 Nr. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Für den umgekehrten Fall, daß ein bisher unwesentlich beteiligter Gesellschafter durch den Erwerb zusätzlicher Anteile zum wesentlich beteiligten Gesellschafter wird, hat der BFH bereits entschieden, daß von diesem Zeitpunkt an die Grundsätze über die Behandlung von Pensionszusagen an beherrschende Gesellschafter- Geschäftsführer Anwendung finden (Urteil I 176/61 U vom 18. September 1962, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 76 S. 276 - BFH 76, 276 -, BStBl III 1963, 98).

Im Streitfall wurde darüber hinaus die Bestellung des bisherigen Mehrheitsgesellschafters zum Geschäftsführer auf die Zeit bis zum Ende des Geschäftsjahres, das der Vollendung des 65. Lebensjahres folgt, beschränkt. Mit einer Beteiligung von nunmehr 50 v. H. kann der Gesellschafter-Geschäftsführer diese Bestimmung des Gesellschaftsvertrags nicht mehr ändern (§§ 47, 53 GmbHG). Die Stimmen seiner beiden in die Gesellschaft aufgenommenen Kinder können ihm schon deshalb nicht zugerechnet werden, weil keine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß die Kinder ein Interesse ihres Vaters, über den festgesetzten Zeitpunkt hinaus als Geschäftsführer tätig zu sein, teilen werden.

Zeitlich trat der Wegfall der strengen Voraussetzungen für Pensionsrückstellungen zugunsten von Gesellschafter- Geschäftsführern erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister ein. Denn vorher hatte der Beschluß über die Erhöhung des Stammkapitals keine rechtliche Wirkung (§§ 57, 54 Abs. 3 GmbHG). Dies würde, wenn der Senat über die Veranlagungsbescheide zu entscheiden hätte, bedeuten, daß die geschilderte steuerliche Auswirkung der Kapitalerhöhung und damit der änderung der Beteiligungsverhältnisse auf die Frage der Zulässigkeit der Pensionsrückstellungen frühestens in der Bilanz des Jahres zu berücksichtigen wäre, in dem die Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen wurde. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreit ist aber der Bescheid über die Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer (§ 35 EStG, § 20 KStG, § 15 Ziff. 1 KStDV). Ob dieser rechtswidrig ist, muß, da es sich um eine Ermessensentscheidung handelt (§ 35 Abs. 2 Satz 2 EStG), nach den zur Zeit der Beschwerdeentscheidung bekannten Tatsachen beurteilt werden (BFH-Urteil IV 9/64, a. a. O.). Die Beschwerdeentscheidung der OFD stammt vom 5. April 1960. In diesem Zeitpunkt waren noch nicht einmal die Beschlüsse über die Kapitalerhöhung und die sonstigen damit zusammenhängenden änderungen des Gesellschaftsvertrags gefaßt. Diese müssen daher bei der rechtlichen Beurteilung des Vorauszahlungsbescheides außer Betracht bleiben.

Gleichwohl leidet dieser Bescheid an einem rechtlichen Mangel. Wie der Senat in dem Urteil I 193/62 S inzwischen entschieden hat, kann eine GmbH eine Rückstellung bilden, wenn sie ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Rente für den Fall der Arbeitsunfähigkeit versprochen hat. Bei Berechnung der Höhe der Rückstellung ist unter Anwendung der Berechnungsgrundlage des § 6 a EStG davon auszugehen, daß die Invalidität mit der Vollendung des 75. Lebensjahres eintritt. Nach den Grundsätzen dieses Urteils können auch im Streitfall Rückstellungen für die Pensionszusagen der Stpfl. zugunsten ihres Gesellschafter- Geschäftsführers in den Jahren 1958, 1959 und 1960 mit Wirkung für den Vorauszahlungsbescheid gebildet werden, wenn spätestens im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung der OFD schädliche Vorbehalte nicht mehr vorhanden waren, eine Frage, die das FG bisher nicht abschließend geprüft hat und von seinem Standpunkt aus auch nicht zu prüfen brauchte.

Die Sache geht daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Ziff. 2 FGO). Die übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412181

BStBl III 1966, 605

BFHE 1966, 646

BFHE 86, 646

BB 1966, 1218

DB 1966, 1712

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